Wo sitzt die seele des menschen

In jedem Menschen ist eine Macht verborgen, die den Kern seines inneren Wesens ausmacht. Wer mit seiner Seele in Berührung kommt, spürt eine starke Kraft und meistert auch schwierige Lebenssituationen.

Aristoteles bezeichnete die Psyche als Seelenkraft, die Vorstellungen erzeugt und denken kann. Doch was ist die Seele wirklich? Ist sie die Essenz des Lebens oder ein biologischer Code, der im Körper angelegt ist? Warum werden Menschen krank, ohne dass eine organische Ursache vorliegt? Warum schlagen uns unangenehme Dinge auf den Magen? Wo sitzt die Seele und wohin geht sie nach dem Tode?

Wo sitzt die seele des menschen

Haben wir eine Seele?

Aus religiöser, philosophischer und psychologischer Sicht hat der Begriff Seele viele Bedeutungen. In der heutigen Zeit bezeichnet das Seelenwesen die Gesamtheit der Gefühle und der geistigen Prozesse. Die Seele wird oft als gleichbedeutend mit der Psyche gesehen. Häufig ist das Seelische auch als durch den Geist aufgelöste Materie dargestellt, die in ihrer Urform mit dem Geistigen vereint ins Jenseits übergeht. Die Seele gilt in vielen Kulturen als Essenz des Lebens, das Ich oder das Selbst. Was ist die Seele genau? Ein Hirngespinst? Doch woher kommt die Sehnsucht nach etwas Höherem?

Ob aus religiöser oder psychologischer Sicht - Seelen besitzen bestimmte Seelenkennzeichen:

  • sensibel, verletzlich
  • nicht körperlich, unsterblich
  • individuell geprägt
  • von höherer Natur

Wo im Körper wohnt die Seele?

Der Hirnforscher Gerhardt Roth ist einer der führenden Neurobiologen und bezeichnet die Psyche eines jeden Menschen als einmalig. Nach Aussage von Roth wohnt die Seele im limbischen System. Die vielfältigen Funktionen im Gehirn erzeugen demnach die Psyche. Die Seele hat nach Auffassung des Biologen nicht unbedingt etwas mit dem Religiösen zu tun, sondern ist das Ganze der Gedanken, Gefühlswelten und Wahrnehmungen. Sie ist weit mehr als der Geist. Seit rund 50 Jahren weiß man, dass die Funktionen der Seele mit den Mechanismen des Gehirns in Verbindung stehen.

Wo sitzt die seele des menschen

Kann man das Seelenwesen spüren?

Wenn Sie mit Ihrem Seelenwesen in Kontakt kommen möchten, ist es wichtig, Ihre Intuition zu stärken. Je empfänglicher Sie für die inneren Schwingungen sind, desto deutlicher nehmen Sie Ihr Bauchgefühl wahr. Die Meditation ist eine optimale Methode, um Ihre Seele zu spüren. Kommen Inspirationen von Ihrem höheren Selbst, erhalten Sie klärende Informationen und erkennen schneller, ob Ideen oder Gedanken Sie auf den richtigen oder falschen Weg führen.

Wohin geht die Seele nach dem Tode?

Menschen, die an die Unsterblichkeit der Seele glauben, sind überzeugt, dass die Seele nach dem Sterben den Körper verlässt und fortlebt. Oft werden die Seelenteile, die aus dem Körper austreten als nebelartige Dunstmasse beschrieben, die sich zu einem Seelenkörper formen. Der französische Forscher Dr. med. Baraduc hat 1908 seinen Sohn nach dessen Tod fotografiert. Auf dem Foto ist eine Nebelschicht erkennbar, die beim Aussteigen aus dem Körper eine Gestalt bildet. Oft wird der Übergang der Seele ins Jenseits so beschrieben, dass jeder Mensch mit seinem Erdenleben konfrontiert wird, indem er seinen eigenen Lebensfilm beobachtet. Gute Seelen leben fortan im Himmel, schlechte Seelen durchwandern eine Art Hölle, um zu erkennen, welche Aufgaben sie nicht erfüllt haben. Doch jede Seele soll einen geistigen Lehrer an ihrer Seite haben, der sie auf den Weg des Guten führt.

Woran erkennen Sie eine alte Seele?

