Wo auf der welt gibt es keine schlangen

Wo auf der welt gibt es keine schlangen

Schlange ist eine Weiterleitung auf diesen Artikel. Weitere Bedeutungen sind unter Schlange (Begriffsklärung) und Schlangen (Begriffsklärung) aufgeführt.

Schlangen (Plural von Schlange, von mittelhochdeutsch slange; zu slingen, sich winden, sich krümmen, schlingen, schleichen; altgriechisch ὄφεις ópheis; lateinisch serpentes, verwandt mit altgriechisch ἕρπειν herpein, deutsch ‚kriechen‘) sind eine Unterordnung der Schuppenkriechtiere. Sie stammen von echsenartigen Vorfahren ab. Gegenüber diesen ist der Körper stark verlängert und die Extremitäten wurden fast völlig zurückgebildet. Heute sind fast 4000 Arten beschrieben.[1] Mit Ausnahme der Arktis, Antarktis, Permafrostgebieten und einigen Inseln sind sie weltweit in allen Lebensräumen anzutreffen.

Wo auf der welt gibt es keine schlangen
Schlangen

Schlangen (Serpentes)

Systematik
ohne Rang: Amnioten (Amniota)
ohne Rang: Sauropsida
Überordnung: Schuppenechsen (Lepidosauria)
Ordnung: Schuppenkriechtiere (Squamata)
ohne Rang: Toxicofera
Unterordnung: Schlangen
Wissenschaftlicher Name Serpentes Linnaeus, 1758

Schlangen spielen in der Kulturgeschichte und Mythologie und darauf aufbauend auch in der Kunst und Literatur eine große Rolle: So verführte in der alttestamentlichen Schöpfungsgeschichte der Bibel eine Schlange Adam und Eva dazu, die Frucht vom Baum der Erkenntnis zu kosten. Der von einer Schlange umwundene Stab des Asklepios in der griechischen Mythologie (Äskulapstab) ist bis heute das Symbol der medizinischen und pharmazeutischen Berufe.

Alle Schlangen besitzen einen länglichen und dünnen Körper und haben bis auf wenige Ausnahmen ihre Gliedmaßen vollständig verloren. Lediglich bei den evolutionär gesehen primitiven Schlangen, wie beispielsweise den Roll- und Blindschlangen, sind zum Teil Reste des Beckengürtels und kurze Aftersporne zu finden. Von Art zu Art können sich die Körperformen stark unterscheiden. Einige Schlangen können eher untersetzt aussehen und haben einen dicken Körper mit kurzem Schwanz, so zum Beispiel die Gabunviper (Bitis gabonica), während andere sehr gleichmäßig nach hinten dünner werden, beispielsweise die Raue Grasnatter (Opheodrys aestivus). Im Querschnitt variieren sie von rund oder oval bis dreieckig. Fast immer ist der Bauch abgeflacht. Die Größe ausgewachsener Schlangen schwankt artabhängig sehr stark zwischen 10 Zentimetern bei der Schlankblindschlange (Tetracheilostoma carlae) und fast 7 Metern[2] beim Netzpython (Python reticulatus).

Wo auf der welt gibt es keine schlangen

   

Schlangen züngeln mit geschlossenem Maul.

Blindschleichen müssen hingegen zum Züngeln ihr Maul öffnen.

Im Unterschied zu den Schleichen (Anguidae), die mehrere Reihen von Bauchschilden aufweisen, haben Schlangen nur eine Reihe davon. Des Weiteren weist ihr Rostralschild am unteren Rand eine kleine Kerbe auf (die sogenannte Rostralkerbe), die es ihnen ermöglicht zu züngeln, ohne das Maul dafür öffnen zu müssen. Schleichen haben diese Kerbe nicht. Auch besitzen Schlangen keine Augenlider, ihre Augen werden komplett von einer durchsichtigen Schuppe bedeckt. Bei Schleichen ist dies anders, was man am Blinzeln der Tiere erkennen kann. Ferner sind Schleichen fähig zur Autotomie, bei Gefahr können sie ihren Schwanz abwerfen. Auch diese Fähigkeit unterscheidet sie von den Schlangen, wobei bei einigen evolutionär alten, unterirdisch lebenden Schlangenarten ebenfalls der Schwanz abbrechen kann, allerdings handelt es sich dort um einen passiven Vorgang, und zudem wächst er nicht mehr nach.

Ein ausgesprochen auffälliger Geschlechtsdimorphismus kommt nur sehr selten vor; so weisen zum Beispiel weibliche Kreuzottern (Vipera berus) eine eher braune bis rötliche Färbung ohne sonderlich kontrastreiches Muster auf, die Männchen sind eher grau gefärbt und ihre Zeichnung hebt sich kontrastvoll von der Grundfarbe ab. Als weiteres Beispiel seien verschiedene Schuppenformen genannt: die Weibchen der Sipo (Chironius carinatus) haben glatte Schuppen, während die der männlichen Tiere gekielt sind. Weitere geschlechtsbedingte Unterschiede lassen sich nur im direkten Vergleich feststellen: Die Weibchen sind in der Regel etwas größer und umfangreicher als die Männchen, allerdings kann es auch umgekehrt sein. Der Schwanzansatz hinter der Kloake stellt ein gutes Unterscheidungsmerkmal dar. Während er sich bei den Männchen sehr gleichmäßig verjüngt, ist bei den Weibchen ein Absatz zu erkennen.

Schlangen verfügen über eine große Zahl an Farb- und Zeichnungsvarianten. Sie umfassen alle Farben des Spektrums und können einfarbig, mit wenig gefärbten Schuppen über Streifen-, Leiter- und Karomuster bis hin zu komplexen Farbkombinationen reichen. Einige ungiftige Arten haben im Laufe der Evolution ein ähnliches Muster wie giftige Arten entwickelt, um ihre Feinde zu verwirren und sich zu schützen (Mimikry). Auch bei Schlangen treten gelegentlich besondere Pigmentierungen wie Albinismus und Melanismus auf.

Haut

Schlangenhaut besteht aus drei Schichten: der Epidermis (Oberhaut), der Dermis (Lederhaut) und der Subdermis (Unterhaut). Alle Schichten erfüllen verschiedene Funktionen. So besteht die Epidermis aus keratinhaltigen Zellen, die eine dichte und flexible Hornschicht ausbilden. Diese ist in Form von Schuppen angeordnet. Die Epidermis stellt die Barriere zwischen Schlangenkörper und Umwelt dar, durch sie ist das Tier vor schädlichen Umwelteinwirkungen recht zuverlässig geschützt. In der Lederhaut befinden sich Nervenenden, kollagenhaltiges Bindegewebe, Blutgefäße und Pigmentzellen (Chromatophoren). Hier empfängt die Schlange Tastsinneseindrücke und durch die hier gelagerten Pigmente erhält sie ihre Färbung. Die Subdermis enthält Fettkörper, in denen Energiereserven gespeichert werden, beispielsweise für die Winterruhe oder, bei ovoviviparen Schlangen, für die Zeit der Trächtigkeit.

Schuppen

Hauptartikel: Schlangenbeschuppung

 

Unterschiede der Kopf- und Körperschuppen bei Amphiesma monticola

Schlangenschuppen werden in Kopf- und Körperschuppen unterteilt. Bei einigen Arten (beispielsweise Nattern) sind die Kopfschilde im Verhältnis zu den Körperschuppen recht groß und können als Bestimmungsmerkmal dienen. In der Draufsicht lassen sich sechs verschiedene Kopfschilde feststellen: Scutum rostrale (Schnauzenschild, in der Regel einmal vorhanden), Scutum internasale (Zwischennasenschild, zweimal), Scutum praefrontale (Vorderstirnschild, zweimal), Scutum frontale (Stirnschild, einmal), Scutum supraoculare (Überaugenschild, zweimal) und Scutum parietale (Scheitelschild, zweimal). Auch in der Seitenansicht des Kopfes gibt es diverse Schildegruppen, die in ihrer Schuppenzahl jedoch von Art zu Art sehr stark variieren können. Dies sind: Scutum nasale (Nasenschild), Scutum loreale (Zügelschild), Scutum praeoculare (Voraugenschild), Postoculare (Hinteraugenschild), Scutum temporale (Schläfenschild), Scutum supralabiale (Oberlippenschild), Scutum sublabiale (Unterlippenschild) und Scutum suboculare (Unteraugenschild). Bei vielen anderen Arten (beispielsweise den Vipern) ist die eben vorgestellte Kopfbeschuppung jedoch in viele kleine Schuppen fragmentiert.

 

Bauchschuppen eines Angolapython (Python anchietae)

Die kleinen Körperschuppen auf dem Rücken und der Seite sind üblicherweise in Form von Längsreihen angeordnet und überlappen die jeweils hinter ihnen liegende Schuppe. Auch hier gibt es Ausnahmen wie manche Seeschlangen, deren Schuppen sich nicht überlappen, sondern nebeneinander angeordnet sind; dies schafft den Vorteil, dass sich marine Hautparasiten nicht gut festsetzen können. Am Bauch ziehen sich die Schuppen einmal quer über die gesamte Körperbreite, Schlangen haben also nur eine Reihe von Bauchschuppen. Auch hier überlappen die Schuppen die jeweils dahinter liegenden. Schuppen können sehr unterschiedlich gestaltet sein, so gibt es glänzende, matte, glatte oder auch gekielte Exemplare. Einige erfüllen sehr spezielle Funktionen; das vermutlich bekannteste Beispiel stellt hier die Schwanzrassel der Klapperschlangen dar; diese besteht aus speziellen, zu Hornringen umgeformten Schuppen.

Eine besondere Schuppe ist allen Schlangenarten gemein: diese ist durchsichtig und dient dem Schutz des Auges. Schlangen haben keine Augenlider, ihre Augen sind komplett von besagter Schuppe bedeckt. Unter Augenlider könnten Schmutz oder andere Fremdkörper dringen, deren sich die Tiere nicht mehr entledigen könnten.

Häutung

 

Eine Gewöhnliche Mamba (Dendroaspis angusticeps) mit abgestreifter Haut

Weil Schlangen, wie alle Reptilien, auch nach erreichter Geschlechtsreife lebenslang weiterwachsen, ihre Haut jedoch nicht kontinuierlich abgeschuppt wird, wie zum Beispiel bei den Säugetieren, müssen sie sich regelmäßig komplett häuten. Dabei dringt Luft unter die absterbende Hornschicht und löst sie dadurch langsam vom Rest ab, was an einer Trübung beziehungsweise Mattfärbung der Tiere und besonders der Augen zu erkennen ist. Darunterliegende Hautzellen wachsen, bilden eine neue Hautschicht und verhornen kurze Zeit später. Hierdurch steht das Tier nie eventuellen Einwirkungen von außen schutzlos gegenüber. Ist die Verhornung der neuen Haut abgeschlossen, beginnt die Schlange ihre Schnauze an einem scharfen oder spitzen Gegenstand zu reiben. Die alte Haut reißt auf und die Schlange versucht, sich beim Kriechen durch enge Spalten oder Astgabeln sowie um Äste oder Ähnliches herum, von ihr zu befreien. Nach der Häutung besitzen die Tiere wieder eine feste und klar gefärbte Haut. Auch die Hornhaut der Augen, die mit abgeschuppt wird, ist jetzt wieder klar. Die alte Haut, die Exuvie, auch „Natternhemd“ genannt, bleibt zurück.

Knochenbau

Die bei Schlangen vorhandenen Knochen lassen sich grob in drei Gruppen einteilen: Schädelknochen, Wirbel und Rippen. Die bereits erwähnten Beckengürtelknochen sind rudimentär und erfüllen keine weitere Funktion. Ebenfalls nicht vorhanden sind Schultergürtel und Brustbein.

 

Schädelknochen und Zahnreihen eines Python

 

Durch ein Präparat illustrierte Dehnbarkeit der Schädelstrukturen

Der Schlangenschädel ist sehr beweglich konstruiert. Da die Kiefer- und Gaumenknochen nicht miteinander verwachsen, sondern nur durch Bänder verbunden und stark verschiebbar sind, kann das Maul sehr weit geöffnet werden. Dies ermöglicht den Tieren, auch größere Beutetiere in einem Stück zu verschlingen. Der Oberkiefer besteht aus folgenden Knochen: Praemaxillare (als einziger fest, über dem Praefrontale, mit Schädel verbunden), Maxilla, Flügelbein, Quergaumenbein und Gaumenbein. Der Unterkiefer besteht aus zwei Unterkieferbögen. Es befinden sich ein Zahnbogen im Unter- und zwei im Oberkiefer (ein innerer und ein äußerer). Diese beiden Bögen sind analog dem Unterkiefer zweigeteilt. Die äußere Zahnreihe wird für den Fang und das Festhalten der Beute genutzt, die innere dient dem Transport derselben in die Speiseröhre. Dabei schieben sich linker und rechter Bogen abwechselnd nach vorne, greifen die Beute, schieben sich mit dieser nach hinten und lösen sich von ihr, um wieder nach vorne zu gleiten und neu zu beginnen. Da sämtliche Kieferknochen relativ unabhängig voneinander bewegt werden können, müssen sie nach jedem Biss oder Beuteverschlingen durch mehrmaliges Öffnen und Schließen des Mauls wieder „sortiert“ werden.

Die Anzahl der Wirbel ist auf rund 200 bis maximal 435 erhöht. Die Wirbelkörper sind über eine Bandscheibe und ein Gelenk miteinander verbunden. Die Gelenkpfanne liegt vorne am Wirbel, der Gelenkkopf hinten. Innen führen sie in einem Kanal das Rückenmark und Blutgefäße. Zwar sind zwei Wirbel zueinander nicht zu einer besonders starken Biegung oder Drehung fähig (da hierbei Gefahr bestünde, das Rückenmark zu verletzen oder zu zerreißen), aber aufgrund der hohen Wirbelanzahl sind die Tiere sehr beweglich (mit etwa 40 Wirbeln kann eine Biegung von etwa 60° erreicht werden). Jeder Wirbel, mit Ausnahme der Hals- und Schwanzwirbel, trägt ein Rippenpaar. Die Rippen sind über ein Gelenk mit den Wirbeln verbunden und enden frei. Das Gelenk erlaubt eine aus der Normalposition heraus rückenwärts gerichtete Bewegung und eine daraus resultierende Verbreiterung des Körpers. Neben den extrem beweglichen Schädelknochen ist dies eine weitere Voraussetzung für die Schlangen, Beutetiere mit einem größeren Durchmesser als ihrem eigenen zu verschlingen.

Zähne

Die Zähne der Schlangen sind nicht zum Kauen bestimmt, sondern dienen nur dem Festhalten der Beute oder, im Falle von Giftzähnen, der Injektion von Toxinen. Sie sitzen nur lose auf dem Kiefer auf und sind nicht fest mit ihm verwachsen. Alle Zähne sind nach hinten gerichtet; versucht ein Beutetier, sich aus dem Biss der Schlange zu befreien, bohren sich die Zähne nur noch tiefer in seinen Körper. Bricht ein Zahn ab, so wird er ersetzt. Meist sind schon Reservezähne hinter den bestehenden angelegt, so dass der Ersatz in relativ kurzer Zeit zur Verfügung steht.

Bei Schlangen findet man vier unterschiedliche Typen der Bezahnung:[3]

  • aglyph: Derart bezahnte Schlangen besitzen keine Giftzähne. Alle Zähne sind etwa gleich groß, haben die gleiche Form und sitzen gleichmäßig im Kiefer verteilt. Es gibt keine Besonderheiten der Zähne wie bei den anderen drei Bezahnungstypen. Zu diesen ungiftigen Schlangen gehören die Eigentlichen Nattern (Colubrinae), Riesenschlangen (Boidae), Blindschlangen (Typhlopidae) und Schlankblindschlangen (Leptotyphlopidae).
  • proteroglyph: Bei dieser Art der Bezahnung besitzen Schlangen ein Paar Giftzähne, das im vorderen Bereich des Oberkiefers liegt. Die Giftzähne sind etwas größer und dicker als die restlichen und weisen eine Furche an ihrer Innenseite auf (Furchenzähne). Oberhalb liegen im Bindegewebe die Giftdrüsen; beißt die Schlange zu, wird das Gift über die Furche in den Körper des Beutetieres geleitet. Vertreter der Seeschlangen (Hydrophiinae) und Giftnattern (Elapidae) sind proteroglyph bezahnt; hierzu gehören auch die Schlangen mit den stärksten Giften, wie beispielsweise die Taipane.
  • opisthoglyph: Die Struktur der Giftzähne ist vergleichbar mit der Variante proteroglyph, im Gegensatz hierzu sitzt das Giftzahnpaar aber im hinteren Bereich des Oberkiefers. Opisthoglyph bezahnt sind die Trugnattern.
  • solenoglyph: Auch bei dieser Bezahnung sitzt ein Giftzahnpaar vorne im Oberkiefer. Allerdings sind die Giftzähne relativ lang (je nach Art zwischen drei und fünf Zentimetern) und liegen daher bei geschlossenem Maul nach hinten eingeklappt in einer Bindegewebsfalte. Die Zähne sind nicht gefurcht, sondern ihr Inneres ist – ähnlich einer Kanüle – von einer Röhre durchzogen, durch die das Gift geleitet wird (Röhrenzähne). Sobald die Schlange ihr Maul zum Biss öffnet, klappen die Giftzähne um etwa 90° nach vorn und können so tief in das Beutetier geschlagen werden. Ein großer Vorteil liegt darin, dass so auch das Gift tief in den Körper eingebracht wird. Rein mechanisch betrachtet ist die solenoglyphe Bezahnung für die Injektion am effektivsten. Alle Vipern (Viperidae) und Grubenottern (Crotalinae) sind mit solchen Röhrenzähnen ausgestattet.

Sinnesorgane

Schlangen sind auf verschiedene Weise in der Lage, Reize aus ihrer Umwelt wahrzunehmen und zu verarbeiten. Allen gemein ist die Aufnahme von Gerüchen (flüchtigen Stoffen) über die Nase und nichtflüchtigen Duftstoffen mit ihrer gespaltenen Zunge (nasovomeraler Sinn). Die gespaltene Zunge hat schon in früher Vergangenheit Menschen angeregt, über deren Funktion nachzudenken.[4] Sie wird darin gesehen, chemosensitive Spuren zu erkennen, um Fährten von Pheromonen oder Beutetieren folgen zu können. Die Möglichkeit, gleichzeitig zwei Punkte zu bewerten, verbessert die Fähigkeit zur Differenzierung und erleichtert, Gradienten wahrzunehmen.[4] Im Inneren des Mauls führen sie die Zungenspitzen in das Jacobson-Organ, zwei kleine Vertiefungen am Gaumen. Dort werden die Duftstoffe dann analysiert, ähnlich den Gerüchen im Riechzentrum. Mit den beiden Spitzen können die Schlangen gleichzeitig unterschiedliche Düfte wahrnehmen und daraus räumliche Informationen gewinnen.[5] Dies ermöglicht ihnen das Aufspüren und Verfolgen von Beutetieren oder paarungsbereiten Geschlechtspartnern. Der Zweck des häufigen Züngelns ist folglich die Erforschung ihrer Umgebung.

 

Ähnlich wie auf diesem Wärmebild nimmt die Schlange mit ihren Infrarotrezeptoren warmblütige Beutetiere wahr

 

Labialgruben bei einem Python

Einige Arten haben Sinnesorgane zur Wahrnehmung infraroter Strahlung entwickelt. Die Grubenottern besitzen ein Organ (das namensgebende Grubenorgan), mit dem ihnen dies möglich ist. Es handelt sich dabei um eine Sinnesgrube zwischen Auge und Nasenloch, mit Hilfe derer Temperaturunterschiede von bis zu 0,003 °C registriert werden können. Ein ähnliches Organ haben die Riesenschlangen entwickelt, bei ihnen sind dies die Labialgruben. Diese befinden sich in den Schuppenreihen der Ober- und Unterlippe. Sie sind weniger empfindlich als das Grubenorgan und in der Lage, Temperaturunterschiede von bis zu 0,026 °C wahrzunehmen. Beide Infrarot-Sinnesorgane dienen lediglich dem Aufspüren endothermer Beutetiere. Diese heben sich, trotz eventuell vorhandener Tarnfärbung, sehr deutlich von ihrer Umgebung ab; insbesondere nachts, wenn der Unterschied zwischen Umgebungs- und Körpertemperatur noch größer ist als tagsüber. Zum Auffinden ektothermer Beutetiere sind diese Sinnesorgane nicht hilfreich. Hierzu werden nasovomeraler Sinn und Augen eingesetzt.

