Welche Bedeutung hat der Gerichtsstand bei einem Kaufvertrag?

Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm vom 27.10.2015 – 28 U 91/15

Ein Käufer, der vom Kaufvertrag eines ihm bereits überlassenen Fahrzeuges zurücktritt, darf die Vertragsrückabwicklung regelmäßig an dem für seinen Wohnsitz zuständigen Amts- oder Landgericht einklagen und ist nicht verpflichtet, den Prozess beim Gericht am Wohn- oder Geschäftssitz des beklagten Verkäufers zu führen.

Der klagende Käufer aus Nordrhein-Westfalen erwarb beim beklagten Verkäufer aus Brandenburg einen Gebrauchtwagen zu einem Kaufpreis von EUR 5.650,00. Nach entsprechender Barzahlung verbrachte der Kläger das Fahrzeug an seinen Wohnort. Hier kam ihm der Verdacht, dass der im Kaufvertrag angegebene Kilometerstand falsch sei und das Fahrzeug tatsächlich eine erheblich höhere Laufleistung aufweise. Noch bevor der Kläger das Fahrzeug auf seinen Namen zuließ, erklärte er gegenüber dem Beklagten den Vertragsrücktritt und verlangte die Rückabwicklung des Kaufvertrages. Die vom Kläger vor dem Landgericht Bielefeld erhobene Klage hatte zunächst keinen Erfolg, weil dieses sich als örtlich unzuständig ansah. Gegen die Entscheidung legte der Kläger Berufung ein.

Das Oberlandesgericht Hamm hob die erstinstanzliche Entscheidung auf und verpflichtete das Landgericht Bielefeld, den Rechtsstreit zu verhandeln und zu entscheiden. In der Hauptsache beantrage der Kläger, ihm den Kaufpreis Zug um Zug gegen die Rückgabe des Fahrzeuges zurückzuzahlen. Diesen Prozess könne der Kläger vor dem für seinen Wohnsitz zuständigen Gericht durchführen. Dort sei der Gerichtsstand des Erfüllungsortes gegeben. Wenn nichts anders vereinbart wird, sei für diesen Gerichtsstand der Ort maßgeblich, an dem der Kaufvertrag im Falle eines zu Recht erklärten Rücktrittes rückabzuwickeln sei. Bei einem Fahrzeugkauf habe ein Käufer nach der Ausübung seines Rücktrittsrechtes keinen uneingeschränkten Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises. Dieser Anspruch sei vom Verkäufer vielmehr nur Zug um Zug gegen Rückgabe des verkauften Fahrzeuges zu erfüllen. Dabei sei der Verkäufer verpflichtet, ein mangelhaftes Fahrzeug dort abzuholen, wo es sich nach der Vorstellung der Vertragsparteien im Zeitpunkt des Vertragsrücktrittes befinde. Das sei im vorliegenden Fall am Wohnsitz des Klägers, weil der Kläger das Fahrzeug dort habe nutzen wollen. Dem stehe nicht entgegen, dass die nach dem Vertrag vorrangig vor einem Rücktritt vom Verkäufer geschuldete Nachbesserung an dessen Betriebs- oder Wohnsitz vorzunehmen gewesen wäre. Das Scheitern einer Nachbesserung sei ggf. eine Rücktrittsvoraussetzung und lasse sich in der Regel erst dann feststellen, wenn der Käufer das Fahrzeug im Anschluss an die Nachbesserung zurückerhalten habe. Vertragsgemäß befinde es sich dann wieder an seinem Wohnsitz.