Es gibt Indizien, die auf ein hohes Seelenalter schließen lassen. Menschen mit einer hoch entwickelten Seele haben große Erfahrungen aus vielen Erdenleben gesammelt. Wenn Sie sich sehr für spirituelle Themen, für das Woher und Wohin interessieren, kann das ein Hinweis auf ein hohes Seelenalter sein. In diesem Sinne hat Spiritualität allerdings nichts mit Weltflucht zu tun. Alte Seelen haben oft eine Abneigung gegen die Macht des Materiellen und fühlen sich von Egoisten abgestoßen. Sie wirken weiser, reifer und verletzlicher.

Wo sitzt die seele des menschen

Psychohygiene: Die Seele pflegen

Die Psychohygiene ist die Lehre von der Erhaltung und Erlangung psychischer Gesundheit. Wie der Körper braucht auch die Seele Pflege und Zuwendung. Kümmern Sie sich liebevoll um ihren Seelengarten, zeigt er sich in seiner ganzen Pracht.

Seelenpflege heißt:

  • Entspannung: Lesen Sie ein gutes Buch, meditieren Sie und vermeiden Sie Hektik
  • Kreativität: Mit Schreiben, Malen oder Gestalten drücken Sie Ihre Gefühle aus und gewinnen an Lebensqualität
  • Lachen: Wenn Sie öfter lachen, ist dies Balsam für Ihr Gemüt. Humor ist Ausdruck für Lebensfreude
  • Lernen: Regen Sie die Seele an, indem Sie sich auf Unbekanntes einlassen und Ihren Horizont erweitern
  • Akzeptanz: Nehmen Sie sich selbst mit all Ihren Defiziten an. So strahlen Sie Zufriedenheit aus, die zu Ihnen zurückkommt

Pflegen Sie Ihre Seele, indem Sie Gefühle zulassen. Wenn Ihnen nach Weinen ist, dann weinen Sie. Denn gerade die starken Gefühlsregungen reinigen die Seele. Lassen Sie Trauer und Schmerz zu, denn sie gehören zum Leben wie Frohsinn und Glück. Schenken Sie Ihrer Psyche die gleiche Aufmerksamkeit wie Ihrem Körper, denn die Seele braucht Zeit zum Wachsen und Blühen.

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fundiert: Die Frage nach der Seele beschäftigt die Menschen seit Jahrtausenden – Dichter, Denker und Künstler ebenso wie einfache Leute. Wann aber haben die Menschen die Seele für sich entdeckt?

v.d. Eijk: Die Frage ist, wie man Seele definiert. Im griechischen Denken herrschte zunächst die Auffassung, die Seele sei das Lebensprinzip: Sie beseelt einen Körper, macht ihn lebendig, gibt ihm seine Funktionen, damit er sich bewegen, fortpflanzen und ernähren kann. Später wurde die Vorstellung von diesem biologischen Seelenprinzip ausgeweitet auf das Kognitive und das Emotionale, das Bewusste, das Denken, das Intellektuelle. In diesem Sinne definierten Platon und Aristoteles die Seele als das, was Lebewesen von leblosen Dingen unterscheidet.

fundiert: Laut Platon hatten Tiere also eine Seele?

v.d. Eijk: Tiere haben natürlich auch eine Seele. Die Stoiker schreiben auch Pflanzen eine Art vegetative Seele zu. Es gab aber auch die Auffassung, dass die Seele unsterblich und von höherer Herkunft sei. In der hippokratischen Medizin findet 420 vor Christus eine Art Verwissenschaftlichung des Seelenbegriffs statt: Wo steckt die Seele im Körper, ist sie überhaupt körperlich, wie kommuniziert sie mit dem Körper, wie funktioniert sie?

fundiert: Wo hat man den Sitz der Seele verortet?

v.d. Eijk: In der Antike gab es miteinander konkurrierende Konzepte: Nach der kardiozentrischen Auf- fassung, etwa bei Homer, befand sich die Seele in der Herzgegend. Nach der enzephalozentrischen Auffassung, wird die Seele im Gehirn lokalisiert, von dort wird der Körper quasi koordiniert. Dies findet man zum ersten Mal in der hippokratischen Schrift über die heilige Krankheit, die Epilepsie. Eine dritte Auffassung besagt, dass sich die Seele im Blut befindet und der Körper durch das Blut mit Seele, Energie und Bewusstsein versorgt wird.

