Was ist der unterschied zwischen rechtspopulismus und rechtsextremismus

AfD-Demonstration in Stralsund, April 2016

Foto: Stefan Sauer/ picture alliance / dpa

Zur Person

Ralf Melzer (50) ist Historiker und seit 2004 in verschiedenen Funktionen Mitarbeiter der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung (FES). Derzeit ist er für den Arbeitsbereich "Gegen Rechtsextremismus" verantwortlich. Zuvor war er Leiter des FES-Büros in Tunesien.

Marc Jongen, der als "philosophischer Kopf" der AfD gilt, hat kürzlich der Wochenzeitung "Zeit" ein Interview gegeben  , das bemerkenswerte Aussagen enthält. Angesprochen auf den Ausgang der Bundespräsidentenwahl in Österreich sagt Jongen: "Noch einmal hat das morsche System seine Ressourcen zusammengekratzt, bevor es umso eindrucksvoller einstürzen wird."

Der Subtext ist klar: Schade, dass es diesmal noch nicht geklappt hat, aber schon bald wird es soweit sein. Dann bricht das System der "Altparteien" zusammen. Dann schlägt auch die Stunde der AfD. Und die von FPÖ, Front National und all ihren rechten Freunden in Europa.

Eine Partei, die politisch rechts steht und ganz offensichtlich den Systemzusammenbruch herbeisehnt, ist zweifellos keine "normale" Partei im demokratischen Wettstreit einer pluralistischen repräsentativen Demokratie. Was aber ist sie dann? Rechtsradikal? Rechtspopulistisch? Oder gar rechtsextrem? Die Konfusion der Begriffe ist groß und ihr Gebrauch keineswegs einheitlich. Dabei ist eine Unterscheidung durchaus möglich, solange man sich bewusst ist, dass die Grenzen fließend sind und sich Parteien auch in die eine oder andere Richtung verändern können.

Innerhalb oder außerhalb des demokratischen Systems?

Der Terminus radikale Rechte eignet sich - zumal wenn man das Problem auf internationaler Ebene in den Blick nimmt - als Oberbegriff für unterschiedliche Ausprägungen von rechten Parteien, Bewegungen und Milieus. Mal können sich diese am rechten gesellschaftlichen Rand bewegen, mal den Mainstream bestimmen. Sie können politisch marginalisiert sein oder mit absoluter Mehrheit regieren. Ein Kriterium für die Unterscheidung ist, ob sie eher noch innerhalb des demokratischen Systems zu verorten sind oder außerhalb: Neofaschistische bzw. neonazistische Organisationen, die sich - häufig in Verbindung mit Gewaltbereitschaft - offen rassistisch, antisemitisch und demokratiefeindlich positionieren, sind rechtsextrem, was freilich keineswegs heißt, dass Parteien aus diesem Spektrum nicht auch bei demokratischen Wahlen antreten.

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Anders als Rechtsextremisten oder sogar Rechtsterroristen wie der NSU markieren Rechtspopulisten die Grauzone zwischen demokratisch-konservativ und rechtsextrem. Bezogen auf Deutschland heißt das: Die NPD ist eine rechtsextreme, die AfD eine rechtspopulistische Partei.

Populismus (den es auch als linke Spielart gibt) ist zunächst vor allem ein politischer Stil. Er lädt sich aber mit Inhalten auf und wird zu Rechtspopulismus, sobald zu der Anti-Establishment-Attitüde "Wir hier unten" gegen "Die da oben" noch das "Wir" gegen "die anderen" kommt. Dabei wird bewusst unklar gehalten, wer genau mit "Wir" gemeint ist. Auch bezüglich der "anderen", gegen die sich der Rechtspopulismus kulturell abgrenzt, herrscht eine gewisse Flexibilität: Muslime, Juden, Sinti und Roma, Flüchtlinge, nationale Minderheiten oder gerne auch die "Brüsseler Bürokraten" - je nach Kontext und politischer Lage bedient man sich der Feindbilder, die am besten geeignet scheinen, Sündenböcke zu schaffen und einfache Antworten auf schwierige Fragen zu geben.

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Tabubrüche und Deutschtümelei

Zurück zu Herrn Jongen: Der AfD schwebt zwar anstelle des "morschen Systems" sicher kein neonazistischer Führerstaat vor, aber eben auch keine liberale und schon gar keine soziale Demokratie im Sinne eines Verfassungspatriotismus bundesrepublikanischer Prägung. Im Gegenteil: Die Forderung nach "Tabubrüchen" ist integraler Bestandteil rechtspopulistischer Argumentation, denn genau das spricht Protestwähler an. Über die reine Protestklientel hinaus bedient eine Partei wie die AfD aber auch die Nachfrage nach bestimmten Inhalten: Autoritarismus und Deutschtümelei zum Beispiel oder reaktionäre Positionen in familienpolitischen Fragen. Bei seinem Auftritt in der Sendung "Anne Will" hat Alexander Gauland das gerade wieder sehr deutlich gemacht. Es entstünde eine "neue Gemengelage", sagte er, wenn Flüchtlinge "Teil des deutschen Volkes" würden. Lieber möchte er "dieses Land" so behalten, wie er es von seinen Vätern "ererbt" habe.

