Du bist etwas ganz Besonderes groß oder klein

Du bist etwas ganz Besonderes groß oder klein

Substantive werden großgeschrieben. Oder? Was einfach klingt, ist in Wahrheit ganz schön tückisch. Nehmen wir mal den Satz „Du hast RECHT“. Ist „RECHT“ ein Substantiv oder nicht? Oder: „Ich habe dir EINIGES zu berichten.“ Oder: „Der Spaß für JUNG und ALT.“ Groß oder klein? Himmel hilf!

Nein, der Himmel hilft Ihnen nicht. Aber dieser Blogartikel.

Zauber zauber fidibus, ich zauber mir ein Substantiv

Das Auto, der Text, die Liebe: alles Substantive, logisch. Aber auch viele andere Wörter können zu einem Substantiv gemacht werden – durch eine Substantivierung. Am leichtesten erkennt man sie, wenn ein Artikel davorsteht. Dann können Sie davon ausgehen: Oha, Großschreibung.

  • Das Lernen fällt ihr leicht.
  • Das Tückische an der Flut sind die Priele.
  • Dieses Durcheinander nervt mich.
  • Ihm fehlt das gewisse Etwas.
  • Das Warum interessiert mich nicht.
  • Er lebt nur im Hier und Jetzt.
  • Im Nachhinein ist man immer schlauer.
  • Kein Muss, nur ein Kann.

„Im“ können Sie auflösen zu „in dem“, „kein“ bedeutet „nicht ein“. Auch da sind also Artikel drin versteckt.

Doch nicht vor jeder Substantivierung steht ein Artikel. Achten Sie auch auf Wörter wie alles, etwas, genug, nichts, viel und wenig.

  • Wir wünschen Ihnen alles Gute.
  • Sie hat etwas/genug/nichts/viel/wenig Gutes getan.

So weit, so gut. Leider werden viele Wörter dann doch kleingeschrieben, obwohl sie Merkmale von Substantiven oder Substantivierungen aufweisen. Ich nenne das „Stolpersteine“: tückische Fälle, bei denen selbst Wortarbeiterinnen wie ich ins Trudeln kommen. In diesem Blogartikel hüpfen wir einfach gemeinsam drüber – über drei der fiesesten Stolpersteine:

  1. Recht, schuld und ihre Freunde
  2. Substantivierte Adjektive
  3. Pronomen und Zahladjektive

Stolperstein Nr. 1: recht, schuld und ihre Freunde

1. Angst, klasse, leid und pleite

Angst, Klasse, Spitze, Leid und Pleite sind eigentlich Substantive. In Verbindung mit den Verben sein, werden oder bleiben schrumpfen sie aber zur Kleinschreibung zurück. Das ist also quasi der umgekehrte Vorgang zu einer Substantivierung – eine Ent-Substantivierung.

  • Mir wird angst.
  • Das ist ja klasse.
  • Ich finde das spitze.
  • Sie ist es leid.
  • Die Firma ist pleite.

Der Test: Einen Artikel könnte man hier nicht voranstellen.

2. Groß- und Kleinschreibung von recht

Das Wort „recht“ ist ein besonders harter Knochen.

Groß- oder Kleinschreibung:

  • Da gebe ich dir recht/Recht.
  • Ich bin mir sicher, dass ich recht/Recht bekomme.

Großschreibung:

  • Das sagt er zu Recht.
  • Da bist du im Recht.

Kleinschreibung:

  • Du hast recht.
  • Das ist mir recht.
  • Man kann dir nichts recht machen.
  • Das geschieht ihr recht.

Neben „du hast recht“ erlaubt der Duden zwar auch die Schreibweise „du hast Recht“, schreibt aber bei intensivierten Wendungen wie „du hast ja so recht“ oder „wie recht sie hat“ die Kleinschreibung vor. Weil das höchst verwirrend ist, rate ich Ihnen, sich hier einfach die Kleinschreibung zu merken.

Praktisch gesehen sollte es reichen, wenn Sie sich die Großschreibung der Wendung „zu Recht“ zu merken. Die allermeisten anderen Fälle im täglichen Sprachgebrauch werden kleingeschrieben – es sei denn, man erkennt „Recht“ als Substantiv: ein Recht, das Recht, im Recht …

Noch ein Tipp: Wenn man „sehr“ ergänzen kann, ist die Kleinschreibung richtig: Da hast du sehr recht, das ist mir sehr recht, das geschieht ihr sehr recht.

3. Groß- und Kleinschreibung von schuld

Auch das Wort „schuld“ ist ein wenig tückisch.

Großschreibung:

  • Ich habe Schuld daran.
  • Es ist meine Schuld.
  • Ich trage Schuld daran.

Kleinschreibung:

Um sich das zu merken, gibt es zum Glück ein gute Eselsbrücke. Hilfe bietet das Wörtchen „die“. Wenn’s reinpasst, wird Schuld großgeschrieben: Ich habe die Schuld daran, es ist die Schuld von mir, ich trage die Schuld daran. Dagegen: *Ich bin die Schuld daran? Nä, bestimmt nicht. Daher also klein: Ich bin schuld daran.

Stolperstein Nr. 2: Substantivierte Adjektive

Kommen wir zu den substantivierten Adjektiven. Normalerweise schreibt man sie groß:

  • Weißt du schon das Neueste?
  • Die Kleine ist schon im Bett.