Hess: Aus der Paläontologie kennen wir seit der Jüngeren und Mittleren Steinzeit Schädel, die bei der Suche nach so etwas wie Seele gezielt rituell trepaniert, also mit einem Schabewerkzeug geöffnet wurden. Die Betreffenden haben dies, dem Knochenwuchs nach zu urteilen, überlebt. Wir wissen nicht, was die Menschen sich damals dabei vorgestellt haben, aber wir dürfen annehmen, dass solche Praktiken mit der Vorstellungverbunden sind, dass im Schädel etwas nicht Fassbares, Geistiges, Magisches zu finden ist.

Bongardt: Ich glaube, man kann die Frage nach einer genauen Datierung nicht beantworten. Ich versuche mir die Kulturgeschichte der Seele, um es mal so zu nennen, anders zu erschließen: Ich versuche eine Frage zu formulieren, auf die die Antwort „Seele“ heißt. Wir haben die direkt greifbare, materielle Welt, ganz offensichtlich aber gibt es schon in sehr frühen Kulturen eine Ahnung davon, dass man mit diesem Materiellen nicht alles erklären kann. Daraus entwickelte man verschiedenste Konzepte, und wenn ich mir die Konzepte Leib oder Seele Revue passieren lasse, würde ich sagen: Was in einer bestimmten Kultur ab einer bestimmten Zeit als Seele bezeichnet wurde, ist eine Antwort auf die Grundfrage nach dem, was über das direkt Sichtbare, Fassbare, Greifbare hinausgeht.

fundiert: Warum ist die Beschäftigung mit der Seele so wichtig für den Menschen, was fasziniert ihn so daran?

v.d. Eijk: Was die Anfänge des griechischen Denkens betrifft, kann man das ganz genau feststellen. Es ist die Faszination vom Lebendigen, das sich bewegt, das interagiert mit der Umgebung – im Gegensatz zu dem, was kein Leben hat oder nicht mehr lebt. In der griechischen Vorstellung verlässt die Seele den Körper beim Tod, was nicht nur in Texten, sondern auch graphisch dargestellt wurde, etwa auf Vasen: Ein Exemplar zeigt eine Szene aus dem Ilias, in der die Seele in Form eines geflügelten Wesens den Körper verlässt.

Bongardt: Aber wann hat sich der sogenannte Panpsychismus, die Vorstellung, dass alles beseelt ist, herausgebildet? Ich kenne es von Leibniz, der ja auch allem „Unbelebten“ Seele zuspricht, den Steinen zum Beispiel, was sich in bestimmten Traditionen bis in die Lebensphilosophie des 20. Jahrhunderts weiter führt. Gibt es das in der Antike schon?

v.d. Eijk: Dies hängt vom jeweiligen Seelenbegriff ab, den man verwendet. Im Laufe des griechischen Denkens entwickelt sich der Gedanke, dass die Seele den Dingen Form und Gestalt gibt. In diesem Sinne ist auch der Kosmos beseelt – auch die nicht-menschliche, die nicht-animalische Natur kann eine Seele in sich haben. Dies findet sich bereits bei Platon.

fundiert: Warum glaubte man, dass die Seele nach dem Tod den Körper verlässt?

v.d. Eijk: Das war eine Streitfrage der Antike: Es gab den materiellen Seelenbegriff bei den Epikureern, nach denen die Seele aus „Atomen“ bestand. Innerhalb gewisser medizinischer Schulen dachte man, die Seele sei körperlich und bestehe aus „Elementen“, zum Beispiel Wasser und Feuer.. Die Seele ist also ein Teil des Körpers und vergeht mit ihm. Dagegen gab es eine Unsterblichkeitsauffassung, manchmal auch verbunden mit dem Gedanken zur Seelenwanderung: Die Seele verlässt einen Körper und lebt in einem anderen weiter.

fundiert: Worin liegt die Unsterblichkeitsauffassung begründet – in dem Wunsch, dass etwas von einem bleibt, dass nicht alles vergeht?

