Selen unterschied zwischen nutri und n3

Hintergrund: Das Interesse an einer veganen Ernährungsweise steigt in Deutschland stetig an. Es liegen jedoch keine aktuellen Daten zum Makro- und Mikronutrientenstatus von Veganern vor.

Methode: In der Querschnittsstudie „Risiken und Vorteile der veganen Ernährung“ (RBVD) wurden von 36 Veganern und 36 Mischköstlern (jeweils 18 Männer und Frauen im Alter von 30–60 Jahren) die Nährstoffaufnahme sowie der Status wichtiger Basislaborparameter, Vitamine und Spurenelemente untersucht.

Ergebnisse: Nahezu alle Veganer und ein Drittel der Mischköstler hatten innerhalb der letzten 4 Wochen Supplemente eingenommen. Bei gleicher Energieaufnahme waren sowohl in der Aufnahme der Makronutrienten (zum Beispiel Ballaststoffe) als auch der Mikronutrienten (zum Beispiel Vitamin B12, B2, D, E, K, Folat, Jod, Eisen) Unterschiede zwischen Veganern und Mischköstlern zu beobachten. Basierend auf den Biomarkern zum Vitamin B12-, D- und Eisenstatus zeigten sich keine Unterschiede im Gruppenvergleich. Ferritinwerte und Blutbild gaben jedoch bei vier Veganern und drei Mischköstlern Hinweise auf einen Eisenmangel. Im 24-h-Sammelurin wurden bei Veganern im Vergleich zu den Mischköstlern eine geringere Kalziumausscheidung sowie eine deutlich geringere Jodausscheidung beobachtet. Die Jodausscheidung lag bei 1/3 der Veganer sogar unterhalb des WHO-Grenzwertes (< 20 µg>

Schlussfolgerung: Trotz geringer natürlicher Aufnahme von Vitamin B12 bei Veganern war die Versorgung zwischen den Veganern und Mischköstlern vergleichbar gut. Dies könnte an der hohen Supplementierungsrate liegen. Zudem ist nach den vorliegenden Ergebnissen auf die Jodversorgung der Bevölkerung insbesondere bei veganer Ernährungsweise zu achten.

Das Interesse an einer veganen Ernährungsweise mit komplettem Verzicht auf tierische Lebensmittel stieg in den letzten Jahren in Deutschland stetig an. Derzeit lassen Ergebnisse von Marktforschungsumfragen vermuten, dass circa 6 Millionen der deutschen Bürger einer vegetarischen Ernährung (Vegetarier) und knapp 1 Million einer veganen Ernährung (Veganer) folgen (1, 2). Daten der US-amerikanischen 7-Tage-Adventisten-Studie beschreiben positive Effekte dieser Ernährungsformen auf die Entwicklung von Adipositas, Hypertonie (Lacto-Ovo-Vegetarier Relatives Risiko [RR]: 0,45; 95-%-Konfidenzintervall: [0,44; 0,47]; Veganer RR: 0,25 [0,22; 0,28]); Diabetes (Lacto-ovo-Vegetarier RR: 0,39 [0,36; 0,42]; Veganer RR: 0,22 [0,18; 0,28]) (3) und kardiovaskuläre Mortalität bei Männern (Lacto-Ovo-Vegetarier RR: 0,77 [0,59; 0,99]; Veganer RR: 0,58 [0,38; 0,89]) (4, 5). Zudem zeigte ein aktueller Review mit Metaanalyse, dass eine vegetarische Ernährung gegenüber einer Mischkost, auch unter Berücksichtigung wichtiger konfundierender Faktoren wie zum Beispiel Rauchen und Body-Mass-Index (BMI), mit einem erniedrigten Risiko für ischämische Herzkrankheit (RR: 0,75 [0,68; 0,82]) und Krebs (RR: 0,92 [0,87; 0,98]) einhergeht und eine vegane Ernährung mit einem erniedrigten Krebsrisiko (RR: 0,85 [0,75; 0,95]) assoziiert ist (6). Eine fleischfreie Ernährung wäre demnach aus Sicht der Gesundheit der gesamten Bevölkerung zu begrüßen. Ebenso könnte ein reduzierter Verzehr tierischer Lebensmittel einen Beitrag zur Sicherung der zukünftigen Ernährung weltweit (7) und zum Klimaschutz leisten (8).