Die Augen spielen in der Sinneswahrnehmung von Schlangen hauptsächlich bei der Identifikation anderer Schlangen (Rivale oder möglicher Geschlechtspartner), anderer Tiere (Beute oder Fressfeind) und der Orientierung im Raum eine Rolle. Es gibt viele unterschiedlich ausgestattete Augen und dementsprechend ist auch das Sehvermögen der Tiere unterschiedlich gut ausgeprägt. Einige Arten (meist unterirdisch lebende Schlangen) haben nur mit Stäbchen ausgestattete Augen, können also nur Helligkeitsunterschiede von Objekten erkennen, keine Farben. Andere wiederum haben nur Zapfen und können somit Farben wahrnehmen. Diese Arten sind, sofern sie keine Infrarotrezeptoren besitzen, auf Tagaktivität beschränkt. Die am höchsten entwickelte Augenform weist Zapfen und Stäbchen auf; derart ausgestattete Schlangen können theoretisch zu jeder Zeit, auch nachts und in der Dämmerung, aktiv sein. Des Weiteren gibt es dünne und dicke Zapfen, die sich in unterschiedlicher Kombination mit den anderen finden. Deren Funktionsweise ist allerdings bisher nicht geklärt.

Das Gehör von Schlangen nimmt durch die Luft übertragene Schallwellen nur sehr schlecht bis gar nicht wahr, da kein Außenohr vorhanden ist. Sie sind jedoch fähig, mit ihrem Innenohr Erschütterungen des Bodens zu registrieren. Voraussetzung dafür ist, dass der Kopf auf dem Boden aufliegt. Die Erschütterungen werden dann über eine Reihe von Knochen, die mit dem Unterkiefer verbunden sind, ins Innenohr übertragen. Dieser Vorgang ist vergleichbar mit der Weiterleitung akustischer Signale durch die Gehörknöchelchen im Mittelohr der Säugetiere. Da die linke und die rechte Hälfte des Unterkiefers einer Schlange nicht starr, sondern durch flexible Bänder miteinander verbunden ist, können beide Hälften des Unterkiefers unabhängig voneinander in Schwingungen versetzt werden. Dies ermöglicht Schlangen auch eine Richtungswahrnehmung.[6]

Wenn sich ein größeres Lebewesen auf die Schlange zubewegt, kann sie dies anhand der Stärke der Vibrationen einschätzen und ist meist schon in ein Versteck geflüchtet, bevor der potentielle Feind sie erreicht.

Innere Organe

 

Schema der Anatomie einer Schlange:
1 Speiseröhre
2 Luftröhre
3 Tracheallunge
4 rudimentäre linke Lunge
5 rechte Lunge
6 Herz
7 Leber
8 Magen
9 Luftsack
10 Gallenblase
11 Bauchspeicheldrüse
12 Milz
13 Darm
14 Hoden
15 Nieren

Das Gehirn befindet sich in der Schädelkapsel. Die meisten ihrer inneren Organe sind der Körperform entsprechend langgestreckt. Der linke Lungenflügel ist außer bei Boidae und Xenopeltidae meist verkümmert oder gar nicht ausgebildet,[7][8] während sich der rechte über bis zu zwei Drittel der Körperlänge, bei einigen Seeschlangen sogar bis zum After, erstrecken kann. Dies ist auch von außen gut erkennbar, wenn sich der Körper mit jedem Atemzug leicht ausdehnt. Im hinteren Teil geht die Luftröhre in einen Luftsack über (Tracheallunge), aus dem die Schlange in Sondersituationen ihren Sauerstoffbedarf decken kann (beispielsweise während des Verschlingens eines großen Beutetieres, wodurch manchmal die Luftröhre zusammengedrückt wird oder bei Seeschlangen während längerer Tauchgänge). Bei den Seeschlangen dient er zusätzlich als hydrostatisches Organ. Auch die Leber besteht nur noch aus dem rechten Lappen, erstreckt sich aber über den Großteil des Körpers.

Je nach präferiertem Lebensraum befindet sich das einkammerige Herz an unterschiedlicher Position. Bei baumbewohnenden (arborikolen) Schlangen sitzt es in der Nähe des Kopfes, damit auch in senkrechter Position (beispielsweise beim Klettern auf einen Baum) das Gehirn stets ausreichend durchblutet wird. Der hintere Teil des Körpers wird während dieser Zeit durch die Wirkung der Erdanziehungskraft versorgt, hier ist eine Pumpleistung für die Versorgung mit Blut durch das Herz nicht erforderlich. Eine solche Schlange kann die aufrechte Position länger halten als andere Schlangen, muss sich aber immer wieder in die Waagerechte begeben, da sonst ein Blutstau im hinteren Teil des Körpers auftreten kann. Bodenbewohnende Schlangen, die sich nur in Ausnahmefällen wie Drohverhalten, Kommentkämpfen und Ähnlichem aufrichten, haben das Herz etwa nach dem ersten Drittel der Körperlänge. So ist die Blutversorgung des gesamten Körpers gewährleistet und die Schlange ist für eine gewisse Zeit fähig, ihr vorderes Körperdrittel aufzurichten. Seeschlangen haben ihr Herz etwa in der Mitte des Körpers. So sind sie in der Lage, jegliche Position in ihrem Lebensraum einzunehmen. Befindet sich die Schlange in aufrechter oder schräger Position, so wird die Entstehung eines Blutstaus durch den Druck des Wassers von außen, der die Pumpleistung des Herzens unterstützt, verzögert.[9]

Die Speiseröhre ist stark gekräuselt, was eine hohe Dehnbarkeit bewirkt und die Aufnahme großer Beutetiere in den Körper ermöglicht. Anzumerken ist hier, dass die gespaltene Zunge beim Verschlucken keine Rolle spielt, sondern lediglich als Sinnesorgan dient (siehe Kapitel Sinneswahrnehmung). Der Magen ist ebenfalls langgezogen und mit muskulösen Wänden ausgestattet. Er produziert die Verdauungsenzyme und extrem starke Verdauungssäuren, die alles außer Chitin (Insektenpanzer) und Keratin (Haare, Federn und Krallen) angreifen; diese werden mit den Fäkalien ausgeschieden.

Auch die Hoden und Eierstöcke besitzen eine längliche Form. Das Begattungsorgan der männlichen Schlangen ist ein paariger Hemipenis. Dieser ist artabhängig mit Stacheln oder Dornen ausgestattet, die beim Begattungsakt dazu dienen, sich in der Kloake der weiblichen Schlange zu verhaken. Aufgrund des von Art zu Art sehr unterschiedlichen Aussehens des Hemipenis ist dieser ein wichtiges Bestimmungsmerkmal.

 

Die weltweite Verbreitung der Schlangen, schwarz: terrestrisch lebende, blau: marin lebende Arten

Schlangen sind fast weltweit verbreitet. Ihre Lebensräume erstrecken sich etwa zwischen 66° nördlicher und 44° südlicher Breite. Außerhalb dieser Breitengrade wurden bisher keine Schlangen beobachtet. Die am weitesten im Norden lebende Schlange ist die Kreuzotter (Vipera berus), die noch im nördlichen Fennoskandinavien vorkommt. Südlichste Verbreitungsgrenze ist Patagonien – dort ist Cenicienta (Bothrops ammodytoides) beheimatet. In vielen entlegeneren Regionen leben auch innerhalb der latitudinalen Verbreitungsgrenzen keine Schlangen. Dies betrifft unter anderem Irland, Island, die Färöer, die Azoren, Bermuda, Neuseeland und Hawaii.[10]

Lebensräume

Im Laufe ihrer Evolution konnten Schlangen die verschiedensten Lebensräume erobern. So kennt man heute unterirdisch, terrestrisch, aquatil (im Süß- ebenso wie im Salzwasser) und auf Bäumen (arborikol) lebende Arten. Einige stellen auch Mischformen der aufgeführten Lebensweisen dar, wie beispielsweise halbaquatil/halbterrestrisch. Je vielfältiger strukturiert ein Lebensraum ist, je mehr Ressourcen und ökologische Nischen er bietet, desto mehr Schlangenarten konnten sich bisher in ihm entwickeln; die mit Abstand größte Artenvielfalt gibt es daher in den Tropen, viele der hier lebenden Arten sind endemisch. Auch scheinbar lebensfeindliche Gebiete wie Wüsten oder Hochgebirge werden besiedelt.

Je nach Lebensraum weisen die Schlangen unterschiedliche Anpassungen auf. Diese äußern sich zum Beispiel in Form von Aktivitätsrhythmen (Winterruhe in gemäßigten Zonen, ganzjährige Aktivität im tropischen Regenwald) oder in unterschiedlich lange dauernden Sexualzyklen.

 

Die Ringelnatter (Natrix natrix) ist eine häufig in Europa anzutreffende ungiftige Schlange.

 

Die Kreuzotter (Vipera berus) ist in Mitteleuropa die häufigste Giftschlange.

Gefährdung

Aufgrund einer Langzeitstudie[11] wurde 2010 festgestellt, dass während des relativ kurzen Zeitraumes der Studie von 17 Schlangenpopulationen in Großbritannien, Frankreich, Italien, Nigeria und Australien 11 stark zurückgegangen sind. Ähnliches war bisher nur bei Vögeln und Amphibien beobachtet worden. Es werden komplexe Ursachen vermutet, darunter Verschlechterungen des Habitatzustands sowie der Beuteverfügbarkeit. Allerdings gingen auch Schlangenpopulationen in Schutzgebieten zurück, wo die Lebensräume stabil sind. Aufgrund der Korrelation mit Klimadaten könnte die globale Erwärmung eine der Ursachen sein. Wegen der Rolle von Schlangen als Räuber würde ein breiter Populationsrückgang starke Auswirkungen auf viele Ökosysteme haben.

Schlangen bevorzugen eine solitäre Lebensweise und haben nur ein schwach ausgeprägtes Sozialverhalten. Sie finden sich nur zu besonderen Gegebenheiten zusammen, nachfolgend sind einige aufgelistet:

  • Paarung (siehe auch Kapitel Fortpflanzung)
  • An Orten hoher Beutedichte (zum Beispiel ist es für die Strumpfbandnatter (Thamnophis sirtalis) typisch, Orte aufzusuchen, an denen die Metamorphose von Amphibien stattfindet und junge Frösche zu Tausenden das Wasser verlassen)
  • Zur Eiablagezeit an günstigen Brutplätzen (diese sind in ihrer Anzahl oftmals begrenzt, daher legen meist mehrere Weibchen gleichzeitig ihre Eier an einem geeigneten Platz ab)
  • Schaffung eines günstigen Mikroklimas (beispielsweise bei trächtigen Weibchen zur Sicherung optimaler Bedingungen für die Nachkommen oder auch das Zusammenfinden als sogenannte „Wintergesellschaften“ zur Überwinterung in den gemäßigten Zonen)

Schlangen erheben nur sehr selten Revieransprüche, bekannt ist ein solches Verhalten bei den Mambas (Dendroaspis) während der Paarungszeit. Viele Arten sind standorttreu. Bei anderen konnte man Wanderverhalten beobachten. Dies ist zum Teil jahreszeitlich bedingt (der Wechsel vom Überwinterungsplatz hin zum Ort der sommerlichen Aktivität), zum Teil populationsökologisch (sobald die Populationsdichte in einem Gebiet zu stark steigt, streben die Tiere auseinander). Aus bisher nicht bekannten Ursachen vollziehen einige Schlangen, typischerweise Wüstenbewohner wie die Seitenwinder-Klapperschlange (Crotalus cerastes), scheinbar willkürliche Wanderungen über weite Strecken.

Fortbewegung

 

Kriechende Puffotter

Je nach Lebensraum bedienen sich Schlangen unterschiedlicher Arten der Fortbewegung. So sind heute alle terrestrisch lebenden Schlangen in der Lage, zu kriechen und zu schwimmen; eine Ausnahme bilden die unterirdisch lebenden Schlangen, die sich zumeist des Grabens bedienen. Seeschlangen (Hydrophiinae) können sehr gut tauchen, dabei verschließen sie ihre Nasenlöcher und bleiben bis zu einer Stunde lang unter Wasser. Des Weiteren sind einige Arten fähig, zu klettern oder zu springen. Einige Baumschlangen (Schmuckbaumnattern) können sogar über kurze Distanzen durch die Luft gleiten, indem sie beim Sprung von einem Baum zum anderen ihren Körper abflachen, was ihnen eine Art Gleitflug ermöglicht. Das anfangs erwähnte Kriechen wird von der überwiegenden Anzahl der Schlangen genutzt. Aufgrund der unterschiedlichen Bodensituationen wenden sie hierbei mehrere Techniken an:

  • Das Schlängeln ist die häufigste Methode. Dabei drückt sich die Schlange mit ihren kräftigen Muskeln von verschiedenen Gegenständen, wie Stein(ch)en und Ästen auf dem Boden schräg nach vorne ab. Weil sie sich immer von beiden Seiten nach vorne drückt, kompensieren sich die Seitenkräfte und es entsteht eine gerichtete Vorwärtsbewegung. Im Dschungel können sich Schlangen so mit einer Geschwindigkeit von bis zu 6 Kilometer pro Stunde fortbewegen.
  • Beim geraden Kriechen bewegt sich die Schlange durch periodisch verlaufende Wellen von Muskelkontraktionen. So wird ein Vorwärtskommen in Röhren und engen Spalten möglich, wenn auch vergleichsweise langsam.
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    Schematische Animation des Seitenwindens

    Beim Seitenwinden hebt die Schlange ihren vorderen Körper und drückt ihn ein Stück weiter seitlich wieder auf. Gleichzeitig wandern die anderen zwei bis drei Berührungsstellen des Körpers mit dem Boden weiter schwanzwärts. Bei dieser Art der Fortbewegung berührt die Schlange nur mit einem kleinen Teil der Körperoberfläche den Boden. Deshalb ist sie vor allem bei Wüsten bewohnenden Schlangen, die sich durch losen Sand bewegen müssen, anzutreffen.
  • Die Ziehharmonika-Bewegung wird auf glatten Untergründen angetroffen, die wenig Halt und Widerstand bieten. Dabei zieht die Schlange ihren hinteren Körperteil heran und legt sich in enge Schleifen. Dann streckt sie den vorderen Körperteil nach vorne und zieht den Rest wieder nach.
  • Ferner wird für die Braune Nachtbaumnatter auf Guam die „Lasso-Bewegung“ postuliert, mit deren Hilfe zylinderförmige Objekte mit glatter Oberfläche erklommen werden können. Dabei sind Kopf und vorderer Rumpf gerade nach oben gerichtet, während der restliche Körper in einer Art Schlaufe das Objekt umschließt. Durch wellenartige Bewegungen, die die Schlange durch die „Schlaufe“ laufen lässt, zieht sie sich langsam in dieser Haltung am Objekt hoch.[12]

Thermoregulation

 

Dieses Wärmebild zeigt eine Schlange beim Biss in eine noch lebende oder vor kurzem getötete Maus. Diese hebt sich durch ihre noch vorhandene Körperwärme deutlich von der Umgebung ab, die wechselwarme Schlange hingegen ist vor dem Hintergrund fast nicht zu erkennen.

Wie alle Vertreter der Klasse Reptilien sind auch Schlangen ektotherm. Sie sind nicht in der Lage, ihre Körpertemperatur durch Stoffwechselwärme auf einem konstanten Niveau zu halten, sondern sind auf Wärmezufuhr von außen angewiesen. Die Aufwärmung des Körpers ist lebensnotwendig, da sämtliche Funktionen temperaturabhängig sind. So kann beispielsweise die Verdauung erst ab einer bestimmten Temperatur (diese ist von Art zu Art verschieden) ablaufen. Auch Bewegung kann nur aufgewärmt erfolgen, bei einer Außentemperatur von 1 bis 9 °C werden praktisch alle Arten bewegungsunfähig. Diese Lebensweise hat aber auch durchaus Vorteile, denn die Erhaltung der Körpertemperatur beim Warmblüter verbraucht einen sehr großen Teil der Nahrungsenergie. Schlangen benötigen deshalb weniger Nahrung und müssen, je nach Art und Größe der letzten Mahlzeit, nur alle 2 bis 10 Tage (kleine Schlangen) respektive alle 4 bis 10 Wochen (große Schlangen) erneut auf die Jagd gehen.

Obwohl die Tiere ihre Körperwärme nicht selbstständig erzeugen können, sind sie doch in der Lage, diese in einem gewissen Maße zu regulieren. Die Körpertemperatur wird auf einem möglichst konstanten Niveau einreguliert, das mit dem optimalen Ablauf sämtlicher Körperfunktionen im Einklang ist. Denn zu viel Wärme ist ebenso gefährlich wie zu wenig. Bei zu hohen Temperaturen können beispielsweise Enzyme denaturieren und damit bestimmte biochemische Körperfunktionen nicht mehr ausgeführt werden, was zum Tode führen kann. Es gibt sowohl diverse generelle thermoregulatorische Verhaltensweisen, als auch spezielle zum Aufwärmen und Abkühlen.

  • Generell (Konstanthaltung der Temperatur): Durch Zusammenrollen erreicht die Schlange eine Verringerung der Wärmeaustauschfläche, so schützt sie sich gleichzeitig vor zu hohen Wärmeverlusten wie auch vor Überhitzung. Ebenso ist das Tier fähig, seine Blutgefäße zu weiten und zu verengen, gleichzeitig kann es den Blutdruck absenken oder erhöhen. So kann es die Wärmeabgabe und -aufnahme steuern. Unterirdisch lebende Schlangen regulieren ihre Körpertemperatur über die Höhe der Erdschicht, in der sie sich aufhalten. Bei Gefahr der Überhitzung graben sie sich tiefer ein, droht Unterkühlung, graben sie sich weiter nach oben.
  • Wärmen: Die gängigste und schnellste Methode ist das Sonnenbaden. Hierbei setzt die Schlange eine möglichst große Körperfläche der direkten Sonneneinstrahlung aus. Einige Arten, beispielsweise die Kreuzotter (Vipera berus), können hierzu sogar ihren Körper abflachen und so die bestrahlte Fläche vergrößern. Des Weiteren bedienen sich die Tiere der Substratwärmeleitung. Sie legen sich auf aufgeheizten Boden oder Steine, die eine gewisse Kapazität an Wärmespeicherung aufweisen und gleichzeitig gute Wärmeleiter sind. Dämmerungs- und nachtaktive Arten verlängern auf diese Weise ihre Aktivitätsperiode, indem sie an Orten guter Wärmeleitung immer wieder Wärme auftanken. In tropischen Regionen reicht meistens schon die Temperatur der Umgebungsluft zum Aufwärmen aus. Hier ist es an Orten der direkten Sonneneinstrahlung meist sogar bereits zu heiß für die Tiere, sie bedienen sich hauptsächlich der im Folgenden beschriebenen Abkühlungsmethoden.

 

Ringelnatter (Natrix natrix) bei einem kühlenden Bad

  • Kühlen: Einfachste Möglichkeit ist das Aufsuchen von Schatten. Sofern vorhanden, werden auch Gewässer aufgesucht. Alle Schlangen sind fähig, zu schwimmen und können so den kühlenden Effekt des Wassers nutzen. Hier tritt das Gegenteil zu den aufgeheizten Steinen auf, die Schlange gibt Wärme an das umgebende Substrat ab. Es wurde beobachtet, dass Schlangen nach besonderer körperlicher Anstrengung wie langer Jagd, Flucht oder einem Kampf ihr Maul öffnen und heftig atmen, wodurch sie in geringem Maße eine Verdunstungskühlung erzielen können. Über die Haut, wie man es beispielsweise von Säugetieren kennt, ist dies nicht möglich, da die Tiere keine Schweißdrüsen besitzen. Wüstenschlangen hingegen besitzen eine eigene Abkühlungsmethode, indem sie sich in den Sand eingraben.

