Jules verne reise zum mittelpunkt der erde

Hörspiel nach dem berühmten Roman von Jules Verne um den Hamburger Professor Otto Lidenbrock, der gemeinsam mit seinem Neffen Axel eine uralte verschlüsselte Mitteilung enträtselt und sich daraufhin auf eine höchst ungewöhnliche Reise begibt: eine Reise zum Mittelpunkt der Erde ...
Jules verne reise zum mittelpunkt der erde

Juvenile Fiction Juvenile Literature

Am 24. Mai 1863 finden der Hamburger Professor Lidenbrock, ein kauziger Experte für Geologie, und sein Neffe und Laborgehilfe Axel in einer alten isländischen Chronik ein geheimnisvolles Pergament, auf dem etwas in verschlüsselter Runenschrift steht. Der Verfasser der Botschaft hat seinen Namen winzig klein hinterlassen: Arne Saknussemm, ein berühmter isländischer Alchemist des 16. Jahrhunderts. Die Sprache scheint Latein zu sein, die Buchstaben sind aber in einem Kryptogramm durcheinandergeschüttelt. Lidenbrock vermutet ein vertikales Anordnungsprinzip und lässt Axel zur Probe einen beliebigen Satz schreiben, und zwar jeweils sechs Zeichen senkrecht pro Kolumne. Axel schreibt geistesabwesend:

„Nicht nur, dass er die zweitausend Sprachen und die viertausend Dialekte, die es auf der Erde gab, fließend sprach, er verstand auch sehr viel davon.“ (über Lidenbrock, S. 18)

I e k G n ch m l r n l e e e i i i i t g e n n e b e e i

„Ich liebe meine kleine Grete innig.“ Damit hat er sein größtes Geheimnis verraten. Grete ist das Mündel des Onkels, Axel und sie sind bereits ohne dessen Wissen verlobt. Lidenbrock registriert das Geständnis aber nicht wirklich. Als er die Methode auf das alte Dokument anwendet, kommt nichts Sinnvolles dabei heraus. Lidenbrock verfügt, niemand werde mehr essen, bis das Rätsel gelöst sei. In seiner Abwesenheit kommt Axel auf die Lösung: Man muss das Blatt umdrehen und von hinten lesen. Axel entziffert den Text und weiß sofort um die Folgen: Der Onkel wird eine gefährliche Reise unternehmen und ihn, Axel, mitnehmen wollen. Deshalb zögert er lange, seine Entdeckung zu verraten. Aus Hunger tut er es schließlich doch: Der Text verrät eine Reiseroute zum Mittelpunkt der Erde. Saknussemm selbst hat diese Reise unternommen.

Ein schneller Entschluss

Es kommt, wie Axel vorausgesehen hat: Der Onkel lässt sofort die Koffer packen. Zunächst erklärt er seinem Neffen die Route: Die Reise zum Mittelpunkt der Erde beginnt im Krater eines erloschenen isländischen Vulkans namens Sneffels. Der Einstiegspunkt wird vom Schatten, den der Berggipfel Scartaris Ende Juni auf ihn wirft, bezeichnet. Axel bezweifelt, das Saknussemm wirklich bis zum Mittelpunkt der Erde gekommen ist, weil gemäß wissenschaftlichen Theorien dort Temperaturen von 2000 Grad herrschen. Sein Onkel führt jedoch andere Theorien an, die dem widersprechen. Axel ist verwirrt. Gedankenversunken schlendert er an der Elbe entlang in Richtung Altona, und als hätte er es geahnt, kommt ihm seine Verlobte Grete entgegen. Er erwartet, dass sie ihn von der Reise abzuhalten versucht, aber nein: Sie beneidet ihn sogar darum. Er freut sich, dass sie ihn heiraten will, sobald er zurück ist. In den Nächten vor der Abreise hat Axel Albträume von Abgründen.

Abreise nach Island

Zwei Tage später geht es los. Die Zeit drängt, bis Ende Juni müssen der Professor und Axel im Krater sein. Sie fahren mit Zug und Schiff über Kiel und Kopenhagen nach Reykjavík. In Kopenhagen müssen sie einige Tage auf ihr Schiff warten, und Lidenbrock zwingt Axel, „Antischwindelübungen“ zu absolvieren: Damit er sich daran gewöhnt, in Abgründe zu blicken, muss er einen Glockenturm auf dessen außen gelegener Wendeltreppe besteigen. Tatsächlich hat er nach fünf Tagen die Höhenangst überwunden. Bei ihrer Ankunft in Reykjavík haben die beiden Empfehlungsschreiben aus Kopenhagen dabei und werden freundlich empfangen. Sie kommen bei dem Gelehrten Herrn Fridrickson unter. Er erzählt ihnen, dass Arne Saknussemm wegen Ketzerei hingerichtet und seine Werke 1573 verbrannt wurden. Das erklärt, warum er seine Entdeckung verschlüsseln musste. Fridrickson vermittelt den Forschern einen ortskundigen Führer: Hans Bjelke, ein sehr schweigsamer und gleichmütiger Mann. Bjelke führt Lidenbrock und Axel in einem mehrtägigen Fußmarsch zum Sneffels und begleitet die beiden auch auf dem weiteren Weg. Nach dem Aufstieg auf den Berg folgt der Abstieg in den Krater. Der Onkel findet in einem Felsen den eingeritzten Namen Arne Saknussemms, eine Bestätigung, dass sie auf dem richtigen Weg sind. Auf dem Boden des Kraters befinden sich drei Spalten – nun müssen sie mithilfe des Schattenwurfs die richtige finden. Allerdings scheint die Sonne nicht, und es ist bereits der 25. Juni. Erst am 28. kommt sie zum Vorschein: Der Schatten des Scartaris zeigt auf die mittlere Spalte.

