Welche kampfkunst heißt leere hand

Karate ist ein Kampfsport, dessen Ursprünge bis etwas 500 Jahre n.Chr. zurückreichen. Chinesische Mönche, die keine Waffen tragen durften, entwickelten aus gymnastischen Übungen im Lauf der Zeit eine spezielle Kampfkunst zur Selbstverteidigung. Diese Kampfkunst galt auch als Weg der Selbstfindung. Als Sport ist Karate relativ jung: Erst Anfang des letzten Jahrhunderts entstand in Japan aus der traditionellen Kampfkunst ein Kampfsport mit eigenem Regelwerk. 

Auch heute noch spiegelt sich im Karate-Do die fernöstliche Philosophie wider. Übersetzt bedeutet "Karate-Do" soviel wie "der Weg der leeren Hand". Im wörtlichen Sinn heißt das: der Karateka (Karatekämpfer) ist waffenlos, seine Hand ist leer. Das "Kara" (leer) ist aber auch ein ethischer Anspruch. Danach soll der Karateka sein Inneres von negativen Gedanken und Gefühlen befreien, um bei allem, was ihm begegnet, angemessen handeln zu können.

Im Training und im Wettkampf wird dieser hohe ethische Anspruch konkret: Nicht Sieg oder Niederlage sind das eigentliche Ziel, sondern die Entwicklung und Entfaltung der eigenen Persönlichkeit durch Selbstbeherrschung und äußerste Konzentration. Die Achtung des Gegners steht an oberster Stelle.


Leseprobe

1. Einleitung

2. Entstehung des Karate

3. Aufbau einer traditionellen Übungseinheit 3.1. Die Vorbereitung 3.2. Das Kihon 3.3. Die Kata

3.4. Das Kumite

4. Riten 4.1. Das Dôjô - ein Raum der Erleuchtung 4.2. Der Dôgi - ein Begleiter auf dem Weg 4.3. Der Sensei - ein Wegweiser

4.4. Die Meditation - ein Pflasterstein auf dem Weg

5. Zusammenfassung und Ausblick

6. Glossar

7. Verzeichnisse 7.1. Literaturverzeichnis 7.2. Abbildungsverzeichnis

7.3. Tabellenverzeichnis

1. Einleitung

Karate wird in der heutigen Zeit viel mehr zu den Kampfsportarten als zu den Kampfkünsten gezählt. In dieser Arbeit soll „Karate Dô“, was übersetzt „Der Weg der leeren Hand“ bedeutet, nicht als rein sportliche, körperliche Auseinandersetzung mit einem Gegner, sondern als tradi- tionell auf körperlichem Training und Riten basierende Charakterbildung und damit als Kampf- kunst betrachtet werden.

Ursprünglich war Karate kein Kampftraining, denn dies war zur Entstehungszeit auf der Insel Okinawa verboten, sondern eine Leibesertüchtigung. Im Laufe der Entwicklung wurden vor allem zu Beginn des 19. Jahrhunderts durch zahlreiche Meister die Übungseinheiten so geprägt, dass durch die Perfektionierung der Bewegungsabläufe sowohl der Respekt vor sich selbst und dem Gegner als auch die Charakterbildung im Vordergrund steht.

Um herauszustellen, dass Karate nicht als eine körperliche Auseinandersetzung zusehen ist, sondern auf dem Weg der leeren Hand eine Kampfkunst ausgeübt wird, ist die genauere Betrachtung einer traditionellen Übungseinheit notwendig.

Das Begehen des Weges der leeren Hand beinhaltet die richtige Haltung zu sich und dem Gegner zu finden. Unterstützt wird der Karateka durch Riten, die in Verbindung zum (Übungs-) Raum, zur Kleidung, zum Meister und natürlich zum eigentlichen Training, das sogar meditative Züge für den fortgeschrittenen Schüler hat, stehen.

Ziel der Kampfkunst Karate ist es, sich mit seinem Selbst auseinanderzusetzen, den Charakter zu prägen und dadurch das Leben zu meistern.

2. Entstehung des Karate

Durch den folgenden historischen Abriss wird verdeutlicht, dass Karate dem Ursprung nach eine Kampfkunst und daher nicht allein als Kampf oder Sport zu betrachten ist.

