Was ist der unterschied zwischen wahn und halluzination

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Was ist der unterschied zwischen wahn und halluzination

Eine Wahnvorstellung ist eine unangemessene und falsche Interpretation der Umwelt, auf der die betroffene Person beharrt. Wahnvorstellungen können ganz verschiedene Inhalte haben. Die möglichen Ursachen reichen von Drogenkonsum bzw. -entzug über körperliche Krankheiten bis zu psychiatrischen Erkrankungen.

Zuletzt bearbeitet: 27. März 2020Zuletzt revidiert: 25. März 2020

Eine Wahnvorstellung bezeichnet eine Fehlbeurteilung der realen Umwelt, auf der die betroffene Person beharrt. Wahnvorstellungen können ganz verschiedene Inhalte haben, fallen aber oft in bestimmte Gruppen, z. B.:

  • Verfolgungswahn (Überzeugung, von jemandem verfolgt zu werden)
  • Eifersuchtswahn (Überzeugung, die Partnerin/der Partner würde einen betrügen)
  • Größenwahn (Überzeugung, man sei auserwählt und habe übermäßig Großes vollbracht)
  • Liebeswahn (Überzeugung, eine andere Person sei in einen verliebt)
  • körperbezogener Wahn (z. B. Überzeugung, missgestaltet zu sein)
  • Auch umfassende Erinnerungsfehlinterpretationen werden zum Wahn gerechnet (umfassende Déja-vu-Erlebnisse). 

Zudem unterscheiden Ärzte bei Wahnvorstellungen folgende Eigenschaften der Wahnideen:

  • Bizarre Wahninhalte sind überhaupt nicht mit der Realität vereinbar (z. B. die Vorstellung, fremde Mächte hätten ein Abhörgerät in den Schädel der betroffenen Person implantiert); nicht bizarre Vorstellungen entsprechen zwar nicht der Realität der Betroffenen, wären aber grundsätzlich möglich.
  • Glaubt ein Mensch, der an Depressionen leidet, wahnhaft unheilbar krank zu sein, ist dies ein stimmungskongruenter (passender) Wahn. Eine stimmungsinkongruente Idee bei Depression wäre die Vorstellung, etwas unglaublich Hilfreiches erfunden zu haben. Letzteres würde zu einer Manie „passen“.

Zu unterscheiden ist die Wahnvorstellung von ähnlich scheinenden Symptomen, wie:

  • Halluzinationen, bei denen es zu Wahrnehmungsstörungen kommt und bei der die betroffene Person beispielsweise Dinge hört oder sieht, die nicht vorhanden sind.
  • Verwirrtheit, also eine fehlende Orientierung bzgl. der Person, der Zeit und/oder des Raums
  • Depersonalisation, also dem Gefühl, die eigene Person, Gedanken, Gefühle etc. seien fremd.
  • Auch „magisches“ Denken, wie es in manchen Religionen vorkommt, und manchen Menschen zugeschrieben wird, oder auch bei Kindern vorkommt.

Wahnvorstellungen treten begleitend oder als eines der wichtigsten Symptome bei mehreren Krankheiten auf, beispielsweise Demenz, Delirium, Schizophrenie, Psychosen, auch bei Angststörungen oder posttraumatischer Belastungsstörung, Entwicklungsstörungen, Zuständen geistiger Verwirrung oder auch bei manchen Organkrankheiten.

Laut Studien lassen sich bei 1–8 % der Bevölkerung wahnhafte Symptome und bei 10–15 % einzelne Wahnideen feststellen.

Zahlen zur Häufigkeit sind jedoch schwierig zu erheben, weil zum einen ein recht großer Anteil gesunder Menschen an Ideen festhält, die wahnhaft wirken (etwa der Glaube an Geister) und zum anderen die Grenze zwischen „normalen“ Vorstellungen und Wahnideen fließend sein kann. Außerdem ist Wahn in der Gesellschaft negativ besetzt, weswegen manche Betroffene ihre Wahnideen nicht berichten.

Wahnvorstellungen sind eines der Kernsymptome psychiatrischer Krankheiten, können aber auch bei verschiedenen anderen Erkrankungen vorkommen. Wahn ist dabei das Hauptsymptom einer Psychose (hierzu gehört v. a. die Schizophrenie); gleichzeitig können auch Halluzinationen und/oder Denkstörungen vorliegen. Wahnvorstellungen ohne Vorliegen einer Medikamenten-/Drogenvergiftung oder einer körperlichen Krankheit sprechen für eine primäre Psychose, ansonsten liegt eine sekundäre Psychose vor (hier sind die Symptome also Folge einer körperlichen Krankheit).

Neben den anhaltenden psychotischen Krankheiten gibt es auch die Diagnose der akuten vorübergehenden psychotischen Störung, bei der die Symptome definitionsgemäß kürzer als 3 Monate anhalten.

