Warum braucht der Körper nachts Energie

Berlin, 19.03.2021 - Nach einer unruhigen Nacht ohne ausreichenden Schlaf fühlen sich die meisten Menschen schwach und energielos. Gelegentliche Schlafprobleme lassen sich durch erholsame Nächte ausgleichen. Langfristig kann zu wenig und nicht erholsamer Schlaf aber zu gesundheitlichen Problemen führen. Warum brauchen wir guten Schlaf, um gesund zu bleiben? Und was passiert eigentlich in unserem Körper, wenn wir schlafen? 

Schlaf macht einen großen Teil unseres Lebens aus. Wieviel jeder Mensch an Schlaf benötigt ist unterschiedlich und lässt sich nicht pauschal beantworten. Manchen reichen sechs Stunden, anderen ist das zu wenig. Aber eines ist klar: Ohne Schlaf geht es nicht. Denn er ist nicht nur für die körperliche Erholung notwendig, sondern auch für das Lernen. Die am Tag gesammelten Eindrücke und Informationen werden in der Nacht im Gehirn verarbeitet. So trägt Schlaf zu Gesundheit und Wohlbefinden bei. 

Wenn wir schlafen, finden in unserem Körper eine ganze Reihe an komplexen Vorgängen statt – anders als unser Erscheinungsbild vermuten lässt.

Gehirn

Während des Schlafs regeneriert sich das neuronale Netzwerk im Gehirn. Informationen, die im Wachzustand aufgenommen wurden, werden weiterverarbeitet und im Gedächtnis gespeichert. Das Gehirn ist dann in der Lage, am nächsten Tag wieder von Neuem Eindrücke aufzunehmen. Es wird vermutet, dass Träume bei der Festigung von Gedächtnisinhalten eine Rolle spielen.

Hormonsystem

Vor allem in der ersten Nachthälfte werden Wachstumshormone ausgeschüttet, die den Körper beim Wachstum und der Regeneration von Knochen, Muskeln und inneren Organen unterstützen. Neigt sich der Schlaf dem Ende entgegen, bereitet sich der Körper auf das Aufwachen vor. Es werden vermehrt Stresshormone ausgeschüttet.

Herz-Kreislauf-System

Nach dem Einschlafen vermindert sich die Herzschlagfolge und der Blutdruck sinkt. Auch in den Tiefschlafphasen sind Blutdruck und Herzschlagfolge niedrig. In den weniger tiefen sogenannten REM-Schlafphasen mit häufiger Traumaktivität steigt beides wieder an.

Immunsystem

Die Immunabwehr wird gestärkt durch die vermehrte Anwesenheit von natürlichen Killerzellen, Antikörpern und speziellen Abwehrzellen im Blut.

Stoffwechsel

In der ersten Nachthälfte läuft der Stoffwechsel auf Hochtouren. Die Energiespeicher werden aufgefüllt und neue Proteine werden gebildet. Vor allem aus dem Gehirn werden Stoffwechselabbauprodukte abtransportiert. 

Temperaturregulation

Unsere Körpertemperatur erreicht am Abend vor dem Zubettgehen ihren Höhepunkt. Dies ist förderlich für das Einschlafen. Danach sinkt sie wieder ab. Die niedrigste Körpertemperatur haben wir in den frühen Morgenstunden. Dann ist auch unsere Schläfrigkeit am größten. Danach steigt unsere Körpertemperatur wieder an. Insgesamt schwankt sie um bis zu 1°C. 

Was sich in unserem Körper abspielt wenn wir schlafen, hängt auch maßgeblich davon ab, in welcher Schlafphase wir uns befinden. Schlafforscher haben anhand von Messungen der Gehirnaktivitäten, der Augenbewegungen sowie der Muskelspannung vier Schlafphasen bestimmt, die jeder Mensch beim Schlafen in einer bestimmten, sich wiederholenden, Abfolge durchläuft: 

Einschlafen: Die erste Schlafphase (N1) beschreibt den Übergang vom Wachsein zum Schlafen und ist eine Art „Dösen“. Dabei handelt es sich lediglich um einen oberflächlichen Schlaf. 

Leichter Schlaf: Die zweite Schlafphase (N2) wird als stabiler Schlaf bezeichnet. Zusammengefasst werden diese beiden Schlafphasen „leichter Schlaf“ genannt, da der Schlaf in diesen Phasen noch leicht zu stören ist. Man schläft noch nicht tief.

Tiefschlaf: Mit der dritten Schlafphase (N3) gelangen wir in den Tiefschlaf. Die Muskulatur entspannt sich und der Herzschlag verlangsamt sich.

REM-Schlaf (Traumschlaf): Die vierte Phase schließlich, der sogenannte REM-Schlaf (N4), ist nach den schnellen, ruckartigen Augenbewegungen der Schlafenden (Rapid Eye Movement) benannt. Der REM-Schlaf unterscheidet sich von den ersten drei Schlafphasen durch besonders lebhafte Träume – auch wenn Träume ebenfalls in anderen Schlafphasen auftreten können. Den Ablauf dieser vier Schlafphasen nennt man Schlafzyklus.