Gab es bis zum 14. Jahrhundert keine Aufzeichnungen über die Entwicklung der Kampfkünste, besagen jedoch mündliche Überlieferungen dieser Zeit, dass karateähnliche Künste trainiert wurden. Karate, so wie es in etlichen Kampfkunstschulen unterrichtet wird, hat nach Ansicht Werner Linds [Lin99], dem Gründer des Budo Studien Kreises, seine Wurzeln auf Okinawa, welche zur Inselgruppe der Ryukyu und zur Zeit der Entstehung von Karate ein eigenständiges Königreich war. Zur Stärkung seiner Zentralgewalt und Vermeidung von Revolten verbot König Sho Hashi dem Volk präventiv jeglichen Besitz von Waffen, so dass es in der Folge der Willkür verschiedener Personengruppen, insbesondere Soldaten oder Räubern, ausgesetzt war. Um sich trotzdem gegenüber Räubern und anderen Willkürlichkeiten zu verteidigen, wandten sich viele Okinawer niederer Schichten deshalb vermehrt den Kampfkünsten zu. Die Vermittlung des Kampfsystems fand anfangs im engsten Familienkreis statt. Später suchten sich Meister ausgewählte Schüler - so, wie es heute noch ist.

Zur Besetzungszeit der Samurai Anfang des 17. Jahrhunderts schlossen sich die Menschen zu geheimen „Sekten“ zusammen, die sich in Selbstverteidigung übten. So entwickelte sich in den Städten Naha, Tomari und Shuri jeweils ein eigener nach den Städten benannter (Te-)Stil: Naha-Te, Tomari-Te und Shuri-Te, die genauere Betrachtung würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen.

Erst ab dem Ende des 17. Jahrhunderts sind nach Lind [Lin99] Lehrende der verschiedenen Stile namentlich bekannt, zum Beispiel Sakugawa, Sanaeda und Higaonna.

Mit dem Ende des 19. Jahrhunderts und der Abdankung des Königs von Ryukyu wurde die Inselgruppe offiziell an Japan angegliedert. Dabei kam es nach dem deutschen Karatepionier Albrecht Pflüger [Pfl92] unter anderem zur Gruppierung der oben genannten Kampfstile in so- genannte Ryu (deutsch: Stil, Schule), die größtenteils bis heute überliefert sind und weiter ausgeübt werden.

Etwa 1905 wurde durch den Karate-Meister Itosu das Karate ein Teil des schulischen Unter- richts. Im Curriculum waren grundlegende Bewegungsformen, die sogenannte Kata, vorgese- hen. Im Vordergrund dieser Kata steht seither der gesundheitliche Aspekt wie beispielsweise Bewegung und Atmung. Das Erlernen von Kampftechniken und -methoden wurde verdrängt.

1922 veröffentlichte der Karate-Meister Gichin Funakoshi seinen Karate-Lehrstil, welcher, wie er in seinem Buch „Karate-Do - Mein Weg“ schreibt, unter anderem aus „[…] verschiedenen Stellungen, Kata und Arm- und Beinbewegungen […]“ bestand und bereits klare Abgrenzungen zum Kampf und Sport beinhaltete [Fun93].

Im Laufe der Zeit änderte sich das okinawische Karate durch den Einfluss des japanischen Budô. Das klassische Üben von Bewegungsformen (Kata), das bei Funakoshi im Vordergrund stand, konnte die Japaner nicht ausreichend überzeugen. Funakoshi erkannte, dass nur mit einem sportlichen Aspekt, wie zum Beispiel dem Wettkampf, das Karate in Japan überleben würde. Daraufhin erlaubte er neben dem Bunkai (Anwendungsform der Kata) weitere Formen des Partnerkampfes, dem sogenannten Kumite. Dies gehört bis heute zum festen Bestandteil des Karate-Trainings. Erst im Jahre 1933 wurde die Kampfkunst offiziell in Japan anerkannt.

Um während der Besatzung Japans nach dem Zweiten Weltkrieg Karate lehren zu können, wurde es nicht als Kampfsport sondern als Leibeserziehung angesehen. Zu verdanken war dies Funakoshis Kontakten zu den Ministerien. Amerikanische Besatzer brachten die Übungen schließlich mit in die USA und später nach Europa, wo sich die Anhänger und Schulen rasch vermehrten.

