Welche psychischen störungen gibt es bei kindern

Wenn Ihr Kind mal traurig, bedrückt und niedergeschlagen wirkt oder mal keine Lust hat zu spielen, oder mal unkonzentriert und nicht bei der Sache ist, oder es Streit mit anderen Kindern hat oder mal wütend und unzugänglich reagiert, muss all dies nicht gleich Anlass zur Sorge geben. Auch Kinder haben gute und schlechte Tage, haben mal Lust zu etwas und mal nicht, essen heute etwas mit Appetit, was sie morgen stehen lassen, schlafen heute problemlos ein und finden morgen – vielleicht nach einem ereignisreichen Tag – überhaupt nicht in den Schlaf. Das ist bei Erwachsenen so und auch bei Kindern und sollte kein Problem sein.

Wenn solche oder ähnliche Verhaltensweisen und Stimmungen jedoch häufig und dauerhaft auftreten und vielleicht auch in Kita oder Schule vermehrt zu Problemen führen und Sie sich anhaltend Sorgen machen über die Situation und das Verhalten Ihres Kindes, sollten Sie unbedingt fachkundigen Rat einholen. Denn ebenso wie bei den Entwicklungsauffälligkeiten kann durch eine frühzeitige Diagnosestellung und gegebenenfalls fachkundige Behandlung das Kind gezielt unterstützt und in seiner weiteren Entwicklung gestärkt werden.

Persönlichen Rat und Hilfe finden Sie in der kinder- und jugendärztlichen Praxis. Bei Bedarf kann Ihnen der Kinderarzt oder die Kinderärztin entsprechende Fachärzte und Fachärztinnen, Therapieeinrichtungen, Fachleute der Kinder- und Jugendpsychotherapie und Beratungsstellen nennen. Auch Sozialpädiatrische Zentren und Einrichtungen der Frühförderung, Familienzentren, Familienberatungsstellen und Selbsthilfegruppen bieten zu vielen Fragen und Problemen Informationen und Unterstützung an. (Stand: 7.10.2021)

Alle Eltern finden ihre Kinder zuweilen belastend oder machen sich Sorgen über die Entwicklung ihrer Kinder. Alle Kinder fallen irgendwann einmal problematisch auf. Problematische Verhaltensweisen sind keine Ausnahmen, sondern gehören zur Normalität.

Es gibt jedoch Situationen oder Warnzeichen, bei denen Eltern aufmerksam werden sollten. Insbesondere wenn sich das Verhalten von Kindern oder Jugendlichen mit oder ohne erkennbare Ursache plötzlich ändert, kann dies ein Hinweis auf ein ernst zu nehmendes Problem sein. Durch frühzeitiges Erkennen von problematischen Entwicklungen können Eltern, Erzieher und Betreuer entgegenwirken, dass Kinder und Jugendliche psychische Probleme entwickeln oder sich bestehende psychische Störungen verstärken.

Die Rubrik „Warnzeichen“ informiert über die Erscheinungsform bestimmter Warnzeichen, über deren mögliche Hintergründe und Auswirkungen und fasst Empfehlungen zum Umgang mit den Warnzeichen zusammen.

Wenn sich Eltern Sorgen machen, können sie versuchen ein Problem erst einmal selbst einzuordnen, indem sie sich mit folgenden Fragen befassen:

Seit wann ist mein Kind verändert?

Viele Auffälligkeiten verschwinden nach ein paar Tagen wieder von ganz alleine. Erst wenn eine Störung über Tage oder gar Wochen fortbesteht, kann dies ein Hinweis auf eine ernste Störung sein.

Ist mir diese Veränderung früher schon einmal aufgefallen?

Manche Probleme treten phasenweise auf. Die betroffenen Kinder sind über einen überschaubaren Zeitraum hinweg etwas verändert, plötzlich sind sie dann aber wieder "ganz die alten". Wiederholen sich solche Phasen oder treten dabei besorgniserregende Veränderungen auf, sollten Sie nicht zögern einen Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie zu konsultiren. Neben ganz normalen Stimmungstiefs, können sich beispielsweise auch behandlungsbedürftige Depressionen dahinter verbergen.

Wie häufig tritt die Störung auf?

Hilfreich für eine erste Beurteilung eines Problems kann es sein, wenn Sie relativ genau angeben können, wie oft die Auffälligkeiten auftreten. Manchmal ist es nützlich vorübergehend einen Kalender zu führen, in dem die Phasen eingetragen werden.

Wie stark ist das Problem ausgeprägt?