  • Demenz
    • Es werden verschiedene Arten von Demenz unterschieden, unter denen die Alzheimer-Krankheit am häufigsten vorkommt.
    • Die Krankheit tritt bei älteren Personen auf, manchmal aber bereits im Alter von 50 oder 60 Jahren.
    • Aufgrund von degenerativen Schäden der Nervenzellen im Gehirn reduzieren sich allmählich die geistigen Fähigkeiten, und das Erinnerungsvermögen schwindet.
    • Frühe Anzeichen sind Antriebslosigkeit, Verlust der Arbeitsfreude, das Vernachlässigen von Routinetätigkeiten und zunehmende Vergesslichkeit.
    • Spätere Anzeichen sind abnehmendes Konzentrationsvermögen, mangelnde Fähigkeit zur Gesprächsteilnahme, Wiederholungen in Sprache, Verhalten und Gedanken und die Tatsache, dass Unwesentliches übermäßig große Sorgen bereitet.
    • Wahnvorstellungen können vorkommen, spielen aber für die eigentliche Diagnosestellung keine Rolle.
    • Der Wachheitsgrad wird nicht beeinträchtigt.
  • Schizophrenie
    • Es kommt zu einem grundlegenden Wandel im Denken und bei der Wahrnehmung der Realität und oft auch zu emotionalen Veränderungen.
    • Typische Anzeichen von Schizophrenie sind Gedankenlautwerden (die Betroffenen haben das Gefühl, die Gedanken zu hören), Gedankeneingebung oder Gedankenentzug (sie/er hat das Gefühl, von außen Gedanken eingegeben oder entzogen zu bekommen), Gedankenausbreitung, Wahnvorstellungen, akustische Halluzinationen in Form von Stimmen, mit denen die Patienten in der dritten Person diskutieren, sowie Denkstörungen und sogenannte negative Symptome (Antriebslosigkeit, wenig Emotionen u. a.).
  • Wahnhafte Störung
    • Die Krankheit ist durch die Entwicklung einer einzelnen Wahnvorstellung oder einer Reihe verwandter Wahnvorstellungen gekennzeichnet.
    • Die Inhalte der Wahnvorstellungen sind sehr unterschiedlich, häufige Themen sind jedoch Verfolgung, Eifersucht, Vergiftungen, Infektionen, dass eine Person einem Schlechtes will oder dass man von einer schweren körperlichen Erkrankung befallen ist.
  • Delirium tremens
    • Dies tritt normalerweise als Komplikation bei einer abrupten Abstinenz nach einem längeren Zeitraum übermäßigen Alkoholkonsums auf.
    • akute Verwirrungszustände mit Desorientiertheit, Denkstörungen, Halluzinationen
    • Es treten starke körperliche Symptome wie Zittern, Schwitzen, Übelkeit, Erbrechen, Angst, Reizbarkeit und Schlaflosigkeit auf.
    • hohe Herzfrequenz, Bluthochdruck, erweiterte Pupillen, Schwitzen; potenziell lebensgefährlich
    • Die durchschnittliche Dauer beträgt 1 Woche; es gibt lindernde Therapien.
  • Depression
    • Die Patienten sind anfangs schwer depressiv und gelegentlich treten Symptome wie Wahnvorstellungen auf.
    • Oft sind die Wahnvorstellungen Symptome einer Depression, d. h. sie handeln von negativen, pessimistischen Dingen wie Schuld, einer kommenden Katastrophe oder davon, dass man ruiniert ist oder ganz allein und ungeliebt.
  • Manie mit psychotischen Symptomen
    • Die Stimmungslage ist euphorisch, die Betroffenen erleben oft eine nahezu unkontrollierbare Hochstimmung.
    • Diese Hochstimmung wird begleitet von erhöhter Energie, was zu Überaktivität, beschleunigtem Rede- und Gedankenfluss und verringertem Schlafbedürfnis führt.
    • Die Person kann sich nicht konzentrieren und ist leicht abgelenkt.
    • Das Selbstwertgefühl ist oft überhöht, die Patienten sind überzeugt, die Welt gerettet oder unglaubliche Erfindungen gemacht zu haben und Ähnliches.
    • Der Verlust der normalen sozialen Hemmungen kann zu Verhaltensweisen führen, die leichtfertig, tollkühn, unangemessen und atypisch für die Person sind (Kaufrausch, Intimität mit praktisch fremden Personen).
    • Wahnvorstellungen (üblicherweise überaus positive Vorstellungen) oder Halluzinationen (normalerweise Stimmen, die direkt mit den Patienten sprechen) können ebenso auftreten.
  • Weitere psychische Störungen
  • Enzephalitis
    • Enzephalitis bezeichnet eine Entzündung des Gehirns, meist durch den Befall mit Bakterien, Viren oder anderen Erregern.
    • Sie ist eine sehr seltene Ursache von Wahnvorstellungen.
    • Die häufigsten Symptome sind Fieber, Kopfschmerzen, epileptische Anfälle und Verwirrtheit.
    • Lähmungen, Sprechstörungen und Gangstörungen können ebenso auftreten.
  • Hirntumor 
    • Erstes Auftreten meist mit anderen Symptomen und Anzeichen.
    • Die Symptome variieren in Abhängigkeit davon, wo der Tumor im Gehirn lokalisiert ist, wobei eines oder mehrere der folgenden Symptome auftreten können: Kopfschmerzen, die nachts und im Liegen besonders ausgeprägt sind, Übelkeit und Erbrechen, Sehstörungen, epileptische Anfälle, Sprech- und Bewegungsschwierigkeiten, auffällig starke Müdigkeit und psychische Veränderungen.
  • Weitere Ursachen
    • andere infektiöse/entzündliche Krankheiten des Gehirns bzw. Nervensystem, wie Neuroborreliose, multiple Sklerose, Hirnblutungen, starke Hirnverletzungen
    • Sehr hohes Fieber bei Infektion/Blutvergiftung kann zu vorübergehenden Wahnvorstellungen führen.
    • Organversagen (Herz, Leber, Niere).
    • manche genetisch bedingten Krankheiten