Es werden aber auch Risiken bei rein veganer Ernährung diskutiert. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) benennt in ihrem Positionspapier zur veganen Ernährung als kritische Nährstoffe die Vitamine B12, B2 (Riboflavin) und D, Protein beziehungsweise essenzielle Aminosäuren, langkettige n-3-Fettsäuren sowie Kalzium und die Spurenelemente Eisen, Jod, Zink und Selen (9). Eine gute Versorgung wird hingegen mit Vitamin C, Vitamin E, Thiamin und Folat, den Mineralstoffen Magnesium und Kalium sowie Ballaststoffen und sekundären Pflanzenstoffen erwartet (9, 10). Als positiv wird auch die geringere Aufnahme von gesättigten Fettsäuren und Cholesterin gewertet (10). Aktuelle Versorgungsdaten hinsichtlich der Zufuhr von den genannten Mikro- und Makronährstoffen bei Veganern liegen für Deutschland nicht vor. Daher hatte die vorliegende Querschnittsstudie des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) zum Ziel, erste Erkenntnisse über den derzeitigen Versorgungsstatus mit Mikronutrienten bei veganer Ernährung im Vergleich zu einer Mischkost zu liefern.

Methoden

Studiendesign

Die 72 Teilnehmer der Studie „Risiken und Vorteile einer veganen Ernährung/Risks and Benefits of a Vegan Diet“ (RBVD) wurden von Januar bis Juli 2017 in Berlin am BfR rekrutiert (Grafik 1) (11). Die Teilnehmerzahl basiert auf einer Powerkalkulation zur primären Fragestellung der Studie zur Knochengesundheit. Beobachtete Unterschiede in der Knochengesundheit sind Bestandteil einer weiteren geplanten Publikation. Die Studie wurde von der Ethikkommission der Charité Universitätsklinikum Berlin (Nr. EA4/121/16) genehmigt.

Grafik 1

Flow-Chart zur Studie „Risiken und Vorteile der veganen Ernährung“ („RBVD“)

Die Ernährungsgewohnheiten wurden mittels 3-Tage-Wiegeprotokollen erfasst. Unter Verwendung des Bundeslebensmittelschlüssels (BLS) (Version 3.02) wurde die mittlere aufgenommene Tagesmenge für Makro- und Mikronutrienten berechnet (12). Informationen über Alter, Bildungsabschluss und Lebensstilfaktoren wurden durch Tablet-gestützte Fragebogen erhoben. Körpergröße und -gewicht, Taillenumfang und Blutdruck wurden standardisiert gemessen (eMethodenteil, eTabelle 1).

Tabelle 1

Charakteristika der Teilnehmer der Querschnittsstudie „RBVD“ nach der Ernährungsweise

eTabelle 1

Übersicht über die Methoden zur Bestimmung der biochemischen Parameter

Erhebung des Mikronutrientenstatus anhand von Biomarkern

Allen Studienteilnehmern wurde 60 mL Blut abgenommen. Taggleich wurden Differenzialblutbild, Lipide, HbA1c, Glukose, Leberenzyme, Kreatinin, Homocystein, hochsensitives C-reaktives Protein, Ferritin und Zink in einem zertifizierten Routinelabor (Labor 28 GmbH, Berlin, Deutschland) gemessen. Aus einem 24-h-Sammelurin wurden Kreatinin und Kalzium bestimmt. Alle weiteren biochemischen Analysen wurden aus bei −80 ° C gelagertem Material durchgeführt (eTabelle 1).

Zur Beurteilung des Vitamin-B12-Status wurde der Vitamin-B12-Indikator (4cB12) aus den Konzentrationen von Holotranscobalamin, Vitamin B12, Homocystein und Methylmalonsäure berechnet (13).

