Geschätzt 16 Millionen Menschen in Deutschland haben Bluthochdruck. Acht Millionen von ihnen wissen das.
Prof. Dr. Stefan Kääb, Kardiologe und Leitender Oberarzt, Poliklinik 1, Klinikum Großhadern, München
Erst dann, wenn es meistens schon zu spät ist – nämlich wenn der Patient zum Beispiel einen Schlaganfall erleidet – offenbart sich der Bluthochdruck.
So wie bei Hans Hümpfner aus Starnberg. Der 69-Jährige hatte vor zehn Jahren einen Schlaganfall, seither nimmt er Blutdrucksenker. Trotzdem hat er drei weitere leichte Schlaganfälle erlitten.
Hans Hümpfner, Patient
Morgens und abends schluckt er jeweils sein Medikament. Aber: Ist diese Aufteilung der Dosierung richtig?
Blutdrucksenker morgens oder abends einnehmen? Hans Hümpfner ist unsicher. Er hat von einer Studie des Wissenschaftlers Dr. Ramón Hermida aus Spanien gehört. Diese empfiehlt: Hypertoniker wie Hümpfner sollten Blutdrucksenker besser abends einnehmen als morgens. Denn: Bluthochdruck während des Schlafs ist für den Körper gefährlicher als Bluthochdruck tagsüber. Wer also abends ein Blutdrucksenker einnimmt, der reduziert das Risiko für Herzinfarkte oder Schlaganfälle deutlich. Die spanische Studie stützt sich auf Daten, die über einen längeren Zeitraum bei etwa 18.000 Teilnehmern gesammelt wurden.
Prof. Martin Middeke vom Hypertoniezentrum München sieht die aktuelle spanische Studie kritisch. Sie bestätige zwar letztlich das, was schon länger bekannt ist, und zwar, dass eine unzureichende Absenkung des Blutdrucks während des Schlafs (nächtliche Hypertonie) mit einem hohen Risiko für Herzkreislauferkrankungen verbunden ist.
Prof. Martin Middeke, Hypertoniezentrum, München
Er weist darauf hin, welche wichtige Rolle die „innere Uhr“ des menschlichen Körpers auch beim Blutdruck hat. Und diese innere Uhr ist von Mensch zu Mensch verschieden - wie der Blutdruck.
Gerade bei älteren Menschen ist der Blutdruck nachts bereits recht niedrig. Eine weitere medikamentöse Blutdruckabsenkung sorgt für Durchblutungsstörungen und kann Organe schädigen.
Blutdruckmessgerät Wann sollte also ein Blutdrucksenker eingenommen werden? Um das herauszufinden, gibt es nur ein zuverlässiges Mittel: die 24-Stunden-Messung, auch ambulantes Blutdruck-Monitoring genannt. Auch Hans Hümpfner aus Starnberg lässt so eine 24-Stunden-Messung jetzt machen. Er muss nun einen Tag lang ein Blutdruckmessgerät mit sich tragen.
Prof. Dr. Stefan Kääb, Kardiologe und Leitender Oberarzt, Poliklinik 1, Klinikum Großhadern, München
Aus den gesammelten Daten zeigt sich dann, welcher Bluthochdruck-Typ man ist – und dementsprechend, wann das Medikamente eingenommen werden muss.
Die meisten Patienten haben einen normalen Tag-Nacht-Rhythmus: Der Blutdruck steigt mit dem Aufstehen an. Mittags sinkt er, dann steigt der Druck wieder. Im Schlaf fällt er stark ab. Ein Medikament bei den als „normal dippern“ bezeichneten Patienten am Morgen reicht aus.
Es gibt aber Patienten, deren Blutdruck tagsüber und nachts zu hoch ist. Diese „inverted dipper“ müssen morgens und abends zum Blutdruckmittel greifen.
Patienten mit nächtlicher Hypertonie brauchen dagegen nur abends ein Medikament. Denn bei diesen „non-dippern“ ist der Blutdruck während des Schlafs sehr hoch, tagsüber dagegen im Normbereich.
Eine abendliche Medikation wäre dagegen für „extreme dipper“ fatal: sie haben tagsüber Bluthochdruck. Aber beim nächtlichen Schlaf ist der Druck extrem niedrig – ein zusätzlicher Blutdrucksenker am Abend stört die Durchblutung und schädigt Organe.
Der Grenzwert für Bluthochdruck liegt bei 135 zu 85. Bei Hans Hümpfner hat die 24-Stunden-Messung Erfreuliches ergeben: Er hat einen durchschnittlichen Blutdruck von 125 zu 76 – und mit der medikamentösen Behandlung morgens und abends alles richtig gemacht.
Die 24-Stunden-Messung sollten Bluthochdruck-Patienten einmal im Jahr machen und auch regelmäßig daheim ihren Blutdruck selbst überprüfen. Denn nur die regelmäßige Kontrolle kann vor schweren Schäden sowie Herzinfarkten und Schlaganfällen schützen.
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