Mache dich auf und werde licht Predigt

Gnade sei mit uns und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Das Bibelwort, unter dem wir am heutigen Epiphaniasfest die 16. Vesperkirche in Mannheim eröffnen, steht im 60. Kapitel des Jesajabuches in den Versen 1-6: „Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit Gottes geht auf über dir! Denn siehe, Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker; aber über dir strahlt Gott auf, und seine Herrlichkeit erscheint über dir. Und die Heiden werden zu deinem Lichte ziehen und die Könige zum Glanz, der über dir aufgeht. Hebe deine Augen auf und sieh umher: Diese alle sind versammelt und kommen zu dir. Deine Söhne werden von ferne kommen und deine Töchter auf dem Arme hergetragen werden. Dann wirst du schauen und strahlen und dein Herz wird erbeben und weit werden, denn zu dir hin wenden sich die Schätze der Meere, und der Reichtum der fremden Völker kommt zu dir. Denn die Menge der Kamele wird dich bedecken, die jungen Kamele aus Midian und Efa. Sie werden aus Saba alle kommen, Gold und Weihrauch bringen und Gottes Lob verkündigen.“

Liebe Vesperkirchengemeinde, noch einmal feiern wir heute so richtig Weihnachten. Das Wort, das uns seit der Adventszeit begleitet hat, erklingt noch einmal: „Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit Gottes geht auf über dir!“ Und mit diesem Wort erwacht noch einmal die adventlich-weihnachtliche Faszination des Lichtes, das die Dunkelheit erhellt. Noch einmal hören wir die Botschaft vom Kommen Gottes - so eindrücklich, als würde Gott selbst wie ein Morgenstern über uns aufgehen und schön leuchten. Gott kommt und bringt seinen weihnachtlichen Glanz. Die Völker, die noch im Dunkeln leben, werden angezogen vom Licht des Kommens Gottes. Aus aller Herren Länder kommen sie und bringen ihre Gaben, auch Gold und Weihrauch. Wen erinnert diese Schilderung des weltweiten Heils Gottes nicht an jene vorhin gehörte, uns vertraute Weihnachtserzählung von den Weisen aus dem Morgenland? Ja, noch einmal feiern wir heute so richtig Weihnachten.


Von Heil keine Spur, eher von bitterer Not, so wie bei vielen Menschen, die in den kommenden Wochen diese Kirche aufsuchen werden, wenn sie ihre Tore wieder als Vesperkirche öffnen wird.

Aber unser weihnachtliches Feiern wird durch eigenartige Klänge gestört. Da hören wir im Eingangspsalm Töne, die nicht zur Weihnacht zu passen scheinen:
„Er wird den Armen erretten, der um Hilfe schreit und den Elenden, der keinen Helfer hat.“ Und in dem Wort aus dem Jesajabuch klingt die ganze Trostlosigkeit des Volkes Israel nach seiner Rückführung aus dem babylonischen Exil an. In welch bitterer Armut musste dieses Volk leben! Wie dunkel schien alles zu sein, so ohne jede Hoffnung! Und wie groß war die Schere zwischen der Armut dieses Volkes und dem schier unermesslichen Reichtum der großen Handelsvölker in seiner Umwelt! Von Heil keine Spur, eher von bitterer Not, so wie bei vielen Menschen, die in den kommenden Wochen diese Kirche aufsuchen werden, wenn sie ihre Tore wieder als Vesperkirche öffnen wird.


All dies geschieht „fer umme“, um die Kluft zwischen arm und reich wenigstens ein ganz klein wenig zu schließen. All dies geschieht „fer umme“, um es licht werden zu lassen an Orten, an denen sonst oft nur Dunkelheit herrscht.

