Warum feiern die orthodoxen Weihnachten im Januar?

Nicht alle Christen feiern am 25. Dezember – aber irgendwie eben doch

Orthodoxe Christen pflegen andere Weihnachtsrituale als römisch-katholische. Hier erfahren Sie, welche und warum.

Chiara Z'Graggen 20.12.2021, 23.01 Uhr

Archivbild: Boris Bürgisser (Triengen, 13. Januar 2013)

In drei Tagen erstrahlen wie jedes Jahr zig Kinderaugen vor dem Weihnachtsbaum, bevor nach schief gesungenen Weihnachtsliedern wie «Oh du fröhliche» oder «Oh Tannenbaum» die Weihnachtsgeschenke ausgepackt werden. Kinder russisch- oder serbisch-orthodoxer Eltern müssen sich jedoch noch zwei Wochen länger gedulden, denn: Diese feiern das Weihnachtsfest erst am 7. Januar. Zumindest in den Augen derer, die nach dem weltlichen Kalender leben. Die Erklärung dazu liefert Stefanos Athanasiou, griechisch-orthodoxer Priester und Dozent für orthodoxe Theologie: «Eigentlich feiern diese orthodoxe Christen und Christinnen auch am 25. Dezember Weihnachten, aber mit dem alten Kalender.»

In der Zentralschweiz gibt es die serbisch-orthodoxe Kirche seit 1988. Laut der Universität Luzern gibt es rund 22'000 Gläubige in der Zentralschweiz. 

Die Universität schreibt, dass es ungefähr 2000 Eritreer in Luzern gibt, die Mehrheit von ihnen seien eritreisch-orthodox. Die eritreisch-orthodoxe Kirche als eigenständige christliche altorientalische Glaubensgemeinschaft.

In der Schweiz leben rund 13'000 griechisch-orthodoxe Gläubige. Genauere Zahlen gibt es laut Website nicht.

Seit 2010 gibt es eine mazedonisch-orthodoxe Kirche in Triengen, die zugleich das Schweizer Zentrum für Gläubige dieser Strömung mit rund 15'000 Mitgliedern in der Schweiz bildet.

Die rumänisch-orthodoxe Kirche ist mit weltweit rund 20 Millionen Mitgliedern weltweit die zweitgrösste innerhalb der orthodoxen Kirchen. Seit 1998 gehören die in der Schweiz lebenden Rumänen der Metropolie mit Sitz in Paris an. In Luzern besteht die Kirchengemeinde «Nasterea Maicii Domnului» (Mariä Geburt).

Es gibt keine russisch-orthodoxe Kirchgemeinde im Raum Zentralschweiz.

Doch was heisst das genau? Die Diskrepanz geht zurück auf die Kalenderreform vor über 400 Jahren. Bis 1582 galt nämlich der julianische Kalender, benannt nach dem römischen Kaiser Julius Cäsar. Dieser wies Fehler auf, weshalb Papst Georg einen neuen erliess und ihn sogleich nach sich benannte. Gemäss Athanasiou haben die römisch-katholischen Gebiete dies sofort akzeptiert, aber: «Die orthodoxen Kirchen und somit die Gebiete, in denen sie am zahlreichsten vertreten waren, haben die Reform nicht angenommen.» 1926 zogen dann die orthodoxen Kirchen, wie etwa die griechisch-orthodoxe, nach. Aber: Serbisch-orthodoxe und russisch-orthodoxe Kirchenmitglieder leben noch heute nach dem Kalender des vor über 2000 Jahren ermordeten römischen Kaisers.

Orthodoxe Weihnachten: Fasten vor Weihnachten

Gibt es denn weitere Unterschiede zwischen der römisch-katholischen und der orthodoxen Weihnachtsfeierlichkeiten? Ja, etwa bezüglich der Weihnachtsmesse. «Die Messe der römisch-katholischen Kirche, die jeweils abends stattfindet, wird in der orthodoxen Kirche traditionell frühmorgens gegen 5 Uhr gefeiert», erklärt Stefanos Athanasiou.

Weitaus weiter geht die Schere auseinander bei der Vorbereitung aufs Fest. Wie der griechisch-orthodoxe Priester erzählt, fasten Orthodoxe vor Weihnachten. Dies ist für die Gläubigen eine Periode des Zurückziehens im Sinne des spirituellen Lebens des Menschen. «Heute ist die Vorweihnachtszeit vor allem die Zeit des Konsums, was dem Gegenteil des ursprünglichen Sinnes entspricht.» Die Beginn der Fastenzeit bildet der 11. November, auch bekannt als Fasnachtsbeginn. Von daher stammt überdies der Name Carnevale – also fehlendes Fleisch.

Auf das Fasten folgt die 12-tägige Feier

Alsbald das Fest beginnt, dauert es dann gegen zwei Wochen. Alle orthodoxen Kirchen kennen das sogenannte Dodekaemeron – eine 12-tägige Feier. Sie beginnt nach dem 25. Dezember und dauert bis 5. Januar, dem Vorfest der Epiphanie, also der Erscheinung des Herrn.

Dr. Stefanos Athanasiou (40) ist griechisch-orthodoxer Priester und arbeitet an verschiedenen Hochschulen und Universitäten; so hat er einen Lehrauftrag der orthodoxen Theologie an der Hochschule Chur und einen Lehrauftrag im Bereich der Theologie der Ostkirchen an Universität Fribourg. Zudem ist er Dozent für Orthodoxe Theologie und Lehre am Departement für Kultur und Theologie der Logos Universität Tirana. Seit 2019 schreibt er an einer zweiten Promotionsarbeit an der Medizinischen Fakultät der Universität Zürich am Institut für Biomedizinische Ethik und beschäftigt sich mit der ethischen Grundvoraussetzung der Nutzung von Künstlicher Intelligenz in der Medizin. (zgc)

Ein weiterer spannender Fakt ist, dass Orthodoxe gewisse Feste feiern, jedoch aus einem anderen Grund als Römisch-katholische. «Am Stephanstag wird beispielsweise Maria gedacht. Der erste Januar ist der Festtag des Heiligen Basilios des Grossen. Am selben Tag wird noch etwas anderem gedacht, erzählt Athanasiou: «Am diesem Tag gedenkt die orthodoxe Kirche der Beschneidung Jesu Christi.»