Als Angehöriger ist es hilfreich, sich möglichst ruhig zu verhalten und zu versuchen, die Person ebenfalls zu beruhigen und sich um sie zu kümmern. Selten ist es eine gute Idee, den Wahrheitsgehalt der Wahnvorstellungen der betroffenen Person zu diskutieren.

Patienten mit Wahnvorstellungen leiden oft auch an anderen Beschwerden wie depressive Stimmung, Schlafstörungen, psychosomatische Symptome. Aufgrund dieser Beschwerden möchten die Patienten möglicherweise zum Arzt gehen, während aus ihrer Sicht die Wahnvorstellungen eher kein Problem sind.

Wahnvorstellungen treten am häufigsten vor dem Hintergrund einer Krankheit auf, die eine Behandlung erfordert. In vielen Fällen besitzen die Kranken keine Einsicht, dass es sich um eine Wahnvorstellung als Teil einer schweren Krankheit handelt, und lassen sich daher schlecht davon überzeugen, dass eine Untersuchung oder Therapie notwendig ist.

Die Patienten stellen gelegentlich eine Gefahr für sich selbst und manchmal auch für andere dar. Häufig fällt der Familie oder Freunden das veränderte Verhalten der betroffenen Person auf, und sie raten zu einer Vorstellung beim Arzt. Ist dies nicht der Fall, erhalten Betroffene oft gar keine oder sehr verspätet eine geeignete Therapie.

Wahnvorstellungen sind sehr oft Anzeichen einer schweren psychischen oder körperlichen Erkrankung; es ist eine rasche ärztliche Untersuchung und Behandlung zu empfehlen.

  • Wann sind die Symptome erstmals aufgetreten?
  • Wie haben sich die Symptome entwickelt?
  • Gab es zuvor ähnliche Symptome?
  • Haben Sie andere Krankheiten?
  • Nehmen Sie regelmäßig Medikamente ein?
  • Können die Symptome durch Abstinenz im Anschluss an eine lange Zeit des Alkoholmissbrauchs verursacht sein?
  • Waren Sie kurz vor dem Auftreten der Symptome extremen psychischen/körperlichen Belastungen ausgesetzt?
  • Waren Sie deprimiert, bevor die derzeitigen Beschwerden aufgetreten sind?
  • Haben Sie sich möglicherweise selbst eine Vergiftung zugefügt? Nehmen Sie Rauschmittel?

Teil einer Routineuntersuchung ist auch eine körperliche (insbesondere auch neurologische) Untersuchung, um eine zugrunde liegende körperliche Erkrankung auszuschließen.

Möglicherweise verordnet die Ärztin/der Arzt mehrere Blutuntersuchungen oder auch bildgebende Verfahren (Ultraschall, Röntgen etc.). Oftmals eine Computertomografie oder Kernspintomografie des Gehirns erstellt, um neurologische Erkrankungen auszuschließen.

Ob jemand mit einer Wahnvorstellung eine Therapie benötigt, hängt von der Art und Schwere des Wahns, dem Vorliegen weiterer Symptome, dem Risiko einer Eigen-/Fremdgefährdung und davon ab, wie stark die Symptome die Patienten in ihrem Alltag beeinträchtigen.

Akute aufgetretene Wahnvorstellungen erfordern in vielen Fällen eine rasche Einweisung ins Krankenhaus, um die Ursache der Symptome zu finden und den Patienten die erforderliche Behandlung zukommen zu lassen.

Handelt es sich um eine körperliche Ursache (Delir, Demenz, Störungen der Schilddrüsenfunktion, Leber-/Nierenkrankheiten etc.), so wird die Therapie auf diese Krankheiten abzielen. Die Wahnvorstellungen nehmen dann im Verlauf der Behandlung ab oder vergehen vollständig.

Ist eine psychische Krankheit die Ursache, so ist Ziel der Therapie, die genaue zugrunde liegende Krankheit mit Medikamenten und/oder einer Psychotherapie sowie weiteren unterstützenden Verfahren zu behandeln. Dies gelingt je nach Störung unterschiedlich gut. Bei einigen Patienten bleibt es bei dem einmaligen Ereignis, bei anderen wiederholen sich solche Symptome oder werden sogar chronisch.

  • Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
  • Susanne Meinrenken, Dr. med., Bremen

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Wahnvorstellungen. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

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