Abstieg in den Schlund

Der Abstieg kann beginnen, es geht senkrecht hinunter. Die drei Männer halten sich an einem Seil fest, das sie immer wieder einholen und mit dem sich zudem messen lässt, wie tief unten sie sind. Sie kommen gut voran. Nach zehneinhalb Stunden sind sie 2800 Fuß in die Tiefe gelangt und am Ende der senkrechten Spalte angekommen – auf Meeresspiegelniveau, sagt der Onkel. Ein Gang führt schräg nach rechts. Nach Nachtruhe und Frühstück betreten sie ihn. Er geht in südöstliche Richtung und fällt in einem 45-Grad-Winkel ab. Vom Himmel ist inzwischen nichts mehr zu sehen, in der Dunkelheit benutzen die drei eine elektrische Laterne. Als sie 10 000 Fuß tief sind, herrscht eine Temperatur von 15 Grad. Das scheint gegen die Theorie zu sprechen, es werde zum Mittelpunkt hin rasch heißer. Am nächsten Tag kommen sie an eine Kreuzung. Willkürlich bestimmt der Onkel, dass sie den Weg in Richtung Osten verfolgen. Sie kommen durch Gewölbe, die in ihrer Pracht gotische Kathedralen übertreffen. Axel ist ergriffen. Der Tunnel aber wird immer flacher und führt irgendwann sogar bergauf – so kommen sie dem Erdmittelpunkt nicht näher. Lidenbrock wird nervös. Zudem droht Gefahr: Der Wasservorrat wird knapp. Als sie die Lavaschicht hinter sich lassen, identifiziert Axel ein Gestein der Übergangsepoche, in der die ersten Pflanzen und Tiere entstanden sind. Bald darauf finden sie tatsächlich Algenabdrücke, Muschel- und Pflanzenreste. Und die Reise durch die Entwicklungsgeschichte geht weiter: Als Nächstes tauchen Überreste höherer Tierarten auf. Dann wird es schwarz: Die Forscher sind in der Karbonschicht angelangt. In einer riesigen Kohlehöhle endet der Gang, die Abenteurer sind in einer Sackgasse gelandet. Am nächsten Tag werden sie kein Wasser mehr haben.

In der Dunkelheit

Die drei müssen zurück zu der Wegkreuzung – ein Fünftagemarsch. Der Durst ist fürchterlich. Am 7. Juli sind sie wieder an der Stelle, wo die beiden Gänge aufeinandertreffen. Axel sinkt zu Boden. Sein Onkel gibt ihm zu trinken: Er hat einen einzigen Schluck Wasser aufgespart, um den Mut seines Neffen wieder zu wecken. Der Professor vermutet Quellen in dem anderen, stärker abfallenden Gang. Weitere qualvolle Stunden vergehen, bis Bjelke tatsächlich auf Anzeichen von Wasser stößt: Ein unterirdischer Bach ist zu hören, aber nicht zu sehen. An der Stelle, wo das Geräusch am deutlichsten ist, schlägt er mit der Hacke ein Loch in den Fels: Kochend heißes Wasser schießt heraus. Die Männer lassen es abkühlen, trinken davon und erholen sich. Das Wasser bildet einen Bach. Von nun an haben die drei stets Trinkwasser und einen natürlichen Leitfaden in die Tiefe.

„Steig hinab in den Krater des Sneffels Yocul, den der Schatten des Scartaris vor dem ersten Juli liebkost, kühner Wanderer, und du wirst zum Mittelpunkt der Erde gelangen. Was ich getan habe, Arne Saknussemm.“ (S. 46)

Dem Onkel ist der Gang allerdings schon wieder zu flach. Er jubelt, als sie am 10. Juli auf einen vertikalen Schacht stoßen. Am 19. Juli sind sie laut Lidenbrocks Berechnungen 16 Meilen unter der Erde und nicht mehr unterhalb Islands, sondern südöstlich davon unter dem Atlantik. Am 7. August verliert Axel plötzlich die anderen aus den Augen: Er dreht sich um und ist allein. Auch der Bach, bislang der Garant für den richtigen Weg, ist nicht mehr da. Axel fühlt sich verloren. Er steigt den Tunnel wieder hinauf, in der Hoffnung, den Bach zu finden und damit die Gabelung, die er verpasst haben muss. Doch dann steht er vor einer Wand: Weiter geht es nicht. Vor Schreck fällt er hin, und seine Lampe erlischt. In völliger Finsternis verliert er die Fassung. Nach Stunden des Schreiens und Umherirrens fällt er schließlich in Ohnmacht. Als er wieder erwacht, hört er Stimmen. Er schreit um Hilfe. Es gelingt ihm, an einer bestimmten Stelle der Felswand dank der Leitfähigkeit des Gesteins mit seinem Onkel zu kommunizieren. Sie berechnen über die Schallgeschwindigkeit, wie weit sie voneinander entfernt sind. Axel muss wieder hinab, zurück in eine Höhle, von der mehrere Tunnel ausgehen. Er stürzt mehr, als dass er geht, verliert erneut das Bewusstsein – und erwacht in den Armen seines Onkels.