Fazit: Zu beachten ist jedoch, dass das Oberlandesgericht die Zuständigkeit des Gerichts des zurückgetretenen Klägers daraus herleitet, dass dieser seinen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeuges geltend macht. Das Fahrzeug hat der Beklagte am Wohnsitz des Klägers, nämlich dort, wo das Fahrzeug überwiegend genutzt oder abgestellt wird, abzuholen. Dies entspricht der mittlerweile herrschenden Auffassung in der Rechtsprechung. So hatte zuletzt auch das Oberlandesgericht München (Entscheidung v. 13.01.2014 – 19 U 3721/13) entschieden und ausgeführt, dass im Falle der Klage des Käufers auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgewähr der Kaufsache „Erfüllungsort und damit besonderer Gerichtsstand im Sinne von § 29 Abs. 1 ZPO (Zivilprozessordnung) der Ort [ist], an dem sich die Kaufsache zur Zeit des Rücktritts nach dem Vertrag befindet, da dort die Kaufsache zurück zu gewähren ist. Dies ist bei einer Kaufsache, die zur Fortbewegung bestimmt ist, regelmäßig der Ort, an dem sie nach dem Vertrag überwiegend genutzt oder gewöhnlich abgestellt wird, schon in der Regel also der Wohn- oder Betriebssitz des Käufers“.

Wird aber der Rückzahlungsanspruch nicht mit einem Zug-um-Zug-Antrag auf Rückgabe und Rückübereignung verknüpft, so bestimmt sich der Leistungsort nur nach diesem Anspruch auf Rückzahlung, der am Sitz des Verkäufers gemäß § 269 Abs. 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) zu erfüllen ist. Zuständig ist in diesem Fall also das Gericht am Sitz des Autoverkäufers.

Insofern ist es bereits zur Begründung des Gerichtsstands am Wohnort des Käufers von entscheidender Bedeutung, dass der Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises nur Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs geltend gemacht wird. Zudem kann der Käufer die Rückzahlung des Kaufpreises auch nur gegen Rückgabe des Fahrzeugs verlangen – er kann ja nicht beides behalten. Wird der Klageantrag nicht Zug um Zug gestellt, wird der Käufer mit seiner Klage obendrein teilweise unterliegen, da er mehr verlangt als ihm zusteht und er wird deshalb einen Teil der Kosten tragen müssen.

Ist ein Rechtsstreit unvermeidlich, so stellt sich u.a. auch die Frage, welches Zivilgericht für das Verfahren zuständig ist. Die Zuständigkeit ergibt sich entweder aus dem Gesetz, aus einer Zuständigkeitsvereinbarung oder aus einer richterlichen Zuweisung. Hier sollen vor allem die gesetzlichen Regelungen im Überblick dargestellt werden.  

Bei der sachlichen Zuständigkeit geht es um die Frage, welcher Gerichtstyp erster Instanz für eine Rechtssache zuständig ist, nämlich Bezirksgericht oder Gerichtshof 1. Instanz (Landesgericht). Diese Abgrenzung richtet sich entweder nach dem Gegenstand der Streitsache (Eigenzuständigkeit) oder nach dem Wert des Streitgegenstandes (Wertzuständigkeit), wobei die Eigenzuständigkeit der Wertzuständigkeit stets vorgeht.

Andererseits ist zwischen allgemeiner Gerichtsbarkeit (allgemeine Bezirksgerichte und allgemeine Landesgerichte) und Kausalgerichtsbarkeit  (Handelsgerichtsbarkeit und Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit) zu unterscheiden - mit Auswirkungen auf die Besetzung des Gerichtes: Bei Kausalgerichtsbarkeit mit Berufsrichtern und fachkundigen Laienrichtern. 

Kraft Eigenzuständigkeit (also unabhängig vom Streitwert) sind Bezirksgerichte gemäß § 49 (2) Jurisdiktionsnorm (JN) insbesondere zuständig für familienrechtliche Streitigkeiten (z.B. Ehescheidung), Besitzstörungsstreitigkeiten und Bestandstreitigkeiten über unbewegliche Sachen (Streitigkeiten aus Miet- oder Pachtverträgen, z.B. Mietzinsklage, Räumungsklage bzw. gerichtliche Aufkündigung, Streitigkeiten über verbotene Ablösen). Nach der Wertzuständigkeit sind Rechtssachen bis zu einem Streitwert von EUR 15.000.- vor Bezirksgerichten auszutragen.  