Da Seeschlangen mit Wasser in einem ganz anderen Medium leben als terrestrische, sind ihre Möglichkeiten der Thermoregulation sehr begrenzt. Luft ist ein schlechter Wärmespeicher, jedoch erfolgt ihre Erwärmung relativ schnell. Wasser hingegen ist ein recht guter Wärmespeicher, erwärmt sich aber nur langsam. In einigen Ozeanen ist es immer zu kalt, in anderen ist es zwar jahreszeitlich und durch Meeresströmungen bedingt manchmal warm genug. Diese sind jedoch als Lebensraum ungeeignet, da eine Winterruhe unter Wasser nicht möglich ist. Seeschlangen sind deshalb grundsätzlich an warme Regionen gebunden.

Fortpflanzung und Entwicklung

Paarung

Je nach Lebensraum pflanzen sich Schlangen das ganze Jahr hindurch fort (beispielsweise im tropischen Regenwald) oder nur zu bestimmten Paarungszeiten (in gemäßigten Zonen zum Beispiel im Frühjahr nach der Winterruhe). Bestimmt wird die Paarungszeit durch klimatische Einflüsse, da durch die Ektothermie der Tiere alle Körperfunktionen von den Außentemperaturen beeinflusst werden; hierunter fallen auch Spermio- und Oogenese.

Die Paarungszeit gehört zu den Gegebenheiten, in denen die sonst solitär lebenden Schlangen einander aktiv aufsuchen, wobei die Aktivität stets von den männlichen Tieren ausgeht. Die Partnerin wird durch den Geruchssinn über das Jacobson-Organ aufgespürt. Die Weibchen hinterlassen bei der Fortbewegung Pheromone auf dem Untergrund oder in der Vegetation und legen so eine Duftspur, welche die Männchen direkt zu ihnen führt. Auf kürzere Distanzen spielt auch der visuelle Sinn eine Rolle. Sobald eine andere Schlange in Sichtweite kommt, wird ergründet, ob sie zur selben Art gehört und ob es sich um ein Männchen oder ein Weibchen handelt.

 

Kommentkampf zweier männlicher Klapperschlangen

Treffen zwei Männchen allein aufeinander, meiden sie sich. Ist jedoch gleichzeitig ein paarungsbereites Weibchen anwesend, kommt es vor allem bei den Vipern zu einem ritualisierten Kommentkampf, bei dem sich die männlichen Schlangen mit ihren Körpern umeinander schlingen, ihr vorderes Körperdrittel aufrichten und dann versuchen, sich gegenseitig zu Boden zu drücken. Ein solcher Kampf erfolgt ohne Beißattacken und Verletzungen kommen daher praktisch nicht vor. Einige Natternarten jedoch neigen zu aggressiverem Vorgehen und beißen ihren Kontrahenten durchaus.

Das siegreiche Männchen umschlängelt dann das Weibchen, schiebt einen seiner beiden Hemipenes in ihre Kloake und verhakt sich darin. Der Paarungsakt kann von zehn Minuten (einige Natternarten) bis zu zwei Tagen (einige Vipernarten) andauern. Einige Arten, beispielsweise die Strumpfbandnattern (Thamnophis), finden sich bei der Paarung auch friedlich in großen Anhäufungen wieder, bei denen sich viele Männchen um ein Weibchen schlängeln und versuchen, es zu befruchten. Das sich dabei bietende Bild wird als „Paarungsknäuel“ bezeichnet.

Oviparie und Ovoviviparie

Je nach Schlangenart und Temperatur des Lebensraumes nimmt die Embryonalentwicklung zwischen zwei (bei in den Tropen beheimateten Schlangen) und fünf Monaten (bei ovoviviparen Seeschlangen) in Anspruch. Im Allgemeinen liegt die benötigte Bruttemperatur bei 25 bis 30 °C, wobei die Entwicklung innerhalb dieses Rahmens bei höherer Temperatur schneller abläuft. Deshalb kann es auch innerhalb einer Art, je nach Lebensraum, zu Schwankungen kommen, so bei der Kreuzotter (Vipera berus), die in warmen Mittelmeer-Regionen ebenso vorkommt wie im nördlichen Skandinavien. Die meisten Schlangenarten (etwa 70 %) sind ovipar, nur etwa ein Drittel ist ovovivipar (einige Nattern, viele Vipern und Seeschlangen).

  • Oviparie: Ovipare Arten legen ihre Eier abhängig von den klimatischen Bedingungen zwei bis vier Monate nach der Befruchtung an einem gut geschützten, warmen und feuchten Ort ab. Sie sind stets darauf angewiesen, Eiablageplätze zu finden, an denen optimale Brutbedingungen herrschen, denn die abgelegten Eier sind Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen schutzlos ausgeliefert. Hierdurch sind sie an mildere Klimate gebunden. Meist werden vorhandene Nischen (Felsspalten, hohle Baumstämme oder ähnliches) genutzt oder neue angelegt (Gruben im Erdreich). Einige Arten zeigen aktives Brutpflegeverhalten, was für diese Tierordnung eher ungewöhnlich ist: Manche Pythonarten ringeln sich um ihre Eier und regulieren die Temperatur des Geleges durch Muskelkontraktion; die Brillenschlange (Naja naja) hält sich mehrere Tage nach Eiablage in der Nähe des Geleges auf und verteidigt ihre Eier aktiv gegen eventuelle Nesträuber. Nach dem Schlüpfen sind die Jungen jedoch weitestgehend auf sich allein gestellt und werden nicht von den Elterntieren versorgt. Zum Schlupf besitzen Jungtiere einen Eizahn, mit dem sie sich von innen durch die lederartige Schale schneiden können. Innerhalb von zwei Tagen verlieren sie ihn.
  • Ovoviviparie: Die Geburt der Jungschlangen erfolgt je nach klimatischen Gegebenheiten frühestens zwei, höchstens fünf Monate nach der Befruchtung. Sie werden in einer durchsichtigen Hülle geboren, aus der sie schon während des Geburtsvorgangs oder direkt danach schlüpfen. Im Vergleich zur Oviparie liegt ein Vorteil der ovoviviparen Fortpflanzung darin, dass die Jungschlangen fast sofort beweglich sind und vor eventuellen Gefahren fliehen können. Zudem ist es unmöglich, dass sie Eiräubern zum Opfer fallen. Da die Muttertiere in gewissem Maße fähig sind, ihre Körpertemperatur zu regulieren, herrscht in ihrem Körper eine relativ konstante Temperatur und Feuchtigkeit. Ovovivipare Arten können daher, im Gegensatz zu oviparen Arten, auch kältere Zonen besiedeln. Hier können Mutterschlangen in ungünstigen Jahren die Geburt ins wärmere Frühjahr verzögern, was allerdings eine außerordentliche körperliche Belastung für sie selbst und ihre Jungen darstellt; meist überleben viele Jungtiere den Winter im Mutterleib nicht und kommen tot zur Welt. Nachteile der Ovoviviparie sind die eingeschränkte Bewegungsfähigkeit des Muttertieres und sein erhöhter Energiebedarf. Diesen muss es aus Fettreserven decken, denn für verschlungene Beutetiere ist kein Platz mehr im Körper. Einige Arten, beispielsweise die Wiesenotter (Vipera ursinii), fressen während der Trächtigkeit kleinere Beutetiere wie Insekten.

Die Gelegegröße oder Wurfstärke hängt von der Art und der Größe des Muttertieres ab und variiert zwischen 2 und 60, liegt im Schnitt jedoch bei 5 bis 20 Nachkommen.

Für mehrere Schlangenarten, darunter die Blumentopfschlange und der Nordamerikanische Kupferkopf, wurde die Fähigkeit zur obligaten bzw. fakultativen Parthenogenese nachgewiesen. Bei einer Diamant-Klapperschlange wurde mit Hilfe genetischer Marker belegt, dass sie erst fünf Jahre nach dem letzten Kontakt zu einem Artgenossen 19 Jungtiere aus befruchteten Eizellen hervorbrachte.[13]

Weitere Entwicklung

 

Jungtier der Ringelnatter (Natrix natrix) im Größenvergleich

Jungtiere gleichen in ihrem Aussehen den erwachsenen Tieren, sie sind lediglich kleiner. Nachkommen der Giftschlangen sind bereits mit einem voll funktionsfähigen Giftapparat ausgestattet und somit zu Giftbissen in der Lage. Da im ersten Jahr oft mehr als die Hälfte aller Nachkommen stirbt und auch noch einige Jahre danach die Sterblichkeit recht hoch ist, erreichen selbst in unberührter Natur wahrscheinlich höchstens 10 bis 15 % der Nachkommen das Erwachsenenalter.

Schlangen können je nach Art und Lebensumständen unterschiedlich alt werden. Meist erreichen sie in Gefangenschaft ein höheres Alter, da ihnen hier keine Gefahr durch Prädatoren droht und sie bei Krankheiten veterinärmedizinisch versorgt werden. Die Altersfeststellung in Freiheit bringt gewisse Probleme mit sich, da heute noch keine Möglichkeit bekannt ist, anhand von Körpermerkmalen eines lebenden Tieres dessen Alter zu ermitteln. Eine Markierung von Jungtieren kann nicht äußerlich erfolgen, da die Tiere sich sehr oft häuten und so auch jegliche Markierungen abstreifen würden. Lediglich eine Kennzeichnung, die innerhalb des Körpers angebracht werden würde (beispielsweise ein Chip), könnte möglicherweise derartige Erkenntnisse bringen, hierüber ist aber bis dato nichts in der Literatur angeführt. Bei toten Tieren kann anhand der Knochenstruktur (ähnlich der Jahresringe eines Baumes) ein ungefähres Alter ermittelt werden.

Aus der Familie der Riesenschlangen (Boidea) gibt es Aufzeichnungen[14] über Tiere, die über 40 Jahre alt geworden sind, betreffend die Abgottschlange (Boa constrictor) und den Königspython (Python regius). Vertreter der Nattern-Familie können über 30 Jahre alt werden, zum Beispiel die Kornnattern (Pantherophis guttata, 32 Jahre). Vipern können mehr als 20 Jahre alt werden, zum Beispiel die Texas-Klapperschlange (Crotalus atrox, 22 Jahre). Die älteste bekannte Seeschlange war mit fünf Jahren ein Plattschwanz (Laticauda laticauda).

Chronobiologie

Auch Schlangen weisen verschiedene biologische Rhythmen auf. Neben unregelmäßig wiederkehrenden Aktionen, wie beispielsweise dem Abstand zwischen den Nahrungsaufnahmen (dieser ist abhängig von der Größe der letzten Mahlzeit) gibt es auch sehr regelmäßige, durch abiotische Umweltfaktoren bestimmte Abläufe. Im Folgenden werden die zwei ausgeprägtesten dargestellt.

Aktivitätsrhythmen

Schlangen sind zu unterschiedlichen Zeiten aktiv. Die Aktivitätszyklen richten sich zum einen nach klimatischen Gegebenheiten und dem Thermoregulationsbedarf einer Schlange, zum anderen nach Anforderungen der Ernährung und Fortpflanzung. Des Weiteren ist zwischen tag-, nacht- und dämmerungsaktiven Tieren zu unterscheiden.

Es gibt Arten, deren circadianer Rhythmus exogen bestimmt wird, beispielsweise bei der Aspisviper (Vipera aspis), die im Frühjahr und Herbst tagaktiv ist, im Sommer auch dämmerungs-, manchmal sogar nachtaktiv ist. Im Gegensatz dazu existieren Arten, bei denen der Rhythmus endogen festgelegt ist, wie bei der Kreuzotter (Vipera berus), die grundsätzlich nur tagaktiv ist, oder der Girondischen Glattnatter (Coronella girondica), die nur dämmerungsaktiv ist.

In gemäßigten Zonen sind Schlangen nur während der wärmeren Jahreszeiten aktiv. Den Winter verbringen sie in frostfreien Verstecken in einer Kältestarre. Während dieser Zeit laufen nur noch lebenserhaltende Vorgänge im Körper ab und auch diese sind auf das notwendige Minimum reduziert. Energie hierfür erhalten sie aus ihren im Sommer angesammelten Fettreserven. Schlangen reduzieren außerdem während langen Ruhephasen ihre Energiekosten, indem sie bestimmte Organe wie Darm, Lungen, Herz und Nieren verkleinern. Dies ist möglich, weil ihr Stoffwechsel während der Winterstarre stark reduziert ist.[15] Steigen die Temperaturen wieder an, steigt auch die Stoffwechselrate der Tiere und sie wachen auf; Männchen gewöhnlich etwa zwei Wochen vor den Weibchen.

Sexualzyklen

Die Zeitspanne des Sexualzyklus verschiedener Schlangenarten wird durch das Klima ihres Lebensraumes bedingt. Für die Oogenese, die Spermatogenese und letztlich auch für die Entwicklung der Embryonen sind bestimmte Temperaturen erforderlich. Dementsprechend reicht die Dauer eines Zyklus von einigen Monaten bis zu zwei Jahren.

  • Zyklus im kühlen gemäßigten Klima: Die Aktivitätsphase der Schlangen ist in diesem Klima zu kurz, als dass der gesamte Fortpflanzungszyklus innerhalb eines Jahres erfolgen könnte. Meist erfolgt im ersten Zyklusjahr etwa im April oder Mai beim Weibchen die Vitellogenese (Dotterbildung), beim Männchen die Spermatogenese. Die Dotter beziehungsweise die Vorspermien werden über den Winter hinweg im Körper gelagert. Im darauffolgenden Frühjahr beendet das Männchen seine Winterruhe etwa zwei Wochen vor den Weibchen, damit die Spermienreifung zur Paarungszeit abgeschlossen ist. Dann kommt es beim Weibchen zum Eisprung, die Befruchtung kann erfolgen. Normalerweise liegt die Paarungszeit in den Monaten April oder Mai, somit ist über den Sommer ausreichend Wärme zur Embryonalentwicklung vorhanden. Es kann aber auch vorkommen, dass in kalten Jahren die Paarung erst im Herbst erfolgt und die Weibchen die Zygoten mit in die Überwinterung nehmen. Deren Wachstum setzt dann erst im nächsten Frühling ein.
  • Zyklus im warmen gemäßigten Klima: Meist kann hier von einem circannualem (etwa jährlichem) Rhythmus gesprochen werden. Spermatogenese und Vitellogenese erfolgen sofort nach Abbruch der Winterruhe (etwa Ende Februar bis Anfang März), etwa Ende Mai sind die Spermien reif und die Weibchen paarungsbereit. Die Jungschlangen werden Ende Juli oder Anfang August geboren beziehungsweise schlüpfen, einige ovipare Arten legen in sehr warmen und beutereichen Jahren sogar zweimal Eier.
  • Zyklus im subtropischen Klima: In diesen Klimata spielt weniger die Temperatur als die Feuchtigkeit eine Rolle. Während der Trockenzeit (Frühling und Winter) ist diese nicht in dem Maße vorhanden, wie sie für eine reibungslose Entwicklung der Jungschlangen nötig wäre. Diese sind nach Schlupf oder Geburt darauf angewiesen, ihren Wasserhaushalt zu regulieren. In der Trockenzeit können sie weder durch trinken noch durch das Fressen von Beutetieren (da beides nicht oder nur in geringem Maße vorhanden ist) Flüssigkeit zu sich nehmen. Die Mortalitätsrate wäre zu hoch, als dass ein Überleben der Art gesichert sein könnte. Daher erfolgen in der Trockenzeit lediglich Vitello- und Spermatogenese, der Schlupf oder die Geburt der Jungen erfolgt in der Regenzeit, also im Sommer und Herbst. Einige ovipare Arten legen mehrmals im Jahr Eier.
  • Zyklus im tropischen Klima der Äquatorialregionen: Hier gibt es keinen festen Fortpflanzungszeitpunkt und keine bestimmte Paarungszeit. Es herrschen das ganze Jahr über relativ konstante Temperaturen und Feuchtigkeitsverhältnisse. Dementsprechend pflanzen sich die Schlangen hier nicht zu festgelegten Zeiten fort, nach Ablauf des einen Zyklus kann sofort wieder der nächste beginnen.

Drohung

 

Drohende Kobra (Naja) mit gespreiztem Hals

Schlangen verfügen über verschiedene Drohverhalten. Wie auch bei vielen anderen Tieren gehört dazu, sich größer erscheinen zu lassen. Hierzu richten die Tiere ihr vorderes Körperdrittel s-förmig auf und rollen den Rest des Körpers darunter zusammen. Einige Arten bleiben mit dem zusammengerollten Körperteil in ständiger, wellenförmiger Bewegung, andere spreizen zusätzlich ihren Halsbereich, wie die Kobras (Naja), oder blasen ihn auf, so beispielsweise die Afrikanische Baumschlange (Dispholidus typus). Es wurde beobachtet, dass insbesondere ungiftige Vertreter speziell die Drohgebärde des Größererscheinens stark übertreiben. Dies soll den Gegner so sehr einschüchtern, dass er gar nicht erst angreift. Sollte er dies doch tun, besitzt die Schlange keine Waffe, die ihm gefährlich werden könnte; daher versucht sie vorzubeugen.

 

Rasselnd drohende Texas-Klapperschlange (Crotalus atrox)

Bekannt ist auch, dass sich viele Arten zur Drohung bestimmter Geräusche bedienen. Hierzu gehören Zischen, Fauchen oder auch Rasseln. Letzteres entsteht durch Aneinanderreiben gekielter Schuppen, wie bei den Sandrasselottern (Echis), oder durch Vibration des Schwanzes. Entweder erzeugt dieser die Geräusche durch Hilfsmittel wie trockenes Gras, oder die Geräuschbildung erfolgt mit einer Schwanzrassel aus gekielten, übereinander greifenden Hornringen, wie sie die Klapperschlangen besitzen. Auch gibt es Arten, beispielsweise die Arizona-Korallenschlange (Micruroides euryxanthus), die geräuschvoll Luft durch ihre Kloake schicken, manchmal auch begleitet von Exkrementen, deren Geruch den Gegner abschrecken soll. Ebenso gehören Scheinbisse zum Verhaltensrepertoire; Giftschlangen sondern hierbei aber kein Gift ab, da es verschwendet wäre und neu synthetisiert werden müsste.

Verteidigung

Sofern Drohungen ihre Wirkung verfehlen, verfügen Schlangen auch über diverse aktive und passive Verteidigungsstrategien.

Sowohl giftige als auch ungiftige Vertreter beißen zur Verteidigung, wobei die giftigen meist einen stärkeren Effekt erzielen, denn im Gegensatz zu den Scheinbissen wird beim Verteidigungsbiss durchaus Gift abgegeben. Bei vielen ungiftigen Arten, zum Beispiel bei Pythons, brechen die spitzen Zähne ab und verbleiben in der Wunde des Gegners, was zu schmerzhaften Entzündungen führen kann. Für die Schlange bedeutet dies keinen großen Verlust, da die Zähne recht schnell nachwachsen (siehe Kapitel Zähne).

Einige Arten wie die Rote Speikobra (Naja pallida) spritzen ihr Gift aus dem Maul über mehrere Meter Entfernung. Hierbei versuchen sie stets, die Augen des Gegners zu treffen. Je nach Giftart und -stärke kann ein Getroffener vorübergehend oder sogar ständig erblinden. Eine sehr spezielle Verteidigung hat die Tigernatter (Rhabdophis tigrinus) entwickelt: sie ist nicht in der Lage, eigenständig Gift zu synthetisieren, frisst aber giftige Kröten und speichert deren Gift in einem speziellen Reservoir am Nacken. Kommt sie in Bedrängnis, versprüht sie das gesammelte Krötengift in Richtung des Gegners.

