Uns läuft die Zeit davon: Wenn der Autoverkehr seinen Anteil zum Klimaschutz leisten soll, stehen drastische Änderungen bevor. Denn wie eine Studie nun belegt, kann das noch verbleibende Treibhausgas-Budget des privaten Autoverkehrs in Europa nur dann eingehalten werden, wenn spätestens in gut zehn Jahren keine Neuwagen mit Verbrennungsmotoren mehr verkauft werden. Und selbst das brächte – ohne zusätzliche Maßnahmen – nur eine Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent, dass das 1,5-Grad-Klimaschutzziel erreicht wird. Während Politiker noch darüber streiten, wie Klimaschutz möglichst verträglich ablaufen könnte, schafft die Natur Fakten. Berechnungen von Klimaforschern zeigen, dass eine Verringerung der Kohlendioxid-Emissionen sehr schnell und deutlich erfolgen muss, um noch genügend Wirkung zu zeigen. Schon jetzt ist das Ziel des Klimagipfels von Paris – die Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen – schon kaum mehr zu erreichen. In jedem Fall ist klar, dass die Menge an Treibhausgasen, die wir noch in die Atmosphäre freisetzen dürfen, begrenzt ist. PKW im BlickEiner der Bereiche, in dem es momentan noch am meisten mit dem Klimaschutz hapert, ist der Verkehr: Während nahezu alle anderen Bereiche ihren Ausstoß an Treibhausgasen seit 1990 gesenkt haben, ist er im Verkehr sogar weiter gestiegen. Damit verbraucht der Verkehr mehr von seinem noch verbleibenden CO2-Budget als er dürfte. Deutschland spielt dabei eine besondere Rolle: In keinem anderen EU-Land fahren so viele private PKW, gut 46 Millionen sind es derzeit. Auch bei den Neuwagenverkäufen sind wir führend. Wie sich der Verkehr in Europa entwickeln müsste, damit er seinen Anteil am Pariser Klimaschutzziel einhält, haben nun Forscher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) im Auftrag von Greenpeace untersucht. Die Wissenschaftler vom DLR-Institut für Fahrzeugkonzepte in Stuttgart haben dazu ermittelt, wie sich PKW-Verkauf und PKW-Flotte verändern müssen, um das Paris-Ziel von 1,5 Grad Erwärmung einzuhalten. Im ersten Szenario gingen sie von einer Erreichungswahrscheinlichkeit dieses Ziels von 50 Prozent aus, im zweiten von 66 Prozent. In beiden Szenarien gehen die Forscher von einem theoretisch verbleibenden CO2-Budget aus, das sie auf Basis des derzeitigen Ausstoßes für den Transportsektor berechnet und auf den privaten Mobilitätssektor heruntergebrochen haben. Budget in fünf bis zehn Jahren erschöpftDie Berechnungen ergaben: Soll der private Autoverkehr in der EU seinen Beitrag zum Klimaschutzziel leisten, darf er im ersten Szenario nur noch 6,0 Gigatonnen CO2 ausstoßen, im zweiten sogar nur noch 3,6 Gigatonnen. „Mit Hilfe der am DLR entwickelten Simulationssoftware VECTOR21 können wir beschreiben, wie sich der Automarkt entwickeln muss, um diese Ziele zu erreichen“, erklärt Bent van den Adel vom DLR. Konkret haben die Wissenschaftler ermittelt, welche und wie viele Neuwagen mit Diesel-, Benzin- oder Hybridantrieben noch verkauft werden dürfen – wenn sich das Fahrverhalten und die Fahrhäufigkeit der Verkehrsteilnehmer nicht grundsätzlich ändert. Das Ergebnis ist wenig ermutigend: In gut zehn Jahren muss Schluss sein mit dem Verbrennungsmotor – zumindest was die Verkäufe von Neuwagen angeht. Denn das 50-Prozent-Szenario wäre nur dann noch erreichbar, wenn ab dem Jahr 2030 keine PKW mit reinem Benzin- oder Dieselantrieb und ab 2037 auch keine Hybridfahrzeuge mit Verbrennungsmotor mehr verkauft werden. Dann würde der Anteil der Fahrzeuge mit konventionellen Antrieben im europäischen Straßenverkehr kontinuierlich zurückgehen, wie die Forscher erklären. Etwa im Jahr 2050 gäbe es dann bis auf wenige Hybridfahrzeuge nur noch alternativ angetriebene PKW auf den Straßen Europas. Umsteigen tut notDas Problem jedoch: Selbst dieser für die Autoindustrie eher erschreckend frühe Ausstieg aus den Verbrennungsmotoren garantiert die Einhaltung des Pariser Klimaschutzziels nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent. Will man dagegen zu zwei Dritteln sicher sein, müsste man noch früher auf Diesel- und Benzinautos verzichten: Es blieben nur gut fünf Jahre Zeit für drastische Maßnahmen, sonst wird das CO2-Budget überschritten. Die letzten Neuwagen mit Diesel- und Benzinantrieb müssten dann bereits im Jahr 2025 verkauft werden, ab 2030 dürfen nur noch komplett emissionsfrei fahrende Autos auf den Markt gebracht werden. Selbst nach Ansicht der Wissenschaftler ist das eher unrealistisch. Umso wichtiger sei es daher, auch das Mobilitätsverhalten umzustellen – beispielsweise indem mehr Menschen auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen. „Der Fokus muss auf geteilter Mobilität wie E-Bussen und Bahnen und nicht dem eigenen Auto liegen“, sagt Benjamin Stephan von Greenpeace. Quelle: Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Greenpeace. Studie zum Download (PDF) Achim Hartmann BMW Group Torsten Seibt Hans-Dieter Seufert Torsten Seibt Bernd Conrad Renault Achim Hartmann Uwe Fischer |