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Gerade in Mittelosteuropa gehört noch eine weitere Ausprägung zur radikalen Rechten: ein christlich-fundamentalistischer, klerikal-autoritärer Nationalismus. Häufig zeigt dieser auch weitere Merkmale von Rechtspopulismus oder Rechtsextremismus. Irgendwo in diesem Grenzbereich ist wohl die gegenwärtige polnische Regierungspartei PiS anzusiedeln. Wie gesagt: Die Grenzen sind fließend.

Besonders augenfällig ist das beim Front National: Ließ sich die Partei unter Le Pen Vater noch als klar rechtsextrem beschreiben, ist das unter Le Pen Tochter nicht mehr so eindeutig. Die Partei hat sich nicht nur modernisiert, sondern durch die Abgrenzung vom Antisemitismus zumindest auch Teile ihres ideologischen Ballasts abgeworfen. Dennoch besteht der ideologische Kern weitgehend fort: Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit, Law-and-Order-Rhetorik, Europafeindlichkeit. Gleichzeitig trägt die Partei in ihrem politischen Stil auch deutlich populistische Züge. An dieser Stelle kommt eine weitere Kategorie der radikalen Rechten ins Spiel, die der Politikwissenschaftler Michael Minkenberg ethnozentristische Rechte nennt. Hierzu gehören nach einem von Minkenberg entwickelten Schema u.a. der Front National, die FPÖ und die Dänische Volkspartei. Auch die AfD weist einen deutlichen Trend in diese Richtung auf.

Die Daten der jüngsten Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung aus dem Jahr 2014 zu rechtsextremen und menschenfeindlichen Einstellungen in Deutschland zeigen, dass rund 20 Prozent der Bevölkerung deutlich rechtspopulistisch denken. In welchem Ausmaß diese Orientierungen, die in allen Teilen der Gesellschaft anzutreffen sind, im Zeichen der Flüchtlingskrise noch zugenommen haben, werden wir wissen, wenn die neue FES-Mitte-Studie im November 2016 erscheint. Fest steht: In der gegenwärtigen "Gemengelage" nimmt die populistische Versuchung für die Politik zu. Wann ist die Grenze zum Populismus überschritten? Wenn aus dem "Aufs-Maul-Schauen" ein "Nach-dem-Munde-Reden" wird. In dieser Hinsicht hatte Franz Josef Strauß ganz recht.

Die in diesem Beitrag zum Ausdruck gebrachten Einschätzungen sind die des Autors und nicht unbedingt die der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Weil auf Wikipedia gibt es beim artikel zum Thema Rechtspopulismus (https://de.wikipedia.org/wiki/Rechtspopulismus) eine europakarte mit den Ländern in denen rechtspopulistische Parteien im Parlament sitzen. Und bei der Bildbeschreibung steht in der Klammer noch "und teilweise rechtsextreme" parteien in Europa.

Aber worin liegen die Unterschiede zwischen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus in der Politik?

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Was ist der unterschied zwischen rechtspopulismus und rechtsextremismus

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Die Grenzziehung zwischen rechtsextremismus und Rechtspopulismus ist rechtschwammig und grauzonig.

Inhaltlich gibt es da keinerlei Unterschiede. Beide bedienen sich der gleichen Themen und der gleichen Prpagadafiguren ("Lügenpresse", "Systemparteien", "drohender Volkstod", etc.).

Unterschiede gibt es allenfalls in der Radikalität der politischen Zielverfolgug. Rechtspopulistische Parteien sind einstweilen gewillt, demokratische Mindeststandards und -regeln einzuhalten. Rechtsextremistische Parteien tun dies ausschließlich notgedrungen.

Dieser graduelle Unterschied ist aber auch nicht zwingend in Stein gemeiselt, sodern kann sich auch dynamisch von populistisch zu extremistischwandeln.

Bsp. dafür wären die Umbauten der regierenden polnischen Rechtspopulisten an der Presse- und  Meinungsfreiheit und grundlegenden Rechtsstaatsprinzipien oder auch die zunehmenden Pressezensurmaßnahmen der AfD, die eine unabhängige Berichterstattung über die AfD durch Nichtzulassung von Medienvertretern zu Parteiveranstaltungen verhindern sollen.

