Welche arten von sterbehilfe gibt es

Im Zusammenhang mit der Patientenverfügung kommt auch häufig das Thema Sterbehilfe zur Sprache. Aktive Sterbehilfe, passive oder indirekte Sterbehilfe – diese Begriffe stiften bei Laien Verwirrung. Sie sind alles andere als selbsterklärend und werden manchmal auch von Politikern nicht ganz verstanden. Lesen Sie hier, was sich hinter den einzelnen Bezeichnungen verbirgt und welche gesetzlichen Regelungen aktuell für die verschiedenen Arten der Sterbehilfe gelten.

Sterbehilfe ist nicht gleich Sterbehilfe: Man unterscheidet in aktive Sterbehilfe, passive Sterbehilfe und indirekte Sterbehilfe. Im Folgenden stellen wir die einzelnen Arten der Sterbehilfe vor und deren Definitionen.

Aktive Sterbehilfe oder auch Tötung auf Verlangen beschreibt ein Vorgehen, bei dem ein Dritter aktiv den Tod eines Menschen auf dessen ausdrücklichen Wunsch hin herbeiführt.

Ist aktive Sterbehilfe in Deutschland erlaubt? Nein, die Tötung auf Verlangen steht in Deutschland unter Strafe. Aber: Seit März 2017 hat ein leidender Patient in „extremen Ausnahmesituationen“ ein Recht darauf, Substanzen zur Selbsttötung zu erwerben. Diese Tatsache folge aus dem Persönlichkeitsrecht im Grundgesetz, stellte das Bundesverwaltungsgericht im März 2017 fest. Bedingung solle dabei sein, dass die betroffenen Patienten „wegen ihrer unerträglichen Lebenssituation frei und ernsthaft entschieden haben, ihr Leben beenden zu wollen“ und dass es keine palliativmedizinischen Alternativen gebe.

Passive Sterbehilfe beschreibt zumeist das Auslassen oder den Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen – wie beispielsweise die Beatmung oder Ernährung – auf Wunsch des Patienten.

Ist passive Sterbehilfe in Deutschland erlaubt? Ja, doch nicht nur das. Die Ärzte sind hierzu sogar verpflichtet. Missachten sie den Willen des Patienten, kann ihnen eine Klage wegen Körperverletzung drohen.

Indirekte Sterbehilfe bezeichnet den Einsatz von Medikamenten, die auch die Herabsetzung der Lebensdauer eines bereits geschwächten Patienten zur Folge haben können. Der Tod wird hier als ungewollte aber unvermeidbare Nebenwirkung billigend in Kauf genommen.

Indirekte Sterbehilfe ist in Deutschland erlaubt.

Beihilfe zum Suizid ist beispielsweise das Besorgen oder Bereitstellen eines tödlichen Medikamentes.

Olaf P. kann für die Beihilfe zum Suizid nicht strafrechtlich belangt werden. Wäre Olaf P. im Haus geblieben, hätte er sich gegebenenfalls der unterlassenen Hilfeleistung schuldig gemacht. Darüber hinaus kann durch das Besorgen der Medikamente eine Ordnungswidrigkeit wegen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz oder auch eine Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz vorliegen. Die Beihilfe zum Suizid jedoch ist in Deutschland erlaubt. Da die eigentliche Haupttat, nämlich der Suizid, in Deutschland nicht strafbar ist, kann es auch die Beihilfe dazu nicht sein – solange sie im Vorfeld zur Tat stattfindet.

Das Bundesverfassungsgericht hat im Februar 2020 das 2015 eingeführte Verbot der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe im Strafgesetzbuch gekippt. Das höchste Gericht legte fest, dass es ein umfassendes Recht auf selbstbestimmtes Sterben gebe, das zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht gehört. Damit sei auch die Freiheit eingeschlossen, dabei die Hilfe Dritter – auch von Vereinen oder Organisationen – in Anspruch zu nehmen. Seither dürfen sich schwerkranke Menschen beim Sterben helfen lassen, indem sie sich zum Tod führende Medikamente besorgen lassen.

In Deutschland sind drei Sterbehilfevereine aktiv: „Dignitas-Deutschland“, „Sterbehilfe Deutschland“ und „Verein Sterbehilfe“.

Schauen wir über die Grenze zu unseren europäischen Nachbarn, so gibt es nur vier Länder, in denen eine aktive Sterbehilfe oder eine Beihilfe zur Selbsttötung legal sind. Zum Teil sind sogar eine aktive Sterbehilfe und eine Suizid-Beihilfe erlaubt.

