Es ist Grippesaison. In der kalten Jahreszeit ist das Immunsystem geschwächt und der Körper dadurch anfälliger für Angriffe durch Mikroorganismen. So kann es passieren, dass sich aus einer regulären Erkältung etwas Schwerwiegenderes entwickelt: eine Superinfektion. Was sich hinter dem Begriff verbirgt und ob wir kurz vor einer Pandemie stehen – wir klären auf. Show Ohne genau zu wissen, was eine sogenannte Superinfektion eigentlich ist, ist der Begriff in den Köpfen der meisten von Beginn an negativ besetzt. Ähnlich wie der Begriff "Superwaffe" gleich mit der Zerstörung ganzer Landstriche in Verbindung gebracht wird, assoziieren wir auch mit "Superinfektionen" apokalyptische Szenarien. Wir haben mit Dr. Dieter Hoffmann vom Institut für Virologie der TU München und der Biologin Dr. Gritt Hutter von der Gesellschaft für medizinische Information gesprochen und sie gefragt: "Was hat es mit Superinfektionen auf sich? Und: Stehen wir kurz davor, uns anzustecken?" – Die erfahrenen Wissenschaftler haben uns geantwortet.
Das neuartige Coronavirus breitet sich grade weltweit aus. Viele Länder versuchen, etwas dagegen zu unternehmen. Das merkt ihr ja auch selber: Es werden Schulen geschlossen, und viele Erwachsene arbeiten jetzt von zu Hause. Das wird gemacht, damit so wenig Menschen wie möglich aufeinandertreffen und so das Virus nicht an andere weitergeben können. Aber was genau ist eigentlich ein Virus? Und wie unterscheidet es sich von einem Bakterium? Eine Frau arbeitet an einem Mikroskop. | Bildquelle: WDR / mauritius imagesViren und Bakterien werden oft in einem Atemzug genannt. Sie haben tatsächlich einige Gemeinsamkeiten. Zum Beispiel kann man sie mit dem bloßen Auge nicht sehen und sie können uns krank machen. Es gab sie auf der Erde schon lange vor den ersten Menschen und sie kommen fast überall vor. Von beiden gibt es jede Menge unterschiedliche Arten. Aber es gibt auch einige sehr gravierende Unterschiede. Bakterien sind im Vergleich zu Viren deutlich größer – im Schnitt sogar hundert Mal. Bakterien gelten als Lebewesen, weil sie selber Nachkommen produzieren können und einen Stoffwechsel haben. Dabei sind Bakterien einzellige Lebewesen ohne Zellkern. Alles, was das Bakterium zum Leben und Fortpflanzen braucht, befindet sich in dieser Zelle. In bestimmten zeitlichen Abständen kopiert das Bakterium sein Erbgut und teilt sich. Dann gibt es zwei Zellen mit gleichem Inhalt. So vermehren sich Bakterien. Sie können sehr gut außerhalb des menschlichen Körpers leben und sich auch dort vermehren. Mikroskopaufnahme des Bakteriums Clostridium botulinum. | Bildquelle: mauritius images / Science SourceEs gibt sehr unterschiedliche Bakterienarten. Viele sind für den Menschen nützlich oder gar unverzichtbar. Im menschlichen Darm zum Beispiel leben 10 bis 100 Billionen Bakterien und verrichten da nützliche Dinge. Sie helfen dort z.B. bei der Verdauung oder bei der Bekämpfung von Krankheitserregern. Viren hingegen bestehen aus einer Hülle, die ihr Erbgut enthält. Sonst nichts. Es gibt keine Informationen darüber, wie sie sich selber vermehren oder am Leben halten können. Deshalb werden Viren auch nicht unbedingt als Lebewesen angesehen. Zur Vermehrung brauchen sie einen „Wirt“, also ein anderes Lebewesen. Einmal in den Körper des Wirts eingedrungen, befällt das Virus bestimmte Zellen und programmiert sie so um, dass sie anschließend neue Viren produzieren und ihre ursprüngliche Aufgabe im Körper dadurch nicht mehr ausführen können. Findet das Virus keinen Wirt und damit keine Zelle, die es auf „Vermehrung“ umprogrammieren kann, stirbt es ab. Illustration des Coronavirus. | Bildquelle: ddp images/ UPI/laifNoch ein wichtiger Unterschied, den man wissen sollte: Gegen krankmachende Bakterien gibt es medizinische Hilfe: Antibiotika. Das sind Medikamente, die sich ganz gezielt gegen Bakterien richten. Viren dagegen kann man mit Antibiotika nicht bekämpfen. Aber gegen viele Viren, die schwere Krankheiten auslösen können, kann man sich vorsorglich impfen lassen. Und: Hat der Körper eine Virus-Infektion selbst durchgestanden, ist er danach oft immun gegen dieses spezielle Virus, so dass man die Krankheit kein weiteres Mal bekommen kann. Eine Frau wird geimpft. | Bildquelle: WDR / dpaManchmal verschreibt der Arzt aber trotzdem Antibiotika, auch wenn man eine Virusinfektion hat. Das liegt daran, dass eine Virusinfektion den Körper schwächt. Bakterien haben dann leichtes Spiel und können den Körper zusätzlich mit einer Infektion belasten. Dagegen helfen dann die Antibiotika. Den Virus können sie aber nicht bekämpfen.
Die Nase läuft, der Hals kratzt, der Kopf schmerzt: Erkältungs- und Grippebeschwerden sind zwar unangenehm, klingen aber meist nach ein paar Tagen von selbst wieder ab. Es sei denn, aus dem Virusinfekt entwickelt sich eine sogenannte Superinfektion. Was ist das? Und wann sind Antibiotika nötig?
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.