Vor die Landesgerichte gehören alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, welche nicht den Bezirksgerichten zugewiesen sind. Das sind kraft Wertzuständigkeit alle vermögensrechtlichen Streitigkeiten mit einem Streitwert von über EUR 15.000,-, (z.B. Klage auf Kaufpreiszahlung von EUR 30.000.-), sofern sie nicht in die Eigenzuständigkeit des Bezirksgerichtes fallen. Eigenzuständigkeiten des Landesgerichtes finden sich in einigen Sondernormen, wie z.B. für Schadenersatzklagen nach dem Bundesvergabegesetz, für Ansprüche nach dem Datenschutzgesetz, für Amtshaftungssachen bzw. für Klagen von Richtern und gegen Richter. 

Auch innerhalb der in § 51 JN aufgezählten Handelssachen wird zwischen Wertzuständigkeit und Eigenzuständigkeit unterschieden.  Nach der Wertzuständigkeit gehören vor die Handelsgerichte die in § 51 (1) Z 1-8b JN aufgezählten Streitigkeiten, sofern ihr Streitwert EUR 15.000,- übersteigt. Zu den wichtigsten Streitigkeiten, die in diese Wertzuständigkeit fallen, zählen Streitigkeiten aus unternehmensbezogenen Geschäften, wenn die Klage gegen einen im Firmenbuch eingetragenen Unternehmer gerichtet ist und das Geschäft auf Seiten des Beklagten ein unternehmensbezogenes Geschäft ist, Streitigkeiten aus der Veräußerung eines Unternehmens zwischen den Vertragspartnern, Streitigkeiten nach dem Aktiengesetz und GmbH-Gesetz, Wechsel- und Scheckstreitigkeiten sowie Streitigkeiten nach dem Produkthaftungsgesetz.

Kraft Eigenzuständigkeit gehören die in § 51 Abs 2 Z 9-11 JN aufgezählten Streitigkeiten vor die Handelsgerichte, wie vor allem Streitigkeiten wegen unlauteren Wettbewerbs, nach dem Urheberrechtsgesetz und aus dem Schutz und Gebrauch von Erfindungen, Marken und Mustern.

Ein eigenes Bezirksgericht für Handelssachen und ein Handelsgericht bestehen nur in Wien. In den übrigen Bundesländern werden die allgemeinen Landesgerichte „als Handelsgerichte“ (durch die Handelssenate der Landesgerichte) bzw. die allgemeinen Bezirksgerichte „in Handelssachen“ tätig. 

Vor die Arbeits- und Sozialgerichte gehören die in § 50 Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz (ASGG) angeführten Arbeitsrechtssachen (insbesondere bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis) und die in § 65 ASGG angeführten Sozialrechtssachen (insbesondere Rechtsstreitigkeiten über den Bestand bzw. Umfang eines Anspruches auf Versicherungs- oder Pflegegeldleistungen). Ein eigenes Arbeits- und Sozialgericht gibt es nur in Wien. In den übrigen Bundesländern werden die allgemeinen Landesgerichte „als Arbeits- und Sozialgerichte“ tätig.  

Die örtliche Zuständigkeit ist die Zuordnung einer Rechtssache zu einem von mehreren gleichrangigen Gerichten (=Gerichtsstand). Das komplizierte Gerichtsstandssystem der Jurisdiktionsnorm unterscheidet  grundsätzlich zwischen dem allgemeinen Gerichtsstand und den besonderen Gerichtsständen, die sich ihrerseits in ausschließliche und Wahlgerichtsstände unterteilen lassen. Bei den ausschließlichen Gerichtsständen ist wiederum zu differenzieren, ob es sich um einen Zwangsgerichtsstand handelt, der vertraglich nicht abänderbar ist oder aber sehr wohl eine andere Gerichtsstandsvereinbarung zulässt.  

Sofern kein besonderer Gerichtsstand bei einem anderen Gericht begründet wird, ist eine Klage bei jenem sachlich zuständigen Bezirks- oder Landesgericht einzubringen, bei dem der Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand hat.

Der allgemeine Gerichtsstand natürlicher Personen bestimmt sich nach deren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt. Hat der Beklagte mehrere Wohnsitze oder Aufenthaltsorte oder fallen Wohnsitz und Aufenthaltsort nicht zusammen, so kann der Kläger zwischen mehreren allgemeinen Gerichtsständen des Beklagten wählen.

