Welcher Planet in unserem Sonnensystem ist der Erde am ähnlichsten?

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Astronomie. - Astronomen haben inzwischen mehr als 100 Planeten entdeckt, die fremde Sterne umkreisen. Bisher sind nur sehr massereiche Planeten zu entdecken, die etwa dem Jupiter in unserem Sonnensystem entsprechen - kleine, erdähnliche Planeten entziehen sich den heutigen Suchmethoden. Neue Techniken schaffen vielleicht bald Abhilfe. So denken einige Forscher schon heute darüber nach, ob nicht manche der fernen Planeten prinzipiell bewohnbar sein könnten und Leben - in welcher Form auch immer - beherbergen.

11.03.2003

Von Dirk Lorenzen Nein, eine fremde Erde haben die Astronomen im All noch nicht entdeckt... - aber was wäre wenn...? Lässt sich abschätzen, ob auf einem solchen Planeten prinzipiell Leben möglich wäre? Ja, meint Siegfried Franck, Geophysiker am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung - der Geophysiker arbeitet auch mit möglichen Erden im All und untersucht das Planetensystem um den Stern 47 Ursae maioris:

Viele Wissenschaftler halten dieses System dafür, dass es unserem Sonnensystem am ähnlichsten ist. Es hat einen Zentralstern, der etwa Sonnenmasse hat. Und es hat zwei Riesenplaneten, zwar etwas näher am Zentralstern, aber die ungefähr Jupiter und Saturn entsprechen würden. Die Frage ist nun: Könnte sich innerhalb dieses System ein erdähnlicher Planet befinden, so wie die Erde? Wäre dessen Bahn stabil und wäre er in der so genannten habitablen Zone, das heißt, könnte auf der Oberfläche dieses Planeten auch Leben existieren?

Habitable, also "bewohnbare" Zone heißt vor allem, dass der Planet die richtige Temperatur hat für flüssiges Wasser auf der Oberfläche. Zudem braucht der Planeten eine über Milliarden Jahre stabile Bahn. Dafür muss ein Planet von etwa Erdgröße weit genug von den großen Planeten dieses Systems entfernt sein - andernfalls drängen die Großplaneten die fremde Erde aus der Bahn. Die Berechnungen von Siegfried Franck zeigen, dass ein erdähnlicher Planet bei 47 Ursae maioris eine stabile Bahn hätte, wenn er nicht mehr als eineinviertel mal so weit von seinem Stern entfernt ist wie die Erde von der Sonne. Ob der Planet dort auch in der "habitablen" Zone ist, bestimmt zu allererst sein Stern. Frank:

Es handelt sich um einen Zentralstern, der fast identisch der Sonne ist, aber er ist viel älter - etwa zwei Milliarden Jahre älter. Wir wissen, in diesen zwei Milliarden Jahren, wenn sich unsere Sonne ähnlich verhält, wird ihre Leuchtkraft immer weiter zunehmen. Dadurch verändert sich auch diese habitable Zone. Nach unseren Rechnungen sind die Chancen, dass sich dieser Planet sowohl auf einem stabilen Orbit als auch in der habitablen Zone befindet, zwar nicht ganz gleich Null, aber auch nicht übermäßig groß."

Das Neue am Potsdamer Modell der habitablen Zonen ist, dass es auch den Planeten selbst berücksichtigt. Denn ob es auf einem Planeten Leben geben kann, hängt nicht nur von Temperatur und Bahn des Planeten ab - sondern auch davon, wie viel Land und wie viel Wasser es auf seiner Oberfläche gibt. Frank:

Wir haben untersucht eine Waterworld mit nur 10 Prozent Kontinentfläche und 90 Prozent Ozean und haben das langsam gesteigert bis zu einer so genannten Landworld mit 90 Prozent Kontinente. Wir haben herausgefunden, dass die größten Chancen für einen erdähnlichen Planeten in der habitablen Zone auf einem stabilen Ort für eine so genannte Waterworld bestehen würde.

Zu große Landflächen senken den Kohlendioxid-Gehalt der Atmosphäre, weil Silikate mit dem Kohlendioxid reagieren und es so binden. Dann fehlt es für die Photosynthese. Für einen funktionierenden Kohlenstoffkreislauf setzt Siegfried Franck zudem Plattentektonik voraus: Abtauchende Erdplatten und aufsteigende Lava ermöglichen langfristig einen Austausch von flüchtigen Stoffen zwischen der Atmosphäre und dem tiefen Erdinnern. Frank:

Ein Planet, der die halbe Erdmasse hat oder die doppelte: Verhält der sich genauso wie die Erde. Hat der noch Plattentektonik oder nicht? Das kann noch niemand endgültig beantworten. Selbst in unserem Sonnensystem haben wir die planetare Evolution der Venus und des Mars auch noch nicht richtig verstanden. Hat der Mars zum Beispiel früher mal Plattentektonik gehabt oder nicht und ist er nur schneller ausgekühlt? Da gibt es noch keine eindeutigen Befunde dafür.

Stabile Bahn, richtige Temperatur, genug Wasser, nicht zu viel Land, Plattentektonik - das Leben ist ganz schön wählerisch. Aber bei den Hunderten Milliarden von Sternen allein in unserer Milchstraße werden sich früher oder später schon Planeten in habitablen Zonen finden - und dann hat die irdische Klimafolgenforschung himmlische Anwendungen.