Wer mit einer Erkältung oder Grippe zum Arzt geht und mit einem Antibiotika-Rezept die Praxis verlässt, hat entweder einen inkompetenten Arzt oder eine sogenannte Superinfektion. Denn Erkältungen und Grippe-Infektionen werden durch Viren verursacht, gegen die Antibiotika nichts ausrichten können. Hinter einer Superinfektion hingegen stecken oft Bakterien, die sich durch Antibiotika durchaus bekämpfen lassen. Notwendig ist das allerdings nicht in jedem Fall.
Was ist eine Superinfektion?
Von einer Superinfektion spricht man, wenn zusätzlich zu den Viren, die den Infekt ausgelöst haben, weitere Krankheitserreger den Körper befallen, zum Beispiel Viren eines anderen Stammes oder Bakterien: Morphologie und Klassifikation. Andere Bezeichnungen für eine Superinfektion sind Koinfektion, Zweitinfektion, Sekundärinfektion oder Folgeinfektion.
Wie kommt es zu einer Superinfektion?
Das Risiko für eine Superinfektion besteht insbesondere dann, wenn es dem Immunsystem (noch) nicht gelungen ist, den ersten Infekt einzudämmen und der Körper durch die Erkrankung geschwächt ist. Zu einer bakteriellen Superinfektion kommt es häufig bei viralen Atemwegsinfekten wie einer Erkältung oder einer Grippe.
Die Atemwege sind mit Schleimhäuten ausgekleidet, die eine natürliche Schutzbarriere gegen Eindringlinge bilden. Sind die Schleimhäute jedoch angegriffen – etwa durch eine Erkältung oder Grippe –, können auch andere Erreger wie Bakterien leichter dort eindringen und sich ausbreiten, sodass sich die Entzündung verschlimmert.
Aus einer Erkältung oder Grippe kann sich auf diese Weise eine bakterielle Bronchitis, eine bakterielle Nebenhöhlenentzündung oder im schlimmsten Fall eine bakterielle Lungenentzündung entwickeln. Häufig führen Bakterien der Gattungen Haemophilus influenzae, Pneumokokken (Streptococcus pneumoniae), Staphylococcus aureus oder Chlamydia pneumoniae zu Superinfektionen.
Eine gewöhnliche Grippe dauert normalerweise fünf bis sieben Tage, Erkältungen klingen meist ebenfalls nach etwa einer Woche ab. Wenn nicht, sondern die Beschwerden schlimmer werden, kann dies ein Zeichen für eine bakterielle Superinfektion sein.
Weitere mögliche Warnsignale sind
Wichtig: Um eine bakterielle Superinfektion sicher feststellen zu können, muss der Arzt einen sogenannten PCT-Test durchführen. Das ist ein Bluttest, mit dem der Arzt die Konzentration des Entzündungsstoffes Procalcitonin (PCT) ermitteln kann. Bei viralen Infekten steigt der PCT-Wert auf das 10- bis 100-Fache an, im Falle einer bakteriellen Infektion hingegen auf das 1.000- bis 100.000-Fache.
Welche Behandlung ist bei einer bakteriellen Superinfektion nötig?
Prinzipiell lassen sich Bakterien mit Antibiotika bekämpfen. Allerdings ergibt das nicht immer Sinn. Handelt es sich bei der Superinfektion zum Beispiel um eine bakterielle Nasennebenhöhlenentzündung, benötigt der Erkrankte normalerweise keine Antibiotika: Die Entzündung klingt Therapie meist innerhalb von zwei Wochen ab – egal, ob der Betroffene Antibiotika einnimmt oder abwartet.
Entwickelt sich aus der Erkältung oder Grippe eine schwere bakterielle Infektion wie etwa eine Lungenentzündung, sind Antibiotika notwendig.
Hinweis: Leider kommt es immer wieder vor, dass Ärzte auch bei viralen Infekten Antibiotika verordnen – nicht selten, weil der Patient sie darum bittet. Antibiotika sollte der Arzt jedoch wirklich nur dann verschreiben, wenn er sich sicher ist, dass Bakterien an der Infektion beteiligt sind. Denn jeder Antibiotika-Einsatz fördert die Ausbreitung resistenter Bakterien. Resistente Erreger sind gefährlich, weil sie sich nicht mit verfügbaren Antibiotika beseitigen lassen. Letzte Aktualisierung: 15.09.2021 Autor*in
Quellen Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2019 Atemwegsinfektionen. Online-Informationen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA): www.infektionsschutz.de (Abrufdatum: 11.10.2019) Online-Informationen des Pschyrembel: www.pschyrembel.de (Abrufdatum: 11.10.2019) Online-Informationen des medizinischen Nachschlagewerks AMBOSS: www.amboss.miamed.de (Abrufdatum: 11.10.2019) Online-Informationen des Robert Koch-Instituts: www.rki.de (Abrufdatum: 11.10.2019) Online-Informationen des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG): www.gesundheitsinformation.de (Abrufdatum: 11.10.2019) Online-Informationen des Helmholtz Zentrums München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt: www.lungeninformationsdienst.de (Abrufdatum: 11.10.2019) Müller, C.: Pneumonie oder Bronchitis? Online-Informationen der Deutschen Apotheker-Zeitung: www.deutsche-apotheker-zeitung.de (Stand: 4.12.2017) Hof, H., Dörries, R.: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie. Thieme, Stuttgart 2017 Billharz, C.: Erkältung – Meistens banal, manchmal tückisch. Online-Informationen der Deutschen Apotheker-Zeitung: www.deutsche-apotheker-zeitung.de (Stand: 8.10.2015) Onmeda-Lesetipps:Atemwegsinfektion: Meist sind Viren die UrsacheErkältung und Grippe: Was ist der Unterschied? |