Bongardt: Da knüpfe ich an mit einer ganz wichtigen Bemerkung, die meiner Erfahrung nach immer wieder Erstaunen hervorruft: Die Unsterblichkeit der Seele ist eine zutiefst unchristliche Vorstellung, sie ist biblisch nicht bezeugt. Die Seele ist der Atem, den Gott dem Menschen einhaucht, damit er lebt. Zieht er diesen Atem zurück, ist der Mensch tot und die Seele eines Individuums ist nicht mehr da. Die Auferweckung der Toten durch Gott ist der Kernpunkt christlichen Glaubens. Der Gedanke ist aber nur sinnvoll, wenn die Toten wirklich tot sind. Wenn es eine Unsterblichkeit der Seele gäbe, bräuchten Tote nicht auferweckt zu werden – denn sie wären ja nicht „ganz“ tot. Es ist interessant, wie sich diese Grenzen dann verschieben – auch durch die sehr frühe Verschwisterung des Christentums mit der antiken Philosophie.

fundiert: Aber ist das Versprechen des Seelenheils nicht ein Erfolgsrezept von Religionen?

Hess: Wir sprechen hier von mindestens zwei verschiedenen Seelenbegriffen: Zum einen von der Seele als Hauch Gottes, zum anderen als das, was den unbelebten von einem lebenden Organismus unterscheidet. Offensichtlich ist Seele das, was Leben ausmacht: der Hauch Gotte, die Lebenskraft oder das vitalistische Prinzip – also Spiritualität auf der einen Seite, und auf der anderen Seite eine Seele als Lebensprinzip.

Bongardt: Oft wird die Seele als das verstanden, was den Menschen zu einem Individuum macht. Eine Individualität des Menschen wird aber auch bei der Vorstellung von der Sterblichkeit der Seele im christlichen Vorstel- lungskontext der Toten-Auferweckung nicht geleugnet. Der Mensch hat gelebt und seine Individualität ist als Geschichte natürlich auch noch da. Ewiges Leben kann heißen, dass das Gedenken an diese Individualität bei Gott auf Ewigkeit aufgehoben ist. Wichtig für diesen christlichen Vorstellungshintergrund ist, dass die Initiative dafür aber allein bei Gott liegt, und dass es nicht im Menschen selbst etwas Fortdauerndes gibt.

fundiert: Ist dies nicht instrumentalisiert worden von der Kirche?

Bongardt: Die Predigt von Tod und Hölle hat sicher viel Unheil angerichtet. Interessanter ist aber die Frage, wie man auf die Idee kommt, dass man für das, was nach dem Tod kommt, irgendetwas tun kann, für ein ewiges Leben. Wenn das Wesen der Seele zu Lebzeiten die Gottesbeziehung ist, kann ich diese in irgendeiner Weise so pflegen, dass Gott diese Beziehung auch nach dem Tod durch Auferweckung neu knüpft und ewiges Leben überhaupt ermöglicht?

v.d. Eijk: Bei Platon finden sich mehrere Beweise für die Unsterblichkeit der Seele. Einer dieser Beweise liegt darin, dass der Mensch offensichtlich über Kenntnisse verfügt, die nicht aus der Erfahrung kommen können. Es gibt hierzu die berühmte Stelle in Platons „Menon“: Durch ein Frage- und Antwortspiel lässt Sokrates einen Sklaven das Theorem von Pythagoras beweisen. Dieser völlig ungebildete Mensch verfügt also über Kenntnisse, die er selbst nicht erworben haben kann! Sie müssen irgendwoher kommen – das ist die Basis für die Ideenlehre von Platon. Unsere Seelen haben demnach in einem früheren Dasein grundsätzliche Kenntnisse zu mathematischen oder auch zu ethischen Prinzipien erfahren und unsere Kenntnisse sind nur eine Frage der Erinnerung. Wir erinnern uns an Dinge, die unsere Seele zur Kenntnis genommen hat, bevor sie in unseren Körper gelangte. Der Gedanke, dass die Seele das Individuelle ausmacht, ist ein recht moderner Gedanke, der Begriff des Individuums stammt erst aus dem späten Mittelalter. Im antiken Denken ist die Seele nicht dasjenige, was unsere persönliche Identität ausmacht, sondern eher eine unpersönliche und allgemeine Lebenskraft. Was unsere Persönlichkeit ausmacht, ist die Verbindung unseres Körpers mit unseren Erfahrungen in diesem Leben. Aber auch der Begriff „Persönlichkeit“ ist ein neuer Begriff, den gab es in der Antike überhaupt nicht.

fundiert: Wenn man heute von der Einheit von Seele und Körper spricht, tauchen eher Begriffe auf wie „Work life balance“ oder „Wellness“. Welche Vorstellungen von Seele existieren denn heute?

