Wer nicht für uns ist, ist gegen uns Bibel

Was hat der Systemtheoretiker Niklas Luhmann mit dem Markus-Evangelium zu tun? Ganz einfach: die Frage, wer / was zum System gehört und was nicht. In diesem Evangelium geht es um einen, der in Jesu Namen Dämonen austreibt und das ganz ohne offizielle Jünger-Lizenz! Jesus sieht das entspannt: Wer nicht gegen uns ist, ist für uns. Und Gott wirkt, wo und in wem er (oder sie) will.

Johannes sagte zu Jesus: "Lehrer, wir haben gesehen, wie jemand deinen Namen dazu benutzt hat, Dämonen auszutreiben. Wir wollten ihn davon abhalten, denn er gehört nicht zu uns." Aber Jesus antwortete: "Hindert ihn nicht daran! Denn niemand benutzt meinen Namen dazu, Wunder zu tun, und redet kurz darauf schlecht über mich. Denn wer nicht gegen uns ist, der ist für uns. Wer euch auch nur einen Becher Wasser zu trinken gibt, weil ihr zu Christus gehört – Amen, das sage ich euch: Ein solcher Mensch wird ganz bestimmt seine Belohnung dafür erhalten."

Markus 9,38-41 in der Übersetzung der Basisbibel, hier vorgelesen von Helge Heynold

Liebe Frühblüher und andere Blumen,

seit ein paar Wochen – vielleicht ist Ihnen das schon aufgefallen – kreisen meine Briefe an Sie beinahe ausschließlich um das Thema, wie man gut miteinander umgehen kann. Je aggressiver die gesellschaftlichen und politischen Auseinandersetzungen werden, desto größer wird meine Sehnsucht nach biblischen Texten, die von Nächstenliebe und gelingendem Miteinander erzählen. Je mehr ich spüre, dass versucht wird, einen Keil zwischen uns zu treiben, desto stärker wird mein Wille, zusammenzuhalten. Natürlich gelingt auch mir das nicht immer, aber ich verweigere mich gerade, so gut ich kann, allen Versuchen, mich Lagern zuordnen zu lassen.

Das ist ein anstrengendes Unterfangen. Überall, wo Menschen über andere Macht ausüben wollen, verfahren sie gern nach dem Prinzip "Teile und herrsche!". Mit anderen Worten: "Stifte Zwiespalt! Trenne Gruppen, damit sie nicht zu stark werden. So kannst du sie besser kontrollieren." Auf den ersten Blick leuchtet dieses Prinzip allen ein, die mitmachen. Man fühlt sich als besonders enge Gemeinschaft, je kleiner der Kreis ist, und je mehr man sich von den anderen abgrenzt. Dabei macht jede Abgrenzung in Wirklichkeit nur schwächer, denn wer profitiert denn davon, wenn zwei sich streiten? Ein Dritter!

Die Dritten versuchen zu trennen, wo es nur geht, denn das schafft Verunsicherung. Verunsicherung sucht nach Führung und nach möglichst einfachen Lösungen. Die Dritten bieten dann beides an und vergrößern dadurch ihre Macht. Das funktioniert in Betrieben ebenso wie in Impfdebatten. Überall wird suggeriert, es sei entscheidend, zu welcher Seite man gehöre: St. Pauli oder HSV, Düsseldorf oder Köln. Liebst du Karneval oder hasst du ihn? Bist du evangelisch oder katholisch? Zu welcher Nation gehörst du, zu welchem Geschlecht oder zu welcher Ethnie? Und nun droht auch noch Krieg, und man ist entweder Putin-Versteher oder Militarist. Ich würde viel lieber einfach Fußball mögen, an einem Ort wohnen, an dem ich mich wohl fühle, feiern, wenn es dran ist, meinen Glauben leben und ein Teil der gesamten Menschheit sein, die in Frieden leben will.

Es ist dringend an der Zeit, dass wir unsere Kreise so groß machen, wie es nur geht. Geben wir Dritten nicht die Möglichkeit, uns zu entzweien, damit sie Macht über uns haben. Wohlgemerkt, ich will nicht dazu aufrufen, Unterschiede zwischen uns zu ignorieren. Im Gegenteil: Nehmen wir wahr, wo wir verschieden sind, und freuen wir uns an der Vielfalt, die dadurch entsteht! Greifen wir zurück auf die unterschiedlichen Erfahrungen anderer! Hören wir denen zu, die anders leben als wir! Dann werden wir auch die Gemeinsamkeiten erkennen, die gemeinsame Sehnsucht nach Glück, nach Frieden und Liebe. Albert Schweitzer hat sich selbst in einem denkbar großen Kreis verortet, als er schrieb: "Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will." Wer sich und andere so ansieht, wird sich nicht von Dritten einreden lassen, man müsse eine Seite wählen.

Nun will ich endlich ausdrücklich zur Bibelstelle kommen. Sie war ja längst dabei, nur eben nicht explizit. In ihr steckt eine umgekehrte Redewendung, die uns in diesen Tagen weiterhelfen kann. Der Satz "Wer nicht für uns ist, ist gegen uns" ist gut bekannt. Er stammt aus dem Munde der Dritten, die Gemeinschaft stiften wollen, indem sie spalten. Der Satz fordert Loyalität ein und droht im selben Moment mit den Konsequenzen, sollte man sich "falsch" entscheiden. Dann gehört man nicht mehr dazu, man gehört zu den anderen, man wird zum Feind. Jesus sagt diesen Satz genau umgekehrt: "Wer nicht gegen uns ist, ist für uns!" Anders gesagt: "Wer nicht wirklich etwas tut, das mir direkt schadet, wird sicherlich Gutes im Schilde führen." Das ist nicht naiv, es ist vielmehr weise, denn es bedroht niemanden, sondern lässt dem Guten freien Lauf. Was ist wichtiger? Dass der Mensch, von dem Johannes berichtet, anderen Menschen ihre "Dämonen" nimmt, ihre Ängste, ihre Obsessionen? Oder dass er nicht offiziell zum "Team Jesus" gehört? Jesus macht den Kreis weit, wenn er seinen Jüngern sagt: "Lasst ihn doch!"