Unser blauer Planet ist etwas ganz besonderes: Er ist der einzige Himmelskörper im Sonnensystem, der flüssiges Wasser auf seiner Oberfläche besitzt. Und flüssiges Wasser ist eine wichtige Voraussetzung für die Existenz von Leben. Kein Wunder also, dass die Erde auch der einzige Planet im Sonnensystem ist, der vor Leben überschäumt.

„Bewohnbare Zone“ oder „Ökosphäre“ nennen die Astrobiologen jenen Bereich um einen Stern, in dem die Strahlung stark genug ist, um Eis zu tauen, aber nicht so stark, dass alles Wasser verdampft. Auf einem Planeten, der in diesem Bereich sein Zentralgestirn umkreist, kann es also flüssiges Wasser geben. Wie groß die Ökosphäre der Sonne genau ist, ist allerdings umstritten. Für die einen Forscher liegt allein die Erde, für die anderen auch Venus und Mars innerhalb des bewohnbaren Bereichs. Tatsächlich ist es denkbar, dass es auf der jungen Venus Meere gab. Und auch der Mars könnte früher eine freundlichere Welt mit Flüssen und Seen gewesen sein. Auf unseren beiden Nachbarplaneten könnte also auch primitives Leben entstanden sein und vielleicht sogar – in den Wolken der Venus oder tief im Marsboden – bis heute überlebt haben.

Und wie sieht es bei anderen Sternen aus? Knapp 350 Planeten haben die Astronomen inzwischen außerhalb unseres Sonnensystems aufgespürt – und die Zahl wächst ständig weiter. Zunächst stießen die Forscher – bedingt durch die verwendeten Methoden – vor allem auf Riesenplaneten in extrem engen Umlaufbahnen. Doch Dank neuer Verfahren und Instrumente finden sie zusehends auch kleinere Planeten auf weiter außen liegenden Bahnen. Der bislang – Stand April 2009 – kleinste Planet Gliese 581e besitzt die 1,9-fache Masse der Erde und um-kreist den 20,5 Lichtjahre entfernten Stern Gliese 581 auf einer sehr engen Bahn und damit nicht in der bewohnbaren Zone.

Gliese 581 hat aber noch drei weitere Planeten, und einer davon, Gliese 581d, zieht seine Bahn im 0,22-fachen Abstand Erde-Sonne. Da Gliese 581 ein kühler Zwergstern ist, liegt der Orbit damit genau in der Ökosphäre. Allerdings hat dieser Planet die siebenfache der Masse der Erde. Die Astronomen vermuten, dass Planeten dieser Größe einen erheblich größeren Wasseranteil aufweisen als erdähnliche Planeten – Gliese 581d könnte also von einem hunderte von Kilometern tiefen Ozean bedeckt sein.

Leben auf Monden

Welcher Planet in unserem Sonnensystem ist der Erde am ähnlichsten?

Eisbedeckt: Jupitermond Europa

Ein weiteres Beispiel für einen Planeten in der bewohnbaren Zone um einen Stern ist HD 28185b. Dieser Himmelskörper hat etwa die sechsfache Masse des Jupiter und kreist ziemlich genau im Abstand Erde-Sonne um einen sonnenähnlichen Stern. Der Riesenplanet selbst ist sicherlich nicht lebensfreundlich. Aber in unserem Sonnensystem begleitet eine große Schar von Monden die großen Planeten Jupiter und Saturn. Wenn das typisch für solche Gasriesen ist, dann könnte auch HD 28185b eine Vielzahl von Monden besitzen. Und viele der großen Monde von Jupiter und Saturn tragen dicke Panzer aus gefrorenem Wasser auf ihrer Oberfläche. In der Ökosphäre wäre dieses Wasser flüssig und die tiefen Meere auf solchen Monden könnten vielleicht freundliche Bedingungen für die Entstehung von Leben bieten.

Monde von Riesenplaneten könnten sogar außerhalb der Ökosphäre lebensfreundliche Bedingungen bieten. Die starken Gezeitenkräfte des großen Planeten kneten das Innere eines Mondes förmlich durch und heizen ihn so von innen auf. Unter dem Eispanzer der Monde könnten es also Ozeane geben. Hinweise auf solche verborgenen Ozeane gibt es in unserem Sonnensystem bei den Jupitermonden Europa, Ganymed und Kallisto, sowie beim Saturnmond Titan. Vielleicht sind also diese Monde die aussichtsreichsten Kandidaten, um in unserem Sonnensystem Leben zu finden.

All diese Betrachtungen zur möglichen Bewohnbarkeit anderer Himmelskörper gehen allerdings von Lebensformen aus, die dem irdischen Leben ähneln – die also auf flüssigem Wasser als Lösungsmittel und Kohlenstoff als zentralem Baustein basieren. Nun ist die Erde bislang die einzige belebte Welt, die wir kennen. Aus einem einzigen Beispiel so weit reichende Folgerungen zu ziehen, könnte sich durchaus als Fehler erweisen. Vielleicht gibt es Lebewesen, die andere Flüssigkeiten als Lösungsmittel nutzen – oder ganz ohne Lösungsmittel auskommen. Vielleicht ist auch eine Biologie möglich, die nicht auf Kohlenstoff, sondern beispielsweise auf Silizium basiert. Für derart fremdartige Lebensformen könnten natürlich auch Planeten, die uns völlig lebensfeindlich erscheinen, bewohnbar sein.