Neben Beißen und Giftspritzen sind mehrere passive Verteidigungsstrategien bekannt. Schnelle Nattern verlassen sich auf ihre Geschwindigkeit und fliehen, während trägere Vipern oftmals auf ihre Tarnung vertrauen. Ungiftige Arten bilden manchmal absichtlich die auffällige Färbung giftiger Arten nach, um eine vermeintliche Gefährlichkeit zu demonstrieren (Mimikry), zum Beispiel sieht die ungiftige Dreiecksnatter (Lampropeltis triangulum) den hochgiftigen Vertretern der Korallenottern (Micrurus) sehr ähnlich. Bei der Ringelnatter (Natrix natrix) wurde beobachtet, dass sie sich totstellt, was für diese Tiergruppe eher ungewöhnlich ist. Hierbei dreht sich das Tier auf den Rücken, öffnet sein Maul und lässt die Zunge heraushängen. Einige Beobachtungen berichten sogar davon, dass aus dem Maul Speichel fließt, vermischt mit etwas Blut. Dies soll vermutlich die Täuschung perfekt machen. Einige Arten, wie der Königspython (Python regius) rollen ihren gesamten Körper zusammen, wobei der Kopf mittig gehalten wird (daher auch der Beiname „Ball-Python“). Das Schwanzende wird dem Gegner als Kopfattrappe präsentiert. Greift er dort an, wird die Schlange lediglich an einem nicht lebenswichtigen Körperteil verletzt. Meist kann sie die Verwirrung des Gegners dann zur Flucht nutzen.

Des Weiteren nutzen viele Nattern die Möglichkeit, ein stinkendes Sekret aus ihren Analdrüsen abzusondern. Dieses erzeugt Verwesungsgeruch und vertreibt bei den meisten Gegnern das Interesse, da sie sich nicht von Aas ernähren.

Ernährung

 

Afrikanische Eierschlange bei der Nahrungsaufnahme

Alle Schlangen sind Raubtiere und ernähren sich von anderen, lebenden oder frisch getöteten Tieren. Ihr Beutetierspektrum wird bedingt durch ihre Körpergröße und das im jeweiligen Lebensraum befindliche Angebot. Dementsprechend fressen kleinere Schlangen vor allem Insekten. Mittelgroße Schlangen fressen Nagetiere, Frösche und Eidechsen, manchmal auch Vögel, Eier und andere Schlangen. Das Nahrungsspektrum großer Schlangen umfasst alles von kaninchengroßen Säugern bis hin zu Rehen oder Wildschweinen. Insekten und andere kleinere Beutetiere (beispielsweise Amphibien) werden meist lebend verschlungen, größere werden vor dem Verzehr getötet.

Aufgrund des durch die Körpergröße bestimmten Beutespektrums unterscheidet sich jenes der Jungschlangen häufig von dem ausgewachsener Tiere. Die Terciopelo-Lanzenotter (Bothrops asper) beispielsweise verzehrt als Jungtier (bei etwa 25 Zentimetern Körperlänge) kleine Echsen und Arthropoda, als ausgewachsene Schlange (ab etwa 150 Zentimetern Körperlänge) kleine Säugetiere und Vögel. Hierin liegt ein großer Vorteil, denn ausgewachsene und Jungtiere besetzen verschiedene ökologische Nischen und stehen so nicht in Konkurrenz zueinander.

Bezüglich des Nahrungsspektrums gibt es bei den Schlangen ausgeprägte Spezialisten wie auch Opportunisten. Im Folgenden sind einige Beispiele aufgeführt.

  • Spezialisten: Vertreter der Dickkopfnattern (Dipsas) fressen ausschließlich Schnecken. Sie sind mit einem hakenförmig verlängerten Unterkiefer ausgestattet, mit dem die Schnecken aus ihrem Gehäuse gelöst und herausgehebelt werden können. Ein weiteres Beispiel stellen die Afrikanischen und Indischen Eierschlangen (Dasypeltis und Elachistodon) dar. Sie fressen nur Vogeleier. Diese werden komplett verschlungen. Die Zerstörung der Schale erfolgt dabei kurz nach dem Schlingvorgang mittels kleiner verlängerter Halswirbelfortsätze (Hypapophysen). Dotter und Eiklar werden in den Magen transportiert, die Schale wird ausgewürgt.
  • Opportunisten: Zu diesen zählen alle Riesenschlangen ab einer gewissen Größe. Pythons erreichen bei 10 Metern Länge etwa ein Gewicht von 100 Kilogramm und sind somit in der Lage, fast jedes andere Tier zu erlegen. Grenzen in der Nahrungsaufnahme werden diesen Tieren nur noch durch die Verbreiterung der Maulöffnung und des Dehnvermögens ihres Körpers gesetzt: es können nur Beutetiere verschlungen werden, die einen gewissen Umfang nicht überschreiten. Als weiterer Opportunist kann die Wassermokassinschlange (Agkistrodon piscivorus) angeführt werden. Sie ist die einzige Art, von der bekannt ist, dass sie manchmal sogar Aas frisst.

Zur Häufigkeit der Nahrungsaufnahme lässt sich allgemein sagen, dass Weibchen gefräßiger sind als Männchen, da sie viel Energie für die Dotterbildung verwenden müssen. Bei Trächtigkeit und kurz vor der Eiablage sind sie jedoch sehr zurückhaltend (vgl. Kapitel Fortpflanzung). Auch wurde beobachtet, dass ab etwa zwei Wochen vor der Häutung keine Nahrungsaufnahme mehr erfolgt. Kleinere Arten und Jungtiere fressen häufiger, bedingt durch eine höhere Stoffwechselrate als bei größere Arten oder Adulti. Schlangen können, im Verhältnis zu ihrer eigenen Körpermasse, enorme Mengen zu sich nehmen (Vipern können Beutetiere bis zu etwa 36 %, andere Schlangen bis zu etwa 18 % ihrer eigenen Masse verschlingen). Gelingt der Schlange der Fang eines derart großen Beutetieres, erfolgt die nächste Nahrungsaufnahme meist erst Wochen später (der geschätzte jährliche Nahrungsbedarf einer adulten Kreuzotter (Vipera berus) beläuft sich auf etwa 350 kcal, dies entspricht etwa 10 Wühlmäusen). Riesenschlangen (Boidae) können über ein Jahr lang hungern.

Die Nahrungsaufnahme ist auch temperaturabhängig. Unter 10 °C findet bei den ektothermen Tieren keine Verdauung statt (vergleiche Kapitel Thermoregulation). Hat eine Schlange Beute verschlungen und sinkt danach die Umgebungstemperatur unter besagte 10 °C ab, so würgt sie ihre Mahlzeit wieder aus. Dies ist notwendig, da sobald die Verdauung aufgrund der zu niedrigen Temperatur aussetzt, Fäulnisprozesse einsetzen. Hierbei entstünden Gifte (zum Beispiel die Gase Ammoniak und Schwefelwasserstoff, oder auch Propion- und Essigsäure), die zum Tod der Schlange führen könnten. Der höchste Wirkungsgrad von Verdauungsenzymen liegt, je nach Art, etwa bei 30 °C.

Jagd

Schlangen wenden hauptsächlich zwei Jagdmethoden an, dies sind Auflauern (so jagen zum Beispiel viele Vipern) und Erjagen (viele Nattern).
Die Lauerjäger vertrauen bei ihrer Jagdmethode auf ihre Tarnung und warten, bis ein Beutetier nahe genug an sie herankommt. Dann stoßen sie sehr schnell (mit bis zu 10 Metern pro Sekunde) auf die Beute zu und beißen sie. Der weitere Verlauf ist davon abhängig, welcher Schlangenfamilie der Jäger angehört: der mit Giftzähnen ausgestattete Vertreter lässt die Beute wieder los. Diese flieht und die Schlange nimmt, in der Gewissheit der Wirkung ihres Giftes, die Verfolgung auf. Hierzu benutzt sie ihren nasovomeralen Sinn und folgt der Duftspur der Beute. Diese erliegt nach kurzer Zeit, meist schon nach wenigen Minuten, dem injizierten Gift und stirbt. Sobald die Schlange bei ihrem Opfer angekommen ist, verschlingt sie es.
Der ungiftige Lauerjäger dagegen verbeißt sich in seiner Beute und umschlingt ihren Körper, vor allem den Brustkorb, mit seinem eigenen. Mit jedem Ausatmen der Beute zieht die Schlange fester zu, bis das Opfer das Bewusstsein verliert. Die Schlange hält jedoch noch so lange fest, bis dessen Herz aufgehört hat zu schlagen. Nachdem der Tod eingetreten ist, kann die Schlange mit dem Verspeisen beginnen.

Einige wenige Schlangen benutzen auch ganz andere Jagd- und Tötungsmethoden. So lassen beispielsweise baumbewohnende (arborikole) Vertreter, wie die Lianenschlange (Thelotornis kirtlandii), ihr Vorderteil über dem Waldboden baumeln, während sie sich mit ihrem restlichen Körper im Geäst festhalten. Sie sehen durch ihre Form und Färbung aus wie eine Schlingpflanze und werden von vorbeilaufenden Tieren nicht als Gefahr wahrgenommen. Kommt ein in das Beutespektrum der jeweiligen Schlange passendes Tier vorbei, schnappt sie einfach zu. Andere Baumbewohner, wie die Mambas (Dendroaspis), beobachten den Waldboden aus einiger Höhe und lassen sich auf passende Beutetiere fallen.
Kleine und unterirdisch lebende Schlangen verschlingen ihre Beute, zumeist Insekten, direkt nach dem Fang lebendig.

 

Netzpython (Python reticulatus) beim Schlingvorgang

Der Schlingvorgang läuft nach einem bestimmten Muster ab. Beutetiere werden grundsätzlich in einem Stück verschlungen (siehe hierzu auch Kapitel Anatomie). Froschlurche (Anura) und kleinere Beutetiere werden nach keinem bestimmten Schema verspeist. Behaarte Beutetiere oder Vögel hingegen werden immer mit dem Kopf voran verzehrt, damit sich ihr Fell beziehungsweise Federkleid beim Hinunterschlingen nicht aufstellt und den Schlingvorgang behindert. Wichtig hierbei ist Beweglichkeit der Unterkieferknochen zueinander und gegen die bezahnten Knochen des Gaumendaches. Durch abwechselnde Bewegungen dieser Knochen zueinander wird die Beute immer weiter in den Schlund transportiert. Hilfreich sind dabei unter anderem die stark nach hinten (rachenwärts) gebogenen Spitzen der Zähne. Ab dem Rachen übernimmt die Wirbelsäule mittels wellenförmiger Bewegungen den Weitertransport. Sobald es ihr möglich ist, reckt die Schlange den vorderen Körperteil in die Höhe, um die Schwerkraft zur Unterstützung des Schlingvorgangs auszunutzen. Ist die Beute vollständig verschlungen, sortiert die Schlange ihre Schädelknochen durch mehrmaliges Gähnen. Während des Verschlingens ist die Schlange ihren Feinden schutzlos ausgeliefert, daher würgt sie die Beute bei Störungen wieder aus.

Schlangengift

Hauptartikel: Schlangengift

Giftschlangen setzen ihr Gift hauptsächlich bei der Beutejagd ein, aber auch zur Verteidigung. Schlangengifte bestehen aus verschiedenen Proteinen und sind von zähflüssiger Viskosität mit milchig-weißer bis gelblicher Farbe. Je nach Art wirkt das Gift auf das Nervensystem (Neurotoxine), die Blutzellen und -gefäße (Hämotoxine), das Herz (Cardiotoxine), die Gewebe oder die Gerinnung (Koagulanzien) oder an mehreren der genannten Wirkorte. Etwa 600 Schlangenarten sind giftig und von diesen sind rund 50 potenziell tödlich für Menschen. Zur Anzahl der weltweit jährlich durch Giftschlangen verursachten Todesfälle gibt es keine sicheren Angaben, eine neuere Schätzung gibt 21.000 bis 94.000 Todesfälle pro Jahr an.[16] In der Medizin werden Schlangengifte und von ihnen abgeleitete Produkte sowohl zur Behandlung von Krankheiten als auch zur Erforschung neuer Wirkstoffe eingesetzt. Daneben dienen sie als Ausgangsstoff zur Herstellung von Gegengiften.

Schlangen sind auf vielfältige Weise in Räuber-Beute-Beziehungen eingebunden. Sie sind sowohl Prädatoren als auch Beutetiere. Im Folgenden werden Gruppen von Lebewesen, die für Schlangen eine Gefahr darstellen können, beschrieben.

  • Säugetiere: Obwohl sich kein Säugetier auf die Schlangenjagd spezialisiert hat, scheinen sie bei einigen zum gewohnten Nahrungsspektrum zu gehören. Hier sind es vor allem Großkatzen wie zum Beispiel der Leopard. Dieser kann bis zu vier Meter lange Pythons erlegen (wobei ebenso der Python den Leoparden töten kann). Auch kleine Feliden erbeuten gelegentlich ihrer Größe entsprechende Schlangen. Ein besonders bekannter Feind aus der Gruppe der Katzenartigen ist der Mungo, der sich im Kampf mit einer Kobra durch seine Schnelligkeit und sein dickes Fell einem nur geringen Risiko aussetzt, gebissen zu werden. Er ist allerdings nicht gegen ihr Gift resistent. Ebenso zählen Vertreter aus der Familie der Marder zu den natürlichen Feinden. Primaten und Schweine erbeuten und fressen gelegentlich Schlangen, letztere sind hierbei durch ihre dicke Speckschwarte in gewissem Maße vor einer eventuellen Giftwirkung geschützt. Nicht direkt als Feinde, jedoch als Bedrohung in gewissen Situationen sind hier auch die Huftiere aufzuführen. Diese zertreten gelegentlich Schlangen, entweder unbeabsichtigt oder wenn sie ihre Jungen durch diese bedroht sehen.

 

Der Sekretär (Sagittarius serpentarius) ist mit seinen langen, schuppenbesetzten Läufen relativ sicher vor Schlangenbissen.

  • Vögel: Zu den schlangenfressenden Vögeln zählen weltweit vor allem Greifvögel. Diese packen die Schlange am Hals und brechen ihr mit einem Ruck die Wirbelsäule. Schlangenadler haben sich auf die Schlangenjagd spezialisiert, ebenso wie der Sekretär, der die Schlange vor sich herjagt und sie mit gezielten Tritten auf den Kopf und ins Genick tötet. Gelegentlich fressen Stelzvögel (wie beispielsweise Störche oder Reiher), Raben, Kuckuck und Nandus Schlangen. Besonders gefährlich für kleinwüchsige und Jungschlangen hingegen sind auch Hühnervögel. Die kleinen Schlangen stellen für sie keine Gefahr dar und passen somit genau in ihr Beutespektrum.
  • Reptilien, Amphibien, Fische: In Gewässern fallen Schlangen Alligatoren, Krokodilen oder größeren Schildkröten wie der nordamerikanischen Schnappschildkröte (Chelydra serpentina) zum Opfer. An Land können ihnen größere Echsen wie Warane gefährlich werden. Obwohl Amphibien nicht gezielt Schlangen jagen, werden vor allem kleine Exemplare gelegentlich von größeren Kröten und Fröschen gefressen. Fleischfressende Fische verschiedener Gruppen wie Hechte und Haie können ebenfalls Schlangen erbeuten.
  • Andere Schlangen: Einige Arten wie die Halsbandnatter (Diadophis punctatus) oder die Schlingnatter (Coronella austriaca) besitzen kein festgelegtes Nahrungsspektrum. Sie fressen alles, was der Größe nach ihrem Beutespektrum entspricht, darunter auch andere Schlangenarten. Andere Gattungen, wie die amerikanischen Königsnattern (Lampropeltis) oder die asiatische Königskobra (Ophiophagus), haben sich hingegen auf die Jagd anderer Schlangenarten spezialisiert. Auch Kannibalismus kommt vor, wurde aber in Gefangenschaft häufiger beobachtet als in freier Natur. Oftmals fressen hierbei die Adulti die Juvenilen. Die Scharlachnatter (Cemophora coccinea) frisst fast ausschließlich Schlangeneier.
  • Wirbellose: Spinnentiere wie zum Beispiel Skorpione, Walzenspinnen, große Webspinnen sowie große Tausendfüßler fressen gelegentlich sehr kleine Schlangen. Winterruhende Schlangen werden ebenfalls gelegentlich von Vertretern einiger Spinnenarten, Bandasseln oder Laufkäfern gefressen. Langsame oder bewegungsunfähige Schlangen (beispielsweise Pythons, die aufgrund einer Verdauungspause verharren müssen) können sogar Beute von Ameisen werden.

Hauptartikel: Schlangenkrankheiten

Unter Normalbedingungen sind Schlangen relativ unempfindlich gegenüber Krankheitserregern. Bei physiologischen Veränderungen (Häutung, Überwinterung et cetera) oder veränderten Umweltbedingungen bzw. verändertem Mikroklima kann sich das Normalflora-Spektrum (hier der Pilz- und Bakterienflora) aber zu Gunsten von pathogenen Pilzen und Bakterien ändern: Beispielsweise sind Schlangen sehr kälteempfindlich und können unter zu kalten Bedingungen eine Lungenentzündung oder Erkrankungen des Verdauungsapparats bekommen. Auch Wundinfektionen und Hautabszesse können häufiger vorkommen. Wehrt sich ein Beutetier gegen das Verschlingen und verletzt die Schlange am Maul, kann dies zu Stomatitis führen, einer schweren Infektion der Mundhöhle, die tödlich enden kann. Darüber hinaus können Schlangen von verschiedenen Parasiten, wie z. B. Milben, Zecken oder Fadenwürmern, befallen sein.

Pilzerkrankungen (Mykosen) betreffen bei Schlangen vor allem die Haut. Ein Pilz aus der Familie Onygenaceae, Ophidiomyces ophiodiicola, manifestiert sich zunehmend als der Erreger, der für einen Großteil der Hautmykosen bei Schlangen verschiedener Familien verantwortlich zu sein scheint[17]. In Nordamerika wurde diese Pilzkrankheit vermehrt beobachtet und 2017 ist der Pilz auch bei freilebenden Schlangen in Europa nachgewiesen worden.[18] Das Krankheitsbild kann sehr variabel sein, führt in manchen Fällen aber zum Tod des betroffenen Tieres. Entscheidende Faktoren scheinen einerseits der Gesundheitszustand von Schlangen sowie andererseits Umweltbedingungen zu sein (z. B. mildere und feuchtere Winter als Folge des Klimawandels).[17] Bislang ist wenig über den Pilz, seine Verbreitung sowie die Bedeutung für Schlangen bekannt, es wird aber vermutet, dass grundsätzlich alle Schlangenarten anfällig für den Pilz sein könnten.[19]

 

Archaeophis proavus aus dem Eozän, ausgestellt im Berliner Museum für Naturkunde

Die ältesten Fossilfunde von Schlangen stammen aus dem Mitteljura, dem Oberjura und der Unterkreide. Dabei handelt es sich um Eophis underwoodi aus dem Bathonium (vor etwa 167 Mill. Jahren) von England, Portugalophis lignites aus dem Kimmeridgium (157 bis 152 Mill. Jahren) von Portugal, Diablophis gilmorei aus Nordamerika (ebenfalls aus dem Kimmeridgium) und Parviraptor estesi aus dem Berriasium (145 bis 140 Mill. Jahren) von England. Alle hatten noch vier kleine Beine, zeigten aber teilweise schon den typischen Schlangenschädel.[20] Weitere mesozoische Schlangen wurden auf ein Alter von etwa 95 bis 100 Millionen Jahren in die Oberkreide datiert; sie waren den heutigen Schlangen bereits sehr ähnlich. Dabei handelt es sich um verschiedene Skelettfragmente der Art Laparentophis defrennei aus Algerien, Coniophis precedens aus der nordamerikanischen Lance-Formation, sowie Pachyrhachis problematicus im Nahen Osten. Bei letzterem ist man bislang nicht sicher, ob es sich um eine Schlangenart oder um einen Waran mit reduzierten Extremitäten handelt.

Als mögliche Vorfahren werden heute Echsen, wahrscheinlich frühe Waranartige (Varanomorpha), vermutet. Grund für diese Annahme ist der ähnlich aufgebaute Schädel, insbesondere der Aufbau des Unterkiefers, die gespaltene Zunge und die Art des Zahnwechsels, die beispielsweise dem der Krustenechsen (Heloderma) ähnelt. Hinzu kommt die ihnen gemeinsame Reduktion des linken Lungenflügels sowie die Entwicklung eines Jacobson-Organs.

 

Der Mosasaurier Plioplatecarpus

 

Pachyophis woodwardi aus der unteren Oberkreide von Selista (Herzegowina). Ob es sich um eine der ältesten Schlangen oder um eine Echse mit reduzierten Gliedmaßen handelt, ist strittig. Naturhistorisches Museum Wien.

