Wer kommt schneller über eine Trennung hinweg

von Bertram Weiß und Claus Peter Simon

7 Min. Lesezeit

Wir sollten eine Trennung nicht mit Gleichmut ertragen, sagt der Psychiater Josef Aldenhoff. Gefühle wie Schmerz, Wut und Empörung seien notwendig, um die Trennung zu verarbeiten: Ein guter Umgang mit ihnen erleichtert es, den Verlust des Partners zu überwinden

PROF. DR. JOSEF ALDENHOFF: Am häufigsten verläuft es so: Zwei Menschen verlieben sich ineinander, ziehen zusammen, bekommen Kinder. Sie verdienen Geld, kaufen vielleicht auch ein Haus. Die Verpflichtungen nehmen zu, die Zeit für eigene Bedürfnisse nimmt ab – bald zieht es einen Partner innerlich aus der Beziehung hinaus. Das Problem bleibt zunächst unbemerkt, nach einiger Zeit gibt es dann oft eine Außenbeziehung – und spätestens dann, wenn die auffliegt, ist es schwer, die Beziehung zu halten. Das Paar trennt sich, eine Person zieht aus. Und wie es dann weitergeht, hängt sehr davon ab, wie sehr die beiden von ihren persönlichen Verwundungen absehen können.

Wie kommt es, dass viele Beziehungen auf diese Weise enden?

Über Jahre oder gar Jahrzehnte eine glückliche Partnerschaft zu führen ist ein sehr anspruchsvolles Unterfangen. Es ist keineswegs selbstverständlich, die gegenseitige Neugier, das Interesse, die Lust aneinander und den gegenseitigen Respekt über so lange Zeit aufrecht zu erhalten – in die Wiege gelegt ist es uns ganz sicher nicht. Und es gibt zahllose Arten, wie das Zusammenleben an den Herausforderungen der Wirklichkeit scheitern kann. Daran ist nichts ungewöhnlich.

Weshalb schmerzen uns Trennungen dennoch so sehr?

Wenn mir etwas genommen wird, das mir etwas bedeutet, empfinde ich Schmerz: Das ist eine natürliche Reaktion. Zudem kann eine Trennung vor allem für den verlassenen Partner immer auch eine Kränkung bewirken: Vielleicht bin ich gar nicht liebenswert? Daher kommen starke Gefühle auf – Verletzungen, die sich die Partner in Gesprächen zufügen, Empörung über das Verhalten des anderen, seltener Selbstkritik am eigenen Verhalten.

Manchmal sind beide Partner für die Trennung. Tut das weniger weh?

Auch dann ergreift meist eine Person die Initiative und die andere muss mit der Entscheidung umgehen.

Ich habe eine Frau als Patientin betreut, die sich von ihrem Mann seit Jahren schlecht behandelt fühlte und schließlich beschloss: Ich werde gehen, mich verbindet mit diesem Menschen kaum noch etwas. Zufällig kam ihr der Mann zuvor: Er eröffnete ihr, dass er eine neue Freundin habe – und sich nun trennen wolle. Nüchtern betrachtet schienen die Umstände ideal für ein schmerzfreies Auseinandergehen: Beide Partner wollten die Beziehung beenden, keiner war wirtschaftlich auf den anderen angewiesen. Aber so kam es nicht: Die Frau fühlte sich tief gekränkt und stürzte in eine lange Krise, auch mit Suizidgedanken.

Wieso fühlte die Frau so?

Meistens sind wir ambivalent, was Trennungen angeht: Vieles spricht gegen den Partner, aber meist gibt es doch auch Gemeinsamkeiten, die zumindest in der Erinnerung schön waren. Bei so einem Ambivalenzkonflikt, den man mit einer Wippe vergleichen kann, bei der mal die eine, mal die andere Seite überwiegt, erscheint die Gegenposition in dem Moment attraktiver, wenn der andere die zuletzt von mir selbst gehaltene Position einnimmt. Für die Betroffenen ist das kaum durchschaubar.