Statistische Auswertung

Die statistische Auswertung der Daten erfolgte unter Anwendung des Statistikprogramms SAS Enterprise Guide Version 7.13 (eMethodenteil).

Ergebnisse

Charakteristik der Studienteilnehmer

Insgesamt haben 36 Veganer und 36 Mischköstler im Alter zwischen 30 und 57 Jahren teilgenommen. Die Veganer folgten ihrer Ernährungsweise zwischen 1,6 und 20,2 Jahre. Allgemeine Charakteristika der Studienteilnehmer und wichtige Lebensstilfaktoren sind in Tabelle 1 dargestellt. Nahezu alle Veganer und ein Drittel der Mischköstler hatten innerhalb der letzten vier Wochen Supplemente eingenommen (Grafik 2, eTabellen 2 und 3). Beim Vergleich biochemischer Basisdaten wurden wesentlich geringere Konzentrationen von Gesamt-Cholesterin und LDL-Cholesterin bei den Veganern im Vergleich zu den Mischköstlern beobachtet (Tabelle 3).

eTabelle 2

Mittlere tägliche Aufnahme von Vitaminen und Mineralstoffen durch Nahrungsergänzungsmittel in der RBVD-Studie

eTabelle 3

Status von Vitaminen und Mineralstoffen in Abhängigkeit von der Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln

Grafik 2

Einnahme von Supplementen unter den Teilnehmern der Querschnittsstudie „RBVD” innerhalb der letzten vier Wochen

Tabelle 3

Status an biochemischen Basisdaten und ausgewählten Vitaminen und Mineralstoffen der Teilnehmer der Querschnittsstudie „RBVD“ nach der Ernährungsweise

Makro- und Mikronutrientenaufnahme

Bei nahezu gleicher Energieaufnahme waren sowohl in der Aufnahme der Makronutrienten als auch der Mikronutrienten Unterschiede zwischen Veganern und Mischköstlern zu beobachten. Hervorzuheben sind die deutlich höheren Aufnahmemengen an Ballaststoffen, Vitamin E, K und Folat sowie Eisen und nur sehr geringen Aufnahmemengen an Vitamin B12, D und Jod bei den Veganern im Vergleich zu den Mischköstlern (Tabelle 2).

Tabelle 2

Einnahme von Supplementen unter den Teilnehmern der Querschnittsstudie „RBVD” innerhalb der letzten vier Wochen

Mikronutrientenstatus (Blut und Urin)

Bei den Veganern wurden im Vergleich zu den Mischköstlern geringere Konzentrationen an den Vitaminen B2, B3, E (alpha-Tocopherol), A, von Selenoprotein P und Zink im Blut sowie auch eine geringere Jod- und Kalziumausscheidung im 24-h-Sammelurin beobachtet. Hingegen zeigten sich bei den Veganern höhere Folat- und Vitamin-K1-Konzentrationen im Blut. Vitamin B12, 25-Hydroxy-Vitamin D und Ferritinkonzentrationen unterschieden sich zwischen Veganern und Mischköstlern in den Medianwerten hingegen nicht (Tabelle 3). Allerdings wurden bei vier Veganern und drei Mischköstlern Hinweise auf einen latenten bis manifesten Eisenmangel entsprechend ihrer erniedrigten Ferritinspiegel und Blutbildveränderungen gesehen. Bezüglich des Vitamin-B12-Status wies der B12-Indikator (4cB12) lediglich bei zwei Veganern und einem Mischköstler auf eine leichte Unterversorgung, jedoch bei 4 Veganern auf erhöhte Werte hin. Der Spearman-Korrelationskoeffizient zum Zusammenhang zwischen Dauer der veganen Ernährung und 4cB12 betrug 0,30 (p = 0,07).

Riboflavinwerte unterhalb des Referenzbereichs wurden bei 13 Veganern (36 %) und 5 Mischköstlern (14 %) gemessen.