Bei der Beurteilung der Intensität einer Störung geht es nicht um eine objektive Einstufung, sondern um die Ihre persönliche Meinung bzw. die Ihrer Kinder. Sie können das Problem auf z. B. einer Skala von 1-10 einordnen, wobei "1" einer geringfügigen und "10" einer maximalen Belastung durch das Problem entspricht.

Ist mit dem Problem ein starker Leidensdruck für Sie oder Ihr Kind verbunden?

Auffälligkeiten oder Störungen können Sie aber auch Ihr Kind sehr belasten, insbesondere wenn aus diesem Grund niemand mehr etwas mit Ihnen zu tun haben will oder die Bewältigung des Alltags erheblich belastet wird.

Sind Auslöser für die Auffälligkeiten bekannt? Wodurch lassen die Symptome nach?

Manchmal machen sich Störungen situationsabhängig bemerkbar. Unter Umständen ist ein Problem schon dadurch zu beseitigen, dass man solche Belastungssituationen vorübergehend meidet. In anderen Fällen wissen Eltern ganz genau, was sie tun können, um schwierige Phasen zu durchbrechen. Auch hier kann es für Kinder und Eltern eine enorme Entlastung bringen, wenn man diese Erfahrungen nutzt. Greifen bewährte Maßnahmen allerdings nicht mehr, könnte dies auch daran liegen, dass sie sich abgenutzt haben. Bevor Sie allerdings verzweifeln, weil einfach nichts mehr hilft, sollten Sie sich beraten lassen.

Raten Außenstehende (Verwandte, Erzieher, Lehrer) zu professioneller Unterstützung?

Wenn andere Bezugspersonen Ihres Kinds wie Großeltern, Erzieher im Kindergarten, Lehrer oder Betreuer die Veränderungen ebenfalls bemerken und sich besorgt zeigen, stehen Sie mit Ihren Sorgen nicht mehr alleine und können sich austauschen. Unter Umständen bemerken diese Menschen auch Auffälligkeiten, die Sie noch gar nicht bemerkt haben. Das muss Ihnen nicht unangenehm sein, denn sie beobachten Ihr Kind oft in einer ganz anderen Umgebung als Sie oder sehen es nicht so oft, so dass Veränderungen viel mehr auffallen.

Glauben Sie, dass Sie oder Ihr Kind das Problem selbst lösen können oder brauchen Sie/ es Hilfe?

Häufig versuchen Eltern mit ihrem Kind viel zu lange ein Problem zu lösen bis sie sich Unterstützung suchen. Gerade wenn Sie derzeit mit mehreren Belastungen gleichzeitig konfrontiert sind, sollten Sie nicht zu lange damit warten, Hilfe zu suchen. Sie tun weder sich noch Ihrem Kind einen Gefallen damit.

Erster Ansprechpartner kann der Kinder- und Jugendarzt sein, wenn Sie zu dem Ergebnis kommen, dass Sie professionelle Unterstützung brauchen. Er kann Sie mit Ihrem Kind dann zu einem Kinder- und Jugendpsychiater überweisen.

Bei den Anzeichen unterscheiden Experten nach innen und nach außen gerichtete Symptome: Nach außen gerichtete Symptome umfassen unter anderem Aspekte aggressiven und gewalttätigen Verhaltens, Reizbarkeit, Hyperaktivität, Wutausbrüche, Impulsivität, Leistungsverweigerung, verantwortungsloses Verhalten oder etwa auch Schreien ohne ersichtlichen Grund. Zu den nach innen gerichteten Symptomen zählen Angst, Übervorsichtigkeit, Depression (anhaltende Traurigkeit oder Besorgnis), Verlust persönlicher Interessen, Konzentrationsschwierigkeiten, Leistungsrückgang, Schlafstörungen und Albträume, Rückschritte in der Entwicklung (z. B. Bettnässen, Daumenlutschen), physische Beschwerden wie Bauchschmerzen oder Übelkeit ohne ersichtliche körperliche Ursache, Rückzug aus dem Sozialleben oder auch emotionales Abstumpfen. Im Alltagsgeschehen äußern sich diese Symptome beispielsweise in häufigen Konflikten mit anderen Mitmenschen, in auffälligem Ess- und Trinkverhalten, in wiederholtem Lügen oder dem Widerwillen, zur Schule etc. zu gehen, plötzlichem Leistungseinbruch oder aber auch einem emotionalen Empfinden, das andere nicht wahrnehmen.

