Wer bekommt das Geld von der Bank Wenn ich sterbe?

29.08.2021, 16:40 Uhr

Auf Sparkonten verstorbener Bankkunden schlummern Milliarden Euro – und keiner hebt sie ab. An die Bank fallen kann das Geld nicht

Manch einer dürfte diese Situation kennen: Beim Unterlagen sortieren taucht ein altes Sparbuch auf. Der Besitzer ist verstorben, laut dem letzten Eintrag liegt aber noch Geld auf dem Sparkonto. Solche vergessenen Konten gibt es in Deutschland zuhauf. Banker stufen Konten als „nachrichtenlos“ ein, wenn sie seit mindestens 30 Jahren keinen Kontakt mehr zum Besitzer haben und es ebenso lange keine Umsätze mehr gab.

Wie viel Geld insgesamt auf deutschen Sparkonten schlummert, weiß niemand. Experten schätzen, dass es zwei bis bis Mrd. Euro sind. Viel Geld, das ungenutzt auf der Bank liegt – und das die Kreditinstitute nicht einfach einstreichen dürfen, nicht einmal nach Jahrzehnten. Das liegt an einer Eigenart von Sparkonten: „Sparbücher sind Urkunden, die einen Zahlungsanspruch gegen das Kreditinstitut verbriefen“, erklärt Niels Nauhauser, Finanzexperte bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Im Klartext heißt das: Wer ein Sparbuch in Händen hält, hat Anspruch auf das Geld – egal, ob er der rechtmäßige Erbe des ursprünglichen Besitzers ist oder nicht. Der Sparbuch-Inhaber muss bei der Bank nicht einmal eine Sterbeurkunde oder einen Erbschein vorlegen.

Wer’s findet, darf’s behalten

„Solange keiner das Sparkonto gekündigt hat, kann sich der Antragssteller das Geld jederzeit auszahlen lassen“, erklärt Nauhauser. Ganz nach dem Prinzip: Wer’s findet, darf’s behalten – und zwar inklusive der Zinsen, die seit dem Tod des ursprünglichen Besitzers aufgelaufen sind, aber abzüglich der angefallenen Kontoführungsgebühren. Offiziell müssen Banken das Geld auf vergessenen Konten nach 30 Jahren gegenüber dem Finanzamt als Gewinn verbuchen. Legt jemand nach dieser Frist ein Sparbuch vor, müssen sie das Guthaben aber trotzdem auszahlen.

Wenn Hinterbliebene vergessene Spareinlagen bei einer Bank vermuten, aber keine Dokumente dazu finden, können sie eine Anfrage beim jeweiligen Institut stellen. Achtung: Spüren sie ein Girokonto statt eines Sparkontos auf, müssen sie das Testament des Verstorbenen bei der Bank vorlegen, um das Geld ausgezahlt zu bekommen. Der Antragssteller muss darin als Erbe benannt sein. Gibt es kein eindeutiges Testament, etwa weil die gesetzliche Erbfolge greift, müssen Hinterbliebene einen Erbschein vorlegen.

Da in Deutschland so viel Geld auf vergessenen Konten liegt, fordern Sozialunternehmer des Vereins Social Entrepreneurship Network Deutschland sowie Teile der FDP, sich ein Beispiel an den Briten zu nehmen. Ist dort ein Konto seit 15 Jahren nachrichtenlos, buchen Kreditinstitute das Geld auf eine Förderbank um, wo es sozialen Zwecken zugutekommt. In Großbritannien ist es allerdings deutlicher einfacher als in Deutschland, Konten Verstorbener ausfindig zu machen. Angehörige oder Bekannte können eine kostenlose Suchanfrage an ein zentrales Melderegister stellen. Deutsche Hinterbliebene hingegen müssen im Zweifel mehrere Banken anfragen – und das kann teuer werden. Denn für den Nachforschungsservice dürfen die Institute Gebühren berechnen.

Neben der Organisation der Beerdigung, der Schaltung einer Todesanzeige oder der Benachrichtigung der Freunde ist es wichtig, auch bestimmte Stellen über das Ableben der Person zu informieren. Die wichtigsten führen wir in folgender Checkliste zusammen:

1. Standesamt

Beantragen Sie spätestens am dritten Werktag nach dem (durch einen Arzt festgelegten) Tod des Angehörigen die Sterbeurkunde. Dazu benötigen Sie die Geburtsurkunde und den Personalausweis des Verstorbenen. Bei Verheirateten wird zusätzlich die Eheurkunde, bei Geschiedenen das Scheidungsurteil verlangt. Die Sterbeurkunde brauchen Sie zur Vorlage bei allen folgenden Institutionen.

2. Sparkasse

Überprüfen Sie, welche Daueraufträge geändert bzw. gelöscht werden müssen und ob mögliche Abbuchungen vom Konto gerechtfertigt sind. Wenn Sie keine Vollmacht über das Konto des Verstorbenen besitzen, oder es sich nicht um ein gemeinsames Girokonto handelt, müssen Sie warten, bis die Erbabwicklung  erfolgt ist.

