Was wählen um rot rot grün zu verhindern

11.09.2021, 20:32 Uhr 5 Min. Lesezeit

Rot-rot-grün ist eine realistische Option nach der Bundestagswahl. Die Programme passen an vielen Stellen wunderbar zusammen. Die Beteiligung der Linkspartei im Bund aber wäre vor allem eines: eine Katastrophe.

Die Hürde zu Rot-Rot-Grün wurde inzwischen auf eine seltsame Formel reduziert: Es geht eigentlich nur noch um die NATO. Wenn die Linkspartei diese nicht mehr sofort auflösen will, wäre alles geritzt. Dann muss nur noch der Scholz mitmachen, der angeblich lieber die Ampel will – fertig ist das „progressive Bündnis“, wie es euphemistisch gerne umschrieben wird.

Ich sehe da ja noch viele andere Probleme, und das erste wäre, dass eine Regierung mit der Linkspartei eine Katastrophe für unser Land und den Wirtschaftsstandort wäre. In Moskau dürfte man den Krimsekt bereits kühl stellen und erste Kaviar-Präsentkörbe zu den russischen Hacker- und Trollfarmen schicken.

Horst von Buttlar schreibt hier jede zweite Woche über Politik und Wirtschaft

Nein, das sind nicht die „roten Socken“, die man jetzt sofort rausholt. Man muss vor einem solchen Bündnis warnen können, ohne gleich eine Kampagne zu fahren. Dass der Union nicht mehr viel mehr einfällt als „R2G verhindern“, sagt mehr über CDU/CSU aus als über Rot-Rot-Grün. Es ist „erbarmungswürdig“, um ein schönes Wort zu bemühen, das Wolfgang Schäuble einst über die SPD äußerte. Sicher, die Angst vor einer linken Regierung im Bund wird an manchen Orten und Urnen mobilisieren, aber sie verdeckt nur oberflächlich eine gewisse Ausgebranntheit, die man in der Union spürt. Wer dieser Tage mit CDU-Politikern darüber spricht, erntet nicht einmal mehr großen Protest oder Widerstand.

Rot-Rot-Grün bereits Realität – und eine realistische Option

Nun ist es ja so: In den Bundesländern ist die Beteiligung der Linkspartei nicht mehr das ganz große Gespenst, als das es gerne verkauft wird – solche Koalitionen wurden in unterschiedlichsten Konstellationen erprobt und geschmiedet, ohne dass ein Bundesland unterging. Das Land Berlin ist ein Sonderfall, weil hier Ideologie und Inkompetenz bei allen drei Partnern zu finden sind.

Im Bund ist Rot-Rot-Grün ein Szenario, für das es bereits 2013 und 2017 eine Mehrheit gab und auf das Parteistrategen seit Jahren hinarbeiten. Und wenn es nach dem 26. September möglich ist, wird diese Option ausgelotet werden, das passiert ja jetzt schon. Zur Not als Rot-Grün, von der Linkspartei toleriert – von den Parteiprogrammen her würde es, die Außenpolitik einmal ausgenommen, übrigens wunderbar passen.

Es ist die FDP, die nicht zu den Ideen von SPD und Grün passt, denn deren Wahlprogramme sind weder pragmatisch noch bürgerlich oder „Mitte“– als das inszenieren sich lediglich die Kandidaten. Die Programme sind dezidiert links und sehen einen massiven Ausbau der Staatstätigkeit vor, dazu umfangreiche Steuererhöhungen für die oberen zehn Prozent, mehr Regulierung und vor allem: hohe Schulden.

Nicht alles davon ist abenteuerlich und abwegig. Steuererhöhungen werden in mehreren Ländern diskutiert oder umgesetzt, wie dieser Tage auch in Großbritannien. Bei den Investitionen haben die Grünen die richtige Energie und Stoßrichtung: dass einfach mehr investiert werden muss. Und beim Thema Schulden, nun, da muss man die Frage stellen, ob nicht die „Schwarze Null“ längst der falsche Fetisch ist, ein größerer Fehler als eine mögliche „Schuldenorgie“.

Außenpolitische Unzuverlässigkeit

Die NATO ist nur ein Symbol dafür, dass die Linkspartei nach wie vor außenpolitisch unzuverlässig ist und mit vielen Traditionen und Werten unseres Landes bricht: Sie ist Russland gegenüber blind, verklärt oder verherrlicht Diktaturen oder sozialistische Autokratien wie in Venezuela und hofiert Kuba; sie eiert seit Jahren rum, wieviel Recht oder Unrecht es nun in der DDR gab.

Die Aussage von Co-Parteichefin Janine Wissler, die Bundeswehr brauche man quasi nicht, weil Deutschland keine Feinde habe, ist eine geopolitische Realitätsverweigerung. Wissler war bis kurz vor ihrer Wahl Mitglied der Gruppierung Marx21, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird – was einer der Gründe dafür sein dürfte, dass die Linkspartei dieses wichtige Organ abschaffen will. Dass die Linkspartei vor einigen Wochen im Bundestag nicht einmal dem Mandat zur Rettung der Deutschen und Ortskräfte aus Afghanistan zustimmte, ist ein Offenbarungseid, ein Warnzeichen, dass diese Partei niemals die Geschäfte dieses Landes mitführen sollte.