Alle heute bekannten fossilen Varaniden lebten im Wasser und einige davon auch im Meer. Besonders die Mosasaurier, eine Gruppe mariner, waranartiger Echsen aus der späten Kreide mit zu Flossen rückgebildeten Extremitäten, sowie Pachyophis aus dem heutigen Bosnien-Herzegowina und Pachyrhachis aus dem Nahen Osten werden als den Urahnen der Schlangen nahestehend eingeordnet. Die Theorie, dass diese wasserlebenden Warane allerdings direkte Vorfahren der Schlangen sein sollten, wurde zugunsten einer Theorie aufgegeben, nach der sie eher von im Boden grabenden Formen abstammen. Als Indizien werden vor allem die grabende Lebensweise der ursprünglichsten der heute lebenden Schlangentaxa, der Blindschlangenartigen, sowie die schlangenähnliche Gestalt bei konvergent extremitätenlos evolvierten Wirbeltiergruppen mit grabender Tätigkeit wie den Schleichenlurchen (Gymnophiona) innerhalb der Amphibien und den Schleichen und Doppelschleichen innerhalb der Echsen angegeben.

Die zurzeit favorisierte Theorie besagt, dass die ersten Schlangen halbgrabende und halbaquatile Reptilien waren, die im Schlamm lebten, ähnlich dem rezenten Taubwaran (Lanthanotus borneensis). Die grabende Lebensweise in diesem Substrat wird als Grund dafür angenommen, dass Schlangen ihre in diesem Lebensraum nicht benötigten Extremitäten reduziert haben. Der schlanke, glatte Körperbau stellt eine ideale Anpassung an das Leben unter der Erde dar, da die Tiere sich so nicht verhaken und sich relativ schnell fortbewegen können. Gegraben wurde mit dem Kopf oder einem verstärkten und speziell umgeformten Rostralschild, wie dies beispielsweise rezente Sandboas (Erycinae) oder Blindschlangen wie das Blödauge (Typhlops vermicularis) noch heute tun. Wie alle Schlangen besitzen diese neben modifizierten Kopfschuppen eine verstärkte Schädeldecke sowie spezifische Verwachsungen und Reduktionen des Kopfskeletts, die eine Erhöhung der Stabilität beim Graben bedingen.

Externe Systematik

 

Riesenwaran (Varanus giganteus)

Die Einordnung der Schlangen innerhalb der Schuppenkriechtiere ist bislang nicht vollständig geklärt. In der traditionellen Taxonomie werden die Schlangen als eigene Unterordnung neben den Echsen (Lacertilia) eingeordnet, dies wird jedoch durch neuere Betrachtungen innerhalb der Phylogenetik abgelehnt. Heute gilt als relativ sicher, dass die Schlangen gemeinsam mit den Waranartigen (Varanomorpha) ein Taxon bilden und die Schwestergruppe der rezenten Arten dieser Echsen (Varanoidea) darstellen[21] oder sogar als Pythonomorpha innerhalb der Waranartigen als Schwestergruppe der Warane geführt werden.[22] Warane und Schlangen werden wiederum nach aktueller Auffassung gemeinsam mit den Schleichen (Anguidae) und Höckerechsen (Xenosauridae) zu den Schleichenartigen (Anguimorpha) zusammengefasst.

 Schleichenartige (Anguimorpha) 
 N.N. 

Varanoidea (Krustenechsen, Taubwarane, Warane)


   

Schlangen



   

Schleichen, Höckerechsen



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Die klassische Unterordnung der Echsen ist entsprechend in Bezug auf die Schlangen als Formtaxon oder paraphyletische Gruppe zu betrachten, während die Schlangen selbst eine natürliche Gruppe (monophyletisches Taxon) bilden.

Interne Systematik

Hauptartikel: Systematik der Schlangen

Osteologische Untersuchungen fossiler und rezenter Taxa ergaben, dass die heutigen Schlangen in zwei große Linien zerfallen: Die Blindschlangenartige (Scolecophidia) einerseits und die echten Schlangen (Alethinophidia) andererseits.[23] Nach heutigem Wissensstand sind etwa 3.000 verschiedene Schlangenarten bekannt. Bei vielen besteht Uneinigkeit, ob sie als Unterart oder als eigenständige Art anerkannt werden sollen, zudem werden regelmäßig neue Arten entdeckt.[24] Aus diesen Gründen differiert die in der Literatur angegebene Anzahl teilweise sehr stark. Auch innerhalb der einzelnen Taxa führen regelmäßig Revisionen zu Veränderungen, wodurch weitere Differenzen in der Literatur entstehen.

Im Folgenden wird die Systematik nach der Reptile Database wiedergegeben:[25]

  • Überfamilie Acrochordoidea
    • Familie Warzenschlangen (Acrochordidae)
  • Überfamilie Uropeltoidea s. l.
    • Familie Wühlschlangen (Anomochilidae)
    • Familie Walzenschlangen (Cylindrophiidae)
    • Familie Schildschwänze (Uropeltidae)
  • Überfamilie Pythonoidea s. l.
    • Familie Spitzkopfpythons (Loxocemidae)
    • Familie Pythons (Pythonidae)
    • Familie Xenopeltidae
  • Überfamilie Booidea
    • Familie Boas (Boidae)
      • Unterfamilie Boaschlangen (Boinae)
      • Unterfamilie Zwergboas (Ungaliophiinae)
      • Unterfamilie Sandboas (Erycinae)
      • Unterfamilie Erdpythons (Calabariinae)
      • Unterfamilie Pazifik-Boas (Candoiinae)
      • Unterfamilie Madagaskarboas (Sanziniinae)
  • Überfamilie Colubroidea
    • Familie Nattern (Colubridae)
      • Unterfamilie Calamarinae
      • Unterfamilie Eigentliche Nattern (Colubrinae)
      • Unterfamilie Dipsadinae Bonaparte 1840
      • Unterfamilie Grayiinae
      • Unterfamilie Natricinae Bonaparte 1840
      • Unterfamilie Pseudoxenodontinae McDowell 1987
      • Unterfamilie Sibynophiinae
  • Überfamilie Elapoidea
    • Familie Erdvipern (Atractaspididae)
    • Familie Cyclocoridae
    • Familie Lamprophiidae
    • Familie Prosymnidae
    • Familie Psammophiidae
    • Familie Pseudaspididae
    • Familie Pseudoxyrhophiidae
    • Familie Giftnattern (Elapidae)
      • Unterfamilie Echten Giftnattern (Elapinae)
      • Unterfamilie Seeschlangen und australoasiatische Giftnattern (Hydrophiinae)
  • Überfamilie Blindschlangenartige (Typhlopoidea / Scolecophidia)
    • Amerikanische Blindschlangen (Anomalepidae)
    • Gerrhopilidae
    • Blindschlangen (Typhlopidae)
    • Schlankblindschlangen (Leptotyphlopidae)
      • Unterfamilie Leptotyphlopinae
      • Unterfamilie Epictinae
    • Xenotyphlopidae
  • incertae sedis
    • Familie Rollschlangen (Aniliidae)
    • Familie Bolyerschlangen (Bolyeriidae)
    • Familie Wassertrugnattern (Homalopsidae)
    • Familie Pareidae
    • Familie Vipern (Viperidae)
      • Unterfamilie Fea-Vipern (Azemiopinae)
      • Unterfamilie Grubenottern (Crotalinae)
      • Unterfamilie Echte Vipern (Viperinae)
    • Familie Erdboas (Tropidophiidae)
    • Familie Höckernattern (Xenodermatidae)
    • Familie Xenophidiidae

Der Buchstabe S steht sowohl wegen seiner Form als auch wegen des Zischlautes als Symbol für die Schlange.

 

Die Katze des Re schneidet Apophis den Kopf ab

Ägypten

Im vordynastischen Ägypten wurde die Schlangengöttin Wadjet angebetet. Ihr Symbol war der Uräus. Des Weiteren kannten die Alten Ägypter Mehen, einen Schlangengott, der nachts den Sonnengott Re bei seiner Nachtfahrt durch die Unterwelt schützend umgab. Seit dem Mittleren Reich ist auch der Glaube an den Gott Apophis belegt. Der als riesige Schlange dargestellte Gott war die Verkörperung von Auflösung, Finsternis und Chaos und zugleich der große Widersacher des Sonnengottes Re.

Naher Osten

Im Vorderen Orient, in der Levante, im Bereich des Goldenen Halbmondes, in der Mykenischen Kultur[26] und vielen anderen Kulturräumen Westasiens besaßen Schlangenkulte in Epipaläolithikum und Jungsteinzeit große Bedeutung. Jede Gottheit stand in Verbindung mit Schlangendarstellungen besonders auf Reliefs und Keramiken.[27][28][29][30]

Bibel

 

Die Schlange überreicht Eva die verbotene Frucht. Ausschnitt aus Dürers Adam und Eva (1507)

Nach allgemeiner Ansicht ist die Schlange in der Bibel weitestgehend ein Sinnbild des Teufels. In der Geschichte vom Paradies (1. Buch Mose 3) des Alten Testaments[31] ist die Schlange Sinnbild der Versuchung und Verführung zum Bösen; sie weckt Zweifel an Gottes Güte und verführt Eva, vom „Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen“ zu essen. Martin Luther übersetzt das hebräische Wort da’at mit ‚Erkenntnis‘ im Sinne von „Allwissenheit“: der Mensch will sein wie Gott und macht sich zum Herrn über „Gutes und Böses“, das heißt über alles. In einigen gnostizistischen Sekten wurden Eva und die Schlange für das den Menschen zur Verfügung gestellte Wissen verehrt (wobei sie dort manchmal auch als männlicher Begleiter Evas, Ophion, dargestellt wurde).

Als das Volk Israel durch die Wüste wandert, wird es von Schlangen geplagt (4. Buch Mose 21); Mose soll eine Eherne Schlange aufrichten, und jeder, der zu ihr aufschaut, soll bewahrt bleiben. Hier erscheint die Schlange (wie für die Christen das Kreuz) als Heilszeichen. In 2. Buch der Könige 18,4 wird berichtet, dass diese eherne Schlange, als „Nehuschtan“ bezeichnet, bis in die Zeit des Königs Hiskia aufbewahrt wurde; weil sie aber kultisch verehrt wurde, wurde sie durch Hiskia zerschlagen.

Auch wenn Jesus seinen Jüngern empfiehlt: „Seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben!“ (Matthäus 10,16), bleibt im Buch der Offenbarung des Johannes die Schlange dennoch eindeutig ein Bild des Bösen: „Und er ergriff den Drachen, die alte Schlange, die der Teufel und der Satan ist.“ (Offenbarung des Johannes 20,2).

Indien

Im indischen Volksglauben wird die Schlangengöttin Manasa verehrt, die die Menschen vor Giftschlangen schützt. In den indischen Schöpfungsmythen gibt es den Schlangenkönig Ananta-Shesha, der zwischen zwei Weltzeitaltern auf dem Grund des Urozeans ruht. Unter dem Namen Vasuki hilft derselbe Schlangenkönig, den Milchozean zu quirlen, um den Unsterblichkeitstrank zu erhalten. Die giftige Schlange Kaliya wird von Krishna besiegt, der auf ihren abgeschlagenen Köpfen tanzend Flöte spielt. Anlässlich dieses Sieges wird Krishna alljährlich mehrere Tage lang gefeiert. Dabei werden für die Schlangen, die als Symbol für Lebensenergie gelten, an den Tempeln Milch- und Reisopfergaben dargebracht und die Schlangenbeschwörer, die auf ihrer Pungi blasen, erhalten Almosen.

China

In China galt die Schlange als Symbol für Schlauheit, Bosheit und Hinterlist. Sie zählt zu den fünf Gifttieren. Sie findet sich als 6. Zeichen , shé in den zwölf Erdzweigen.

 

Asklepios, der griechische Gott der Heilkunst mit seinem Stab, der von einer Äskulapnatter umschlungen wird

Antikes Griechenland

Im antiken Griechenland galt die Schlange als heilig.[32] Da sie sich durch die regelmäßige Häutung in den Augen der Menschen unendlich oft erneuern konnte, hielt man sie für unsterblich. Dieser aus der menschlichen Sicht ständige Akt der Verjüngung und die Tatsache, dass den Schlangen Heilkräfte zugesagt wurden, machten die Schlange schließlich zum Symbol für den Stand der Mediziner. Bis heute hat sie sich im Zeichen des Äskulapstabes gehalten, den man auch, stark vereinfacht, heute in einigen Apothekenzeichen wiederfindet. Ebenso wurde der Schlange Hellsichtigkeit nachgesagt, weshalb sie eines der Tiere der Göttin Gaia war. Laut Hesiod war Gaia Pelope einer der vielen Namen der Erdgöttin Gaia. Im Orakel von Delphi taten Schlangenpriesterinnen (Pythea) ihren Dienst. Nicht nur in der jüdisch-christlichen Tradition gab es einen von einer Schlange bewachten Baum: In der altgriechischen Vorstellung stand im Garten der Hesperiden der lebensspendende Apfelbaum, der der Göttin Hera von Gaia geschenkt worden war und von der Schlange Ladon bewacht wurde.

Italien

In Italien war der Stamm der Marser bekannt als Schlangenverehrer und Schlangenzähmer. Bereits vor 3000 Jahren wurde von ihnen Angitia, die Göttin der Schlangen und der Gifte, verehrt. Noch heute findet in dem kleinen Ort Cocullo in den Abruzzen Anfang Mai eine Schlangenprozession („la festa dei serpari“) zu Ehren des Dominikus von Sora statt. Zahlreiche lebendige Schlangen umwinden hierbei die hölzerne Figur des Heiligen.[33]

Nördliches Europa

In der germanischen Mythologie spielt die Midgardschlange, die die Welt umspannt, zugleich aber das Göttergeschlecht der Asen bedroht, eine wichtige Rolle.

In der heidnischen Religion der Balten spielten Schlangen ebenso wie Kröten eine erhebliche Rolle. Jede Familie schätzte sich glücklich, wenn sich eine Ringelnatter an der Feuerstelle, im Badehaus oder unter der Handmühle niederließ. Man fütterte sie wie ein Haustier mit Eiern und Milch und beobachtete gewissenhaft, ob sie das Futter auch annahm. Für Litauen sind Schlangenbeschwörer, Zaltones (zu lit. žaltys »Ringelnatter«), überliefert.

Nord- und Mittelamerika

Bei den nordamerikanischen Indianern spielen die Klapperschlangen (Crotalus) eine bedeutende Rolle in Mythos, Sage, Religion und Volkskunst. Manche Stämme fürchteten sie als Unheilsbringer, viele Stämme töteten keine Klapperschlangen. Man glaubte, die Anzahl der Ringe an der Schwanzrassel zeige die Anzahl der getöteten Opfer an. Die Hopi-Indianer betrachten die Klapperschlangen als Götterboten und benützen sie zu einem Regenbeschwörungsritual, der am besten bekannten indianischen Zeremonie des Schlangentanzes. Bei den Cahuilla durfte kein Gebissener einer schwangeren Frau nahekommen, eine gebissene Schwangere gebar angeblich ein Kind mit einer (selbstverständlich unsichtbaren) Schlangenhaut. Die Schwanzrasseln wurden häufig als Amulette verwendet, mit dem Gift der Klapperschlangen wurden Pfeilspitzen imprägniert.

In einigen Kulturen Mittelamerikas ist der Ouroboros heute eine lebendige Gottheit. Das archetypische Motiv Ouroboros wird häufig mit ein oder zwei sich in den Schwanz beißenden Schlangen dargestellt und symbolisiert die Unendlichkeit.

Australien

Die Regenbogenschlange verkörpert in den Mythen der australischen Aborigines den Ur-Zustand der Natur im Zustand der Traumzeit und herrscht über ihre gleichermaßen lebensspendenden und verschlingenden Aspekte, insbesondere behütet sie das Wasser.

  • Liste der Schlangenarten
  • Roland Bauchot (Hrsg.): Schlangen. Naturbuch Verlag, Augsburg 1994, ISBN 3-89440-075-7.
  • Wolfgang Böhme: Amniota, Nabeltiere. In: W. Westheide, R. Rieger: Spezielle Zoologie. Teil 2: Wirbel- oder Schädeltiere. Spektrum, München 2004, ISBN 3-8274-0307-3.
  • Wolfgang Böhme et al.: Handbuch der Reptilien und Amphibien Europas. Band 3/IIB, Schlangen (Serpentes) III. AULA Verlag GmbH, Wiebelsheim, ISBN 3-89104-617-0.
  • Hans Egli: Das Schlangensymbol. Freiburg im Breisgau 1982.
  • Ulrich Gruber: Die Schlangen Europas und rund ums Mittelmeer. Franck’sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart 1989, ISBN 3-440-05753-4.
  • Hans Leisegang: Das Mysterium der Schlange. In: Eranos-Jahrbuch. 1939, S. 151–250.
  • Nicholas R. Longrich, Bhart-Anjan S. Bhullar, Jacques A. Gauthier: A Transitional Snake from the Late Cretaceous Period of North America. In: Nature. 2012. doi:10.1038/nature11227, S. 1–4.
  • Chris Mattison: Die Schlangen-Enzyklopädie. BLV Verlagsgesellschaft mbH, München 1999, ISBN 3-405-15497-9.
  • Mark O’Shea: Giftschlangen. Alle Arten der Welt in ihren Lebensräumen. Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart 2006, ISBN 3-440-10619-5.
  1. Species Numbers. In: reptile-database. November 2021, abgerufen am 13. Januar 2022. 
  2. G. M. Fredriksson: Predation on Sun Bears by Reticulated Python in East Kalimantan, Indonesian Borneo. Raffles Bulletin of Zoology 53(1), 2005, S. 165–168, pdf.
  3. Abbildungen der verschiedenen Bezahnungen. In: Reptiles du monde. Archiviert vom Original am 21. Januar 2012; abgerufen am 1. April 2013. 
  4. ↑ a b Kurt Schwenk: Why snakes gave forked tongues In: Science Band 263, 18. März 1994, S. 1573–1577, doi:10.1126/science.263.5153.1573.
  5. Warum haben Schlangen eine gespaltene Zunge? (Memento des Originals vom 28. Oktober 2007 im Internet Archive)   Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.weltderwunder.de
  6. Paul Friedel, Bruce A. Young, J. Leo van Hemmen: Auditory localization of ground-borne vibrations in snakes. Physical Review Letters 100, 048701 (2008), doi:10.1103/PhysRevLett.100.048701
  7. L. D. Brongersma: On the main branches of the pulmonary artery in some Viperidae. In: Bijdragen tot de Dierkunde, Bd. 28, Nr. 1, 1949, S. 57–64 (PDF).
  8. L. D. Brongersma: Some remarks on the pulmonary artery in snakes with two lungs. In: Zoologische Verhandlingen, Bd. 14, Nr. 1, 1951, S. 1–36 (PDF).
  9. Roger S. Seymour, Harvey B. Lillywhite: Blood pressure in snakes from different habitats, Nature, Band 264, Heft 5587, S. 664–666, 16. Dezember 1976, doi:10.1038/264664a0
  10. Andrew Durso: Are there any countries without snakes? Eintrag vom 3. Oktober 2015 auf dem serpentologischen Blog Life is short but snakes are long. (abgerufen am 8. Februar 2016)
  11. Chris Reading et al.: Are snake populations in widespread decline?Biology Letters, 9. Juni 2010, doi:10.1098/rsbl.2010.0373
  12. Julie A. Savidge, Thomas F. Seibert, Martin Kastner, Bruce C. Jayne: Lasso locomotion expands the climbing repertoire of snakes. In: Current Biology. Band 31, Nr. 1, 2021, doi:10.1016/j.cub.2020.11.050.
    Martin Vieweg: Lasso-Klettermethode bei Schlangen entdeckt. In: wissenschaft.de. 11. Januar 2021, abgerufen am 10. Februar 2021. 
  13. Warren Booth, Gordon W. Schuett: Molecular genetic evidence for alternative reproductive strategies in North American pitvipers (Serpentes: Viperidae): long-term sperm storage and facultative parthenogenesis. In: Biological Journal of the Linnean Society, Band 104, Nr. 4, 2011, S. 934–942, doi:10.1111/j.1095-8312.2011.01782.x
  14. Altersliste verschiedener Schlangenarten
  15. Christopher McGowan: The Raptor and the Lamb – Predators and Prey in the Living World. Penguin Books, London 1998, ISBN 0-14-027264-X, S. 52 und 53
  16. Anuradhani Kasturiratne, A. Rajitha Wickremasinghe, Nilanthi de Silva, N. Kithsiri Gunawardena, Arunasalam Pathmeswaran1, Ranjan Premaratna, Lorenzo Savioli, David G. Lalloo, H. Janaka de Silva: The Global Burden of Snakebite: A Literature Analysis and Modelling Based on Regional Estimates of Envenoming and Deaths. PLoS Medicine. Band 5, Nr. 11, e218 doi:10.1371/journal.pmed.0050218.
  17. ↑ a b Philipp Berg: Ein Schlangenpilz auf dem Vormarsch in Nordamerika und Europa. In: Terraria/Elaphe. Nr. 69, 2018, ISSN 1613-1398, S. 70–77. 
  18. Lydia H. V. Franklinos, Jeffrey M. Lorch, Elizabeth Bohuski, Julia Rodriguez-Ramos Fernandez, Owen N. Wright: Emerging fungal pathogen Ophidiomyces ophiodiicola in wild European snakes. In: Scientific Reports. Band 7, Nr. 1, 19. Juni 2017, ISSN 2045-2322, doi:10.1038/s41598-017-03352-1 (nature.com [abgerufen am 30. Mai 2018]). 
  19. Der Pilz Ophidiomyces ophiodiicola bei Schlangen in Europa. Abgerufen am 30. Mai 2018. 
  20. Michael W. Caldwell et al. 2015. The oldest known snakes from the Middle Jurassic-Lower Cretaceous provide insights on snake evolution. Nature Communications 6, article number: 5996; doi:10.1038/ncomms6996
  21. Unter anderem bei Wolfgang Böhme 2004
  22. Böhme 2004, Mikkos Phylogenetic Archive: Platynota (Memento des Originals vom 4. Juni 2007 im Internet Archive)   Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.fmnh.helsinki.fi
  23. Nicholas R. Longrich, Bhart-Anjan S. Bhullar, Jacques A. Gauthier: A Transitional Snake from the Late Cretaceous Period of North America. In: Nature, 2012. doi:10.1038/nature11227, S. 3.
  24. Beispiel für die Entdeckung einer neuen Schlangenart (Memento des Originals vom 17. Januar 2009 im Internet Archive)   Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/n-tv.de
  25. The Reptile Database: Suborder Ophidia (Serpentes) – Snakes
  26. Dimitra Rousioti: Did the Mycenaeans believe in theriomorphic divionities? POTNIA. Deities and religion in the Aegean Bronze Age. Proceedings of the 8th International Aegean Conference. In: R. Laffineur, R. Hagg (Hrsg.), Aegaeum 22, 2001, S. 305–314.
  27. Birgit Kahler: Schlangenverehrung in der Frühgeschichte Mesopotamiens. In: Mysteria3000. Ausgabe 24/25, ISSN 1619-5744 / ISSN 1619-5752.
  28. Diana Krumholz McDonald: The serpent as healer: theriac and ancient Near Eastern pottery. In: Source. Notes in the History of Art Band 13, Nr. 4, 1994, S. 21–27.
  29. James H. Charlesworth: The good and evil serpent: How a universal symbol became Christianized. Anchor Yale Bible Reference Library, Yale University Press, New Haven 2010, ISBN 978-0-300-14082-8.
  30. Dimitri Nakassis, Joann Gulizio, Sarah A. James: KE-RA-ME-JA" In: Prehistory Monographs Band 46, 2014.
  31. Vgl. etwa Karen Randolf Joines: Serpent Symbolism in the Old Testament. A Linguistic, Archaelogical, and Literaray Study. Haddonfield 1974.
  32. Vgl. auch Erich Küster: Die Schlange in der griechischen Kunst und Religion. Gießen 1913 (= Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten. Band 13).
  33. Die Schlangen des heiligen Dominikus