Die japanische Sprache ist trotz der Verbreitung des Karate auf allen Kontinenten auch in den letzten 100 Jahren überall fester Bestandteil des Trainings geblieben. Nach Lübke [Lüb90] ist in vielen Bezeichnungen und Begriffen, aber auch in den Ritualen Japanisch mit seinen kurzen, artikel- und geschlechtlosen Worten allgegenwärtig.

3. Aufbau einer traditionellen Übungseinheit

Grundsätzlich basieren Karate-Übungseinheiten auf den drei großen Bereichen Grundschule (Kapitel 3.2 „Das Kihon“), Bewegungsform (Kapitel 3.3 „Die Kata“) und Kampf (Kapitel 3.4 „Das Kumite“).

Je nach Sensei (deutsch: Lehrer) und den Übenden kann sich der Aufbau einer Übungseinheit unterscheiden. Generell werden Erkenntnisse über die menschliche Physiologie im Bezug auf das Alter und den Gesundheitszustand der Übenden berücksichtigt. In ihrem Werk „Modernes Karate“ vertreten die Verfasser Okazaki und Stricevic [OkS98] die Auffassung, dass das Ge- schlecht keine Grenzen für die Übungseinheiten darstellt. Man findet in den verschiedenen Schulen oder Clubs Trainingsgruppen, die auf das Alter sowie die Graduierung der Schüler abgestimmt sind.

Bevor das Bewegungstraining beginnt, stimmt man sich mit der rituellen Vorbereitung mental ein. Dies ist notwendig, um offen für die angestrebte Perfektion der Bewegungen, das Ein- schätzen eines möglichen Gegners und den Fortschritt auf dem Weg der leeren Hand zu sein.

3.1. Die Vorbereitung

Zur Vorbereitung auf das eigentliche Karate-Training zählt die Aufwärmphase. Diese dient nicht nur der Prävention vor gesundheitlichen Schäden, sondern vielmehr zur geistigen Einstimmung auf den Unterricht. Okazaki und Stricevic vertreten daher auch die Meinung [OkS98], dass die Phase des Aufwärmens den Übenden dabei unterstützt, seinen Körper auf die nachfolgenden Belastungen des Trainings vorzubereiten.

Die Aufwärmübungen bestehen aus einer Kombination von Laufen, Gymnastik und Dehnungsübungen. Die einzelnen Kombinationen sind wiederum abhängig von den Schülern. So besteht das Aufwärmtraining bei Kindern meist eher aus spielerischen Elementen, während sich das Senioren-Training nach dem individuellen Gesundheitszustand richtet.

Nach den bereits genannten Autoren Okazaki und Stricevic erfordert bereits das Aufwärmen „[…] einwandfreie Körperhaltung, Gleichgewicht, Flexibilität, Koordination und geistige Konzentration […]“ [OkS98]. Weiter empfehlen sie:

1. Auswahl von Übungen, die ohne Gefahr einer Verletzung ausgeübt werden können. 2. Auswahl von Übungen für genau die Muskelgruppen, die im späteren Übungseinhei- ten-Verlauf trainiert werden.

3. Sinnvolle Anzahlbegrenzung der Übungen um ein optimales Aufwärmen zu ermöglichen.

Zum Ende der Aufwärmphase folgen im Übergang zum eigentlichen Karate-Training Übungen, die dem Konditions- und Graduierungsstand der Trainierenden entsprechen. Bei Anfängern besteht dieser Teil aus einer hohen Widerholungsrate von einzelnen Grundtechniken und ein- fachen Kombinationen. Die langsame und korrekte Ausführung steht dabei im Vordergrund. Beim fortgeschrittenen Karateka liegt das Hauptaugenmerk auf der schnellen und kraftvollen Ausübung der komplexeren Technikkombinationen, deren Perfektionierung Teil des Weges der leeren Hand ist.

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Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Arbeit zitieren Jeannette Prescher (Autor:in), 2009, "Karate-Do" - Der Weg der leeren Hand, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/173591

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