Die Wochenaufgabe soll diese sein: Haben Sie den Satz "Wer nicht gegen uns ist, ist für uns" immer parat! Sagen Sie ihn, wenn Ihnen eine Situation oder eine Person begegnet, vor der Sie sich sonst eher fürchten. Hören Sie sich dabei zu, wenn Sie den Satz sagen und wiederholen Sie ihn, wenn es Ihnen richtig erscheint ruhig ein paar Mal! Schauen Sie, ob sich etwas in Ihnen ändert! Vielleicht ändert sich sogar etwas an Ihnen und an Ihrem Gegenüber.

Friede sei mit uns allen!

Ihr Frank Muchlinsky

Wer nicht für uns ist, ist gegen uns Bibel

Mario Galgano – Vatikanstadt

Das Tagesevangelium zum 26. Sonntag im Jahreskreis stellt jene Passage aus dem Markus-Evangelium (Mk 9,38-43.45.47-48) vor, in der es um den Kampf gegen das Böse geht. Wie der Papst von dem Arbeitszimmer im Apostolische Palast aus erläuterte, werden in diesem biblischen Teil „sehr lehrreichen Details des Lebens Jesu mit seinen Jüngern“ beschrieben. Die Jünger hatten gesehen, dass ein Mann, der nicht zur Gruppe der Anhänger Jesu gehörte, im Namen Jesu Dämonen vertrieb und sie wollten ihm das verbieten.

Der junge Johannes berichte nun „mit dem für junge Menschen typischen eifrigen Enthusiasmus“ Jesus davon, um vom Meister „seine Unterstützung zu bekommen“; Jesus antwortete jedoch ganz anders als gedacht: „Hindert ihn nicht! Keiner, der in meinem Namen Wunder tut, kann so leicht schlecht von mir reden. Denn wer nicht gegen uns ist, der ist für uns“, zitiert der Evangelist Markus den Herrn.

Die Jünger – und allen voran Johannes – hatten eine andere Reaktion erwartet. Sie zeigten „eine Haltung des sich Abschottens“. Sie konnten es nicht akzeptieren, dass eine Person „außerhalb“ des Jüngerkreises im Namen Jesu handeln konnte. Doch Jesus erscheine hingegen „ganz frei, völlig offen für die Freiheit des Geistes Gottes“, erläuterte der Papst. Jesus habe in seinem Handeln niemanden durch „Grenzen und Zäune“ beschränkt. Auch die heutigen Nachfolger Jesu seien gerufen, jener Haltung des Herrn zu folgen und somit „zu dieser inneren Freiheit“ zu erziehen.

Gewissen erforschen

Franziskus bat die tausende Pilger und Besucher auf dem Petersplatz, „ihr Gewissen zu erforschen“ und über diese Bibelstelle nachzudenken. Das tue jedem gut, fuhr Franziskus fort. Die Haltung der Nachfolger Jesu sei sehr menschlich und „sehr verbreitet“ und sie sei in den christlichen Gemeinschaften zu allen Zeiten zu finden, „wahrscheinlich auch in uns selbst“. Es sei verständlich, dass jeder versuche den „guten Glauben mit Eifer“ zu verteidigen. Die Gefahr von einem Glauben, der nur selbstbezogen ist, sei groß, so der Papst. Dies sei durch die Angst vor „Konkurrenz“ verursacht, bei der man glaubt, dass jemand Gläubige wegnehmen könne.

Es sei Gottes große Freiheit, sich uns zu schenken. Dies sei aber auch eine Herausforderung und eine Ermahnung, die eigene Einstellungen und Beziehungen zu überdenken. Jesus lade alle ein, nicht nach den Kategorien „Freund/Feind“, „wir/die anderen“, „zugehörig/außenstehend“ zu denken, sondern weiter zu gehen, „unsere Herzen zu öffnen, um seine Gegenwart und das Wirken Gottes auch in ungewöhnlichen und unvorhersehbaren Bereichen und bei Menschen, die nicht zu unserem Kreis gehören, zu erkennen“. Es gehe darum, vermehrt „auf die Echtheit des Guten, des Schönen und des Wahren zu achten“ und nicht „auf den Namen und die Herkunft derjenigen zu achten, die es tun“.  Anstatt andere zu verurteilen, müsse man bei sich selbst anfangen und untersuchen. Das führe dazu, dass man die „schlechten Seiten“ von sich, „kompromisslos abschneiden“ soll, umschrieb der Papst eine Stelle aus dem Tagesevangelium.

Zum Abschluss seiner Katechese sagte er:

„Möge die Jungfrau Maria, Vorbild für die demütige Annahme der Überraschungen Gottes, uns helfen, die Zeichen der Gegenwart des Herrn in unserer Mitte zu erkennen und Ihn zu entdecken, wo immer er sich offenbart, auch in den unvorstellbarsten und ungewöhnlichsten Situationen. Sie möge uns lehren, unsere Gemeinschaft ohne Eifersucht und Abschottung zu lieben, immer offen für den weiten Horizont des Wirkens des Heiligen Geistes.“

(vatican news)