Zu den häufigsten psychiatrischen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter gehören Angststörungen (z. B. mit Panikattacken), Regulationsprobleme (z. B. Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom – ADHS), Bindungsstörungen, Essstörungen, Depressionen, Störungen des Sozialverhaltens, Suchtprobleme (z. B. Internet- oder Spielsucht), Traumafolgestörungen (z. B. sexueller Missbrauch) oder auch Zwangsstörungen (z. B. Waschzwang).

Eltern, die bei ihrem Kind über einen längeren Zeitraum Symptome der oben beschriebenen Art bemerken, sollten den zuständigen Kinderarzt aufsuchen, der in einem Erstgespräch erwägen kann, ob eine Vorstellung bei einem Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie oder einem Psychologen notwendig ist.

Kind läuft auf Zugstrecke

Das Kind zieht sich zurück oder zeigt aggressives Verhalten – ist das nur eine Phase oder steckt mehr dahinter? Wenn sich das Verhalten Ihres Kindes stark verändert und über längere Zeit bestehen bleibt, sollten Sie näher hinsehen. Folgende Verhaltensauffälligkeiten können auf eine psychische Erkrankung hindeuten:

Das Kind ...

... ist überängstlich oder zieht sich zurück.
Manchmal kann sich dahinter eine Angst- oder Bindungsstörung oder Depression verbergen.

... verhält sich aggressiv.
Häufiges Ausrasten mit Schreien und Schlagen kann auf eine soziale Verhaltensstörung wie ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung) oder eine Depression hindeuten.

... gewinnt oder verliert plötzlich deutlich an Körpergewicht.
Beides können Symptome für eine Essstörung sein. Magersucht und Esssucht sind irgendwann sichtbar, weil die Betroffenen extrem dünn oder dick werden. Bulimie-Patienten können ihre Erkrankung dagegen sehr lange verbergen.

... ist antriebs- und energielos.
Wenn Kinder wenig motiviert sind zu spielen oder andere Dinge zu tun und sich kaum für ihre Umwelt interessieren, könnte eine depressive Erkrankung der Grund sein.

... ist rastlos und zappelig.
Wenn sich ein Kind sehr viel aktiver als andere Kinder verhält, dabei mitunter Spielregeln des Miteinanders nicht einhält und von Unruhe getrieben ist, liegt wahrscheinlich eine ADHS vor.

... kann sich nicht konzentrieren.
Mangelnde Aufmerksamkeit in verschiedenen Situationen ist möglicherweise ein Anzeichen für ADHS oder ADS (Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom). Sie ist auch eine Begleiterscheinung von Depressionen oder Angststörungen. Bei Essstörungen kann Hunger zu fehlender Aufmerksamkeit führen.

... hat Muskelzuckungen, schneidet unkontrolliert Grimassen oder stößt Laute aus.
Neben diesen Symptomen kann auch unkontrolliertes Räuspern, Pfeifen oder Grunzen auf eine Tic-Störung hinweisen. Gleiches gilt, wenn das Kind ganze Wörter oder Sätze ständig wiederholt.

... verletzt sich selbst.
Selbstverletzendes (autoaggressives) Verhalten wie das Schneiden, Ritzen, Verbrennen oder Verätzen der Haut ist meist Ausdruck einer psychischen Erkrankung, mindestens aber psychischer Probleme. Die Verletzungen können Warnsignale sein und auf Impulskontroll- oder Borderline-Störung oder Depressionen hinweisen.

... ist extrem schüchtern.
Fast alle Kinder sind im Lauf ihrer Entwicklung schüchtern. Bei extrem schüchternen Kindern könnte eine Angst- oder Bindungsstörung dahinterstecken.

... schweigt beharrlich.
Wenn Kinder entweder vollständig oder in bestimmten Situationen schweigen, obwohl sie organisch fähig sind zu sprechen, leiden sie unter „Mutismus“. Diese klassifizierte Kommunikationsstörung kann Symptom einer psychischen Erkrankung, beispielsweise einer Depression, sein.  

... ist traurig, niedergeschlagen und resigniert.
All das können Anzeichen einer Depression sein. Bei kleineren Kindern kann sie sich darüber hinaus durch Ess- und Schlafstörungen äußern. Kinder klagen häufig auch über körperliche Beschwerden wie Kopf- oder Bauchweh.

... verhält sich zwanghaft.
Ein Kind, das sich übertrieben häufig wäscht, etwas reinigt, kontrolliert oder zählt, hat vermutlich eine Zwangsstörung. Von einem Zählzwang bekommt die Umgebung oft nichts mit, vom Waschzwang hingegen schon.