Der allgemeine Gerichtsstand von juristischen Personen und sonstigen parteifähigen Subjekten richtet sich nach ihrem Sitz; das ist im Zweifel der Ort, wo die Verwaltung geführt wird. 

Wie bereits erwähnt, wird bei den besonderen Gerichtsständen zwischen ausschließlichen Gerichtsständen und Wahlgerichtsständen unterschieden.

Die ausschließlichen Gerichtsstände (§§ 76-84 JN) schließen den allgemeinen Gerichtsstand (und auch die Wahlgerichtsstände) aus. Auch ausschließliche Gerichtsstände können weitgehend durch Gerichtsstandsvereinbarungen abgeändert werden. Ausnahmen sind die Zwangsgerichtsstände, die kraft Gesetzes auch durch Parteienvereinbarung nicht geändert werden können.

  • Der in der Praxis wichtigste Zwangsgerichtsstand ist jener für Verbraucher   (§ 14 Konsumentenschutzgesetz (KSchG)): Verbraucher dürfen wegen Erfüllung eines Vertrages mit einem Unternehmer nur beim Gericht ihres Wohnsitzes, Aufenthaltsortes oder Beschäftigungsortes geklagt werden.

    Beispiele für weitere Zwangsgerichtsstände:

  • Gerichtsstand nach § 83 b JN: Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis am sachlich zuständigen Gerichtshof des Unternehmenssitzes.

  • Gerichtsstand nach § 7 (1) ASGG: Sozialrechtssachen - örtliche Zuständigkeit des Gerichtes am allgemeinen Gerichtsstand des Versicherten.

    Beispiele für ausschließliche Gerichtsstände, die keine Zwangsgerichtsstände sind:

  • Gerichtsstand für Streitigkeiten um unbewegliches Gut, für Bestandstreitigkeiten über unbewegliche Sachen (Miet- und Pachtvertragsstreitigkeiten) sowie Besitzstörungsklagen betreffend unbewegliche Sachen, §§ 81-83 JN: Hier ist jenes Gericht zuständig, in dessen Sprengel die Sache liegt.

  • Gerichtsstand für Streitigkeiten in Ehesachen mit einer primären Zuständigkeit des Bezirksgerichtes am (letzten) gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten.

  • Gerichtsstand für Streitigkeiten aus gewerblichem Rechtsschutz und Urheberrecht: Sitz des beklagten Unternehmens

Die Wahlgerichtsstände geben dem Kläger die Möglichkeit, zwischen dem allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten und einem Wahlgerichtsstand zu wählen. Die Jurisdiktionsnorm sieht insgesamt 20 Wahlgerichtsstände vor; dazu kommen noch Wahlgerichtsstände in zahlreichen anderen Gesetzen (z.B. Gerichtsstand des Unfallortes nach dem Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz/EKHG)     .  

Hier sollen nur einige wichtige Wahlgerichtsstände beispielhaft aufgezählt werden:

  • Gerichtsstand der Niederlassung (§ 87 JN): Hat der Beklagte außerhalb seines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes noch eine Niederlassung, so kann er, wenn der Rechtsstreit die Niederlassung betrifft, auch dort geklagt werden.

  • Gerichtsstand des Erfüllungsortes (§ 88 (1) JN): Ist im Vertrag ein Erfüllungsort vereinbart worden, so kann der Beklagte wahlweise auch beim Gericht des Erfüllungsortes geklagt werden (bei Verbrauchern unter der Voraussetzung des § 14 KSchG).

  • Fakturengerichtsstand (§ 88 (2) JN): Der Fakturengerichtsstand ist eine Sonderform des Gerichtsstandes des Erfüllungsortes. Für Klagen zwischen Unternehmern wird dieser auch durch die unbeanstandete Annahme einer spätestens zugleich mit der Ware versendeten Faktura mit entsprechendem Vermerk begründet (Rechnung muss Fakturenklausel enthalten, z.B. „Zahlbar und klagbar in Wien“).