Hess: Da stellt sich umso mehr die Frage: Was verstehen wir unter Seele, wie definieren wir sie? Es gibt auch in der heutigen Gesellschaft Möglichkeiten, diese Frage spirituell zu beantworten. Es gibt Menschen, die das Wort Seele nicht benutzen, sondern von Psyche sprechen, sich aber schwer tun, Rechenschaft darüber abzulegen, was man eigentlich genau damit meint. Meine Frage wäre zurück, über welche Seele wollen wir reden, wenn wir in die Moderne gehen?

fundiert: Über welche sollten wir reden, und über welche wird denn heute geforscht?

v.d. Eijk: …und in welcher Sprache? Im englischsprachigen Bereich, wird der Begriff „soul“ zwar in der Philosophie verwendet. Aber die Allgemeinheit kann mit diesem Begriff nicht viel anfangen. Er klingt auch so altmodisch und ist stark religiös besetzt. In der Philo- sophie wird im Englischen daher eher von „mind“ oder „consciousness“ als spezifische Definitionen von Seele gesprochen.

Bongardt: Sigmund Freud, der sich zeitlebens als Naturwissenschaftler gesehen hat, spricht von Psyche, aber ausdrücklich auch von Seele. Er wollte die Funktionsweise der Seele mit naturwissenschaftlichen Kategorien beschreiben. Aber ich wüsste nicht, dass Freud eine exakte Definition für den Begriff „Seele“ gehabt hätte. Ich würde sagen, dass der Begriff der Seele im deutschsprachigen Raum heute eher für das verwendet wird, was auf eine nie so ganz durchschaubare Weise Persönlichkeit prägt.

Hess: Um noch mal anzuknüpfen an „mind“ und „consciousness“ und den Hinweis auf die Naturwissenschaften: Dort werden Seele oder Psyche als letztendlich funktional bestimmt. Das heißt, die Konzepte von Naturwissenschaftlern oder Neurophysiologen heben auf Phänomene der Emergenz ab: Man sieht etwas, kann es nicht erklären, und reduziert es deshalb auf kleine Modelle, etwa eine Vernetzung von Neuronen oder die Verschaltung von Nervenzellen an der Synapse.

v.d. Eijk: Ich glaube, eine Art von Seelebegriff wird auch in diesen Diskussionen verwendet: Ist unsere Persönlichkeit identisch mit unserem Gehirn, ist sie eine Abteilung unseres Gehirns, oder ist sie etwas, was darüber hinaus geht? In solchen Kontexten spielt die Seele wohl doch eine Rolle – ohne dass man genau sagen kann, was man damit meint.

fundiert: Warum sucht man heute im Gegensatz zur Antike nach Ersatzbegriffen?

Hess: Die Philosophin Eva-Maria Engels hat in diesem Zusammenhang von einem Lückenparadigma gesprochen. Letztendlich ist das ein Begriff, um Dinge zu beschreiben, von denen man hofft, sie in bewährter naturwissenschaftlicher Weise auf einfache Modelle runterbrechen zu können – wie man es im Übrigen in der Medizin und den Naturwissenschaften seit 300 Jahren macht. In diesem Sinne wäre ein Vorgriff auf eine Definition die Verletzung einer wissenschaftlichen oder naturwissenschaftlichen Methodologie.

fundiert: Wird die Seele in der heutigen von Technik dominierten Medizin vernachlässigt – spricht man zu recht von einer seelenlosen Medizin?

Hess: Ist die seelenlose Medizin nicht eher Ausdruck für eine Medizin ohne Humanität? Die Frage ist, ob man wirklich mit seelenloser Medizin keine Medizin meint, die die Seele negiert, sondern eine, die die Kategorie der Humanität ausblendet.