Das Reden von Armut und Trostlosigkeit scheint zunächst unser weihnachtliches Feiern zu stören, und doch passt beides genau zusammen. Dies will ich verdeutlichen mit Hilfe des Themas, das über die Predigten dieser Vesperkirchenwochen gestellt wurde: „Fer umme“. Jeder und jede in Mannheim weiß, was das heißt: „Fer umme“ – ganz umsonst, ohne Bezahlung. Vordergründig ist damit zunächst gemeint, dass in der Vesperkirche alle Bedürftigen „umsonst“ das erhalten sollen, was sie bedürfen. Ganz „fer umme“ kann hier gegessen und getrunken werden. „Fer umme“ können Menschen hier Gespräche führen oder Spiele ausprobieren. „Fer umme“ treten Künstlerinnen und Künstler bei Benefizkonzerten auf. Und „fer umme“ wird hier eingeladen an den Tisch des Herrn, zum Teilen des Brotes und des Saftes der Trauben. All dies geschieht „fer umme“, um die Kluft zwischen arm und reich wenigstens ein ganz klein wenig zu schließen. All dies geschieht „fer umme“, um es licht werden zu lassen an Orten, an denen sonst oft nur Dunkelheit herrscht.

Ganz fer umme“ wird Gott Mensch. Ganz „fer umme“ kommt er uns nahe. Nichts müssen wir Menschen an Vorleistungen erbringen. Was Gott an Weihnachten tut, das tut er für uns – ganz „fer umme“. Das genau ist die Brücke zwischen der großartigen Heilsbotschaft der Weihnacht und unserer Wirklichkeit, die an so vielen Orten dieser Stadt von trostloser Armut geprägt ist.

Fer umme“ – das ist aber auch eine wunderbare Zusammenfassung der Weihnachtsbotschaft. Ganz „fer umme“ wird Gott Mensch. Ganz „fer umme“ kommt er uns nahe. Nichts müssen wir Menschen an Vorleistungen erbringen. Was Gott an Weihnachten tut, das tut er für uns – ganz „fer umme“. Das genau ist die Brücke zwischen der großartigen Heilsbotschaft der Weihnacht und unserer Wirklichkeit, die an so vielen Orten dieser Stadt von trostloser Armut geprägt ist. Das genau ist die Brücke zwischen dem Glanz Gottes und der Finsternis über dem Erdreich. Das weihnachtliche Geschehen taucht die Welt in ein neues Licht – ganz „fer umme“, weil Gott die Welt liebt. Mit dem Kommen Gottes wird es hell auf der Erde. Völker werden vom Glanz Gottes angezogen und huldigen diesem Gott. Völker werden bereit, ihren Reichtum mit dem armen Volk Israel zu teilen. Genau darum geht es an Weihnachten. Gottes Licht kommt, und die Herrlichkeit Gottes senkt sich hinunter auf die dunkle Erde, und es wird hell bei jenen, die im Dunkeln leben.


Aber haben wir wirklich noch das Vertrauen, dass das Austarieren der Unterschiede zwischen reich und arm wirklich sozial verantwortlich geschieht? Wer die Gehälter für Vorstandsmitglieder von Großkonzernen mit der Mindestwitwenrente oder dem Arbeitslosengeld II vergleicht, muss fragen, welche Unterschiede unsere Gesellschaft akzeptieren will. Welche Gerechtigkeitslücken können wir ertragen und wie können wir sie schließen?

Über dieser lichtvollen Weihnachtsbotschaft dürfen wir nicht verdrängen, wie dunkel für viele Menschen in dieser Stadt, in unserem Land, auf dieser Erde das Leben oft erscheint. Die Schere zwischen arm und reich geht immer weiter auseinander, auch in unserem Land; der zunehmenden der Armut steht eine wachsende Konzentration von privatem Reichtum gegenüber. Mehr als 10 Millionen Menschen bei uns sind armutsgefährdet, darunter besonders viele Kinder. Deshalb ist es gut, dass es in Mannheim nun auch eine Kindervesperkirche gibt, die daran mahnend erinnert. Aber haben wir wirklich noch das Vertrauen, dass das Austarieren der Unterschiede zwischen reich und arm wirklich sozial verantwortlich geschieht? Wer die Gehälter für Vorstandsmitglieder von Großkonzernen mit der Mindestwitwenrente oder dem Arbeitslosengeld II vergleicht, muss fragen, welche Unterschiede unsere Gesellschaft akzeptieren will. Welche Gerechtigkeitslücken können wir ertragen und wie können wir sie schließen?