Parathormon (PTH) wurde als wichtiger Parameter des Kalzium-, Phosphat- und Vitamin-D-Stoffwechsels bestimmt. 10 Veganer und 3 Mischköstler zeigten erhöhte Werte (> 65 pg/mL). Beim Vergleich der Kalziumausscheidung fanden sich niedrigere Werte bei den Veganern mit erhöhten PTH-Werten im Vergleich zu Veganern ohne erhöhte PTH-Werte (p = 0,02). Es bestand keine Korrelation zwischen Dauer der veganen Ernährung und der Kalziumausscheidung (r = −0,02, p = 0,88 nach Spearman). Bezüglich der 25-Hydroxy-Vitamin-D-Konzentrationen wurden bei 12 Veganern und 8 Mischköstlern Konzentrationen von < 30 nmol class="Standardschrift_kursiv">(eTabelle 3).

Die Jodausscheidung war bei Veganern niedriger im Vergleich zu den Mischköstlern. Nur 8 % der Veganer und 25 % der Mischköstler erreichten eine Jodausscheidung von ≥ 100 µg/L. 31 % der Veganer schieden weniger als 20 µg/L aus. Bei alleiniger Betrachtung des Screeningparameters Thyreoidea-stimulierendes Hormon (TSH) waren zwei Veganer und zwei Mischköstler mit Werten > 4 mU/L auffällig.

Diskussion

Der Fokus der hier vorliegenden Arbeit lag bei den bei veganer Ernährung als kritisch diskutierten Vitaminen B12, B2 und D sowie Kalzium und den Spurenelementen Eisen, Jod, Zink und Selen.

Aktuelle Studien, die sich in ähnlicher Weise mit dem Ernährungsstatus von Veganern beschäftigt haben sind sehr selten (14, 15, 16, 17, 18), wobei in diesen Studien meist nur die Aufnahme von Makro- und Mikronutrienten mittels Ernährungsprotokollen erhoben wurde. Lediglich zwei dieser Studien – Elorinne et al. aus Finnland und Schüpbach et al. aus der Schweiz – berücksichtigten auch einzelne im Blut gemessene Parameter (16, 18) (eTabelle 4).

eTabelle 4

Übersicht wichtiger Studien zur Makro- und Mikronährstoffaufnahme und zum Status vom Makro- und Mikronährstoffen im Blut von Veganern und Mischköstlern

Das Risiko eines Vitamin-B12-Mangels bei veganer Ernährung ist unter Veganern meist bekannt und Vitamin B12 wird mit Abstand am häufigsten supplementiert. Basierend auf dem Vitamin-B12-Indikator wurde in unserer Studie kein erhöhtes Risiko für einen Vitamin-B12-Mangel bei den veganen Teilnehmern beobachtet, wobei dies am ehesten auf die hohe Rate der Vitamin-B12-Supplementation unter den Veganern (92 %) zurückzuführen ist. Der Anteil an Supplementnehmern erscheint jedoch im Vergleich zu aktuellen Untersuchungen in Deutschland (19, 20) (74 % beziehungsweise 81 % Supplementierungsrate) und Dänemark (17) (2/3 Supplementierungsrate) eher hoch und ist lediglich mit den Daten der finnischen Querschnittsstudie vergleichbar (Supplementierungsrate 91 %) (16). Andererseits fielen erhöhte B12-Indikator-Werte bei vier Veganern auf. Vor dem Hintergrund neuer Studienergebnisse über Zusammenhänge zwischen der Einnahme von Vitamin-B12-Supplementen und einem erhöhten Lungenkrebsrisiko (21, 22) sollte die bisher als unbedenkliche geltende Einnahme von Vitamin-B12-Präparaten gegebenenfalls neu überdacht werden.