Bongardt: Es gibt ja auch die psychosomatische Medizin, die auf diesen Seelen-Begriff zurückgreift und sich zumindest in Deutschland derzeit großer Beliebtheit erfreut. Viele haben den Eindruck, dass es hier, um ein anderes modernes Wort zu nehmen, einer Ganzheitlichkeit bedarf, die sie anderen Formen der Medizin so nicht zutrauen.

Hess: Als ich studiert habe, gab es die sieben heiligen psychosomatischen Krankheiten wie das Zwölffingerdarmgeschwür. Das ist heute eine somatische Krankheit, verursacht von einem Bakterium, dem ich am besten eine Dreifachtherapie entgegne. Dieses Beispiel zeigt, wie sich Mediziner den Einsatz der Psyche in frühen psychosomatischen Modellen als Stressmodell ausgeführt worden ist. Heute forschen Psychosomatiker daran, in welcher Weise das Immunsystem oder die Physiologie auf Stress und Umweltfaktoren reagieren. Aber das Ziel scheint mir, dieses Unfassbare, die Seele, ständig wieder in einen kausalphysiologischen Erklärungsrahmen zurückzuführen.

v.d. Eijk: Beim Begriff der seelenlosen Medizin könnte ich mir zwei Dinge vorstellen. Zum einen ginge es da um die Fragmentierung der heutigen Medizin: Je nach Problem geht man zu einem Spezialisten, der Patient wird nicht mehr als eine einheitliche Person gesehen. Zum zweiten ginge es um die Frage, inwieweit es bei der Behandlung noch Raum gibt für das subjektive Empfinden des Patienten: welche Rolle spielt dieses Empfinden, neben den chemischen Substanzen, im Behandlungsprozess? Die Bedeutung von Wille und Haltung des Patienten wird in gewissen Therapien anerkannt. Hier ist der Seelenbegriff in der Medizin wichtig – in einer seelenlosen Medizin dagegen nicht.

Bongardt: Das ist einer der umstrittenen Berührungspunkte zwischen Natur- und Geisteswissenschaften: Die naturwissenschaftlich denkende Medizin will Ursache- Wirkungs-Ketten verstehen und auch Seelenphänomene lückenlos beschreiben. Und dann gibt es eine merkwürdige Leerstelle: Ein woher auch immer kommendes Widerstreben des Menschen, sich mit einer solchen Beschreibung zufrieden zu geben. Irgendwo, so die Vorstellung, muss es doch so etwas noch geben, was mich von einer bloßen Wirkung fremder Ursachen un- terschiedet, an das ich meine Identität knüpfen kann, als eine Verknüpfung von Aktivität und Passivität.

Hess: Wenn wir von Medizin reden, sollten wir genauer bestimmen, was wir darunter verstehen. Wenn man zugesteht, dass die Medizin nicht bloß – man verzeihe mir meine despektierliche Bemerkung – ein Sammelsurium von Naturwissenschaften ist, sondern zugleich eine praktisch handelnde Medizin, dann gibt es ganz andere Zugänge. Die evidence-based medicine, also eine auf klinische Erfahrung gestützte Heilkunde, stellt nicht die Frage nach kausalen Relationen. Sie bietet aber eine Methodologie, die versucht, über Statistik oder Korrelationen zu beschreibbaren Ergebnissen zu kommen. Im Medizin-Alltag spielt sicherlich die Psyche eine Rolle, das Wort Seele würde aber ein Mediziner kaum in den Mund nehmen Dennoch spielen diese Phänomene eine Rolle, sei es als Phänomen in der Interaktion mit Patienten oder als Phänomene, die man als Placebo-Effekt konzeptionalisiert.

fundiert: Müssten Phänomene der Seele mehr in der Ausbildung von Medizinern thematisiert werden?

Hess: Das wäre sinnvoll und man müsste in der Ausbildung mehr solcher Elemente verankern, in denen reflektiert wird, was Ärzte später täglich tun werden. Nur hat die moderne Medizin, polemisch gesprochen, das Nachdenken über sich selbst eigentlich seit der Frühromantik aufgegeben. Einen systematischen Ansatz der Selbstreflexion gibt es seither nicht mehr.

v.d. Eijk: Mein Eindruck ist, dass sich die Geschichte der Medizin vor allem in den letzten Jahrzehnten zu einer Geschichte der Gesundheit entwickelt hat. Es gibt ja zwischen Krankheit und Gesundheit viele Graduierungen – Begriffe wie „Lebensqualität“ oder „Wellness“ spielen eine immer größere Rolle im medizinischen oder paramedizinischen Bereich. Außerdem werden neue Begriffe gestaltet, es werden Phänomene anders gedeutet und benannt, weswegen auch der Seelenbegriff wieder an Bedeutung gewinnen könnte. Da liegt ein Potenzial für die Medizin, um eine begriffliche Schärfe zu finden, die im Moment fehlt.