Prof. Dr. Josef Aldenhoff ist Facharzt für Psychiatrie und Psycho­therapie sowie Paartherapeut in Hamburg. Er ist Autor zahlreicher Bücher. Aldenhoff rät davon ab, Trost vorschnell bei neuen Partnern zu suchen: Zunächst müsse eine Trennung emotional verarbeitet sein

Schmerzen Trennungen mehr, wenn ein Dritter im Spiel ist?

Sicher trägt Untreue zur Kränkung bei. Wenn mein Partner eine Außenbeziehung hat, fühle ich mich gegenüber der dritten Person zurückgesetzt. Selbst dann, wenn ich selber auch unzufrieden bin und vielleicht schon Trennungs­gedanken hege, messe ich dem Partner meist noch große Bedeutung bei. Und wenn der sich jemand anderen sucht, wertet mich das ab. Obwohl ich bei ehrlicher Betrachtung auch sagen könnte: Zwei Monate später hätte mir das in umgekehrten Rollen vielleicht auch passieren können.

Stellen Menschen heute mehr Ansprüche an ihre Partner?

Viele denken, ihnen stehe in Paarbeziehungen etwas zu: Weil mein Partner mein Mann oder meine Frau ist, schuldet er mir eine erfüllte seelische und körperliche Beziehung, steht mir Sex zu, muss sich der andere gemäß meinen Erwartungen an ein glückliches Zusammenleben verhalten. Aber diese Haltung zerstört die Beziehung.

Liebe funktioniert anders: Sie hat nicht mit Ansprüchen zu tun, sondern mit Neugier und mit Interesse am Partner. Natürlich geraten die in den Hintergrund, wenn ein Paar länger zu­sammenlebt. In kleinen Wohnungen kommt oft hinzu: Das Paar wird zu einer Form der Intimität gezwungen, die für eine erfüllende Beziehung nicht unbedingt vorteilhaft ist. Nachwuchs verschärft das Problem dann oft noch.

Deuten sich Trennungskrisen an?

Oft spüren Partner früh, wenn ihre Bedürfnisse sie aus einer Beziehung herauszuziehen beginnen. Wer das als Hinweis versteht und mit dem Partner darüber spricht, kann eine Lösung suchen. Aber viele Menschen vermeiden solche Gespräche – bis es zu spät ist.

Manche meiner Patienten erwischt die Trennung dann aus heiterem Himmel. Eine Frau erzählt dann etwa: Wir sind seit 30 Jahren zusammen, haben zwei fast erwachsene Kinder, mein Mann fand alles toll, wir haben uns gut ergänzt und schöne Urlaube gehabt. Und dann sagt er von einem Tag auf den anderen: Ich gehe.

Und das ist glaubhaft? Oder macht sich die Verlassene lediglich etwas vor, hätte Anzeichen sehen müssen?

Leider kann es tatsächlich so laufen –etwa wenn der Partner seine eigenen Gefühle nicht wahrnimmt. Das kommt nicht selten vor. So ein Mensch blendet seine Probleme in einer Beziehung aus, sagt immer „Alles ist gut“ – bis er jemand anderen kennenlernt und auf einmal merkt: Da gibt es ein neues Mit­ein­an­der, das attraktiver ist.

Ähnliches geschieht oft Paaren, die sehr jung zusammengekommen sind: Sie entwickeln symbiotische Beziehungen, in denen nur über das Gemeinsame geredet wird, nie über Trennendes oder Gegensätze. Wenn ein Partner dann unzufrieden ist, kann er mit dem anderen gar nicht darüber sprechen. Und wenn er sich schließlich trennen möchte, kommt das für den anderen tatsächlich wie aus dem Nichts.

Wie reagieren Partner dann?

Ein solches Auseinandergehen ist sehr schmerzhaft, kränkend und löst starke Emotionen aus. Ich erinnere mich an eine Frau, die sich in einer langen Beziehung wie verschmolzen mit ihrem Partner fühlte. Als die Beziehung zerbrach, hat sie mit dem Küchenmesser seine Anzüge im Kleiderschrank zerschnitten. Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn der Mann in dieser Situation ins Zimmer gekommen wäre.