 Wiktionary: Schlange – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

 

Commons: Schlangen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

 

Wikiquote: Schlange – Zitate

  • Serpentes In: The Reptile Database

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תּוֹרָה Tora; Fünf Bücher Mose; Pentateuch
  • hebräisch בְּרֵאשִׁית Bereschit „Im Anfang“; Genesis
  • שְׁמוֹת Schemot „Namen“; Exodus
  • וַיִּקְרָא Wajikra „Und er rief“; Levitikus
  • בְּמִדְבַּר Bemidbar „In der Wüste“; Numeri
  • דְּבָרִים Devarim „Worte“; Deuteronomium
Die 24 Bücher des Tanach (TaNaKh)
Tora (Weisung, Lehre)
  • Bereschit („Im Anfang“)
  • Schemot („Namen“)
  • Wajikra („Und er rief“)
  • Bemidbar („In der Wüste“)
  • Devarim („Worte“)
Nevi’im (Propheten)
  • Jehoschua
  • Schoftim
  • Schmuʾel (1–2 Sam als ein Buch)
  • Melachim (1–2 Kön als ein Buch)
  • Jeschajahu
  • Jirmejahu
  • Jechezkel
  • Tre ʿaśar
Ketuvim (Schriften)
  • Tehillim
  • ʾIjov
  • Mischle
    • Rut
    • Schir haSchirim
    • Kohelet
    • ʾEcha
    • ʾEster
  • Daniel
  • ʿEzra (mit Nechemja als ein Buch)
  • Divre Hajamim (1–2 Chr als ein Buch)
Eingerückt: die fünf Megillot.
Reihenfolge nach BHS; kann sich je nach Ausgabe unterscheiden.
Bücher des Alten Testaments
Pentateuch
  • Genesis (1. Mose)
  • Exodus (2. Mose)
  • Levitikus (3. Mose)
  • Numeri (4. Mose)
  • Deuteronomium (5. Mose)
Geschichtsbücher
  • Josua
  • Richter
  • Rut
  • 1. Samuel
  • 2. Samuel
  • 1. Könige
  • 2. Könige
  • 1. Chronik
  • 2. Chronik
  • Esra
  • Nehemia
  • Tobit (Tobias)
  • Judit
  • Ester + Zusätze
  • 1. Makkabäer
  • 2. Makkabäer
Lehrbücher
  • Ijob (Hiob)
  • Psalmen
  • Sprichwörter (Sprüche Salomos)
  • Kohelet (Prediger Salomo)
  • Hoheslied
  • Weisheit Salomos
  • Jesus Sirach
Propheten

„Große“

  • Jesaja
  • Jeremia
  • Klagelieder Jeremias
  • Baruch mit Brief des Jeremia
  • Ezechiel (Hesekiel)
  • Daniel (+ Zusätze)

„Kleine“ (Zwölfprophetenbuch)

  • Hosea
  • Joel
  • Amos
  • Obadja
  • Jona
  • Micha
  • Nahum
  • Habakuk
  • Zefanja
  • Haggai
  • Sacharja
  • Maleachi
  • Namen nach dem ÖVBE, konsequent angewandt z. B. in der Einheitsübersetzung
  • Eingeklammerte Namen: ältere protestantische Tradition, als Ausnahme (neben ÖVBE) in der Lutherbibel
  • Kursiv: Deuterokanonische Schriften

Das 1. Buch Mose, hebräisch בְּרֵאשִׁית (bere’šīt) Bereschit, altgriechisch Γένεσις (Génesis) Genesis genannt, ist das erste Buch des jüdischen Tanach, des samaritanischen Pentateuch wie auch des christlichen Alten Testaments (auch bezeichnet als Erstes Testament oder Hebräische Bibel), und damit das erste Buch der verschiedenen Fassungen des biblischen Kanons.

Der hebräische Name des Buchs gibt sein erstes Wort wieder: „Im Anfang“ (בְּרֵשִׁית, Bereschit). Die Benennung nach direkten oder bedeutendsten Anfangsworten ist mit ihrer Verwendung als Parascha oder Sidra („Wochenabschnitt“) für die Lesung der Tora („Weisung, Lehre“) in der Synagoge im Judentum verknüpft.

Im Christentum wird Bereschit mit „Am Anfang“ fehlübersetzt. „Am Anfang“ impliziert, dass es einen Anfang im Sinne eines Starts gab. Dem gegenüber bedeutet „Im Anfang“, dass der Anfang ein fließender Prozess gewesen ist.

Im katholischen und orthodoxen Christentum sowie der theologischen Wissenschaft ist der Titel Genesis gebräuchlich. Er stammt aus der griechischen Übersetzung des Tanach, der Septuaginta, die im orthodoxen und katholischen Christentum als Altes Testament kanonisiert wurde. Sie fasst den Inhalt des ersten Verses zusammen:

„Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“

– Genesis 1,1[1]

Das griechische Substantiv Genesis (γένεσις) bedeutet „Geburt“, „Ursprung“, „Entstehung“. Es umschreibt die Erschaffung der Welt. Von ihr erzählen die ersten beiden Kapitel des Buches.

Die deutsche Bezeichnung 1. Buch Mose geht vor allem auf die Bibelübersetzung Martin Luthers zurück und folgt dem sonstigen traditionellen jüdischen und kirchlichen Sprachgebrauch, der Mose als Autor benennt.

Das 1. Buch Mose ist im Original in hebräischer Sprache geschrieben und ist Teil der jüdischen Tora, die hebräisch auch Chumasch oder im christlichen Umfeld griechisch als Pentateuch bezeichnet wird. Im Deutschen spricht man von den „Fünf Büchern Mose“. Sie bilden den ersten Teil des Tanach (jüdische Bibel) und des Alten Testaments in der christlichen Bibel.

Das 1. Buch Mose beginnt mit einem Bericht von Gottes Schöpfung, die auf den Menschen zielt, ihm dient und die ihm anvertraut ist. Die biblische Schöpfungserzählung knüpft an Entstehungsmythen und Kosmogonien in Israels antiker Umwelt (vor allem das Atraḫasis-Epos) an, grenzt sich aber auch deutlich gegen die archaisch-mythischen Vorstellungen (z. B. die Astralgötter Babyloniens) ab. Eine Theogonie, das heißt eine Differenzierung und Darstellung verschiedener Götter – wie etwa in den griechischen Sagen Homers – ist ihm nicht zu entnehmen. Hier wirkte das 1. Gebot der Bibel (Ex 20,3 EU).

Von der Schöpfung der Welt ausgehend wird im Buch Genesis zunächst eine Frühgeschichte der Menschheit über Adam und Eva, Kain und Abel und Noach erzählt, die mit der Völkertafel endet. Es folgt mit der Erzeltern- oder Vätererzählung die Frühgeschichte des Volkes Israel, beginnend mit der Berufung des Erzvaters Abraham. Die Lebens- und Familiengeschichten der Patriarchen Abraham und Sara/Sarai bzw. Hagar, Isaak und Rebekka und Jakob stellen den Ursprung des 12-Stämme-Volkes Israel unter dem Aspekt der göttlichen Erwählung und des Bundes dar bis zum Tod Josefs in Ägypten.

Hiervon ausgehend beziehen die so genannten abrahamitischen Religionen Judentum, Christentum und Islam ihre jeweiligen Interpretationen.

Das 1. Buch Mose steht in engem Zusammenhang mit den anderen vier Büchern Mose der schriftlichen Tora oder des Pentateuch.

 

Grobgliederung mit Hervorhebung wichtiger Kapitel und Verse

Das Buch lässt sich inhaltlich grob in zwei Teile gliedern: Die Urgeschichte in den Kapiteln 1 bis 11 und die Vätergeschichte in den Kapiteln 12 bis 50.

Die Urgeschichte umfasst die zwei Schöpfungsgeschichten (Kapitel 1 und 2, christlich Hexaemeron, Sechstagewerk genannt) und die Einführung des Sabbats, die Erzählungen vom Garten Eden und der Vertreibung Adams und Evas daraus; Kain und Abel, (Kapitel 3 und 4), die Sintflut um Noah (Kapitel 6–9) und den Turmbau zu Babel (Kapitel 11, erster Teil).

Diesem einführenden Teil folgen die Vätergeschichten: die Erzählungen im Land Israel um die Patriarchen Abraham (Kapitel 12–25) sowie Isaak, Jakob und Esau (Kapitel 25–35). Durch sie setzt Gott in die zerrüttete Welt einen segensvollen Neuanfang (Genesis 12,1–3 EU). Das Buch schließt mit den Geschichten um Josef und seine Brüder (Kapitel 36–50), die die Handlung nach Ägypten verlagert, wo dann das 2. Buch Mose ansetzt.

Dabei handelt es sich bei den Vätergeschichten um ortsgebundene Einzelüberlieferungen: Abraham wird in das Gebiet um Hebron (Gen 18 EU) verortet, Isaak in die Gegend um Be’er Scheva, womit beide auf judäischem Gebiet (Gen 26 EU) lagen, während Jakob in Mittelpalästina im Zentrum um Bet El (Gen 28 EU) und Penuel (Gen 32 EU) angesiedelt war.[2]

Die Schöpfung

Das 1. Buch Mose beginnt mit der Schöpfung der Welt durch Gott in sieben Tagen:

  1. Das Licht und damit Tag und Nacht werden geschaffen.
  2. Das Himmelsgewölbe wird errichtet, das das Wasser unter der Erde von Wasser über der Erde trennen soll; dabei wird auf das antike Weltbild Bezug genommen, wonach über dem Firmament wieder Wasser sei.
  3. Land und Wasser werden getrennt, und Pflanzen werden erschaffen.
  4. Himmelskörper werden am Gewölbe des Himmels angebracht (Sonne, Mond, Sterne).
  5. Meerestiere und Vögel werden erschaffen.
  6. Landtiere und zuletzt die Menschen werden erschaffen, männlich und weiblich
  7. Sabbat: Gott vollendet sein Werk und ruht; er segnet den siebten Tag und spricht ihn heilig.

Die Quelle des Lichts vor der Entstehung der Himmelskörper wird dabei nicht thematisiert. Es ist eine kunstvoll kurze Erzählung. Gott ist da und setzt den Anfang von Welt und Zeit. Die Vorgeschichte der Welt schmilzt zusammen in den kurzen Satz: „Die Erde war wüst und leer (wirr)“ (siehe auch Tohuwabohu, Chaos).

Der Bericht soll etwa zur Zeit der babylonischen Gefangenschaft entstanden sein (siehe Priesterschrift). In Abgrenzung zur polytheistischen Weltsicht der Babylonier stellten sie nun die Einzigartigkeit ihres Gottes heraus, der Herr über die gesamte Schöpfung ist. Der Glaube der Israeliten an ihren Gott, in der babylonischen Verbannung, in der äußeren Niederlage des Volkes Israels, wurde nun als Identifikationsgrundlage für das Volk erkannt und sollte gefestigt werden. Er musste der Versuchung der scheinbar siegreichen Religion Babylons mit seinen prunkvollen Liturgien (beispielsweise des Neujahrsfestes) widerstehen.

Das kleine Israel war umgeben von den großen Kulturvölkern der Babylonier und Ägypter, die unter anderem auch die Gestirne und die Elemente als Götter verehrten. Im Gegensatz zu den verbreiteten Ansichten der meisten polytheistischen Religionen jener Zeit, wonach diese durch göttliche Zeugungen entstanden, lehrt die Bibel, dass alles durch das Wort Gottes erschaffen wurde.[3]

Der Schöpfungsbericht ist Ausdruck der definitiven Abkehr von den levantinischen Religionen und der Ausbruch aus der Vielgötterei. Das Wort Gottes (siehe Logos), also die Vernunft eines Gottes allein, ist die entscheidende Aufhellung und Aufklärung der Geschichte. Das Chaos, die Wüstenei, die Ödnis, das Tohuwabohu wird vollkommen der Souveränität eines vernünftigen, die Menschheit liebenden Gottes unterworfen. Inwieweit hierbei bestehende Vorstellungen aus anderen Kulturen (Echnaton, Jitro) übernommen wurden, ist nicht geklärt. Andere Berichte aus dem Zeitraum vor und während des babylonischen Exils (besonders beim Propheten Jeremia) begründen die Verschleppung des Volkes Israel mit dem Abfall von Gott und der Zuwendung zu den Götzen der fremden Völker in der göttergesättigten Nachbarschaft Israels.

Die Einleitung zum Johannesevangelium knüpft an Genesis 1 an, indem es mit den Worten beginnt: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Im Anfang war es bei Gott.“[4] Auch hier wird betont, dass das Wort Gottes am Anfang der Welt stand. Dieses Wort ist, so Johannes, Fleisch geworden und hat Kunde gebracht.[5]

Adam und Eva

 

Erschaffung Adams, Fresko von Michelangelo, Ausschnitt des Deckengemäldes der Sixtinischen Kapelle im Vatikan

 

Erschaffung der Eva, Holzschnitt aus dem frühen 16. Jh. aus einer lateinischen Bibel im Bestand der Bibliothek des Collegium Wilhelmitanum zu Straßburg

Die zweite Schöpfungsgeschichte handelt von der Welt und den Menschen in weniger idealistischer Weise, Gott schafft (in zwei Versionen) den Menschen:

  • 1. Mose 1,27: als männlich und weiblich (zakhar u-neqevah bara' 'otam') oder als männlich-weiblich.[6]
  • 1. Mose 2,7–8/15–22: Adam („Mensch“), den ersten Menschen, aus Erde („adama“) und gibt ihm den Garten Eden als Wohnsitz. Da Adam einsam ist und unter den Tieren keinen Gefährten finden will, schafft Gott aus einer Rippe Adams ein Weib. Die Rebellion gegen Gott (christlich als Sündenfall bezeichnet), bei dem Mann und Frau verbotenerweise vom „Baum der Erkenntnis von Gut und Böse“ essen, führt zur Vertreibung aus dem Paradies, da Gott nicht riskieren will, dass die beiden Menschen auch noch vom Baum des ewigen Lebens, neben dem Baum der Erkenntnis, essen.[7]

Gott formt den Menschen aus Erde des Ackerbodens.[8] Das soll heißen, dass der Mensch aus demselben Stoff erschaffen ist wie seine Umwelt. Und wie der Wind den Staub von der Erde fegt, so ergeht es dem sterblichen Menschen. „Denn Staub bist du, und zum Staub musst du zurück.“[9] Er ist kein Gott, er hat sich nicht selbst gemacht, er ist begrenzt. Alle Menschen entstammen der Erde, jenseits aller Geschichte, Kasten, Rassen und Kultur.

Damit der Mensch zum Menschen wird, geschieht noch ein Zweites. Der Grundstoff Erde, aus dem Gott den Menschen geformt hat, wird erst richtig zum Menschen, indem ihm Gott seinen Atem, seinen Geist in die Nase bläst.[8] Gott tritt also in den Menschen – seine Schöpfung – hinein. In ihm berühren sich Himmel und Erde.

Dieser von Gott aus Erde geschaffene Mensch, ausgestattet mit seinem Atem, kann sich auch in einer freien Entscheidung gegen Gott stellen. Das wird mit dem Begriff Sünde umschrieben. Der Mensch will mehr vom Leben, mehr Freiheit, mehr Lust. Er entwickelt eine wahre Gier, setzt sich hinweg über die gottgegebenen Gesetze der Natur, über jegliche vorgegebene Ordnung und hält allein sich für das Maß aller Dinge. Der Sündenfallbericht ist eine epische Geschichte, in die eine theologische Aussage eingekleidet wird.

Die Israeliten hatten das Land Kanaan in Besitz genommen und bevölkert. Die Kanaaniter hatten einen blühenden Kult, der seinen Eindruck auf die Israeliten nicht verfehlte. Die Schlange war dabei ein heiliges Tier, das hochaufgerichtet dargestellt wurde und für Fruchtbarkeit und Leben stand. Die Schlange stand also für das Heidentum, und immer wenn sich die Israeliten einem Kult anderer Götter zuwandten, brach Unheil und Not aus. Also wird die Schlange in den Schöpfungsbericht zurückverlegt, in ihr schimmert die Religion der Bewohner Kanaan mit durch. Wer sich der Schlange zuwendet, verfällt dem Verderben, wie die ersten Menschen im Paradies.