Hess: Wir werden garantiert auch noch ein Bewertungssystem entwickeln , mit dem sich anhand eines „Scores“ unser Wohlbefinden im Sinne eines Life-Quality-Parameters objektiver bestimmen lässt.

fundiert: Was ist, wenn die Seele krank ist? Wie kann man erklären, dass sich etwa Depressionen zu einer Volkskrankheit entwickeln – ist unsere Gesellschaft seelenlos?

Hess: Wir leben in einer Gesellschaft, in der Depressionen und Borderline-Fälle zunehmen oder mehr hyperkinetische Kinder leben. Aber ich bin mir nicht sicher, ob das mit einer seelenlosen Gesellschaft zu tun hat, sondern eher damit, dass wir „Grenz-Zustände“ zunehmend in medizinischen Kategorien beschreiben. Ich würde die Zunahme von Depressionen nicht unbedingt mit der Seele, wie wir sie gerade diskutieren, in Verbindung bringen, sondern eher damit, dass wir Anomalien weniger dulden und schneller pathologisieren. Wenn wir heute bereits im Vorgriff auf das Risiko, an einer Schizophrenie zu erkranken, auf mögliche psychopathologische Symptome untersuchen und sofort medikamentös behandeln, dann zeigt das sehr schön, wie verdächtig mittlerweile Gesundheit und Normalität geworden sind.

Bongardt: Eine neue Bewegung in den USA misst mit Computertechnik jede Funktion des alltäglichen Lebens um daraus Schlüsse zu ziehen, wie man etwas gesünder leben kann. Aber was ist, wenn die Seele krank ist? Damit sind oft Situationen gemeint, in denen Menschen nicht mehr über die Kraft verfügen, ihr Leben im Gleichgewicht zu halten. Jemand, der seelisch gesund ist, verkraftet auch eine ganze Menge Belastungen, weil er sich einigermaßen austarieren kann. Es gibt offenbar eine Kraft im Menschen, die dafür zuständig ist.

Hess: Ich würde sagen, wenn man unter Ärzten von einer kranken Seele spricht, dann ist nicht die Psyche gemeint, sondern eher der Lebenswille des Patienten.

v.d. Eijk: In der Antike wurde auch die Frage diskutiert, ob es überhaupt seelische Krankheiten gibt. Sind Melancholie oder Mania Krankheiten der Seele oder sind sie kognitive oder emotionale Störungen, die einen körperlichen Grund haben? Wenn letzteres der Fall ist, gibt es dann vielleicht einen Sonderbereich für die wirklichen Affektionen der Seele, die nicht zu den klinischen Krankheiten gehören, sondern eine eigene Existenz haben und auch einer eigenen Behandlung bedürfen? Damit war auch die Frage der Kompetenz verbunden: Wer ist wofür zuständig? Ist es der Arzt, der Philosoph, der Priester, der Zauberer?

fundiert: Herr van der Eijk, Sie unterrichten auch angehende Mediziner über Themen, die in der Antike zur Seele entstanden sind. Warum?

v.d. Eijk: Es funktioniert am besten als eine Option im fortgeschrittenen Stadium der medizinischen Ausbildung, und in kleinen Gruppen. Da diskutieren wir anhand historischer Beispiele philosophische, theoretische und begriffliche Dimensionen der Medizin. Die Geschichte der Medizin erfüllt so eine Spiegelfunktion und regt dazu an, über Fragen der Methodologie und der Philosophie der Medizin, über die ethischen Dimensionen und über die Kommunikation zwischen Arzt und Patienten nachzudenken.

fundiert: Könnte man sagen, dass Medizinstudierende auch heute für ihre praktische Arbeit von Aristoteles lernen können?

Hess: Natürlich, sie lernen zwar nicht, was man machen muss, aber sie lernen dank Aristoteles, wie man über seine Arbeit nachdenkt.