„Mache dich auf, werde licht!“ Diese Aufforderung gilt auch uns. Und wir können ihr folgen, weil wir angesteckt sind vom Licht der Weihnacht. Weil wir in der Geburt Jesu Gottes Licht leuchten sehen auf dieser Erde. Weil uns in Jesu Geburt der Morgenstern aufgegangen ist, der hell über dieser Welt strahlt, deshalb können wir es in dieser Vesperkirche hell werden lassen für andere Menschen.

All dies ist zu bedenken in diesen Wochen, wenn sich Menschen in der Vesperkirche dem Dunklen der Armut zu stellen versuchen. Aber das Prophetenwort für diesen Tag soll Mahnung sein, sich nicht von diesem Dunklen gefangen nehmen zu lassen. „Mache dich auf, werde licht!“ Diese Aufforderung gilt auch uns. Und wir können ihr folgen, weil wir angesteckt sind vom Licht der Weihnacht. Weil wir in der Geburt Jesu Gottes Licht leuchten sehen auf dieser Erde. Weil uns in Jesu Geburt der Morgenstern aufgegangen ist, der hell über dieser Welt strahlt, deshalb können wir es in dieser Vesperkirche hell werden lassen für andere Menschen. Hier in der Vesperkirche können wir etwas weitergeben von Weihnachten, können wir „fer umme“ Licht werden für andere, können wir uns „fer umme“ Bedürftigen zuwenden, können wir von der „fer umme“ geschehenen Zuwendung Gottes zu unserer Welt predigen. Hier in der Vesperkirche kann es licht werden für viele Menschen, kann Gottes Glanz sichtbar werden im Glanz der Augen vieler Menschen - jener, die sich hier angenommen fühlen, wie auch jener, die hier voller Leidenschaft mitarbeiten. Hier in der Vesperkirche kann das Teilen eingeübt und zumindest ein kleiner Ausgleich zwischen arm und reich gewagt werden. In der Vesperkirche kann nicht nur leiblicher Hunger gestillt werden, sondern hier kann auch am Tisch des Herrn im Brot und im Saft der Trauben Gottes Gegenwart stärkend erfahren werden. Hier in die Vesperkirche kommen zwar nicht gerade alle aus Saba, aber doch aus einem sehr weit über Mannheim hinaus reichenden Unterstützerkreis. Hierher in die Vesperkirche kommen zwar keine Kamele, aber doch viele Lebensmittelgaben. Hier in die Vesperkirche bringen Menschen zwar kein Gold und keinen Weihrauch, aber viele, viele Spenden. Für die Vesperkirche tun viele Menschen gern ihre Schätze auf.

Hier in der Vesperkirche wird zwar mit Recht viel Lob den ehrenamtliche Mitarbeitenden gespendet, aber alle, die hier tätig sind, wissen, dass es letztlich um das geht, was der Prophet verheißen hat, dass durch ihre Mitarbeit Gottes Lob verkündigt wird.


Aufgelöst werden diese Widersprüche durch uns nicht. Aber wir können durch diese Vesperkirche dazu beitragen, dass es ein wenig heller wird in unserem Leben, in dieser Stadt, auf dieser Erde.

Vesperkirche – das ist ein Lichtblick in einer oft dunklen Welt. Und die Botschaft, dass dieses Licht „fer umme“ zu Menschen in der Dunkelheit kommt, wird heute Morgen nochmals weihnachtlich ausgerufen. Bevor in den kommenden Wochen vieles in dieser Kirche „fer umme“ geschieht, wird heute Morgen nochmals daran erinnert, was Gott an Weihnachten „fer umme“ für uns getan hat. Wird nochmals Weihnachten gefeiert - inmitten der Widersprüche von Armut und Reichtum. Aufgelöst werden diese Widersprüche durch uns nicht. Aber wir können durch diese Vesperkirche dazu beitragen, dass es ein wenig heller wird in unserem Leben, in dieser Stadt, auf dieser Erde. Davon lasst uns nicht nur reden und hören, davon lasst uns nun auch singen:
Lied nach der Predigt: EG 545 "Mache dich auf und werde licht!"

Amen.