  • Gerichtsstand für Besitzstörungsstreitigkeiten an beweglichem Gut (§ 92 JN): Besitzstörungsklagen können, sofern sie nicht eine unbewegliche Sache betreffen, auch bei dem Gericht eingebracht werden, in dessen Sprengel die Störung erfolgte (Unbewegliche Sachen siehe ausschließliche Gerichtsstände).

  • Gerichtsstand der Schadenszufügung (§ 92a JN): Bei Schadenersatzansprüchen wegen Tötung oder Verletzung einer Person oder Beschädigung einer körperlichen Sache kann die Klage auch beim Schädigungsort eingebracht werden.

  • Gerichtsstand des Vermögens (§ 99 JN): Gegen Personen, die im Inland weder einen allgemeinen Gerichtsstand noch einen ausschließlichen Gerichtsstand haben, kann wegen vermögensrechtlicher Ansprüche bei jedem Gericht geklagt werden, in dessen Sprengel sich Vermögen dieser Personen oder der mit der Klage in Anspruch genommene Gegenstand selbst befindet.

Durch eine Zuständigkeitsvereinbarung können die Parteien unter bestimmten Voraussetzungen die gesetzliche Gerichtszuständigkeit abändern. Die Zuständigkeitsvereinbarung muss sich auf einen bestimmten Rechtsstreit oder auf Streitigkeiten aus einem bestimmten Rechtsverhältnis beziehen. Das vereinbarte Gericht muss entweder bestimmt bezeichnet werden oder bestimmbar sein. Die Vereinbarung hat ausdrücklich zu erfolgen und muss im Bestreitungsfall urkundlich nachgewiesen werden.

Vereinbarungen über die örtliche Gerichtszuständigkeit sind grundsätzlich zulässig, außer wenn eine Zuständigkeitsvereinbarung gesetzlich ausdrücklich ausgeschlossen ist (siehe Zwangsgerichtsstände). Gerichtsstandsvereinbarungen über die sachliche Zuständigkeit sind nur sehr begrenzt möglich, nämlich im Wesentlichen nur im Rahmen der Wertzuständigkeit durch Verschiebung der Zuständigkeit vom Landesgericht zum Bezirksgericht (nicht jedoch umgekehrt!). 

Durch die Regeln der internationalen Zuständigkeit legt der Staat fest, ob eine Rechtssache mit Auslandsbeziehung von einem inländischen Gericht entschieden werden darf.

Zentrale Bedeutung für die internationale Zuständigkeit österreichischer Gerichte kommt der im Verhältnis zu den übrigen EU-Mitgliedstaaten geltenden Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, kurz Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungsverordnung (EuGVVO neu oder Brüssel Ia-VO) zu, die seit 10.1.2015 anwendbar ist. Sie ersetzt die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 (EuGVVO a.F.) Gegenüber der Schweiz, Norwegen und Island ist das Lugano-Übereinkommen (LGVÜ II) relevant. Die EuEhe-VO 2003 (Brüssel IIa-VO) regelt  die internationale Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen.

Achtung:
Die EuGVVO bzw. das Lugano-Übereinkommen (LGVÜ II) gehen dem nationalen Recht vor; sie sind aber nur anwendbar, wenn der Fall eine Auslandsbeziehung aufweist! Die Regelungen der EuGVVO bzw. des LGVÜ II kommen zur Anwendung, wenn keine Gerichtsstandsvereinbarung getroffen wurde oder eine solche gesetzlich gar nicht zulässig ist (z. B. bei Zwangsgerichtsstand).

In erster Linie wird in der EuGVVO bzw. dem Lugano-Übereinkommen die internationale Zuständigkeit geregelt. Zugleich werden aber in zahlreichen Vorschriften auch die örtlich zuständigen Gerichte bestimmt. Ist nur die internationale Zuständigkeit geregelt, richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach dem nationalen Recht. Von der EuGVVO bzw. dem Lugano-Übereinkommen nicht tangiert wird die sachliche Zuständigkeit, diese richtet sich, wie die Verfahrensart, stets nach dem nationalen Recht.  