Ein gesunder Schlafzyklus zeichnet sich durch eine klare Reihenfolge aus: Auf eine kurze Phase des Einschlafens folgen stabiler Schlaf und Tiefschlaf. Vom Tiefschlaf gelangt man zurück über den stabilen Schlaf in den REM-Schlaf, der jeweils einen Zyklus abschließt. Die erste REM-Schlafphase tritt bei Erwachsenen zwischen 60 und 90 Minuten nach dem Einschlafen ein. Im Verlauf des Schlafs nimmt die Länge der REM-Schlafphasen zu, während die Länge der Tiefschlafphasen abnimmt.

In jeder Nacht durchlaufen gesunde Schläferinnen und Schläfer vier bis sieben Schlafzyklen. Die Dauer eines Schlafzyklus beträgt ca. 90 bis 110 Minuten. Auch bei gesunden Menschen wird der Schlaf durch kurze Wachphasen unterbrochen, die wir in der Regel aber gar nicht als Wachsein wahrnehmen.

In der Regel gehen wir schlafen, sobald wir müde sind. Ganz so einfach ist es dann aber doch nicht, denn eine ganze Reihe von Faktoren reguliert unseren Schlaf unbewusst. Zu diesen Faktoren zählen zum Beispiel unsere „innere Uhr“ und der sogenannte Schlafdruck – also wie müde wir uns fühlen. Beide Regulationsmechanismen haben erheblichen Einfluss auf unseren Schlaf-Wach-Rhythmus.

Die „innere Uhr“ 

Die Evolution hat bei allen Lebewesen einen etwa 24-stündigen Tagesrhythmus hervorgebracht, dem körperliche und geistige Aktivitäten folgen. Dieser Rhythmus wird von der „inneren Uhr“ gesteuert. Sie stimmt ungefähr mit unserem 24-Stunden-Tag und dem Hell-Dunkel-Wechsel überein. Man spricht daher auch von der sogenannten „zirkadianen Rhythmik“ (von circum = im Kreis, ringsum und dies = Tag). 

Das über die Netzhaut der Augen einfallende Licht hat Einfluss auf die innere Uhr. Denn dadurch wird die Bildung des schlaffördernden Hormons Melatonin im Gehirn gehemmt. Außerdem beeinflusst die innere Uhr die Hirnregion, die unter anderem die Körpertemperatur kontrolliert, sowie den Hirnstamm, der lebenswichtige Funktionen wie Atmung, Kreislauf und Körpertemperatur reguliert.

Folgende Körperfunktionen sind zum Beispiel abhängig von der inneren Uhr:

  • Die Körpertemperatur erreicht gegen Abend ihr Maximum und sinkt dann ab. Eine niedrige Körpertemperatur ist ein starker Schlafreiz. Am frühen Morgen steigt die Körpertemperatur wieder an und bereitet so das Erwachen vor.
  • Die Melatoninbildung nimmt zu, wenn der Nachtschlaf bevorsteht und trägt so zum Einschlafen bei. Die Produktion wird gehemmt, wenn die innere Uhr auf Erwachen zeigt. 
  • Die Produktion des Stresshormons Kortisol erreicht gegen Mitternacht ein Minimum und steigt in den Morgenstunden wieder an.

Die innere Uhr beeinflusst ebenfalls die Schmerzempfindlichkeit sowie die Fähigkeit, aufmerksam zu sein: Zwischen 0 und 3 Uhr ist die Schmerzempfindlichkeit besonders hoch und die Aufmerksamkeit besonders niedrig.

Der „Schlafdruck“

Neben der inneren Uhr trägt auch der so genannte „Schlafdruck“ zur Regulierung des Schlafs bei. Schlafdruck beschreibt die Müdigkeit, die durch langes Wachsein entsteht. Je länger ein Mensch wach bleibt, desto notwendiger wird eine Erholung durch Schlaf. Idealerweise ergänzen sich die Signale der inneren Uhr und der durch Wachsein erzeugte Schlafdruck zu einem gesunden und erholsamen Schlafrhythmus.

In der Regel ist der Mensch am Tage wach und schläft in der Nacht. Maßgeblich daran beteiligt ist das Hormon Melatonin, welches unter anderem eine schlaffördernde Wirkung hat. Die Bildung von Melatonin hat in der Dunkelheit der Nacht ihren Höhepunkt, während Licht dagegen die Produktion unterdrückt. Dieser Prozess reguliert angepasst an den Tag-Nacht-Rhythmus unseren Schlaf.

Trotz dieser grundsätzlichen Tag-Nacht-Regel können sich unsere bevorzugten Aufsteh- und Schlafenszeiten teilweise deutlich von denen anderer Menschen unterscheiden. Unsere Vorliebe für bestimmte Schlafenszeiten hängt von unserem sogenannten Chronotyp ab. 