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Parteien lassen sich grob in links und rechts unterteilen. Parteien, welche sich am äußersten linken Rand (Kommunisten) oder am äußersten rechten Rand (Ultranationalisten) befinden und eine Diktatur anstreben werden gemäß der Extremismustheorie als links- bzw. rechtsextremistisch bezeichnet.Darüber hinaus gibt es einen Bereich, der radikale Positionen umfasst, welche die Grenze zum Extremismus jedoch noch nicht überschritten haben. Für diesen Bereich wird in der Extremismusforschung die Bezeichnung "Radikalismus" (also "Rechtsradikalismus" bzw. "Linksradikalismus") verwendet. In der Öffentlichkeit werden die Begriffe "Extremismus" und "Radikalismus" jedoch weitgehend synonym benutzt.Inzwischen wird von Medien für solche rechten Parteien, die nicht genuin rechtsextremistisch sind, jedoch als radikal empfunden werden, der Terminus "rechtspopulistisch" verwendet. "Populismus" ist jedoch eigentlich eine Art Politik zu machen und passt hier daher kaum als Kategorisierung. Auch die etablierten Parteien bedienen sich schließlich nicht selten des "Populismus".

Aus meiner Sicht handelt es sich bei dem Wort "rechtspopulistisch" daher um einen unwissenschaftlichen Kampfbegriff, der eine Partei lediglich abwerten soll. Einen irgendwie gearteten Informationswert hat er m. E. nicht. Bemerkenswert ist auch, dass man lediglich von "Rechtspopulismus" hört - nie von "Linkspopulismus". Das lässt Rückschlüsse auf den politischen Standort der Verwender des Begriffes zu.

Woher ich das weiß:Hobby – Beobachte politische Entwicklungen seit meiner Jugend.

Was ist der unterschied zwischen rechtspopulismus und rechtsextremismus

Im wesentlichen bedient sich Rechtsextremismus eines Chauvinusmus (übertriebener Nationalstolz), einhergehend mit Rassismus.Populisten bedienen den Nationalismus, mehr eine Art Weichspüler in Abgrenzung zu eben Chauvinismus.

Das gemeinsame Staatsbild ist ein repressiver Staat (autoritär).

Was ist der unterschied zwischen rechtspopulismus und rechtsextremismus

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Rechtsextreme Parteien agieren gegen die Verfassung und die Demokratie.

Rechtspopulismus versucht einfach nur den Wähler*innen einfache Lösungen zu geben bzw. Muslime, Ausländer etc. für die Probleme im Land verantwortlich zu machen. Das kann innerhalb der Verfassung und Demokratie geschehen.

Wie alles in der Politik kommt aber eine Einschätzung immer auf den eigenen Standpunkt an.

Was ist der unterschied zwischen rechtspopulismus und rechtsextremismus

Ist der Rechtspopulismus eine Gefahr für die Demokratie?

Wieso sind politische Foren meistens so rechtspopulistisch?

Hallo,

wenn ich mir die Beiträge in diversen Politik-Foren fällt mir auf, dass – vor allem in Innenpolitikbereich – unterm Strich häufig rechtspopulistische bis rechtsextreme einen überproportionalen Anteil haben. Je nach Politikforum sind die User 30%-90% rechts gesinnt. Selbst bei neutraleren Politikforen gibt es auffällig viele Anhänger der Republikaner oder NPD. Dann gibt es Politikforen, wie Politikforen.net, wo wirklich subjektiv geschätzt 90% der User ausländerfeindlich eingestellt sind. In solchen Foren sind fast alle generell gegen Türken, fast alle nationalistisch eingestellt und gegen die etablierten bürgerlichen Parteien. Die Beiträge sind vor allem von Islamfeindlichkeit und Ausländerfeindlichkeit geprägt. Wenn über Türken geschrieben wird, dann natürlich über U-Bahn-Schläger. Wobei die meisten generell gegen Muslime, egal ob integriert oder nicht, sind. Auch die Grünen und all jene „Gutmenschen“, die vor Muslime keine Angst haben und nicht jeden Türken für einen Schläger halten, werden aufs Korn genommen.

Wenn man sich die Stimmung in solchen Foren anschaut, dann fragt man sich, wieso die Rechtsradikalen nicht längst die Macht übernommen haben.

Wieso gibt es eine solche Diskrepanz zwischen den Wahlverhalten der Deutschen und der politischen Stimmung in politischen Foren?

Was bedeutet rechtsintellektuelle?

Was ist der unterschied zwischen rechtspopulismus und rechtsextremismus