Bongardt: Man sollte von der Medizin auch nicht zu viel zu erwarten. Einige Philosophiehistoriker sagen, dass sich durch die Erfindung der Medizin Wissensgebiete voneinander abgesondert und ausdifferenziert haben. Diese Ausdifferenzierung hat sich auch durchaus bewährt. Es geht deshalb nicht darum, die eine Medizin zu entwickeln, die alles kann. Vielleicht geht es vielmehr darum, das Bewusstsein für die zwangsläufige Begrenzung der eigenen Perspektiven zu entwickeln, um deutlich zu machen, dass ein Perspektivwechsel oft nötig ist. Es reicht für den Patienten nicht, wenn man ihm anhand eines Röntgenbildes deutlich macht, wo sein Bein gebrochen ist, er braucht auch jemanden, mit dem er darüber reden kann – das sind keine rein medizinischen Fragen mehr.

fundiert: Ein weiteres Beispiel hierfür wären auch Organtransplantationen: Patienten mit einem Spenderherz befürchten häufig, sie würden auch die Leiden der Seele des Spenders übernehmen.

Hess: Warum das Herz das Organ ist, das Menschen auch am ehesten ausklammern, wenn sie einen Organspende- Ausweis ausfüllen, ist ein Phänomen, für das es keine rationalen Erklärungen gibt. Das hat weniger zu tun mit jenem Muskel, der in der Brust sitzt und das Blut durch die Adern pumpt, sondern mit einem metaphorischen, symbolischen Gebrauch, der sich möglicherweise auf die Seele bezieht und mit Eigenschaften und Bedeutungen assoziiert ist, die auf kulturelle volkstümliche Bedeutungen verweisen, die gar nicht mehr in gegenwärtigen Konzepten präsent sind.

Bongardt: Es sind kulturelle Konnotationen, die uns bei der Seele nicht direkt begegnen, auch weil die Versuche, die Seele zu verorten, ohnehin immer nur einigermaßen halbherzig vertreten wurden.

v.d. Eijk: Auf der anderen Seite gibt es doch in zahlreichen Kulturen die Auffassung, dass das Herz persönlicher ist als eine Hand oder ein Bein.

Bongardt: Dabei wird deutlich, wie wir von Vorstellungswelten geprägt sind, die uns weder wirklich bewusst sind, noch von uns beliebig verändert werden können. Das merkwürdige Gefühl bei einer Herztransplantation kann man sicher nicht wegrationalisieren.

fundiert: Überlebt die Seele nach dem Tod? Es gibt Untersuchungen, dass der Mensch im Augenblick seines Todes um wenige Gramm leichter wird. Könnte das die Seele sein, die den Körper verlässt?

Hess: Wenn wir von einer immateriellen Seele reden und gleichzeitig davon ausgehen, dass der Körper ein paar Gramm leichter wird, wenn sie ihn verlässt, wäre das ein Paradoxon.

fundiert: Oder Hokuspokus?

Hess: Es ist zumindest im Rahmen der modernen medizinischen Wissenschaften nicht zu erklären, auch wenn nicht alles Hokuspokus ist, was wir nicht erklären können.

Bongardt: Sie werden in der Kunstgeschichte bis ins 18. Jahrhundert hinein kein Bild einer Sterbeszene finden, das aus einem christlichen Kontext stammt, in der nicht irgendwo ein Fenster offen ist. In streng katholisch- christlichen Gegenden gilt bis heute: Wenn jemand stirbt, muss man ein Fenster öffnen, damit die Seele hinaus kann.

fundiert: Eine Frage an Sie alle zum Schluss: Wie würden Sie einem Kind in zwei Sätzen erklären, was die Seele ist?

v.d. Eijk: Ich würde vielleicht sagen, die Seele ist, was du bist, was dich ausmacht, dich von anderen unterscheidet und dich einzigartig macht.

Bongardt: Ich würde das ähnlich formulieren, aber noch einen Aspekt dazu nehmen: Die Seele ist das, was dir geschenkt worden ist, damit du leben kannst, auch wenn wir nicht wissen, woher.

Hess: Ich würde vermutlich meinem Sohn sagen: Leben ist das, was dich leben macht und was man nicht erklären kann.

fundiert: Vielen Dank für das Gespräch