Alle Tiere ziehen nun an Adam (Adama, gute Erde) vorbei. Er findet keine Gehilfin unter ihnen. Damit findet eine Abgrenzung zum Tierkult der heidnischen Umgebung Israels statt. Das Tier wird unter den Menschen gestellt.[10] Gott wendet nun eine List an, versetzt Adam in den Schlaf und entnimmt ihm eine Rippe.[11] Aus dieser Rippe formt Gott eine Frau namens Eva. Dabei wird klar, Mann und Frau sind wesensgleich. Das war in der damaligen orientalischen Welt mit ihren Tier-, Fruchtbarkeitskulten und Himmelsgestirnverehrungen eine kleine Revolution.

Die Schlange[12] verspricht den beiden einen noch größeren Reiz. Sie sollen vom Baum der Erkenntnis eine Frucht essen. Der Baum ist in den auch damals schon staubtrockenen Gebieten des Orients ein Bild für Wasser, Schatten, Leben schlechthin. An diesem Lebensbaum wachsen Früchte, die für die beiden, die nun schon im Paradies leben, eine noch größere Machtsteigerung bedeuten. Sie fühlen sich nach dem Sündenfall „arom“ (nackt, arm, unwissend ohnmächtig geworden).[13]

Gott verstößt nun Adam und Eva aus dem Paradiesgarten mit dem Erkenntnisbaum und dem Lebensbaum. Sie werden bestraft, die Kräfte der Natur stellen sich von nun an gegen den Menschen. Alles, was sie tun, ist endlich und oft nur unter Qualen und Mühen erreichbar. Leid und Schmerz haben nun ihren Platz im Menschenleben gefunden.[9] Gleichzeitig verflucht Gott die Schlange, die fortan als Symbol für das Böse dienen wird: „Auf dem Bauch sollst du kriechen und Staub fressen alle Tage deines Lebens. Feindschaft setze ich zwischen dich und die Frau, zwischen deinen Nachwuchs und ihren Nachwuchs. Er trifft dich am Kopf, und du triffst ihn an der Ferse.“[14]

Kain und Abel

Die ersten zwei Kinder von Adam und Eva, Kain und Abel, werden geboren. Der ältere Sohn Kain wird Ackerbauer, der jüngere Sohn Abel wird Kleinvieh-Hirte. Eines Tages bringen beide Söhne Opfer für Gott dar: Kain von den Früchten des Feldes, Abel von den Erstlingen seiner Herde. Gott sieht Abels Opfer an, Kains aber nicht. Kain wird zornig, erschlägt seinen Bruder und wird vom Ackerboden verbannt, jedoch von Gott gezeichnet, dass die Menschen ihn nicht ob seiner Mordschuld töten. Kain wird Gründer einer Stadt und benennt sie nach seinem Sohn Henoch.[15] Die Menschheit wird vom jüngeren Sohn Set gezeugt; die weiteren Kinder Adams und Evas werden nur beiläufig erwähnt.

Noach

 

Noach sieht die Sintflut, die Abbildung ist eine Siebdruck Arbeit von Adi Holzer aus dem Jahr 1975

Die Geschichte Noachs beginnt mit einer kurzen, relativ kryptischen Bemerkung über „Söhne der Götter“ bzw. „Gottes“ und über „Riesen“, die mit Menschenfrauen Kinder, die so genannten Nephilim, bekamen. Die vorsintflutlichen Menschen werden „uralt“, teilweise über 800 Jahre, wie Methusalem. Der in den folgenden Generationen beginnenden Sündhaftigkeit der Menschen setzt Gott die Vernichtung aller Menschen mit Ausnahme Noachs und seiner Familie entgegen. Noach baut ein Schiff, die Arche, auf der er mit seiner Familie und einem Paar jeder Tierart (bestimmte Tiere auch sieben Paare) die folgende Sintflut überlebt. Gott erkennt, dass die überlebenden Menschen, Noach und seine Familie immer noch die vorsintflutlichen Verderbtheiten in sich tragen, verspricht aber in einem Bund mit den Menschen, nie wieder alles Leben durch eine Sintflut zu tilgen, der Regenbogen wird das Symbol hierzu.

Die Erzählung über die Sintflut wurde nach der Ansicht mancher Wissenschaftler möglicherweise aus dem altbabylonischen Atraḫasis-Epos übernommen und als Erzählung über den Bund Gottes mit dem Menschen umformuliert.

Völkertafel

In Genesis 10 folgt die sogenannte Völkertafel, eine lange Liste mit den Namen der Stammväter verschiedener Völker, Länder und Städte des Mittelmeerraumes, beispielsweise Ägypten und Kanaan. Diese Personifizierung der Städtenamen bildet die damalige hebräische Denkweise ab, wonach Völker einen Stammvater haben.

Der Turmbau zu Babel

Die summarische Stammfolge der Völker, der Nachkommen Noachs, welche in Genesis Kapitel 10 beginnt und in Genesis 11,10 mit den Vorfahren Abrahams fortgesetzt wird, wird durch die Geschichte vom Turmbau zu Babel (Bawel) unterbrochen. Gott verwirrt die Sprache der Menschen und zerstreut sie über die Welt, da sie sich anschicken, einen Turm bis zum Himmel zu bauen und sich damit selber an die Stelle Gottes setzen könnten. Die Sprachverwirrung ist eine mythologische Deutung der Vielfalt der Sprachen.

Nach Meinung einiger Gelehrter soll der Turm zu Babel erst während der babylonischen Gefangenschaft erbaut worden sein oder existiert haben und der obersten Gottheit Babylons gehört haben.

Abraham und Sarai

Hauptartikel: Abraham

 

Abrahams Opfer, handkolorierte Farbradierung von Adi Holzer, 1997

Abrams Vater Tharah verlässt mit Abram und dessen Frau Sarai sowie mit seinem Enkel Lot, der von seinem Sohn Haran stammt, seine chaldäische Heimatstadt Ur und kommt so in die Stadt Haran, wo sie sich niederlassen.[16]

Abram folgt einem von Ruf von Adonai:

„Und der HERR sprach zu Abram: Gehe aus deinem Vaterlande und von deiner Freundschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will.“[17]

Also zieht Abram, der später zu Abraham umbenannt wurde, aus Haran in ein ihm und seinen Nachkommen verheißenes Land Kanaan. Ihn begleiten seine Frau Sarai (später Sara genannt) und seine Familie sowie sein Neffe Lot mit dessen Familie. Nach einem dürrebedingten Aufenthalt in Ägypten trennen sich Abram und Lot, um Konflikte über Weidegründe zu vermeiden. Lot siedelt im Tal von Sodom.

Sodom und Gomorra

Hauptartikel: Sodom und Gomorra

Drei Boten (Engel) erscheinen bei Abram und bestätigen, dass er und Sarai trotz ihres hohen Alters binnen Jahresfrist einen Sohn haben werden. Weiterhin berichten sie vom Plan Gottes, die Städte Sodom und Gomorra aufgrund der Sünden ihrer Einwohner zu vernichten.

Abrahams Bitte, doch keine Unschuldigen umzubringen, wird von Gott angenommen, führt aber nur zur Rettung Lots und seiner Familie; alle anderen kommen um. Lots Frau erstarrt beim verbotenen Blick auf den Ort der Zerstörung zur Salzsäule.

Saras Kinderlosigkeit, Ismael und Isaak

Um der Kinderlosigkeit zu entgehen, beschließen Abram und Sarai, dass Hagar, eine Magd Sarais, für Nachkommen Abrams sorgen soll. Das Kind Abrams mit Hagar, genannt Ismael, wird der Stammvater der Araber. Gott tadelt Abram und Sarai wegen ihres Unglaubens und schließt einen Bund mit ihnen, indem er sie in Abraham und Sara umbenennt und die Beschneidung aller männlichen Nachkommen als Zeichen des Bundes vorschreibt. Sara gebiert bald darauf Isaak. Abraham ist 100 und Sara 90 Jahre alt, als ihnen Isaak geboren wird. Hagar und Ismael werden auf Forderung von Sara in die Wüste geschickt, überleben aber durch göttliche Hilfe. Gott prüft Abrahams Glauben, indem er von ihm verlangt, seinen Sohn Isaak zu opfern. Abraham ist gehorsam, Isaak bleibt jedoch durch Gottes Einhaltgebieten im letzten Augenblick am Leben.

Jakob und Esau

 

Zwölf Stämme Israels

  • Ruben
  • Simeon
  • Levi
  • Juda
  • Dan
  • Naftali
  • Gad
  • Ascher
  • Issachar
  • Sebulon
  • Josef
    • Manasse
    • Ephraim
  • Benjamin

Isaak heiratet Rebekka und hat Zwillingssöhne: Esau, der ein Jäger wird, und Jakob, der Nomade wird. Es folgt die Geschichte vom Recht des Erstgeborenen, das Jakob Esau für ein Linsengericht abkauft. Als Jakob auch noch den Segen Isaaks für sich durch Täuschung erhält, flieht er auf Rat seiner Mutter, um Esaus Zorn zu entgehen. Bei dem Bruder seiner Mutter, Laban, wirbt er um dessen Tochter Rachel. Für sie muss er sieben Jahre dienen. Er bekommt darauf Lea, die er aber nicht haben möchte, weil er Rachel liebt. Er heiratet Lea und dient weitere sieben Jahre, um Rachel zu bekommen. Mit beiden Frauen und deren zwei Mägden hat er schließlich zwölf Söhne: Ruben, Simeon, Levi, Juda, Dan, Naftali, Gad, Ascher, Issachar, Sebulon, Josef und Benjamin. Aus diesen gehen die zwölf Stämme Israels hervor. Er hat auch eine Tochter namens Dina.

Während seiner Rückkehr in die Heimat beschließt Jakob, Esau um Verzeihung zu bitten. Als er erfährt, dass dieser ihm mit 400 Mann entgegenzieht, ergreift Jakob die Furcht, und er stellt ein Versöhnungsgeschenk, bestehend aus Hunderten von Ziegen, Böcken, Schafen und anderen Tieren zusammen. Mit diesem Geschenk schickt Jakob seine Knechte voraus, um seinem Bruder Esau seinen demütigen Wunsch zur Versöhnung zu übermitteln.

In der folgenden Nacht findet sich Jakob im Ringkampf mit einem mysteriösen Wesen, das unterschiedlich als Gott selbst, als Engel oder als Mensch verstanden wird. Jakob geht aus dem Ringkampf überlegen hervor und verlangt von seinem Gegner gesegnet zu werden, bevor er ihn freigibt. Dieser gibt Jakob darauf einen neuen Namen: Israel, so viel wie „der mit Gott ringt“. Am nächsten Tag begegnen sich Jakob und Esau, der seinen Bruder gerührt in die Arme schließt und das Geschenk zunächst ablehnt, es aber auf Drängen Jakobs schließlich annimmt.

Josef und seine Brüder

Josef ist Jakobs Lieblingssohn und verrät seine Brüder oft beim Vater, er wird daher von seinen Brüdern gehasst. Sie verkaufen ihn als Sklaven an eine nach Ägypten ziehende Karawane und täuschen Jakob vor, Josef sei von wilden Tieren getötet worden.

Josef wird in Ägypten als Sklave an Potifar, einen Hofbeamten des Pharaos, verkauft. Dessen Ehefrau lässt Josef mit falschen Anschuldigungen ins Gefängnis werfen, als er sich weigert, mit ihr zu schlafen. Aufgrund seiner Fähigkeit, Träume zu deuten, kommt Josef jedoch wieder frei und wird zu einem einflussreichen Mann in Ägypten. Als er sieben fette und sieben dürre Jahre in Ägypten richtig vorhersagt und das Land durch einen Vorratshaltungsplan vor einer Hungersnot rettet, ist seine Position als Wesir gesichert.

Weil seine Familie in Kanaan unter der Dürre leidet und in Ägypten Getreide einkaufen will, kann er sie zu sich nach Ägypten holen. Da seine Brüder ihn nicht erkennen, gibt Josef, nachdem seine Brüder das zweite Mal kommen, um Benjamin mitzubringen, seine wahre Identität zu erkennen. Nun war er der zweitmächtigste Mann in Ägypten und der Bruder unter den Brüdern.

Im Judentum beginnt mit dem Buch Bereschit die Abfolge der wöchentlichen Tora-Lesungen am Sabbat. Der Abschnitt wird am ersten Sabbat nach Simchat Tora gelesen.

Mose als Autor in jüdischer Tradition

Nach der jüdischen Lehre deckt das Buch den Zeitraum von der Erschaffung der Welt im ersten Jahr bis zu Josefs Tod im Jahr 2309 ab (1452 v. Chr.). Mose gilt als Autor dieses Buches, obwohl er laut dem 2. Buch Mose erst nach Josefs Tod geboren wurde. Mose habe die gesamte Tora am Sinai von Gott erhalten.

Mitzwot in Bereschit

Folgende Mitzwot (Gebote) sind in Bereschit enthalten:

  • Schabbat und Beginn des Schabbat am Abend
  • Seid fruchtbar und mehrt euch (Gen 1,28 EU)
  • Beschneidung (Gen 17,2 EU)
  • Nicht den Muskelstrang über dem Hüftgelenk essen (Gen 32,33 EU)

Das 1. Buch Mose selbst nennt keinen Autor. Der deutsche Name folgt der jüdischen und christlichen Tradition einer Autorenschaft Moses, die den gesamten Pentateuch (die „Fünf Bücher Mose“) als von Mose verfasst sieht.

Wissenschaftliche Entstehungstheorien untersuchen den Text vor allem mit historisch-kritischer Methode. Sie gehen von einer mehrstufigen Entstehungsgeschichte aus mit verschiedenen Quellen, Überarbeitungen und Redaktionen. Danach nehmen die Texte zwar alte Überlieferungen auf, stammen jedoch spätestens aus der Zeit des Königtums in Israel (ab ca. 1000 v. Chr.). Die Endredaktion des Textes wird auf frühestens 400 v. Chr. datiert. Manche christliche Gruppen (vor allem die Anhänger des sogenannten evangelikalen und/oder fundamentalistischen Christentums) lehnen die Anwendung der historisch-kritischen Methode auf die Bibel als einem Offenbarungstext ab. Entsprechend glauben sie an eine Verfasserschaft des Mose, den sie für eine historische Persönlichkeit halten, und datieren den Text erheblich früher (zur Frage der Autorschaft und Entstehungszeit siehe Artikel Tora).

Inhaltlich gibt es einige direkte Hinweise zur Datierung des Textes. Anachronismen, wie die Erwähnung von Kamelen (Kapitel 12, Vers 14–16; Kapitel 24, Vers 10–11) und Karawanen (Kapitel 37, Vers 25–28), sowie der Bezug auf israelitische Könige (Kapitel 36, Vers 31) deuten auf eine Entstehung nach dem 10. vorchristlichen Jahrhundert hin; erst seit jener Zeit fanden sich Könige in Israel. Kamele wurden im 12. oder 11. vorchristlichen Jahrhundert domestiziert, und die ältesten Hinweise auf Kamelkarawanen im Nahen Osten stammen aus dem 7. Jahrhundert. Der Bezug auf Könige der Philister (Kapitel 26, Vers 1) im Nahen Osten stützt diese Datierung: Archäologische Ausgrabungen finden erste philistische Ansiedlungen seit dem 13. Jahrhundert und erste Städte (Gerar) im 7. Jahrhundert.

Mit der Datierung der Patriarchen auf die Zeit zwischen dem 25. und dem 16. vorchristlichen Jahrhundert (je nach Lehrmeinung) ergibt sich eine Entstehung von einigen Jahrhunderten nach den (mutmaßlichen) Ereignissen.

Aus der Abfolge der Generationen und den angegebenen Jahreszahlen wurde von religiösen Juden und Christen versucht, das Alter der Welt zu bestimmen. Dies erfolgt unter der Annahme einer wörtlichen Interpretierbarkeit der Erzählungen. Da sich die Jahreszahlen in der hebräischen Bibel von denen der griechischen Bibel unterscheiden und einige Angaben mehrdeutig sind, kam man zu verschiedenen Ergebnissen: der hebräische Text gibt bis zum Exodus 2666 Jahre an, der griechische der Septuaginta 3446 Jahre.[18]

Verschiedene Autoren haben Berichte im Buch Genesis kritisiert (siehe auch: Kontroversen um die Bibel). Dabei gibt es zwei Hauptstoßrichtungen der Kritik:

  1. Es wird vorgebracht, die Berichte seien historisch falsch und nicht dem tatsächlichen Gang der Ereignisse entsprechend.
  2. Bestimmte Handlungen Gottes seien nicht mit der Vorstellung eines guten Gottes vereinbar.

Beide Kritikpunkte werden sowohl von Religionskritikern als auch von Theologen vorgebracht, wobei die innertheologische Kritik dies als Kritik an bestimmten, insbesondere fundamentalistischen Auslegungen des 1. Buches Mose versteht, nicht als Kritik am Buch selbst.

Schöpfungsgeschichte

Die Bibel enthält im Buch Genesis zwei Schöpfungsberichte, die von unterschiedlichen Autorengruppen in unterschiedlichen Zeiten verfasst wurden. Der ältere Bericht[19] wurde wohl vor etwa 3000 Jahren von dem so genannten Jahwisten geschaffen.

Hauptartikel: Schöpfungsgeschichte (Jahwist)

Der zweite Bericht[1][20] entstand etwa im 6. Jahrhundert v. Chr. von Priestern während des babylonischen Exils.

Hauptartikel: Schöpfungsgeschichte (Priesterschrift)

Letzterer ist als Kritik an babylonischen Schöpfungsmythen zu verstehen und greift Elemente aus babylonischen Schöpfungsvorstellungen auf. Beide biblischen Schöpfungsberichte wollen bestimmte Aussagen über die Beschaffenheit der Welt und des Menschen machen und wurden deshalb beide – ohne Rücksicht auf die offensichtlichen Widersprüche – von späteren Redaktoren hintereinander an den Anfang der Bibel gestellt.

Die Unterschiede zwischen beiden Darstellungen beziehen sich u. a. auf die Reihenfolge der Schöpfungselemente. Die Widersprüche zur naturwissenschaftlichen Theorie der Weltentstehung sind zwar offensichtlich, betreffen aber verschiedene Ebenen der Weltsicht. Manche Christen, die im weitesten Sinne dem Kreationismus zuzurechnen sind, halten trotzdem an der Auffassung fest, die Schöpfungsgeschichten seien naturkundliche Tatsachenberichte. Unter vielen Theologen und aufgeklärten Christen hingegen hat sich die Ansicht durchgesetzt, dass die beiden Schöpfungsberichte nicht als streng naturwissenschaftliche Beschreibung zu verstehen sind, sondern als Beschreibung der Aufgaben des Menschen in seiner Welt, die ihm nicht gehört. Ein Erklärungsmodell, das diesen Ansatz verfolgt, ist z. B. die theistische Evolution.

Erster Schöpfungsbericht

Die Schöpfungsgeschichte der Priesterschrift[21] lässt Gott das Licht, die Himmelsfeste, die bewohnbare Erde, darauf die Gestirne, Pflanzen, verschiedene Tierarten und schließlich den Menschen in sechs Tagen erschaffen, mit einem folgenden siebenten Tag der Ruhe. Der Ausdruck „Tage“ bezieht sich nicht auf 24-Stunden-Tage, weil der hebräische Ausdruck für Tag sich auf ganz unterschiedliche Zeiträume beziehen kann, nicht nur auf einen 24-Stunden-Tag. Jedoch werden die Schöpfungstage durch den Wechsel von hell und dunkel, bzw. nach der Bildung der Sonne durch Sonnenaufgang und Sonnenuntergang, als irdische Tage gekennzeichnet. In Genesis 2,4 wird die Schöpfung zusammengefasst: „Dies ist die Geschichte des Himmels und der Erde, als sie geschaffen wurden, an dem Tage, da Jehova Gott Erde und Himmel machte“ (Elberfelder Bibel 1905), „Tage“ bezieht sich hier also auf den gesamten Zeitraum der Schöpfung.

