Wo kann ich den pfändungsfreibetrag erhöhen lassen

Das Wichtigste in Kürze:

  • Arbeitgeber sind zur automatischen Beachtung der neuen Pfändungsfreibeträge verpflichtet. 
  • Betroffene Schuldner sollten sich vorsorglich trotzdem vergewissern, ob die neuen Pfändungsgrenzen bekannt sind. 
  • Bei Gerichtsbeschluss oder Bescheid wirken die Pfändungsfreigrenzen nicht automatisch. 

Bei einer Pfändung von Einkommen auf der untersten Stufe liegt der Freibetrag fortan bei 1.259,99 Euro, beim Pfändungsschutzkonto sind künftig 1.252,64 Euro geschützt. Die neuen Pfändungsfreigrenzen gelten ohne Übergangsregelung und müssen automatisch sowohl von Arbeitgebern bei Lohnpfändungen und Lohnabtretungen als auch von Kreditinstituten bei einem Pfändungsschutzkonto beachtet werden. Schuldner müssen aber selbst aktiv werden, wenn individuelle Freibeträge per Gericht oder Vollstreckungsstelle öffentlicher Gläubiger festgesetzt wurden.

Neue Pfändungstabelle beachten

Die neue Pfändungstabelle erfasst alle Arbeitseinkommen und pfändbaren Sozialleistungen, die nach dem 1. Juli 2021 zur Auszahlung kommen. Durch die Erhöhung kann etwa ein alleinstehender Schuldner ohne Unterhaltspflicht bei einem monatlichen Nettoeinkommen von 1.300 Euro jetzt 1.266,85 Euro von seinem Lohn behalten. Ist er für eine Person unterhaltspflichtig, kann grundsätzlich nichts gepfändet werden. Die aktuellen Pfändungsgrenzen sind in der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung 2021 des BMJV zu finden.

Automatische Berücksichtigung

Grundsätzlich ist der Arbeitgeber verpflichtet, die neuen Pfändungsfreibeträge automatisch zu beachten, und zwar auch bei schon länger laufenden Pfändungen und Abtretungen. Vorsorglich empfiehlt es sich jedoch, dass sich von Pfändung oder Abtretung betroffene Schuldner beim Arbeitgeber oder Sozialleistungsträger erkundigen, ob die neue Pfändungstabelle bekannt ist und angewendet wird. Damit kann irrtümlichen Auszahlungen an den pfändenden Gläubiger vorgebeugt und eine möglicherweise Arbeitsplatz gefährdende Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber vermieden werden.

Überweisen Arbeitgeber, Sozialleistungsträger oder Kreditinstitute versehentlich noch nach der alten Tabelle, kann der Schuldner von diesen die Nachzahlung der irrtümlich an den Pfändungsgläubiger zu viel gezahlten Beträge verlangen.

Automatische Anpassung des Pfändungsschutzkontos (P-Konto)

Die automatische Anpassung an die neuen Freigrenzen gilt natürlich auch beim Pfändungsschutzkonto. Kreditinstitute müssen hier sowohl den geänderten Sockelfreibetrag von 1.252,64 Euro für den Kontoinhaber als auch die angehobenen Freibeträge für weitere Personen (471,44 Euro für die erste, weitere jeweils 262,65 Euro für die zweite bis fünfte Person) automatisch berücksichtigen. Betroffene müssen grundsätzlich keine neuen Bescheinigungen vorlegen.

Keine Automatik bei Gerichtsbeschluss oder Bescheid

Für Pfändungen, bei denen der unpfändbare Betrag vom Gericht oder durch einen vollstreckenden öffentlichen Gläubiger individuell bestimmt wurde, wirken die neuen Pfändungsfreigrenzen leider nicht automatisch. Dies ist zum Beispiel bei einem gerichtlichen Beschluss wegen höheren Einkommens und entsprechend höherem Freibetrag bei einer Kontopfändung der Fall: Hier ist möglichst schnell beim Vollstreckungsgericht zu beantragen, dass der Beschluss abgeändert wird und die Freigrenzen angehoben werden. Hat der öffentliche Gläubiger (zum Beispiel das Finanzamt) den Freibetrag per Bescheid bestimmt, muss bei diesem eine entsprechende Änderung beantragt werden. Hierbei ist Eile geboten, denn die alten Beschlüsse und Bescheide gelten so lange, bis dem Kreditinstitut eine anders lautende Entscheidung zugeht.