Vitamin B2 kommt in höheren Mengen in tierischen Produkten vor, zudem ist die Resorption aus pflanzlichen Lebensmitteln niedriger. Übereinstimmend mit unseren Ergebnissen zeigen kürzlich durchgeführte Querschnittsstudien (14, 16, 17) tendenziell niedrigere Vitamin-B2-Aufnahmemengen bei Veganern. In der Schweizer Studie (18) wurde ein Viertel der Veganer und 14 % der Mischköstler basierend auf den Blutkonzentrationen als Vitamin-B2-defizient beurteilt. Über die klinische Relevanz der Unterschreitungen des Grenzwertes ist allerdings bisher wenig bekannt; diese gilt es in weiteren Studien abzuklären.

Der wesentliche Anteil des Bedarfs an Vitamin D entsteht über die endogene Synthese bei Sonnenexposition, und nur ein geringer Anteil wird über die Ernährung gedeckt. Da hierbei der Eintrag vor allem über tierische Produkte erfolgt, war die geringere Vitamin-D-Aufnahme bei Veganern nicht überraschend. Mit einer Supplementierungsquote für Vitamin D von 50 % bei den Veganern ist die Rate in der vorliegenden Studie im Vergleich zu anderen Untersuchungen als relativ hoch einzuschätzen (19, 20). Vergleichbare Daten sind uns nur aus der finnischen Studie bekannt, in der um 34 % niedrigere Serumspiegel an Vitamin D bei Veganern im Vergleich zu Mischköstlern gefunden wurden, obwohl in dieser Studie die Veganer noch häufiger Vitamin D supplementierten (68 %) als in unserer Studie (16). Ohne Supplementation fand sich bei einem deutlich höheren Anteil an Veganern ein erniedrigter 25-Hydroxy-Vitamin-D-Spiegel als bei Mischköstlern, was die Bedeutung der Supplementation vor allem auch bei veganer Ernährungsweise unterstreicht.

Ein Kalziummangel aufgrund des fehlenden Konsums an Kuhmilchprodukten galt lange als ein wesentliches Risiko bei Veganern (23). Aktuelle Studien zur Kalziumaufnahme zeigen widersprüchliche Ergebnisse mit teils deutlichen Unterschieden zwischen Veganern und Mischköstlern (14, 15, 18) und ähnlichen Aufnahmemengen ([16] und unsere Studie). Die im Vergleich zu früheren Studien höheren Kalziumzufuhren bei Veganern werden meist auf die Aufnahme angereicherter Lebensmittel zurückgeführt. Jedoch auch die Beurteilung der Kalziumversorgung kann zuverlässiger unter Berücksichtigung der entsprechenden Biomarker erfolgen. In diesem Kontext könnten die geringere Kalziumausscheidung sowie die erhöhten PTH-Werte bei nahezu jedem dritten Veganer in unserer Studie als Hinweis auf eine physiologische Reaktion auf ein geringes Kalziumangebot interpretiert werden.

Die Bedeutung der Verwendung von Biomarkern wird insbesondere auch in der Beurteilung der Eisenversorgung deutlich. Die Eisenquelle, aber auch die gleichzeitige Aufnahme bestimmter sekundärer Pflanzenstoffe oder von Vitamin C, können die Bioverfügbarkeit stark beeinflussen. Zweiwertiges Häm-Eisen aus tierischen Produkten kann zwei- bis dreimal besser aufgenommen werden als dreiwertiges in Pflanzen vorkommendes Eisen. Vitamin C fördert die Resorption von Eisen. Bei gleichzeitiger Aufnahme von Phytinsäure (zum Beispiel über Hülsenfrüchte und Getreide), oder von Polyphenolen (Tee oder Kaffee) wird die Aufnahme von Eisen verringert. Eisenmangel gehört zu den regelmäßig beschriebenen Risiken bei veganer beziehungsweise pflanzenbasierter Ernährung (9). Übereinstimmend mit den Ergebnissen der zwei vergleichbaren Querschnittsstudien aus Finnland und der Schweiz (16, 18) zeigten 11 % der Veganer Hinweise auf einen Eisenmangel. Allerdings wurde vergleichbar mit den Beobachtungen in der Schweizer Studie auch bei 8 % der Mischköstler eine Unterversorgung mit Eisen beobachtet (18).