In der Schweiz ist eigentlich eine direkte und aktive Sterbehilfe verboten. Dennoch hat das Gesetz dort einige Formen indirekter aktiver Sterbehilfe legalisiert. Die Beihilfe zum Suizid – also der assistierte Freitod, bei dem die sterbewillige Person das tödliche Medikament selbst einnimmt – bleibt straffrei. Über die Rechtsprechung und ärztliche Richtlinien hat sich auch eine gewisse Sterbehilfe-Praxis etabliert. Demnach dürfen Ärzte dann ein Rezept für tödliche Medikamente ausstellen, wenn der Tod eines Patienten naht. Die sterbewillige Person muss urteilsfähig sein und der Suizidwunsch muss gut überlegt, ohne äußeren Druck entstanden und dauerhaft geäußert werden. Unter bestimmten Bedingungen dürfen auch lebenserhaltende Maßnahmen abgebrochen werden.

Wegen der steigenden Nachfrage nach diesem legalen Modell der unterstützten Selbsttötung – nicht zuletzt auch aus dem europäischen Ausland – bieten einige private Sterbehilfevereine oder Organisationen wie „Dignitas“ oder „Exit“ dabei auf Grundlage des geltenden Rechts organisatorische Unterstützung an. Die dabei entstehenden Kosten für Sterbehilfe in der Schweiz zahlt der Kranke oder seine Angehörigen.

1993 war Holland weltweit das erste Land, in dem aktive Sterbehilfe sowie Beihilfe zum Suizid unter gewissen Einschränkungen erlaubt worden ist. Sogar minderjährige Kinder ab 12 Jahren können mit Zustimmung ihrer Eltern darum bitten. Jugendliche von 16 und 17 Jahren dürfen das selbstständig entscheiden.

Damit sie strafffrei bleiben, müssen Mediziner und Patienten aber einige Voraussetzungen erfüllen. Vor allem muss der Patientenwunsch nach reiflicher Überlegung und freiwillig geäußert werden. Wenn ein Patient sich nicht mehr selbst äußern kann, muss er seinen Wunsch zu sterben schon vorher schriftlich niedergelegt haben. Außerdem muss der beurteilende Arzt den aussichtlosen Zustand und das unerträgliche Leiden des Patienten bestätigen. Es folgt eine umfassende Aufklärung des Patienten über seine Situation und medizinische Behandlungsmöglichkeiten und eine einvernehmliche Erklärung von Patient und Arzt, dass eine Behandlung keine angemessenen Lösungen mehr für den Patienten bietet. Mindestens ein weiterer Arzt muss den Patienten noch untersuchen und schriftlich zur gleichen Auffassung kommen wie der behandelnde Arzt und sein Patient. Danach soll die eigentliche Sterbehilfe menschenwürdig und rücksichtsvoll ablaufen.

Auch in Belgien ist Sterbehilfe seit 2002 unter bestimmten Konditionen straffrei möglich. Die gesundheitliche Situation des Patienten muss „medizinisch aussichtslos“ sein. Das heißt, es gibt keine Heilungschancen und der Patient erleidet körperliche oder seelische Qualen. Der Betroffene muss seinen Sterbenswunsch überlegt und ohne äußeren Druck freiwillig treffen und diesen Wunsch mehrfach wiederholen. Seit 2014 muss der Patient dafür aber nicht mehr – wie ursprünglich vorgesehen – volljährig oder ein „mündig erklärter Minderjähriger“ sein, sondern muss seine Entscheidung „nur“ bei vollem Bewusstsein und voller Handlungsfähigkeit äußern. Die aktive Sterbehilfe in Belgien ist nämlich für Menschen jeden Alters möglich, so dass sich auch unheilbar kranke Kinder für eine Sterbehilfe aussprechen können.

Seit dem Jahr 2009 ist es gesetzlich erlaubt, dass Ärzte Patienten mit Sterbewunsch unter bestimmten Umständen bei der aktiven Sterbehilfe oder der Beihilfe zur Selbsttötung helfen. Für Ärzte ist dabei entscheidend, dass sie den Patienten beraten und ausführlich mit ihm sprechen, um sich über dessen Zustand und die medizinischen Heilungsmöglichkeiten zu informieren. Ein zweiter Arzt muss dann hinzugezogen werden, wenn es um die konkrete Einschätzung einer unheilbaren Krankheit geht. Auf Seiten des Patienten ist es unabdingbar, dass er volljährig ist, unter seelischen oder körperlichen Schmerzen leidet, seinen Sterbenswunsch freiwillig und aus eigenem Entschluss fällt und schriftlich niederlegt. Kinder unter 18 Jahren brauchen dafür die Zustimmung der Erziehungsberechtigten. Geschäftsunfähige Patienten müssen den Sterbenswunsch in einer Patientenverfügung festgelegt haben.

Nach wie vor wird in Deutschland über das Für und Wider einer legalen aktiven Sterbehilfe oder einer Beihilfe zum Suizid heftig gestritten. Wir fassen für Sie häufige Argumente Pro und Contra Sterbehilfe zusammen.