Sind Sie Empfänger von Sozialleistungen (ALG I, ALG II, gesetzliche Rente, Sozialhilfe, Asylbewerberleistungen etc.), bitten Sie die auszahlende Stelle (z.B. Jobcenter, Sozialamt) darum, eine Bescheinigung auszustellen.

Die Leistungsgewährenden Stellen sind gemäß § 903 Abs. 2 ZPO zur Ausstellung einer solchen Bescheinigung verpflichtet.
Vorsicht: Diese Stellen bescheinigen in der Regel aber nur die dort ausgezahlten Leistungen, z.B. die Familienkassen nur den Bezug vom Kindergeld. Unterhaltsberechtigte Personen z.B. werden dort nur aufgeführt, wenn dies den Stellen bekannt ist.

Eine solche Bescheinigung weist also möglicherweise nicht alle Erhöhungsbeträge aus, die Ihnen gesetzlich zustehen!

Haben Sie also etwa Unterhaltspflichten oder erhalten unpfändbare Leistungen auch von anderen Stellen, benötigen Sie auch hierfür eine Bescheinigung zur weiteren Erhöhung der Freibeträge auf ihrem P-Konto. In solchen Fällen kann es sinnvoll sein, eine Gesamtbescheinigung von einer anerkannten Schuldnerberatungsstelle zu erhalten.

2. Bescheinigung durch eine gemeinnützige Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle

Suchen Sie eine anerkannte, gemeinnützige Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle auf. Sind Sie dort bereits Klient im Rahmen einer Schuldnerberatung, wird das Ausstellen einer Bescheinigung zur Erhöhung des Grundfreibetrags auf dem P-Konto in den allermeisten Fällen kein Problem sein. Die Beratungsstellen verwenden in der Regel eine Musterbescheinigung. Diese legen Sie unverzüglich dem Kreditinstitut vor, damit es den Freibetrag auf Ihrem P-Konto erhöht.

Sind Sie noch nicht Klient der Schuldnerberatung, fragen Sie vorher telefonisch nach, ob Sie eine Bescheinigung erhalten können. Die Beratungsstellen sind zur Bescheinigung nicht verpflichtet. Sie sollten dann um eine kurze schriftliche Notiz bitten, dass die Ausstellung abgelehnt wurde.

Damit können Sie einen Antrag auf Bestimmung des Freibetrages stellen (§ 905 ZPO), s.u. Bescheinigung durch Vollstreckungsgericht / Vollstreckungsstelle.

Anerkannte Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen in NRW finden Sie unter mkffi.nrw/verbraucherinsolvenzberatungsstellen .

3. Bescheinigung durch Arbeitgeber

Auch Ihr Arbeitgeber darf Ihnen eine Bescheinigung ausstellen, ist aber nicht dazu verpflichtet. Nach unserer Erfahrung sind allerdings nur wenige Arbeitgeber dazu bereit, weil sie über die gesetzliche Regelung nicht gut informiert sind. Verweisen Sie auf § 903 Abs. 1 Nr. 2  ZPO. Insbesondere wenn bei Ihnen bereits eine Lohnpfändung vorliegt, Ihre finanzielle Situation in der Lohnbuchhaltung also bekannt ist, lohnt sich die Nachfrage. Bedenken Sie dabei nur, dass Sie ggf. Geburts- und Heiratsurkunden oder einen Unterhaltstitel vorlegen müssen, um gesetzliche Unterhaltspflichten nachzuweisen. Ist Ihnen dies unangenehm, versuchen Sie es zunächst auf einem der vorgenannten Wege.

4. Bescheinigung durch Rechtsanwalt / Steuerberater / gewerbliche Schuldnerberatungsstelle

Auch Rechtsanwälte und Steuerberater dürfen laut Gesetz Bescheinigungen für das P-Konto ausstellen, verlangen hierfür aber eine Gebühr. Auch bei den gewerblichen anerkannten Schuldnerberatungsstellen wird die Bescheinigung kostenpflichtig sein.