Der Chronotyp bestimmt die persönlichen Vorlieben eines jeden: Wann habe ich mein persönliches Leistungshoch? Wann bin ich am liebsten wach und wann gehe ich gern schlafen? Auch bestimmte Körperfunktionen wie zum Beispiel die Körpertemperatur werden vom Chronotyp beeinflusst.

Der Normaltyp

Bei dem am häufigsten anzutreffenden Chronotyp, dem „Normaltyp“, liegt die Schlafenszeit ungefähr zwischen 00.00 und 8.00 Uhr. Voraussetzung: Es liegen keine sozialen Verpflichtungen wie Arbeit vor.

Der Morgentyp („Lerche)

Sogenannte Morgentypen, auch „Lerchen“ genannt, stehen früh auf und haben ihr Leistungshoch in den Morgenstunden. Es fällt ihnen jedoch schwer, abends länger wach zu bleiben.

Der Abendtyp („Eule“)

Abendtypen, sogenannte „Eulen“, haben dagegen ihr Leistungshoch in den Abendstunden und es fällt ihnen schwerer, früh aufzustehen. Extreme Morgen- bzw. Abendtypen sind sehr selten und nur dann problematisch, wenn sich dies nicht mit den Arbeitszeiten vereinbaren lässt.

Der Chronotyp eines Menschen ist erblich veranlagt und wird unter anderem von Alter und Geschlecht mitbestimmt. Beobachtungen haben gezeigt, dass sich der Chronotyp im Verlauf des Lebens verändern kann. So sind Kinder eher „Lerchen“ und Jugendliche eher „Eulen“. Erwachsene und ältere Menschen gehören dagegen wieder häufiger zu den Morgentypen. Frauen sind im Vergleich zu Männern ebenfalls eher „Lerchen“. Es wird vermutet, dass dies insbesondere an hormonellen Gründen liegt. 
 

Ein erholsamer Schlaf ermöglicht es uns, lange wach sowie geistig und emotional fit zu sein. Wissenschaftliche Untersuchungen konnten zeigen, dass Schlafentzug zu einer Vielzahl von Beeinträchtigungen führt: Aufmerksamkeit, Reaktionsvermögen und Problemlösungsfähigkeit lassen nach. Wir reagieren außerdem gereizt und „dünnhäutig“. 

Wissenschaftliche Untersuchungen belegen zudem, dass wir unseren Schlaf benötigen, um neue Gedächtnisinhalte zu bilden und zu verfestigen.
Darüber hinaus dient unser Schlaf der Erholung und Neuordnung unseres Gehirns. So werden in den Gehirnzellen im Schlaf zum Beispiel Abfallprodukte abgebaut und wichtige von unwichtigen Informationen getrennt.

Neben der Bedeutung für verschiedene Hirnfunktionen wird dem Schlaf auch ein positiver Einfluss auf das Immunsystem, den Stoffwechsel und auf das Hormonsystem zugeschrieben.

Ein gestörter und nicht erholsamer Schlaf kann zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen und zur Entwicklung von Krankheiten führen. Die Art und Schwere der gesundheitlichen Folgen unterscheiden sich dabei je nach Schlafstörung. 

Eine Insomnie, also eine langandauernde Ein- und Durchschlafstörung, die zu einer Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit am Tage führt, erhöht das Risiko körperlicher oder psychischer Erkrankungen. Dazu gehören zum Beispiel Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Depressionen. 

Generell kann ein nicht erholsamer Schlaf am nächsten Tag zu Müdigkeit, geringerer Aufmerksamkeit und Konzentration sowie einer langsameren Reaktionsgeschwindigkeit führen. Diese Beeinträchtigungen erhöhen die Gefahr eines Unfalls, zum Beispiel im Straßenverkehr. Das zeigt u. a. eine Studie aus dem Jahr 2015, bei der 12.434 Europäerinnen und Europäer zum Thema Schläfrigkeit am Steuer befragt wurden. 167 Befragte gaben an, in den letzten zwei Jahren beim Autofahren eingeschlafen zu sein und infolgedessen einen Unfall verursacht zu haben. Als häufigste Gründe für das Einschlafen am Steuer nannten die Befragten, in der vorangegangenen Nacht schlecht geschlafen zu haben (42,5 %) oder generell ein „schlechter“ Schläfer, eine schlechte Schläferin zu sein (34,1 %). 

Menschen schlafen unterschiedlich lange. Dabei wird die Dauer unseres Schlafes von zahlreichen Faktoren wie z. B. erblicher Veranlagung, Jahreszeit, Beruf oder Stress beeinflusst. Umfragen haben ergeben, dass erwachsene Menschen in Mitteleuropa durchschnittlich sieben Stunden pro Nacht schlafen. Dabei wird jede Schlafdauer zwischen fünf und neun Stunden als normal eingestuft. 

Abweichungen von diesen Werten sind allerdings möglich und sollten nicht gleich als krankhaft angesehen werden. Denn entscheidend bei der Beurteilung der eigenen Schlafdauer ist, wie sich der nächtliche Schlaf auf das Befinden am Tage auswirkt.
 

Quellen

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