3. Versicherungen

Informieren Sie frühzeitig alle Versicherungsgesellschaften, damit es z. B. bei der Auszahlung von vorhandenen Lebensversicherungen oder Sterbegeldversicherungen keine Schwierigkeiten gibt. Ist der Verstorbene bei einem Unfall ums Leben gekommen und hatte er eine Unfallversicherung, beantragen Sie die Auszahlung der Versicherung.

4. Krankenkasse

Nach Information der Krankenkasse wird der bestehende Vertrag aufgelöst.

5. Arbeitgeber

Stand der Verstorbene in einem Beschäftigungsverhältnis, sollte auch der Arbeitgeber zeitnah informiert werden.

6. Arbeitsamt

War der Verstorbene arbeitslos, geben Sie auch hier Bescheid. Nach dem Tod gezahlte Beträge werden wieder zurückgefordert.

7. Weitere wichtige Tipps

Bestellen Sie gebuchte Leistungen (Haushaltshilfe, mobile Essensversorgung o. ä.) ab. Kündigen Sie gegebenenfalls den Mietvertrag des Verstorbenen.

Achten Sie darauf, dass die Wohnung des Verstorbenen gegen Einbruch geschützt ist. Auch Einbrecher lesen Todesanzeigen und könnten das zum Anlass eines Einbruchs nehmen.

Heben Sie alle Rechnungen, Urkunden und andere Dokumente, die Sie im Zusammenhang mit dem Todesfall erhalten haben, gut auf. Viele Belege werden später noch einmal gebraucht.

Sie möchten ein Konto nach einem Todesfall auflösen? Wir helfen Ihnen gern persönlich weiter.

Ist das nicht Ihre Sparkasse?

Vielen Menschen fällt es schwer, sich schon im Voraus mit schmerzlichen Situationen wie dem möglichen Verlust eines nahestehenden Angehörigen auseinanderzusetzen. Aus diesem Grund werden im Lebensalltag auch Informationen gemieden, die mit diesen Situationen zusammenhängen. Was zum Beispiel geschieht mit dem Bankkonto einer oder eines Verstorbenen, was müssen Hinterbliebene beachten? Der Versicherungsbote hat sich Tipps und Urteile zu dieser doch unbequemen Frage angesehen.

Vieles, das eigentlich einer Aufklärung bedarf, gilt als Tabu-Thema. Dazu zählt nicht nur der mögliche Tod eines nahen Angehörigen. Auch Geld gilt noch immer als eines dieser Tabus, wie in 2015 laut FAZ eine Umfrage zeigte: 63 Prozent der Männer und 64 Prozent der Frauen gaben an, nicht über Finanzthemen zu sprechen. „Über Geld spricht man nicht“ – das reicht mitunter hinein bis in die Finanzangelegenheiten von Familien und Angehörigen.

So erstaunt auch kaum, dass beim Thema „Geld" Ratlosigkeit herrschen kann in einer Trauersituation. Das trifft besonders dann zu, wenn Verstorbene vor ihrem Tod nicht selber finanzielle Angelegenheiten der Hinterbliebenen regeln wollten oder konnten. Hinterbliebene müssen dann nicht nur ihre Trauer bewältigen, sondern auch finanzielle Verpflichtungen des Verstorbenen prüfen oder Verfügungsrechte möglicher Erben klären und nachweisen. Ein erster Weg zur Abwicklung des Nachlasses führt hierbei nicht selten über das Konto eines verstorbenen Menschen.

Das „Nachlasskonto“: Haftungsrisiken für Banken

Jedoch drängt sich die Frage, was bei Bankkonten Verstorbener zu beachten ist, für viele Menschen erst durch einen Trauerfall auf. Ein erster Rat sollte in einer solchen Situation stets beherzigt werden: Die Bank ist möglichst schnell über den Tod des Kontoinhabers zu informieren. Das Konto wird dann zunächst als so genanntes „Nachlasskonto“ geführt, was auch bedeutet: Aufträge des verstorbenen Kontoinhabers, die noch zu Lebzeiten erteilt wurden, werden weiterhin ausgeführt. Kann eine Bank doch in Haftung genommen werden, wenn vorschnell ein Konto aufgelöst wird und Anspruchsberechtigten dadurch Schaden entsteht.

Anschaulich werden Haftungsrisiken der Banken durch ein Urteil des Bundessozialgerichts vom 20.02.2019 (Az. GS 1/18): Demnach haftet eine Bank für „unter Vorbehalt“ erbrachte Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) und damit für Rentenzahlungen, die nach dem Tod des Verstorbenen eingehen. Das gilt selbst dann, wenn zu viel gezahlte Rente an die Erben ausgezahlt wurde und das Konto in der Folge aufgelöst. Geregelt ist dieser „Anspruch auf Rücküberweisung überzahlter Rente“ in Paragraph 118 Abs 3 S 2 des 6. Sozialgesetzbuchs (SGB VI).

Der Paragraph regelt aber auch: Renten, die in dem Monat fällig geworden sind, in dem der Berechtigte verstorben ist, gehen an die Erben über. Erst Renten, die – zum Beispiel durch verspätete Meldung – in den Folgemonaten nach diesem Monat gezahlt werden, müssen rücküberwiesen werden. Noch vor den Erben steht jedoch die Bank in der Haftung, diese Beträge zurückzuüberweisen.