Eine Verschiebung der außenpolitischen Koordinaten wird indes seit Monaten auch unter dem neuen Fraktionschef Rolf Mützenich und der SPD-Spitze vorangetrieben, was oft nur indirekt und scheibchenweise wie beim Streit um die Drohnenbeschaffung nach außen quillt. Und zum Rücktritt mancher SPD-Fachpolitiker geführt hat. Es ist die alte, realitätsferne Inszenierung unseres Landes als „Friedensmacht“, die mit Schlagworten wie „internationale Sozial- und Rohstoffpolitik“, „Abrüstung und Rüstungskontrolle“ sowie „zivile Friedenssicherung“ garniert wird. Interessant ist, wie im Ausland eine rot-rot-grüne Regierung bereits antizipiert wird: als Risiko für Europa nach Jahren, in denen Deutschland für Stabilität gesorgt hat.

Es heißt dann immer, dass Olaf Scholz ja noch da sei, der schließlich Kanzler wäre – aber er wird nicht die ganzen Tassen im Schrank halten können, die seine Genossen den lieben langen Tag rausholen. Zumal es in der ersten und zweiten Reihe der SPD kaum noch Pragmatiker gibt. Einer der wenigen und fähigen ist sein kluger Staatssekretär und Stratege Wolfgang Schmidt, der aber auch im Kanzleramt sitzen würde.

Die meisten Ideen der Linkspartei sind indiskutabel. Im Kern geht es darum, dass alle weniger arbeiten, aber mehr Geld bekommen sollen, außer „die Reichen“ natürlich – Menschen mit einem Vermögen ab 2 Mio. Euro. Die Einkommenssteuer soll auf astronomische Werte von bis zu 75 Prozent geschraubt werden. Viele Ideen sind abenteuerlich, bei manchen muss man erst einmal klären, ob sie nicht doch von der „heute show“ oder dem „Postillon“ kommen – etwa jener Vorstoß von Anfang August, der für Arbeitnehmer hitzefrei ab 26 Grad anregte. Dass das Programm der Linkspartei in einer Parallelwelt entworfen wurde, weiß allerdings auch die SPD.

Bei zentralen Themen wie Steuern und Rente könnten sich SPD, Grüne und Linkspartei indes schnell einigen: Alle wollen eine Vermögenssteuer oder -abgabe und alle eine Reform der Einkommenssteuer, die Besserverdiener stärker belastet. Nur die Grenzen werden unterschiedlich gezogen, die Linkspartei zieht sie ab 70.000 Euro, die Grünen ab 100.000 Euro, die Sätze variieren von 45 bis zu den genannten 75 Prozent.

Solche Pläne würden auch alle Unternehmerinnen und Unternehmer treffen, die klassische Einkommenssteuer zahlen, also Selbständige und Personengesellschaften – also jene, die elementar für unsere Wirtschaft sind, weil sie bekanntermaßen den Laden am Laufen halten. Man würde die Wirtschaft nicht entfesseln, wie die Grünen im Frühjahr getrommelt haben, sondern ersticken.

Eine große Schwäche einer rot-rot-grünen Koalition wäre die Rentenpolitik, die in den kommenden Jahren zentral wird, weil der demografische Wandel merklich zuschlägt. Alle drei suchen Lösungen allein im gesetzlichen Rentensystem, die Notwenigkeit für eine zweite, kapitalgedeckte Säule wird allenfalls bei den Grünen gesehen. Für SPD und Linkspartei sind das Zockereien der Wall Street.

Schämen sich reiche Unternehmer für ihr Vermögen?

Ein Linksbündnis steht vor einem großen Widerspruch: Olaf Scholz wird nicht müde zu betonen, dass die großen Umwälzungen – etwa die Investitionen in den Klimaschutz – mit privatem Kapital gehebelt werden müssen. Allein Deutschland braucht laut einer Studie von BCG Mehrinvestitionen in Höhe von 1,5 bis 2,3 Billionen Euro bis 2050, das sind 1,2 bis 1,8 Prozent des BIP pro Jahr. Wie aber das Kapital locken, ja sich mit ihm verbünden, wenn man es am liebsten verjagen oder wegbesteuern will? Ach so, der Scholz, der wäre ja auch noch da.

Interessant ist, dass eine Vermögensabgabe oder höhere Steuern für die obersten fünf bis zehn Prozent nicht überall unter diesen fünf bis zehn Prozent abgelehnt werden. In vielen Gesprächen mit Unternehmerinnen und Investoren hörte ich oft diese Botschaft: Sie sollen es machen, dann haben wir es hinter uns. Oder: Ich würde mehr zahlen. Oder: Ich kann das verstehen. Gerade die Werte von Immobilien und Aktien sind in den vergangenen Jahren stark gestiegen, dass viele Menschen ihr Vermögen so erheblich vermehrt haben, dass es ihnen selbst etwas unangenehm ist.

Das aber heißt nicht, dass Rot-Rot-Grün die richtigen Ideen für unser Land hat. Man muss sich zu Recht vor einem solchen Bündnis Sorgen machen.