Der sachliche Anwendungsbereich der EuGVVO umfasst grenzüberschreitende Zivil- und Handelssachen, ausgenommen sind jedoch insbesondere Personenstandsangelegenheiten, die Rechts- und Handlungsfähigkeit bzw. gesetzliche Vertretung natürlicher Personen, das Erbrecht und Ehegüterrecht (siehe EuEheVO), das Insolvenzrecht, sozialversicherungs-rechtliche Angelegenheiten und die Schiedsgerichtsbarkeit.

Abgesehen von einigen Sonderfällen (insb. bei Zwangszuständigkeiten bzw. bei Gerichtsstandsvereinbarungen), ist die EuGVVO grundsätzlich nur dann anzuwenden, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz bzw. Sitz in einem EU-Mitgliedstaat hat; die Staatsangehörigkeit spielt keine Rolle. Eine wesentliche Änderung der neuen EuGVVO brachte die Ausdehnung des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs in Verbraucher- und Arbeitssachen auf Klagen gegen Unternehmer bzw. Arbeitgeber mit Sitz in Drittstaaten.  

Unterschieden wird – wie in der Jurisdiktionsnorm – zwischen dem allgemeinen Gerichtsstand am Wohnsitz bzw. Sitz des Beklagten und parallel dazu „besonderen Zuständigkeiten“, die unseren Wahlgerichtsständen entsprechen. Besondere Bedeutung  hat dabei der Gerichtsstand des Erfüllungsortes der Warenlieferung oder Leistung, weil damit vielfach das Gericht am Wohnsitz/Sitz des Klägers angerufen werden kann: Geht es um die Erfüllung eines Vertrages, kann die Klage vor dem am Erfüllungsort zuständigen Gericht erhoben werden.    

Neben dem allgemeinen Gerichtsstand und den Wahlgerichtsständen gibt es besondere Regelungen für Verbrauchersachen, Versicherungssachen und Arbeitsvertragssachen, die in ihrem Anwendungsbereich den übrigen Bestimmungen weitgehend vorgehen.

Bei Verbrauchergeschäften kann der Verbraucher im Rahmen der EU unter bestimmten Umständen seine Klage nicht nur im Staat des Gewerbetreibenden, sondern auch in seinem Wohnsitzstaat erheben. Durch die EuGVVO neue Fassung steht Verbrauchern der Klägergerichtsstand nun auch gegen jeden drittstaatlichen Unternehmer zu. Der Unternehmer hingegen kann den Verbraucher nur an dessen Wohnsitz-Gerichtsstand klagen.  Näheres siehe Infoblatt „Verträge mit Konsumenten im Ausland“. 

Abweichende Gerichtsstandsvereinbarungen sind nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich, vor allem, wenn die Vereinbarung nach dem Entstehen der Streitigkeit getroffen wird.  

Schließlich gibt es noch die ausschließlichen Zuständigkeiten (Zwangsgerichtsstände), die den übrigen Bestimmungen jedenfalls vorgehen und bei denen es keine abweichende Gerichtsstandsvereinbarung gibt.

Das betrifft insbesondere dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen (z.B. Eigentumsklage, Besitzstörungsklage), Miete und Pacht unbeweglicher Sachen, gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten, Streitigkeiten über die Gültigkeit von Eintragungen in öffentliche Register (Firmenbuch, Grundbuch) bzw. betreffend die Eintragung oder Gültigkeit von gewerblichen Schutzrechten (z.B. Patente, Marken). Hier sollen ausschließlich die Gerichte desjenigen Staates zuständig sein, zu dem die engste sachliche Beziehung besteht, etwa weil die unbewegliche Sache dort gelegen ist, die Gesellschaft dort ihren Sitz hat oder die Registrierung  dort erfolgt ist. 

Die neue EuGVVO erleichtert auch die grenzüberschreitende Vollstreckung einer gerichtlichen Entscheidung eines anderen Mitgliedstaates in Europa, indem die Vollstreckbarerklärung (Exequatur-Verfahren) entfällt.