Ist es hilfreich, sich nach einer Trennung auf solche Weise von Erinnerungsgegenständen zu trennen, sie vielleicht gar zu zerstören?

Auf jeden Fall ist es nach einer Trennung wichtig, negative Gefühle zuzulassen. Wenn ich empört bin und wütend, muss ich dieser Emotion Raum geben – in einer für mich passenden Form. Natürlich darf ich nicht gewalttätig werden, aber ich sollte dem Partner schon klar machen, welche Gefühle ich hege, was mich schmerzt und kränkt. Wem das nach einer Trennung gut gelingt, der findet später leichter einen Weg zu sagen: Jetzt habe ich das Emotionale abgearbeitet, jetzt können wir darüber reden, wie es weitergeht.

Lässt sich eine Trennung nicht mit etwas mehr Gleichmut ertragen?

Nein. Es ist völlig richtig, dass jemand in so einer Situation Schmerz und Empörung empfindet, und man sollte diese Gefühle auch nicht ausblenden oder zu unterdrücken versuchen: Sie beschäftigen uns sonst nur noch länger. Wichtig ist, den Schmerz richtig einzuordnen: Er hat zwar etwas mit dem zu tun, was der Partner gemacht hat – aber es ist nicht so, dass dieser Mensch gleichsam in mich hineingreift und mir dieses Gefühl einpflanzt. Je weniger ich meinen Schmerz als von außen aufgezwungen wahrnehme, je mehr ich ihn als natürliche eigene Reaktion erkenne, desto eher gelingt es mir, das Gefühl zu verarbeiten und mich von ihm zu lösen – und im Expartner dann nicht mehr nur den bösen Übeltäter zu sehen.

Viele Verlassene aber empfinden doch genau so.

Wenn sie ehrlich mit sich sind, stellen sie meist fest: Fast alles, was sich in normalen Trennungsvorgängen abspielt, ist zutiefst menschlich. Es gibt natürlich Ausnahmen, aber in den meisten Fällen ist es doch nicht so, dass der Partner nur aus niedrigsten Beweggründen handelt, böswillig ist und den anderen absichtsvoll verletzen möchte.

Wenn ich meine Trennung immer nur auf diese Weise verstehen und darstellen kann, mache ich mich in den meisten Fällen nur lächerlich. Oder ich verstricke mich in emotionale Kämpfe, die mich keinen Schritt weiterbringen.

Helfen da Gespräche mit dem Partner? Oder werden nur die immer gleichen Erklärungen gefordert?

Beides ist möglich. Wer in Gesprächen über die Trennung vorankommen möchte, muss sich mit dem Partner offen über seine Gefühle auseinandersetzen und genau ansprechen, welche Verletzungen und anderen Emotionen er spürt. Das ist schmerzhaft, aber erfahrungsgemäß lassen diese Gefühle dann auch allmählich nach. Was wenig bringt, sind Gespräche mit Freunden, in denen nur immer wieder über den Partner und die Trennung geklagt wird.

Wie viel Trennungsschmerz ist nach Ihrer Ansicht normal?

Als Faustregel würde ich sagen: Wenn ich eine gute Beziehung hatte, in der ich mich bestätigt gefühlt habe und die mir viel bedeutete, und die geht nach zehn Jahren zu Ende, dann brauche ich sicher ein, zwei Jahre, bis ich ganz darüber hinweg bin. Wenn ich aber zwei Jahre nach der Trennung immer noch tief verzweifelt bin oder aggressiv werde, wenn ich den anderen sehe, dann sollte ich Hilfe bei einem Therapeuten suchen.

Kann eine neue Beziehung den Schmerz stillen?

So etwas bedeutet eine neue Herausforderung, der ich nicht gewachsen bin, wenn ich die zurückliegende Trennung emotional nicht verarbeitet habe. Denn sonst wird die neue Beziehung durch Probleme belastet, die eigentlich mit dem Expartner zu tun haben. Dann folgt alsbald die nächste Trennung, und das Problem stellt sich erneut.

Dies ist eine stark gekürzte Fassung des Interviews mit Josef Aldenhoff lesen Sie bei GEOplus: