Was passiert wenn man auf eine Klage nicht reagiert

Hilfe, ich wurde verklagt!

Mit diesen Worten werde ich oft angerufen. Und häufig werde ich mit der Frage konfrontiert: Wie läuft ein Klageverfahren vor Gericht ab, wie lange dauert so etwas und was kostet es eigentlich?

Ich möchte dies daher einmal grundsätzlich erläutern.

Erhalten Sie, üblicherweise in einem gelben Umschlag, Post vom Gericht mit einer Klage, bedeutet das zunächst: Jemand möchte etwas von Ihnen. In der Regel kommt eine Klage nicht überraschend, sondern die Forderung wurde schon vorher an Sie gestellt. Möglicherweise von Ihrem Vermieter, möglicherweise von einem Verkäufer, einem Handwerker oder von dem Vater Ihres Kindes.

Die Möglichkeiten sind vielfältig. Gefordert wird vielleicht die Miete, die Begleichung einer Rechnung, Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall oder vielleicht auch Kindesunterhalt.

Entweder haben Sie diese Forderung bereits selbst oder durch einen Anwalt zurückgewiesen, möglicherweise haben Sie aber auch gar nicht darauf reagiert. Jedenfalls hat sich der Anspruchssteller nun die Frage gestellt: „Was tun?“ Und da wir im deutschen Rechtsstaat keine Selbstjustiz kennen, hat ein schlauer Anwalt die Antwort darauf geliefert und gesagt: „Dann müssen wir klagen!“

Gerichtskostenvorschuss und Zustellung der Klage

Wenn Sie die Klage in den Händen halten, wird der Anspruchsteller, den wir nun Kläger nennen, zuerst die Gerichtskosten eingezahlt haben. Denn ohne diese Zahlung hätte Ihnen das Gericht die Klage erst gar nicht zugestellt. Reicht man eine Klage bei Gericht ein, vergisst dann aber die Einzahlung der angeforderten Gerichtskosten, passiert nichts. Die Akte verstaubt bei Gericht und wird irgendwann weggelegt.

Nun hat Ihr Gegner aber offenkundig den Gerichtskostenvorschuss bezahlt und das Gericht hat Ihnen die Klage durch die Deutsche Post zustellen lassen. Deshalb sind Sie nun „Beklagter“. Der Postbote hat den Umschlag mit der Klage in Ihren Briefkasten gelegt und Datum und Uhrzeit auf einer Zustellbescheinigung notiert, die dann zurück ans Gericht geht. Dadurch weiß das Gericht, wann Ihnen die Klage zugestellt wurde. Denn das ist wichtig, wie wir nun sehen werden.

Fristen beachten!

Mit der Klage erhalten Sie nämlich vom Gericht eine Frist, innerhalb derer Sie dem Gericht mitteilen können, ob Sie sich gegen die Klage verteidigen und was Sie gegen die Klage vorzubringen haben. Üblicherweise erhalten Sie zunächst 14 Tage Zeit, Ihre „Verteidigungsbereitschaft“ anzuzeigen. Dazu reicht ein einfacher Satz: „Ich zeige an, dass ich mich gegen die Klage verteidigen werde.“ Das ist natürlich nur sinnvoll, wenn der Anspruch gegen Sie nicht besteht. Haben Sie schlichtweg vergessen, eine berechtigte Rechnung zu bezahlen, der Sie nichts entgegensetzen können, kann sich stattdessen ein schnelles Anerkenntnis der Klageforderung empfehlen.

Versäumen Sie die Frist zur Anzeige der Verteidigungsbereitschaft, kann das Gericht auf Antrag ein Versäumnisurteil gegen Sie erlassen. Dagegen können Sie zwar innerhalb von 14 Tagen Einspruch einlegen. Der Kläger kann aus diesem Urteil aber bereits die Zwangsvollstreckung betreiben. Ein Fristversäumnis ist daher in der Regel keine gute Idee.

Erwiderung auf die Klage

Innerhalb einer weiteren Frist, die üblicherweise weitere 14 Tage beträgt, müssen Sie dann inhaltlich auf die Klage antworten und dem Gericht darlegen, weshalb der geltend gemachte Anspruch nicht besteht. Dazu müssen Sie rechtlich argumentieren und sich mit der Begründung des Anspruchs auseinandersetzen. Beweise müssen Sie anbieten, wenn Sie für Ihre Behauptungen beweisbelastet sind. Da Sie das in der Regel nicht selbst überblicken können, sollten Sie also spätestens jetzt einem Anwalt die Klage vorlegen. Denn sonst scheitern Sie vielleicht daran, dass das Gericht Ihren Vortrag als nicht erheblich ansieht oder Sie beweisfällig bleiben, weil die angebotenen Beweismittel nichts taugen oder unzulässig sind.

Bedenken Sie: Das Gericht wird Ihnen nicht sagen, wie Sie sich richtig verteidigen. Ein Richter gibt keine Rechtsberatung – dafür gibt es Anwälte.

Güteverhandlung

Liegt nun also fristgerecht eine ordnungsgemäße Klageerwiderung vor, wird das Gericht nach dem üblicherweise angeordneten schriftlichen Vorfahren einen Termin zur „Güteverhandlung und mündlichen Verhandlung“ bestimmen. Erhofft sich das Gericht in diesem Termin weitere Aufklärung durch die Parteien („Sagen Sie mal, wie war das denn nun …“), müssen Sie und Ihr Gegner persönlich zu diesem Termin erscheinen – andernfalls unterbleibt eine Ladung und nur die Anwälte gehen zum Termin. Zeugen sind beim ersten Verhandlungstermin ebenfalls noch nicht erforderlich und müssen sogar draußen bleiben, da sie sonst für eine spätere Zeugenvernehmung „verbrannt“ wären.

In diesem Verhandlungstermin versucht das Gericht zunächst eine gütliche Einigung herbeizuführen. Das erspart dem Richter nämlich Arbeit und das Gesetz verlangt es, also weist das Gericht auf das bestehende Kostenrisiko hin, auf den Aufwand einer Beweisaufnahme und fragt die Parteien, ob ein Vergleich möglich ist. Sind beide Seiten mit einem Vergleich einverstanden, freut sich der Richter, protokolliert den Vergleich und das Verfahren ist damit beendet.

Können sich Kläger und Beklagter aber nicht auf einen Vergleich einigen, wird streitig verhandelt: Der Anwalt des Klägers stellt den Antrag aus der Klageschrift, der Anwalt des Beklagten beantragt die Abweisung der Klage. Das Gericht muss dann auf der Grundlage der Schriftsätze prüfen, ob es bereits ein Urteil verkünden kann oder ob Beweis erhoben werden muss. Es wird dazu einen Verkündungstermin bestimmen.

Zu diesem Verkündungstermin muss aber niemand hingehen. Der Richter sitzt dann in seinem stillen Kämmerlein und diktiert seine Entscheidung. Also entweder ein Urteil, oder, was häufiger der Fall ist, einen Beweisbeschluss.

Beweisbeschluss

In einem Beweisbeschluss steht, worüber Beweis erhoben werden muss und welches Beweismittel dafür erforderlich ist. Also z. B. die Vernehmung der im Schriftsatz angebotenen Zeugen. Oder die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Oder vielleicht auch ein Ortstermin, wenn sich der Richter z. B. einen Schaden einmal selbst ansehen möchte.

Muss ein Sachverständigengutachten einholt werden, wird die Verfahrenspartei, die beweisbelastet ist, zunächst aufgefordert, einen Kostenvorschuss für den Sachverständigen einzuzahlen. Danach geht die Gerichtsakte an den vom Gericht bestellten Sachverständigen, der dann häufig einen Ortstermin mit den Parteien abstimmt und danach sein Gutachten schreibt. Das kann dann schon mal ein halbes Jahr oder länger dauern. Das Sachverständigengutachten schickt er dann an das Gericht und dies leitet es an die Anwälte zur Stellungnahme weiter.

Dann findet eine weitere mündliche Verhandlung statt, das Gericht versucht nochmal eine Einigung herbeizuführen und bestimmt andernfalls einen Termin für die Verkündung seiner Entscheidung.

Soll der Beweis durch Zeugenvernehmung erbracht werden, wird das Gericht einen Termin zur Beweisaufnahme anberaumen und dazu die benannten Zeugen laden. Diese werden dann vom Gericht zu dem Beweisthema befragt. An dieser Beweisaufnahme dürfen selbstverständlich auch die Parteien, also Kläger und Beklagter, teilnehmen und ebenfalls die Zeugen befragen.

Sind sodann keine weiteren Beweise mehr zu erheben, schließt das Gericht die mündliche Verhandlung und bestimmt einen Termin zur Verkündung seiner Entscheidung. Wiederum muss dazu niemand erscheinen – das macht der Richter alleine.

Urteil

Das Gericht wird sich dann in seinem Urteil mit den Argumenten beider Seiten auseinandersetzen und damit, was die Beweisaufnahme ergeben hat. Dann gibt es entweder dem Kläger Recht oder weist die Klage als unbegründet ab. Recht haben und Recht bekommen sind bekanntlich oft verschiedene Paar Schuhe. Deshalb steht dem Verlierer das Recht zu, das Urteil von der nächsthöheren Instanz im Wege der Berufung überprüfen zu lassen, wenn der Beschwerdewert mindestens 600 EUR beträgt.

Für einen Streit über eine Rechnung in Höhe von 250,- EUR ist also nach der ersten Instanz in der Regel „Feierabend“.

In Familiensachen nennt sich das Rechtsmittel Beschwerde und Ihr Anwalt wird wissen, bei welchem Gericht das Rechtsmittel einzulegen ist und ob dieser Schritt überhaupt sinnvoll ist.

Wird kein Rechtsmittel eingelegt, wird das Urteil nach Ablauf der Rechtsmittelfrist rechtskräftig und der obsiegende Kläger kann daraus die Zwangsvollstreckung betreiben.

Verfahrensdauer

Wie lange dauert ein Klageverfahren denn nun? Das hängt davon ab, wie umfangreich die Sache ist, ob eine Beweisaufnahme durchgeführt werden muss und wie die Terminlage des Gerichts ist. Das Gericht muss zwar grundsätzlich das Beschleunigungsgebot der ZPO beachten. Ein Räumungsklageverfahren wegen Eigenbedarfs, bei dem der Eigenbedarf durch Zeugenvernehmung bewiesen werden muss, kann aber vor dem Amtsgericht leicht ein Dreivierteljahr dauern. Muss in einem Schadensprozess ein Sachverständigengutachten einholt werden, ist eine Verfahrensdauer unter einem Jahr schon selten.

In der Regel brauchen Sachverständige meiner Erfahrung nach mindestens drei bis vier Monate zur Erstellung ihres Gutachtens, oft sogar wesentlich länger.

Wird das Urteil mit einem Rechtsmittel angegriffen und geht es also in die nächste Instanz, sind Verfahrensdauern von zwei Jahren auch keine Seltenheit. Allein mit den Fristen zur Einlegung und Begründung der Berufung sowie mit der Erwiderung darauf lässt sich (inklusive zulässiger Fristverlängerungen) schnell ein halbes Jahr herausholen.

Kosten

Die Gerichtskosten für ein Klageverfahren richten sich nach dem Gerichtskostengesetz (GKG), die anwaltliche Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Beiden Kostenarten liegt eine Streitwerttabelle zugrunde. Einfach gesagt: Je höher der Streitwert, desto teurer wird das Verfahren. Wer die Kosten nicht aus eigenen Mitteln begleichen kann, weil er z. B. von ALG II lebt, kann für die Klage oder die Verteidigung dagegen Prozesskostenhilfe (im Familienrecht: Verfahrenskostenhilfe) beantragen. Dann wird der Anwalt aus der Staatskasse bezahlt.

Aber Vorsicht: Der Staat hat nichts zu verschenken. Prozesskostenhilfe gibt es nur, wenn die Klage oder die Verteidigung dagegen Erfolgsaussichten hat und nicht mutwillig erscheint.

Mit dem Urteil fällt das Gericht dann auch eine Kostenentscheidung: Die Kosten werden i. d. R. dem Verlierer auferlegt oder anteilig – nach Obsiegen und Verlieren – gequotelt. Insbesondere, wenn ein teures Sachverständigengutachten eingeholt werden muss, kann deshalb die Kostendeckung durch eine Rechtsschutzversicherung für einen ruhigen Schlaf sorgen.

Zu guter Letzt

Wenn Sie all das bereits gewusst haben und die Zivilprozessordnung als Einschlaflektüre auf Ihrem Nachttisch liegt, brauchen Sie möglicherweise keinen Anwalt, um sich gegen die heute bei Ihnen eingegangene Klage erfolgreich zur Wehr zu setzen.

Allen anderen Lesern stehe ich im Falle eines Falles gerne mit Rat und Tat zur Seite.