Verfügungs-Recht über ein Konto: Der oft schwierige Nachweis

Dass den Angehörigen unter solchen Bedingungen der Zugriff auf das Bankkonto nicht ohne weiteres gestattet ist, sofern sie nicht bereits selber und allein über das Konto und die volle Summe verfügen dürfen (wie bei manchen Ehekonten), versteht sich von selbst. Stattdessen muss eine entsprechende Verfügungsberechtigung vorliegen.

Einen großen Vorteil haben jene Hinterbliebenen, für die eine verstorbene Person schon vor ihrem Tod alles regeln konnte – zum Beispiel durch eine schriftliche und bei der Bank hinterlegte Kontovollmacht, die über den Tod hinaus Gültigkeit besitzt.

Ist die Verfügbarkeit des Kontos jedoch nicht im Voraus geregelt worden, müssen sich die Hinterbliebenen als berechtigte Erben ausweisen. Der notwendige Nachweis kann über einen Erbschein, einen Erbvertrag oder ein beglaubigtes Testament erfolgen. In der Vergangenheit ließen Banken jedoch häufig nur einen kostenpflichtigen Erbschein als Nachweis gelten und schlossen andere Alternativen durch ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) aus. Auf Erben kamen deswegen hohe Gerichtskosten durch Nachlassgerichte zu. Eine solche Begrenzung aber ist nach einem Urteil des Bundesgerichtshof (BGH) vom 01.12.2013 (Az. XI ZR 401/12) nicht mehr möglich, wie auch der Versicherungsbote berichtete.

Entsprechende Klauseln wurden für unwirksam erklärt. Auch urteilte der Bundesgerichtshof: Der Nachweis der Erben kann auch in anderer Form erbracht werden, zum Beispiel durch ein eröffnetes öffentliches Testament. Besteht dennoch eine Bank auf einen Erbschein, trägt sie nun selber die Kosten durch das Nachlassgericht, wie ein weiteres Urteil des Bundesgerichtshof vom 5. April 2016 zeigt (Az. XI ZR 440/15).

Erbengemeinschaft: Ein Problem für "Streithälse"

Zu einem Problem in der Praxis freilich kann die Verfügbarkeit des Kontos bei einer Erbengemeinschaft werden. Denn nicht nur müssen sich Angehörige als berechtigte Erben ausweisen. Sie müssen sich auch mit weiteren Erben einigen. Eine „Erbengemeinschaft“ liegt vor, wenn mehrere gleichberechtigte Erben über den Nachlassgegenstand und damit über das Konto verfügen dürfen – dann nämlich führt eine Bank nur Anweisungen aus, falls zwischen den Erben Einstimmigkeit herrscht. Die Bank tut dies mit gutem Recht – Paragraph 2040 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gibt vor, dass Erben über einen Nachlassgegenstand „nur gemeinschaftlich verfügen“ können. Berücksichtigt eine Bank oder Sparkasse diese Regel nicht, können erneut Haftungsrisiken für die Bank entstehen, und zwar gegenüber geschädigten Miterben.

Gesetz fordert Einstimmigkeit, bis der verbleibende Erbe-Überschuss feststeht

Vorgaben des Bürgerlichen Gesetzbuchs für Erbengemeinschaften veranschaulicht ein Kommentar zu Paragraph 2039 ff: Hat der Verstorbene zum Beispiel ein Darlehen vergeben und hat nun Rückzahlungsanspruch über eine Summe von 100.000 Euro, ist es keineswegs so, dass jeder von vier Miterben einer Erbengemeinschaft eine Summe von 25.000 Euro einzeln verlangen kann. Vielmehr müssen Nachlassverbindlichkeiten erst im Sinne von Paragraph 2047 BGB korrigiert werden. Das bedeutet konkret: Der Kredit-Schuldner zahlt zunächst den gesamten Betrag an die gesamte Erbengemeinschaft. Berücksichtigt er dies nicht und bezahlt einem Erben zum Beispiel 25.000 Euro aus, geht der Rückzahlende das Risiko ein, den Betrag ein zweites Mal an die Erbengemeinschaft zahlen zu müssen.

Zunächst also fallen der Erbengemeinschaft alle Beträge "zur gesamten Hand" zu. Diese Beträge müssen mit weiteren Zuflüssen, aber auch mit ausstehenden Verbindlichkeiten des Verstorbenen verrechnet werden. Und erst, wenn der Überschuss um diese Nachlassverbindlichkeiten "berichtigt" und bereinigt ist, kann die verbleibende Summe unter den Erben aufgeteilt werden.

Zwar kann eine Erbengemeinschaft von einem solchen Vorgehen abweichen und zum Beispiel schon vorher ermöglichen, dass ein Miterbe über einen Teil seines Erbes verfügen kann. Das jedoch gilt nur, wenn die Erbengemeinschaft dies einstimmig beschließt: Alle vier Erben müssten dem Vorgehen in diesem Fall zustimmen.