5. Bescheinigung durch Vollstreckungsgericht / Vollstreckungsstelle

Können Sie eine andere, kostenfreie Bescheinigung nicht (rechtzeitig) erlangen, hilft ein Antrag gemäß § 905 ZPO auf eine "ersatzweise Bescheinigung". Ersatzweise deshalb, weil in diesem Fall statt der vorgenannten Stellen das Vollstreckungsgericht bzw. die Vollstreckungsbehörde verpflichtend zuständig und gesetzlich verpflichtet ist, die Erhöhungsbeträge zu bescheinigen.

Voraussetzung für diese Zuständigkeit ist, dass der Kontoinhaber zuvor bei mindestens einer  Stelle (vgl. Punkt 2 und 3) erfolglos versucht hat, eine Bescheinigung zu erhalten. (Bei Überschuldung ist es nach unserer Auffassung nicht zumutbar, eine kostenpflichtige Bescheinigung einholen zu müssen.)

Bei Leistungsbezug muss zusätzlich versucht worden sein, auch bei der leistungsgewährenden Stelle (vgl. Punkt 1) eine Bescheinigung zu erhalten. 

Weist eine dortige Bescheinigung aber nicht alle Erhöhungsbeträge aus, gilt auch dies als "erfolgloser Versuch", da mit einer solchen Teil-Bescheinigung nicht der komplette gesetzlich vorgesehene Freibetrag auf dem P-Konto erreicht werden kann. Der Gesetzgeber wollte die Erlangung des vorgesehenen Pfändungsschutzes vereinfachen und das Existenzminimum auf dem Konto unbürokratisch sichern.

Verlangt das Gericht oder die Vollstreckungsstelle mehr als eine Bestätigung, so bestehen Sie unbedingt auf einem schriftlichen Beschluss und informieren Sie Ihre Verbraucherzentrale oder wenden Sie sich an einen Rechtsanwalt. Das Gericht muss eine Entscheidung treffen, gegen die Sie weitere Schritte unternehmen können. Und das geht nur, wenn Sie die Entscheidung schriftlich haben.

Zuständig für den Antrag ist grundsätzlich das Amtsgericht als Vollstreckungsgericht am Wohnort.

Ist die Kontopfändung jedoch durch einen öffentlichen Gläubiger (zum Beispiel Finanzamt, Stadtkasse, Hauptzollamt) erfolgt, muss der Antrag dort gestellt werden, § 910 ZPO.

Voraussetzung für die Bescheinigung durch Vollstreckungsgericht oder -behörde ist – wie auch bei den anderen bescheinigenden Stellen –, dass die Erhöhungsvoraussetzungen aus den vorgelegten Unterlagen nachvollzogen werden können.

Den Beschluss legen Sie dann Ihrer Bank oder Sparkasse vor, die dann den erhöhten Freibetrag auf Ihrem P-Konto berücksichtigen muss.

Die mit einer Bescheinigung nachgewiesenen Erhöhungsbeträge gelten vom Gesetz als nicht von der Pfändung umfasst und ihre Bank muss sie deshalb zur Verfügung stellen.

Akzeptiert Ihre Bank oder Sparkasse eine vorgelegte Bescheinigung nicht, sollten Sie sich dringend beraten lassen (z.B. bei den Verbraucherzentralen) und ggf. beim Amtsgericht einen Antrag auf einstweilige Verfügung gegen die Bank stellen, um die Erhöhung des Grundfreibetrages bzw. die Auszahlung des Ihnen zustehenden Geldes zu erreichen.

Reichen auch die mit einer Bescheinigung erhöhten Freibeträge nicht aus, Ihr persönliches Existenzminimum zu schützen (weil zum Beispiel Ihr unpfändbares Einkommen tatsächlich höher ist als die Summe der pauschalierten Freibeträge, die man Ihnen bescheinigt hat), können Sie zusätzlich eine weitere Erhöhung des vor Pfändung geschützten Guthabens über das Vollstreckungsgericht oder die vollstreckende Behörde beantragen, § 906 ZPO (3. Schutz-Stufe des P-Kontos) Eine solche individuelle Festsetzung des Freibetrags auf Antrag kann auch erfolgen, wenn bei Zweifeln hinsichtlich bestehender Unterhaltspflichten eine P-Konto-Bescheinigung nicht ohne weiteres ausgestellt werden kann.