Ost west renten vergleich

1. Oktober 2020, 19:00 Uhr

Die Bezüge der Rentner in Deutschland unterscheiden sich je nach Bundesland im Durchschnitt erheblich. Klare Schlusslichter sind weiterhin die ostdeutschen Länder, wie die Deutsche Rentenversicherung in ihrem neuen Rentenatlas 2020 zeigt. Spitzenreiter sind die Rentner im Saarland mit 1545 Euro brutto im Monat nach 35 Versicherungsjahren. Es folgt Nordrhein-Westfalen mit im Schnitt 1522 Euro. Am wenigsten erhalten Rentner in Thüringen mit 1292 Euro, in Sachsen-Anhalt mit 1299, in Mecklenburg-Vorpommern mit 1306 und in Sachsen mit 1309 Euro. Frauen beziehen überall kleinere Summen als Männer, doch ist der Abstand im Osten deutlich kleiner. "Frauen im Osten waren weniger teilzeitbeschäftigt", erklärt die Rentenversicherung.

Die große Koalition will knapp 18 Jahre nach der Wiedervereinigung die Angleichung der Ost-Renten an das Westniveau angehen. Rund vier Millionen Rentner sind betroffen. Die Bundesregierung will noch vor der Bundestagswahl entscheiden.

HB BERLIN. Die Große Koalition will möglicherweise noch in ihrem verbleibenden Jahr Regierungszeit die Weichen dafür stellen, gut vier Millionen Ost-Rentner besserzustellen. Knapp 18 Jahre nach der Wiedervereinigung möchte die Bundesregierung die Angleichung ihrer Altersbezüge an das Westniveau angehen und darüber noch in dieser Legislaturperiode entscheiden. Dies kündigte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm in Berlin an. Offen bleibt aber vorerst, bis wann die vollständige Angleichung vollzogen sein soll. Der Rentenwert Ost liegt derzeit um etwa zwölf Prozent unter dem Westniveau.

Wilhelm sagte, es handele sich um eine Thematik "von großer Tragweite", die "nicht aus dem Stegreif" zu entscheiden sei, jetzt aber auf die Tagesordnung komme. Erst vor knapp zwei Wochen hatte sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gegen die Festlegung einer Frist zur Angleichung der Ost- an die West-Renten verwahrt - und damit den für den Aufbau Ost zuständigen Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) gestoppt, der dieses Ziel bis Ende 2019 erreicht haben will.

Merkel soll nun in der gestrigen Kabinettssitzung deutlich gemacht haben, dass die Frage nach einer Vereinheitlichung der Rentenberechnung in Ost und West zu den Aufgaben der Großen Koalition in den nächsten Monaten zähle. Ob es dann zur einer vollen Angleichung kommen werde, habe die Kanzlerin bei der Diskussion über den Bericht zur Deutschen Einheit offen gelassen,

Bei der Vorstellung des Berichts zur Deutschen Einheit sagte Tiefensee: "Ich bleibe dabei, dass wir bis Ende 2019 ein einheitliches Rentensystem haben sollten." Das gelte unabhängig davon, was jetzt im Bericht stehe oder auch nicht, sagte er, nachdem die Kanzlerin eine entsprechende Passage aus Tiefensees Berichtsentwurf hatte streichen lassen.

Der Druck auf die Große Koalition zur Rentenangleichung hatte auch aus den eigenen Reihen zuletzt stark zugenommen. Die Linksfraktion fordert dies seit langem. Seit 2003 hatte es keine Annäherung mehr gegeben. Das Ost-Renteniveau verharrt seither bei 88 Prozent des Westniveaus. So liegt der Rentenwert Ost, den ein Beschäftigter mit Durchschnittsbeitrag im Jahr erwirbt, derzeit bei 23,34 Euro, im Westen bei 26,56 Euro.

Allerdings werden die Rentenansprüche von Ost-Beschäftigten heute schon durch einen Umrechnungsfaktor aufgewertet. Dieser sorgt dafür, dass Beschäftigte im Osten mit meist niedrigeren Verdiensten bei der Rente bessergestellt werden.

Nach wie vor gibt die Gesetzliche Rentenversicherung im Osten weit mehr aus als sie von den Beitragszahlern einnimmt. Laut Einheits-Bericht der Bundesregierung beträgt der West-Ost-Transfer im laufenden Jahr schätzungsweise 14 Mrd. Euro. Nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung gibt es in Ostdeutschland genau 4,05 Millionen Rentner. Das ist jeder fünfte der insgesamt 20,2 Millionen Rentner in Deutschland.

Rentner im Osten bekommen wegen der durchgängig längeren Beschäftigungszeiten in der früheren DDR mehr Rente als Ruheständler im Westen. Für Männer im Osten liegt die durchschnittliche Monatsrente nach Angaben der Bundesregierung bei 999 Euro, für Frauen bei 668 Euro. Im Westen liegen die Vergleichszahlen bei 963 Euro für Männer und 486 Euro für Frauen.

Im Bericht zum Stand der deutschen Einheit führte Tiefensee zwar einige Fortschritte an, nannte aber auch als Problemfelder die nach wie vor hohe Langzeitarbeitslosigkeit und die anhaltende Abwanderung aus den ländlichen Regionen. Einzelne Landkreise müssten einen Bevölkerungsverlust bis zu 25 Prozent verkraften.

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Derzeit beziehen Rentner im Osten elf Prozent weniger als im Westen. SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück will das ändern. Ab 2020 soll ein Rentenrecht für alle gelten. Es winkt ein Wahlkampfthema.