Diese Darstellung entspricht nicht den modernen naturwissenschaftlichen Theorie über die Entstehung des Universums, der Erde, der Lebewesen und des Menschen. Die weithin anerkannten, wenn auch von einigen religiösen Fundamentalisten abgelehnten wissenschaftlichen Theorien sind beispielsweise die Theorie vom Urknall und von der Entstehung der Galaxien, Sonnensysteme und Planeten einschließlich der Erde, und die Theorien von der Evolution, der Erdgeschichte, in der Geologie und der Paläontologie. Die biblischen Schöpfungsberichte sind jedoch nicht als „naturwissenschaftliche“ Abhandlungen zu verstehen und wollen gar kein „historisches“ Bild der Weltentstehung abliefern. Aus diesem Grunde sind Schöpfungsgeschichte und Naturwissenschaft grundsätzlich unvergleichbar.

Trotzdem hat es viele Versuche gegeben, Schöpfungsberichte und naturwissenschaftliche Theorien in Einklang zu bringen. Beispielsweise versuchte man zu argumentieren, dass ein Schöpfungstag mehreren Millionen Jahren entspreche. Solche Versuche werden weithin als verfehlt betrachtet. Heute gehen viele Christen davon aus, dass die Schöpfungsberichte keine naturwissenschaftlichen Theorien aufstellen wollten, sondern die Absicht hätten, theologische Aussagen über Gott, den Menschen und die Welt zu machen. Einen „Vergleich“ von Aussagen der Schöpfungsgeschichte mit naturwissenschaftlichen Theorien halten sie für unseriös.

Nachfolgend eine Liste von Differenzen zwischen biblischem Schöpfungsmythos und naturwissenschaftlicher Theorie:

  • Die Dauer der Schöpfungsphase von sieben Tagen widerspricht der Theorie vom Urknall bis zur Entstehung des Menschen in einem Zeitraum von Milliarden von Jahren. Auch von der Entstehung der Erde an gerechnet sind es noch mehr als vier Milliarden Jahre bis zur Entstehung der ersten Menschen.
  • Das Licht wurde laut Schöpfungsbericht vor der Sonne geschaffen (weswegen einige die Schöpfung des Lichts mit dem Urknall in Zusammenhang bringen). Zugleich markiert dies auch den Beginn des Wechsels zwischen Tag und Nacht, also der (irdischen) Zeitrechnung, was wiederum nicht ohne weiteres zum Urknall passt und eher für die Identifikation des Lichts mit der Sonne spricht.
  • Die Teilung „der Wasser“ in einen Teil „oberhalb der Wölbung“ und einen „unterhalb der Wölbung“ ist eine Beschreibung eines Weltbildes, das dem klassischen, in Mesopotamien in der Antike verbreiteten Weltbild mit der Erde als flache Scheibe, an allen Seiten umgeben von Wasser, entspricht. Die Wölbung ist dabei als die „Luftblase“ zu verstehen, die die oberen Wasser von den unteren Wassern trennt. Regen wurde als eine Art „Undichtigkeit“ aufgefasst. Bis in das 19. Jahrhundert hinein gab es Gruppierungen, die auf die Bibel gestützt ein solches Weltbild propagierten (Flat Earth Society).
  • Die Entstehung der Pflanzen erfolgt in der Schöpfungsgeschichte vor der Schöpfung der Gestirne, einschließlich der Sonne. Hier erkennt man, dass die Sonne und andere Gestirne nicht als Quelle des Lichts angesehen wurden. In der Tat hielt sich bis in die Zeit der Aufklärung die Vorstellung, die Gestirne seien nicht die Quelle des Lichts, sondern eher eine Art von Lichtförderer. Die unmittelbare Anschauung legt zunächst auch nahe, dass das Licht nicht bloß von der Sonne komme; denn tagsüber ist der ganze „Himmel“ hell, selbst wenn die Sonne gar nicht sichtbar ist. So wird verständlich, dass für das Vorhandensein von Licht und für den Wechsel von Tag und Nacht die Sonne nicht als entscheidend angesehen wurde, und Pflanzen die Sonne zu ihrem Gedeihen nicht zu brauchen schienen. Entsprechend heißt es in der Schöpfungsgeschichte auch, dass die beiden größten Gestirne (Sonne und Mond) „zur Beherrschung“ von Tag und Nacht gemacht wären – und eben nicht zur Beleuchtung.
  • Auch die Reihenfolge der Erschaffung der Tierarten stimmt mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht überein. Die Schöpfungsgeschichte lässt die Wassertiere und die Vögel an einem Tag entstehen, und die auf der Erde lebenden Tiere am nächsten Tag. Der Stand der heutigen Wissenschaft lässt dagegen die erdbewohnenden Tiere aus den Wassertieren und daraus dann die Vögel entstehen. Einige Wassertiere wie z. B. die Meeressäugetiere (die mit den Seeungeheuern der Schöpfungsgeschichte identifiziert werden) stammen von erdbewohnenden Tieren ab.

Zweite Schöpfungsgeschichte

Der Mythos vom Garten Eden[19] legt im Gegensatz zur priesterlichen Schöpfungsgeschichte von der Weltschöpfung 1. Mose 1,1-2,4a das Augenmerk auf die Menschenschöpfung. Darin wird die Welt bereits als geschaffen vorausgesetzt. Der Mensch wird aus Lehm erschaffen, danach werden Pflanzen geschaffen, dann die Tiere, und schließlich wird der Mensch in Frau und Mann geteilt. Dabei entnimmt der Schöpfer aus dem in Tiefschlaf versetzten Menschen eine „Rippe“ (die exakte Bedeutung dieses Textes ist nicht bekannt), die er zu einer Frau formt. Auf diese Weise entsteht mit der Frau auch der Mann. Vorher kann beim Menschen noch nicht vom Mann gesprochen werden (vergleiche 1. Mose 2,22 f.).[22] Im oben beschriebenen ersten Schöpfungsbericht werden dagegen beide von vornherein zugleich erschaffen.

Eine Übereinstimmung mit naturwissenschaftlichen Erkenntnissen über die Entstehung der Arten ist bei diesem Schöpfungsbericht nicht zu erkennen; der Mythos ist allein theologisch begreifbar: Gott erschafft den Menschen und sorgt für ihn, indem er versucht, ihm einen passenden Gefährten zu schaffen. Von den Tieren kann niemand die Ansprüche des Menschen erfüllen, nur die Partnerin ist hierfür geschaffen. Oft missverstanden wird der Herrschaftsauftrag des Menschen. Der Mensch wird als Herrscher über die Natur eingesetzt. Das klingt für in der Demokratie aufgewachsene Menschen nach „tyrannisieren“. In der altorientalischen Literatur bedeutet „herrschen“ auch immer „behüten“ oder „in Ordnung halten“. Der Mensch wird also als eine Art Gärtner in dem Garten Eden eingesetzt. Moderne Umweltethik kann hier ihre Anknüpfungspunkte sehen, auch wenn die Verfasser des Buches noch keinerlei Vorstellung davon hatten, dass der Mensch eines Tages dazu in der Lage sein wird, der Schöpfung ernsthaft zu schaden.

Noach und die Sintflut

 

Die Sintflut aus dem Noah Zyklus von Adi Holzer, handgedruckt 1975, Werksverzeichnis 263

Historiker sehen in dem Bericht eine mythische Verarbeitung einer tatsächlich stattgefundenen Naturkatastrophe, die auch in den Mythen anderer Völker überliefert wurde. Die Sintflutsage ist danach älter als die jüdische Religion. Sie ist im Zweistromland entstanden. In der ältesten uns bekannten akkadischen Überlieferung trägt Noach den Namen Atrahasis. Die Sage wird in der damaligen Vielgötterreligion so gedeutet, dass die Götter mit der Fronarbeit der Menschen nicht zufrieden waren und sie vernichten wollten. Ein Gott (Enki) warnt aber Atrahasis (Noach). Die Geschichte wurde ziemlich detailgetreu aus der Überlieferung übernommen, seine ursprüngliche Deutung ließ sich nicht stichhaltig in die monotheistische Weltsicht übertragen, in der Gott gleichzeitig der strafende und der warnende Gott ist. So wurde diese Geschichte oft auch als stoßend empfunden:

Manche Bibelkritiker sehen in der Geschichte von der Sintflut[23] ein Beispiel dafür, wie im Alten Testament die Sippenhaftung als selbstverständlich gelte. Gott ist darüber betrübt, dass die Menschheit, seine Schöpfung, der Bosheit verfallen ist und beschließt, sie auszurotten.[24] Andere Bibelkritiker interpretieren diese Situation als Konstruktionsfehler, der Gott anzulasten sei. Über die konkreten Vergehen, deretwegen so eine drastische Reaktion gerechtfertigt werden könnte, erfährt man in der Bibel praktisch nichts. Die Bibel berichtet, wie Gott nicht nur die gesamte Menschheit – außer Noachs und seiner Familie – ausrottet, was auch Unschuldige wie z. B. Säuglinge mit einschließe, sondern darüber hinaus auch die gesamte an Land lebende Tierwelt, außer den Exemplaren, die Noach in die Arche rettet. Sie fragen sich, ob Gott nicht „etwas zielgenauer“ hätte vorgehen können.

Oder andernfalls, wenn schon die fast völlige Vernichtung der Schöpfung erforderlich gewesen sein sollte, warum macht Gott dann nicht einfach reinen Tisch und erschafft die Welt ganz neu, was ja in sechs Tagen geschehen kann? Es ist manchem Bibelkritiker (etwa Reimarus) nicht recht einsichtig, was Noach vor allen anderen Menschen zum Überleben qualifizierte, beispielsweise unter Berücksichtigung der in Genesis 9,21–27[25] erzählten Geschichte der Verfluchung seines Enkels Kanaan. Bibelkritiker monieren, dass die Operation nicht den Erfolg hatte, den sie erwartet hätten. Denn wie sich im weiteren Verlauf der Bibel zeigt, ist auch danach an Bosheit kein Mangel, und es bieten sich weitere Anlässe zu summarischen Strafaktionen.

Lot und der Untergang von Sodom und Gomorra

Sodom und Gomorra werden wegen zuvor im Gespräch zwischen Gott und Abraham nicht näher konkretisierter Sünden ihrer Bewohner von Gott vernichtet, nur Lot mit seiner Familie entgeht dem Tod.[26] Zuvor verhandelt noch Abraham mit Gott, um das Unheil abzuwenden,[27] scheitert aber mangels genügend Gerechter in Sodom. In diesem Gespräch (Genesis 18,17–32) wird Abraham von Gott auf die Sündhaftigkeit der Bewohner der beiden Städte aufmerksam gemacht, ohne dass eine Kennzeichnung von Seiten Gottes erfolgt, welche konkreten Sünden den Bewohnern von Sodom und Gomorra denn im Einzelnen zur Last gelegt wurden. Bezeichnenderweise kommt es zu dem von den männlichen Einwohnern Sodoms unternommenen Vergewaltigungsversuch an den als Engeln gekennzeichneten Gästen Lots erst nachdem die Entscheidung Gottes, die beiden Städte zu vernichten, bereits feststeht, was aus der Erzählung des vorherigen Kapitels hervorgeht (Genesis 18). Die Zerstörung Sodoms kann also nicht monokausal mit der erst nach diesem göttlichen Ratschluss erfolgten versuchten Vergewaltigung in Verbindung gebracht werden, die insgesamt durchaus an das im Alten Orient verbreitete Kulturphänomen der „rituellen Vergewaltigung fremder Eindringlinge“ erinnert, auch wenn innerhalb der Perikope von Genesis 19 das Prinzip der Sippenhaftung durchaus zum Tragen kommt. Verstärkend mag hierbei auch gewirkt haben, dass sich dem Quellenbericht zufolge alle männlichen Einwohner Sodoms vom Knaben bis zum Greis an dem schließlich durch die Engel selbst vereitelten Vergewaltigungsversuch beteiligten.[28] Lots Frau stirbt auf der Flucht allein deswegen, weil sie sich umsieht, gegen die ausdrückliche Anweisung Gottes.

Lot, der einzige „Gerechte“ von Sodom, wurde von seinen beiden Töchtern dazu verführt, sich dem Wein hinzugeben, was in zwei aufeinanderfolgenden Nächten dazu führte, dass beide Töchter Lot erkannten und sich mit dessen Hilfe Nachkommen zeugten, was in zwei Söhnen namens Moab (Stammvater der späteren Feinde Israels, der Moabiter) und Ben-Ammi resultierte (Genesis 19,30–38). Indirekt wird dabei klar, als wie schlimm die Vergehen der Sodomiter angesehen worden sein müssen, die ihnen die Vernichtung eingebracht haben, zumal Lot zwei Mal dem Alkohol verfiel, was laut der Bibel klar sündig ist und – ungewollt, aber dennoch daraus folgend – die Möglichkeit zur Unzucht herbeiführte, wobei nach wie vor unklar bleibt, welche Sünden konkret in Genesis 18 damit gemeint sind und Sodom und Gomorra zur Last gelegt wurden.

In der historisch-kritischen Bibelwissenschaft wird das 1. Buch Mose dem Deuteronomistischen Geschichtswerk (abgekürzt DtrG) zugerechnet. Das 1. Buch Mose bildet demnach den Anfang einer chronologisch fortlaufenden Erzählung, in die große Teile des Tanach integriert sind. Dabei wurden Elemente der ursprünglich ungeordneten Überlieferung in eine Reihenfolge gebracht, miteinander in Beziehung gesetzt und heilsgeschichtlich und theologisch gedeutet. Dies geschah in einem oder mehreren Schritten und brachte als Ergebnis das deuteronomistische Geschichtswerk (DtrG) hervor. Dieses umfasst den kompletten Pentateuch, das Josuabuch, das Richterbuch, die beiden Samuelbücher und endet mit den beiden Büchern der Könige und somit mit dem Beginn des babylonischen Exils. Hinweise auf diese Redaktion sehen viele Forscher auch in verschiedenen Prophetenbüchern.

  • Joseph Hertz: Der Pentateuch. (Hebräisch-deutsch).
  • Samson Raphael Hirsch: Bereschit.
  • Hanna Liss: Tanach. Lehrbuch der jüdischen Bibel. in Zusammenarbeit mit A. Böckler und Bruno Landthaler. 3. Auflage. Heidelberg 2011, ISBN 978-3-8253-5904-1.
  • Wolf Gunther Plaut: Die Tora. Band 1: Genesis, ISBN 3-579-02646-1 (hebräisch-deutsch).
  • Wolf Gunther Plaut (Hrsg.): Die Tora in jüdischer Auslegung. Band 1: Bereschit.
  • Leopold Zunz: Die Heilige Schrift. ISBN 3-85705-002-0.

Kommentare

  • Jürgen Ebach: Genesis 37–50 (= HThKAT). Herder, Freiburg 2007, ISBN 978-3-451-26803-8.
  • Josef Eßer: Die Schöpfungsgeschichte in der „Altdeutschen Genesis“ („Wiener Genesis“ V. 1–213). Kommentar und Interpretation (= Göppinger Arbeiten zur Germanistik. Band 455). Kümmerle Verlag, Göppingen 1987, ISBN 3-87452-690-9.
  • Jan Christian Gertz: Das erste Buch Mose (Genesis). Die Urgeschichte Gen 1-11 (ATD 1 Neubearbeitungen). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2018, ISBN 978-3-525-57055-5.
  • Lothar Ruppert: Genesis. Ein kritischer und theologischer Kommentar. 4 Teilbände. Echter Verlag, Würzburg 2003–2008,
Teil 1: Genesis 1,1–11,26, ISBN 3-429-01451-4, Teil 2: Genesis 11,27–25,18, ISBN 3-429-02461-7, Teil 3: Genesis 25,19–36,43, ISBN 3-429-02734-9, Teil 4: Genesis 37,1–50,26, ISBN 3-429-03010-2.
  • Gerhard von Rad: Das erste Buch Mose - Genesis. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, Bd. 1: 1949 & 1981; Bd. 2: 1952 & 1967; Bd. 3: 1953 & 1967.
  • Claus Westermann: Genesis. Genesis 1–11: ISBN 3-534-05284-6, Genesis 12–50: ISBN 3-534-06042-3.

Sonstiges

  • Eugen Drewermann: Strukturen des Bösen. 3 Bände:
Die jahwistische Urgeschichte in exegetischer Sicht. 10. Auflage. Schöningh, 1995, ISBN 3-506-76254-0. Die jahwistische Urgeschichte in psychoanalytischer Sicht. 8. Auflage. Schöningh, 2000, ISBN 3-506-76255-9. Die jahwistische Urgeschichte in philosophischer Sicht. 9. Auflage. Schöningh, 2000, ISBN 3-506-76256-7.
  • Sally Gross: Intersexuality and Scripture. In: Theology & Sexuality. Band 11, Sage Publications, September 1999, S. 65–74 (Online-Version von 1998).
  • Thomas Hieke: Genealogien der Genesis. Herder, Freiburg im Breisgau u. a. 2003, ISBN 3-451-28206-2.
  • Detlef Löhde: Die Schöpfungsgeschichte – Bericht oder gleichnishafte Erzählung? 1989, ISBN 3-922534-50-3.
  • Helmut Thielicke: Wie die Welt begann. Der Mensch in der Urgeschichte der Bibel. 1960, ISBN 3-7918-2114-8.
  • Bruce Vawter: On Genesis. A New Reading.

Übertragungen

  • Altdeutsche Genesis

 

Commons: Schöpfungsgeschichte – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

  • Bibelkundliche Grundinformation in: M. Rösel: Bibelkunde des AT. 2007 ff.
  • EU – 1. Buch Mose auf Bibleserver.com – über 40 verschiedene Bibelübersetzungen, auf Deutsch (u. a. Einheitsübersetzung, Luther 1984 und Rev. Elberfelder) und in anderen Sprachen
  • Matthias Millard: Genesis. In: Michaela Bauks, Klaus Koenen, Stefan Alkier (Hrsg.): Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (WiBiLex), Stuttgart 2006 ff.
  • Benjamin Ziemer: Genesis-Apokryphon. In: Michaela Bauks, Klaus Koenen, Stefan Alkier (Hrsg.): Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (WiBiLex), Stuttgart 2006 ff.
  • Andreas Schüle: Urgeschichte. In: Michaela Bauks, Klaus Koenen, Stefan Alkier (Hrsg.): Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (WiBiLex), Stuttgart 2006 ff.
  • Eine jüdische Übertragung der Tora, auch das Buch Bereschit
  • Erklärungen zum 1. Buch Mose Jüdisches Bildungszentrum Karlsruhe
  1. ↑ a b Genesis 1,1 EU.
  2. Melanie Köhlmoos: Altes Testament (= UTB. 3460). A. Francke, Tübingen 2011, ISBN 978-3-8252-3460-7, S. 163.
  3. Siehe auch die Anmerkung zu Genesis 1.1–2.4a in der Einheitsübersetzung.
  4. Joh 1,1–2 EU.
  5. Joh 1,14–18 EU.
  6. Sally Gross: Intersexuality and Scripture. In: Theology & Sexuality. Band 11, Sage Publications, September 1999, S. 65–74 (Online-Version von 1998).
  7. Vergleiche Genesis 3,22 EU.
  8. ↑ a b Genesis 2,7 EU.
  9. ↑ a b Genesis 3,19 EU.
  10. Genesis 1,28 EU.
  11. Genesis 2,21 EU.
  12. Genesis 3,1 EU.
  13. Genesis 3,7 EU.
  14. Über Gottes Fluchen in der Genesis vgl. Andreas Dorschel, 'Entwurf einer Theorie des Fluchens', Variations 23 (2015), § 30, S. 167–175, S. 175.
  15. Genesis 4,17 EU.
  16. 1 Mos 11,31 Lut.
  17. 1 Mos 12,1 Lut.
  18. Rudolf Smend: Die Entstehung des Alten Testaments (= Theologische Wissenschaft. Band 1). Kohlhammer, Stuttgart 1978, ISBN 3-17-001070-0, S. 50.
  19. ↑ a b Genesis 2,4b–25 EU.
  20. Genesis 2,4a EU.
  21. Genesis 1,1–2,4a EU.
  22. Benno Jacob: Das erste Buch der Tora: Genesis. Übersetzt und erklärt von Benno Jacob. Schocken Verlag, Berlin 1934, DNB 579494322, S. 98–99.
  23. Genesis 6 EU.
  24. Genesis 6,5–7 EU.
  25. Genesis 9,21–27 EU.
  26. Genesis 19 EU.
  27. Genesis 18,16 EU.
  28. Genesis 19,4 EU.

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