Entsprechend der geringen Jodaufnahme laut Wiegeprotokollen lag auch die Jodausscheidung im Urin bei 3/4 der Mischköstler und bei nahezu allen Veganern weit unter dem WHO-Grenzwert für Unterversorgung (100 µg/L) (24). Nur 5 Veganer supplementierten Jod (Grafik 2, eTabelle 3). Entsprechend der Ergebnisse unserer Studie und in Übereinstimmung mit dem häufigen Auftreten der geringeren Jodaufnahmen (16, 17) und der Jodunterversorgung (16, 18, 25) in weiteren aktuellen Studien scheint die ausreichende Jodversorgung bei Veganern schwer zu gewährleisten beziehungsweise keine Sensibilisierung für diesen möglichen Mangel vorhanden zu sein. Ein individuelles Monitoring der Jodversorgung anhand der Jod-Ausscheidung ist meist nicht praktikabel. Wie auch in der Literatur beschrieben (26) zeigte sich der TSH-Wert auch in unserer Studie als wenig sensitiver Marker, da nur vier Studienteilnehmer bei einer deutlich verminderten Jodausscheidung Erhöhungen des TSH-Wertes aufwiesen. Da Jodmangel häufige Ursache für die Entwicklung einer Struma darstellt, sollte überlegt werden, ob regelmäßige die klinische Beurteilung der Schilddrüse mittels Ultraschall erfolgt (18, 25). Aufgrund begrenzter natürlicher Jodquellen für Veganer kann bei individuellen Betrachtungen zur Jodaufnahme auch eine Supplementation empfehlenswert sein.

Im Gegensatz zur Studie von Schüpbach et al., die bei fast der Hälfte der Veganer einen Zinkmangel festgestellt hatte (18), konnten wir nur bei zwei Veganern der vorliegenden Studie erniedrigte Zinkkonzentrationen (< 60 µg>

Da Selen zahlreiche Wirkungen auf das Immunsystem, die Funktion der Schilddrüse und das kardiovaskuläre System entfaltet und vermutlich auch die Krebsentstehung beeinflusst (27, 28), ist eine adäquate Versorgung anzustreben. In der vorliegenden Studie wurden zur Beurteilung des Selenstatus neben dem Gesamtselengehalt im Blut die Konzentrationen von Selenoprotein P verwendet. Selenoprotein P scheint als Transportprotein des Selens insbesondere bei geringen Selenaufnahmen als Biomarker zur Beurteilung des Selenstatus gut geeignet (29). Im Vergleich mit den Mischköstlern unserer Studie, aber auch den Selenoprotein-P-Werten der größten europäischen Studie zur Ernährung und Krebs (EPIC), in der eine repräsentative Anzahl von Selenoprotein-P-Messungen durchgeführt wurde, zeigten die Veganer niedrigere Werte (30). Die Ergebnisse sprechen für eine schlechtere Selenversorgung der Veganer im Vergleich zu den Mischköstlern und decken sich mit den Ergebnissen der finnischen Querschnittsstudie (16). Allerdings wird in den meisten Studien die Plasmakonzentration von Selen zur Beurteilung verwendet, die sich in unserer Studie bei Veganern und Mischköstlern nicht unterschied. Basierend auf den aktuellen Empfehlungen für eine adäquate Selenaufnahme von 60–70 µg/d (31) wird von einer normalen Versorgung bei Serumkonzentrationen von > 50 µg/L ausgegangen. Bei Selen-Supplementierung ist die Gefahr der Überdosierung zu beachten. Laut EFSA ist für Erwachsene eine Zufuhrmenge von 300 µg/d Selen tolerierbar (32).