In der jüngeren Vergangenheit hat sich dazu auch der Bundesgerichtshof positioniert und in zwei Fällen entschieden, in denen Ärzte Patientinnen in den selbstgewählten Tod begleitet haben. Die beiden Mediziner wurden vom Vorwurf der Tötung durch Unterlassen zwar freigesprochen, das hat die Diskussion um eine aktive ärztliche Sterbebegleitung danach umso heftiger entfacht.

Für die aktive Sterbehilfe lassen sich folgende Gründe finden:

Das Recht, über den eigenen Tod zu bestimmen

Die Befürworter einer legalen aktiven Sterbehilfe beziehen sich auf das Selbstbestimmungsrecht über das eigene Leben und den Tod, das sich im Grundgesetz als Persönlichkeitsrecht wiederfindet. Weder Staat, Politik noch Kirche sollen sich in Fragen der menschlichen Existenz einmischen dürfen.

Wunsch nach Mitgefühl und Verständnis

Darf das Recht auf Leben eine Pflicht zum Leben sein? Nein, sagen Verfechter einer aktiven Sterbehilfe. Sie möchten, dass sterbewillige und schwerkranke Menschen ohne Heilungschancen oder schwere Pflegefälle ihr Leben beenden dürfen, um sich so noch weiteres Leiden zu ersparen. Warum sollte man Menschen zum Leben zwingen, wenn sie nicht mehr länger wollen? – fragen Sie in der öffentlichen Diskussion.

Moderne Medizin muss auch Grenzen haben

Schon lange ist das Sterben – vor allem im Krankenhaus – kein natürlicher Prozess mehr. Durch die moderne Medizin kann das Leben heute scheinbar unbegrenzt verlängert werden, selbst wenn keine Heilung mehr in Aussicht ist. Wenn wir uns für lebensverlängernde Maßnahmen um jeden Preis entscheiden, dann müssen wir uns auch dagegen entscheiden dürfen – lautet ein weiteres Argument für eine aktive Sterbehilfe.

Viele Menschen sprechen sich auch gegen eine aktive Sterbehilfe in Deutschland aus. Ihre Gründe:

Sterbewunsch, weil Patient Angst vor Kontrollverlust hat

Längst nicht jeder Patient findet seine physischen oder psychischen Qualen unerträglich und will deshalb seinem Leben ein Ende setzen. Manchmal ist auch die Vorstellung unerträglich, Kontrolle über sein Leben zu verlieren und von der Familie abhängig zu sein. Sollte das aber ein wirklich schwerwiegender, existenzieller Grund sein, um sterben zu wollen? – fragen die Gegner einer aktiven Sterbehilfe.

Die Chancen der Palliativmedizin ausschöpfen

Die Palliativmedizin ermöglicht Sterbenden weniger Schmerzen, mehr Lebensqualität und ein würdiges Ende. Viele Schwerkranke hätten aber meist unbegründet Angst vor der letzten Lebensphase, in der sie nur noch an Geräten und Schläuchen auf Intensiv hängen könnten. Sie wissen vielleicht gar nicht um die palliativmedizinische Alternative zu Intensivmedizin und Sterbehilfe und brauchen eine individuelle Beratung.

Besser über konkrete Situationen am Lebensende informieren

Aus Angst vor zukünftigen Schmerzen oder Leiden in einem aktuell guten Gesundheitszustand eine Sterbehilfe in Erwägung zu ziehen oder gar schon schriftlich niederzulegen, ist für Sterbehilfe-Gegner kein ausreichender Grund. Um Leiden zu verhindern, sind viele individuelle und angemessene Maßnahmen möglich. Am Lebensende sogar ein Versetzen ins künstliche Koma. Zu wenig verbreitete Informationen und irreführende Vorstellungen beispielsweise von der Unterbringung in einem Hospiz oder den Möglichkeiten der Palliativmedizin lasse Menschen mit erklärtem Willen zur Sterbehilfe unter falschen Voraussetzungen eine wichtige Entscheidung treffen.

Die aktive oder passive Sterbehilfe setzt den Fokus auf ein selbstbestimmtes Ende des Lebens, um damit das Leiden eines Menschen zu beenden. Das Ziel ist also, den Patienten sterben zu lassen. Im Gegensatz dazu will die Palliativmedizin bei Schwerkranken mit begrenzter Lebenserwartung für mehr Lebensqualität bis zum Ende sorgen. Dabei geht es um die Kontrolle von Symptomen, die Linderung von Schmerzen und Hilfe bei der Bewältigung von Ängsten.

Damit dies auch gewährleistet ist, hat der Gesetzgeber bereits 2015 ein neues Hospiz- und Palliativgesetz verabschiedet, dass die Palliativversorgung in Deutschland seither deutlich stärkt.