Aber auch hier denkt sich die deutsche Sprache: „Och, machen wir es mal nicht zu einfach.“

1. Verbindungen aus Präposition und dekliniertem Adjektiv

Die erste Ausnahme sind bestimmte feste Verbindungen aus Präposition (z. B. auf, von, seit, binnen) und dekliniertem Adjektiv. Dekliniert bedeutet, dass das Adjektiv eine Endung bekommt.

Diese Verbindungen können Sie groß- oder kleinschreiben. Der Duden empfiehlt die Großschreibung.

  • Diese Regelung gilt bis auf weiteres/Weiteres.
  • Ich werde dir das nicht von neuem/Neuem erklären.
  • Ich habe dich schon von weitem/Weitem erkannt.
  • Sie hat es schon seit längerem/Längerem gewusst.
  • Das habe ich binnen kurzem/Kurzem erledigt.

Ich finde die Großschreibung hier weitaus logischer und würde sie mir daher so merken.

2. Verbindungen aus Präposition und nicht dekliniertem Adjektiv

Anders sieht es aus, wenn das Adjektiv in der Wendung nicht dekliniert wird, also in seiner Grundform steht. Dann wird es kleingeschrieben:

  • Über kurz oder lang wird er pleite gehen.
  • Von fern waren die Möwen zu hören.
  • Sie kamen von nah und fern.
  • Sie sind zusammen durch dick und dünn gegangen.
3. Nicht deklinierte Adjektive, die Personen meinen

Nun gibt es aber auch hier eine Ausnahme. Wenn Personen gemeint sind, schreibt man das Adjektiv doch wieder groß.

  • Der Konflikt zwischen Arm und Reich geht in die nächste Runde.

Eigentlich müsste „arm und reich“ ja kleingeschrieben werden: Wir haben eine Verbindung aus Präposition (zwischen) und nicht dekliniertem Adjektiv (arm und reich). Aber es sind Personen gemeint, die Armen und die Reichen – deshalb doch Großschreibung.

Der Duden erklärt das übrigens so, dass die Verbindung auch ohne Präposition stehen könnte:

  • Arm und Reich stehen im ständigen Konflikt miteinander.

Ich finde die Personenerklärung aber einfacher zu merken. Weitere Beispiele:

  • Groß und Klein kommen hier zum Zuge.
  • Der Spaß für Jung und Alt.

Stolperstein Nr. 3: Pronomen und Zahladjektive

Der letzte Stolperstein für heute: Pronomen und Zahladjektive.

1. Pronomen werden kleingeschrieben

Pronomen sind eine fiese Sache. Sie sehen aus wie Substantive, werden aber kleingeschrieben. Beispiele:

  • Ich habe dir einiges zu berichten.
  • Trotz unseres Aufrufs sind etliche nicht gekommen.
  • Tja, manches werden wir wohl nie verstehen.
  • Ich kann die beiden nicht ausstehen.
  • Ein jeder tut, was er kann.
  • Ach, ich habe gestern so dieses und jenes gemacht.

Besonders schwer ist die Unterscheidung zu den großgeschriebenen substantivierten Adjektiven:

  • Ich habe dir einiges zu berichten (Pronomen).
  • Aber: Ich habe dir Diverses/Verschiedenes zu berichten (substantiviertes Adjektiv).
  • Leider sind etliche nicht gekommen (Pronomen).
  • Aber: Leider sind Einzelne nicht gekommen (substantiviertes Adjektiv).

Eine Eselsbrücke gibt es hier leider nicht. Im Zweifel müssen Sie solche Wörter noch mal im Duden nachschlagen.

2. Zahladjektive: die meisten und die wenigsten, die einen und die anderen

Noch verworrener wird es bei den Zahladjektiven. Versuchen Sie gar nicht erst, sie sicher von den Pronomen zu unterscheiden. Auf jeden Fall geht es um folgende Wörter: viele – mit der Steigerungsform die meisten –, wenige/die wenigsten, die einen und die anderen.

Der Duden widerspricht sich hier selbst. Einerseits weist er darauf hin, dass Zahladjektive kleingeschrieben werden. Andererseits erlaubt er die Großschreibung, wenn man den substantivischen Charakter betonen möchte. Möglich sind daher beide Schreibweisen:

  • Das meiste/Meiste habe ich schon für dich erledigt.
  • Das ist die Intelligenz der vielen/Vielen.
  • Die einen/Einen haben abgesagt, die anderen/Anderen sind gar nicht erst gekommen.
  • Das interessiert doch die wenigsten/Wenigsten.

Da der Duden keine eindeutige Empfehlung gibt, ist die Entscheidung hier wirklich Geschmackssache.

Fazit: Eselsbrücken merken – und im Zweifel nachschlagen

Ein paar Eselsbrücken habe ich Ihnen genannt. Es lohnt sich, sie sich zu merken. Bei der Unterscheidung zwischen Pronomen, Zahladjektiven und substantivierten Adjektiven wird es schon schwieriger – einiges und Diverses, etliche und Einzelne. Wenn Sie nicht der Typ zum sturen Auswendiglernen sind, machen Sie es sich leicht und schlagen Sie’s flugs im Online-Duden nach. Wichtig ist nur, die Stolpersteine zu erkennen, wenn sie sich Ihnen in den Weg stellen. Dann können Sie auch gekonnt drüberhüpfen.

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