Bei insgesamt guter Vitamin-K-Versorgung in beiden Gruppen zeigen die Veganer jedoch höhere Konzentrationen an Vitamin K1 als die Mischköstler. Deren Bedeutung ist in weiteren Studien zu klären. Insbesondere wird hier der positive Einfluss höherer Vitamin-K1-Konzentrationen für die Knochengesundheit, ein geringeres Risiko für Typ-2-Diabetes und kardiovaskuläre Erkrankungen diskutiert (33, 34, 35).

eTabelle 5

Mögliche kritische Vitamine und Mineralstoffe bei veganer Ernährung und eine Auswahl pflanzlicher Lebensmittel, die sich durch hohe Gehalte dieser Vitamine und Mineralstoffe auszeichnen

Eine besondere Stärke unserer Studie ist die sehr gute Vergleichbarkeit zwischen den Veganern und den Mischköstlern, die durch das Matchen nach Geschlecht und Alter, den kurzen Rekrutierungszeitraum und das Einschlusskriterium eines BMI unter 30 kg/m2 erreicht wurde. Weiterhin zeichnet sich unsere Studie durch aufwendige Ernährungserhebungen mittels 3-Tage-Wiegeprotokollen sowie umfangreiche Biomarkermessungen aus. Limitationen sind ebenfalls zu nennen: Es handelt sich mit 72 Teilnehmern um eine vergleichsweise kleine Studie im Querschnitt mit lokaler Datenerhebung im Raum Berlin. Zudem wurden die Teilnehmer vor allem über Aushänge als sogenanntes „convenience sample“ ausgewählt. Hierbei ist ein besonderes Gesundheitsbewusstsein der Teilnehmer nicht auszuschließen. Allerdings kann aufgrund der gleichen Rekrutierungsstrategie für Veganer und Mischköstler sowie des Ausschlusskriteriums BMI ≥ 30 kg/m2 angenommen werden, dass das Gesundheitsbewusstsein in beiden Gruppen ähnlich ausgeprägt ist. Dementsprechend unterschieden diese sich in den Lebensstilcharakteristika nicht wesentlich. Deshalb können die Ergebnisse erste Hinweise auf den aktuellen Versorgungsstatus von Veganern im Vergleich zu Mischköstlern in der deutschen Bevölkerung geben.

Weitere Studien möglichst im Längsschnitt mit größerer Teilnehmerzahl sind notwendig, um einerseits aktuelle Daten über den Ernährungs- und Gesundheitsstatus einer veganen Population zu erhalten und andererseits langfristige Krankheitsrisiken und schützende Effekte zu untersuchen.

Danksagung

Wir danken allen Studienteilnehmern für ihre Teilnahme. Elektra Polychronidou gilt unser Dank für ihr großes Engagement bei der Rekrutierung der Probanden und Durchführung der Studie. Corinna Genrich und Christel Rozycki danken wir für die schnelle Verarbeitung der Bioproben. Wir danken Dr. Mark Lohmann und seiner Fachgruppe für die Unterstützung bei der Entwicklung des Lebensstilfragebogens und Dr. Oliver Lindtner und seiner Fachgruppe für die Unterstützung bei der Erhebung der Ernährungsdaten mittels Wiegeprotokollen. Unser besonderer Dank gilt zudem Clarissa Lage-Barbosa und Marjolein Haftenberger (Robert Koch-Institut) für die Unterstützung der Auswertung der Wiegeprotokolle.

Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Manuskriptdaten
eingereicht: 15. 11. 2019, revidierte Fassung angenommen: 11. 5. 2020

Anschrift für die VerfasserProf. Dr. med. Cornelia Weikert, MPHBundesinstitut für Risikobewertung (BfR)Abteilung LebensmittelsicherheitMax-Dohrn-Straße 8–1010589

Zitierweise
Weikert C, Trefflich I, Menzel J, Obeid R, Longree A, Dierkes J, Meyer K, Herter-Aeberli I, Mai K, Stangl GI, Müller SM, Schwerdtle T, Lampen A, Abraham K: Vitamin and mineral status in a vegan diet. Dtsch Arztebl Int 2020; 117: 575–82. DOI: 10.3238/arztebl.2020.0575

►Die englische Version des Artikels ist online abrufbar unter:
www.aerzteblatt-international.de

ZusatzmaterialeMethodenteil, eTabellen:

www.aerzteblatt.de/20m0575 oder über QR-Code

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