Der 6. Januar, der Tag der Epiphanie, ist auch verschieden. Dort gedenken orthodoxe Kirchen Christi Taufe im Jordan. Genau wie Christus mit seiner Taufe die gesamte Schöpfung gesegnet hat, werden zum Gedenken zu diesem Ereignis die Wasser gesegnet – es gibt eine Prozession zu den Flüssen, Seen und zum Meer, dann wird dort ein Holzkreuz drei Mal ins Wasser geworfen. Auch in der Schweiz gibt es diese Tradition bei den Orthodoxen.

Christian Glaus 30.03.2020

Warum feiern die orthodoxen Weihnachten im Januar?

Tawadros II. (der Mann im goldfarbenen Gewand) ist der koptisch-orthodoxe Papst. Hier leitet er die Weihnachts-Messe in Kairo. (Foto: dpa)

Die Weihnachtsstimmung ist weg: Die Geschenke  sind ins Regal sortiert, die Plätzchen gegessen. Für manche Menschen beginnt Weihnachten aber erst jetzt. Denn die meisten orthodoxen Christen feiern Jesu Geburt am 7. Januar. Ihr Heiligabend war am 6. Januar. Warum so spät? Und was sind orthodoxe Christen?

Das Christentum entsteht

Warum feiern die orthodoxen Weihnachten im Januar?

So soll Kaiser Konstantin ausgesehen haben. (Foto: dpa)

Die christliche Religion geht auf Jesus zurück, der vor 2000 Jahren in Palästina lebte. Das Land gehörte – wie fast ganz Süd- und Westeuropa – zum Römischen Reich, das vom Kaiser in Rom regiert wurde. Am Anfang gab es nur wenige Christen, sie wurden verfolgt. Das änderte sich mit dem römischen Kaiser Konstantin. Er regierte von 306 bis 337 und machte die christliche Kirche wichtig. Konstantin gründete eine zweite Hauptstadt neben Rom. Er nannte sie Konstantinopel.  Heute heißt die Stadt Istanbul und liegt in der Türkei. Nach und nach zerfiel das riesige Römische Reich in einen Ostteil und einen Westteil. Die Hauptstädte waren Rom und Konstantinopel. Auch die Kirchen in beiden Teilen machten immer mehr ihr eigenes Ding.

Die Kirchen trennen sich

Im Jahr 1054 gab es so großen Streit in der Kirche, dass es zur Spaltung zwischen der römisch-katholischen Kirche im Westen und der Ostkirche kam, die später als „orthodoxe“ (rechtgläubige) bezeichnet wurde. Orthodoxe Christen leben hauptsächlich in Griechenland, Russland oder Bulgarien, einige auch in Deutschland. In fast jedem Land haben die orthodoxen Christen ein eigenes Oberhaupt. Im Westen kam es 500 Jahre nach der Abspaltung der orthodoxen Kirche zu  einer weiteren Trennung: nämlich zwischen Katholiken und Protestanten. Der Papst in Rom ist übrigens das Oberhaupt aller Katholiken.

Spätes  Weihnachtsfest

Warum feiern die orthodoxen Weihnachten im Januar?

Im Gottesdienst wird auch bei den Orthodoxen gesungen. (Foto: dpa)

In Deutschland leben wir heute nach dem gregorianischen Kalender. Schon die alten Römer hatten einen Kalender – doch darin war die Dauer eines Jahres nicht exakt berechnet. Deswegen begann im Jahr 1582 der Frühling laut Kalender zehn Tage zu früh.

Also beschloss ein Papst mit Namen Gregor, den Kalender zu korrigieren. Er übersprang einige Tage und führte eine neue Regelung für das Schaltjahr ein. Nach und nach übernahmen die meisten Länder seinen gregorianischen Kalender. Bei den orthodoxen Christen ist es aber ein bisschen chaotisch: Die meisten orthodoxen Christen in Griechenland feiern nach unserem Kalender am 25. Dezember Weihnachten. Die Orthodoxen in Russland richten sich aber nach dem alten Kalender – und laut diesem findet Weihnachten erst am 7. Januar statt.

Feiern in Russland

Viele Jahre lang durften die Christen in Russland eigentlich gar nicht Weihnachten feiern. Das war unter der Herrschaft der Kommunisten in der sogenannten Sowjetunion. Das war ein riesiger Staat, zu dem Russland und viele Länder Osteuropas gehörten. Mit Religion hatten die Mächtigen nichts im Sinn. Deswegen beschenken sich viele Russen heute  an Silvester.

Seit dem Ende der Sowjetunion vor 25 Jahren haben Kinder und Erwachsene an den Weihnachtstagen im Januar frei und dürfen feiern. Die orthodoxen Christen freuen sich dann vor allem auf gutes Essen (Geschenke gab es ja schon an Silvester). Denn 40 Tage vor Weihnachten beginnen sie zu fasten und dürfen kein Fleisch, keine Milch oder keinen Käse essen. Der Gottesdienst an Heiligabend ist anders aufgebaut als bei uns. Er ist voller Symbole. Es gibt feierliche Gesänge und Weihrauch. Das Ganze dauert – wie alle orthodoxen Gottesdienste – mehrere Stunden.

Von Angela Sommersberg