SPD umwirbt Ost-Rentner

SPD umwirbt Ost-Rentner © dapd

Berlin Die SPD will bis zum Jahr 2020 die Renten im Osten Deutschlands auf das Niveau der West-Renten anheben. Dies kündigte der designierte SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück in einem am Montag verbreiteten Interview der Zeitschrift "Super-Illu" an. Derzeit ist der Rentenwert Ost elf Prozent niedriger als im Westen. Steinbrück räumte ein, die Angleichung werde "einige Milliarden Euro kosten". Beschlossen werden soll der Fahrplan am Samstag auf einem Kleinen Parteitag der SPD.

Die Kosten wurden in der Partei auf drei Milliarden Euro im Jahr 2020 beziffert. Sie sollen als Kosten der Deutschen Einheit aus Steuermitteln finanziert werden. Ab 2020 soll ein Rentenrecht für alle gelten: Auch die Beitragsbemessungsgrenzen wären dann gleich hoch. Für Gutverdiener im Osten bedeutet das höhere Sozialabgaben.

Ein Jahr vor der Bundestagswahl 2013 verspricht die SPD damit den etwa vier Millionen Rentnern im Osten, dass ihre Altersbezüge deutlich stärker steigen sollen als für die etwa 16 Millionen Rentner im Westen. Damit dürfte die Angleichung der Rentensysteme in Ost und West zum Wahlkampfthema werden. Union und FDP hatten 2009 zu Beginn der Wahlperiode eine Angleichung versprochen, das Vorhaben jüngst aber für gescheitert erklärt. Die Sozialministerin von Mecklenburg-Vorpommern und SPD-Vizeparteichefin, Manuela Schwesig, erklärte: "Die SPD hält Wort und löst ihr Versprechen gegenüber den Ostdeutschen ein."

Das Konzept war maßgeblich von Schwesig und der Sprecherin der ostdeutschen SPD-Bundestagsabgeordneten, Iris Gleicke, ausgearbeitet worden, die am Montag Details erläuterten. Das Konzept ist mit Steinbrück und SPD-Chef Sigmar Gabriel abgestimmt. Es soll als Teil des Rentenpakets beschlossen werden, das auch eine Solidarrente und die Höherbewertung von Rentenansprüchen für Geringverdiener vorsieht.

"Wir wollen diese Angleichung stufenweise bis 2020 durchsetzen", sagte Steinbrück. "Das bedeutet, dass bis dahin jede Anhebung der Rentenwerte im Osten höher ausfallen muss als im Westen." Es gehe vor allem um Gerechtigkeit. "Die Menschen in Ostdeutschland waren auch ihr Leben lang fleißig", sagte Steinbrück. Die von der Bundesregierung auf den Weg gebrachte Senkung des Beitragssatzes in der Rentenversicherung 2013 von 19,6 auf 18,9 Prozent sei das falsche Signal: "Man sollte mit dem Geld lieber die Angleichung von Ost und West vorantreiben und demografischen Herausforderungen Rechnung tragen."

Die Unterschiede bestehen seit der Wiedervereinigung. Der Rentenwert, der als Grundlage zur Berechnung der Altersbezüge dient, beträgt derzeit im Osten 24,92 Euro. Das sind rund elf Prozent weniger als im Westen mit 28,07 Euro. Die tatsächlich ausgezahlten Renten sind im Durchschnitt im Osten dennoch höher als im Westen. Das liegt unter anderem daran, dass in der DDR länger gearbeitet wurde und vor allem Frauen häufiger erwerbstätig waren. Die Rentner können somit mehr Beitragsjahre vorweisen. Diese werden im Prinzip mit dem Rentenwert multipliziert und ergeben die Rente.

Das SPD-Konzept sieht vor, dass es von 2014 bis 2019 einen Rentenzuschlag für Ost-Rentner auf die jährliche Rentenanpassung gibt. Im Jahr 2020 sollen die Rentenwerte gleich hoch sein. Die vollständige Angleichung in einem Schritt würde etwa sechs Milliarden Euro kosten. Die SPD setzt aber darauf, dass durch einen gesetzlichen Mindestlohn und eine stärkere Tarifbindung das Lohnniveau im Osten schneller steigt. Dadurch lasse sich die Hälfte der Kosten finanzieren. Je schneller der Aufholprozess bei den Löhnen vorankomme, desto geringer sei der aus dem Bundeshaushalt aus Steuern zu finanzierende Restbetrag.

Im Unterschied zur Linkspartei, die ebenfalls für eine Angleichung der Rentenwerte eintritt, will die SPD die Höherwertung von Ost-Renten durch den Umrechnungsfaktor ab 2020 streichen. Dies verringert die Kosten und den Rentenanspruch im Osten, während die Angleichung der Rentenwerte die Renten erhöht. Unter dem Strich sollen Ost-Rentner aber profitieren.

Der Umrechnungsfaktor, der Osteinkommen um 18 Prozent höher bewertet, hat noch heute zur Folge, dass Arbeitnehmer im Osten weniger vom Lohn an die Rentenversicherung abführen müssen, um dennoch genau so viele Rentenpunkte wie im Westen zu sammeln. Dies soll das geringere Lohnniveau im Osten widerspiegeln. So liegt die Beitragsbemessungsgrenze, bis zu der Arbeitgeber und Arbeitnehmer Beiträge an die Rentenversicherung abführen müssen, im Westen derzeit bei 5600 Euro und im Osten bei 4800 Euro. Im Jahr 2020 sollen sie laut SPD-Konzept gleich hoch sein.

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