Unterirdische Landschaften

Als er sich erholt hat, nimmt Axel einen frischen Luftzug wahr. Er verlässt die Grotte durch eine Öffnung und sieht: ein Meer. Mit Wind, Wolken und einem kalten, elektrisch wirkenden Licht. Es wird sogleich „Lidenbrock-Meer“ getauft. Die Forscher befinden sich in einer riesigen Höhle, die einen Ozean beherbergt. Bei einem Spaziergang am Ufer sehen sie einen Wald aus riesigen Pilzen. Es gibt auch Sträucher und Farne, ebenfalls ins Gigantische vergrößert. Das ist die Flora der Übergangsepoche, und von der Fauna sind Dinosaurierskelette übrig. Der Onkel erklärt, diese Tiere hätten einst auf der Erde gelebt und ihr ganzes Terrain sei in Abgründe gerutscht. Axel drängt sich der Gedanke auf, dass nicht unbedingt alle urzeitlichen Tiere tot sein müssen ... Am nächsten Morgen sieht er, dass das unterirdische Meer sogar Ebbe und Flut unterworfen ist. Unterdessen hat Bjelke aus versteinertem Holz ein Floß gebaut; Decken dienen den Männern als Segel.

Kämpfende Saurier

Die Expedition sticht vom „Grete-Hafen“ aus in See. Es geht ein starker Nordostwind, und sie kommen schnell voran, vorbei an 3000 Fuß langen Algen. Als sie einen urzeitlichen Fisch ohne Augen fangen, stellt sich Axel auch fliegende Saurier und andere vermeintlich ausgestorbene Tiere vor. In einem euphorischen Wachtraum vollzieht er die Erdgeschichte rückwärts nach und geht in seiner Vorstellung schließlich selbst in den Urdämpfen auf. Beinahe fällt er in diesem Rausch ins Wasser. Der Onkel indes ist ungeduldig: Die Fahrt übers Wasser führt nicht tiefer in die Erde hinein. Die Tiefe des Meeres, das kein Ende zu nehmen scheint, lässt sich mit den vorhandenen Seilen nicht ermitteln. Als sie ihre Sonde, eine schwere Hacke, wieder heraufziehen, erkennen sie Abdrücke von riesigen Zähnen. Vielleicht haben sie ein Meeresungeheuer aufgestört. In der Tat tauchen kurz darauf zwei Monster auf, die zum Glück das Floß nicht beachten, sondern sich ineinander verbeißen: Ein Ichthyosaurus kämpft gegen einen Plesiosaurus, Letzterer unterliegt und stirbt. Schnellstens segeln die Abenteurer davon. Das nächste unbekannte Phänomen ist eine riesige Wassersäule in der Ferne, die in die Höhe schießt. Trotz ihrer Angst halten sie darauf zu. Es handelt sich um einen sprudelnden Geysir. Tags darauf geraten die Reisenden in ein Gewitter, das fünf Tage anhält. Sie binden sich am Floß fest. Eine Feuerkugel reißt ihnen Mast und Segel fort.

Urmensch und Riese

Das unterirdische Meer ist so groß wie das Mittelmeer, das sich jetzt über ihnen befinden muss. Das Floß zerschellt an einer Felsküste, die drei Abenteurer stranden. Der Onkel frohlockt: Endlich wird man auf dem Landweg weiter in die Erde eindringen können. Doch dann der Schock: Die Kompassnadel zeigt Norden an, wo sie Süden vermutet haben. Das Floß muss sich während des Gewitters gedreht und die Reisenden wieder an die Ausgangsküste gebracht haben. Der Onkel tobt und ist dennoch entschlossen, die Fahrt ein zweites Mal anzutreten. Zuerst wollen sie aber die Küste erkunden – der Grete-Hafen ist nämlich nicht in Sicht. Sie kommen auf ein riesiges Knochenfeld. Dort finden sie zwischen Tierknochen eine Leiche, die wie mumifiziert aussieht. Eine wissenschaftliche Sensation. Da drängt sich die Frage auf, ob hier auch lebende Menschen existieren. Die Antwort lässt nicht lange auf sich warten: Die Männer erblicken einen Riesen, viermal so groß wie sie selbst, der eine Horde Riesenelefanten antreibt. Sie fliehen. Axel findet einen verrosteten Dolch, der erst einige Hundert Jahre alt sein kann, und dann treffen die Männer am Eingang zu einem Tunnel auf die Initialen A. S. – Arne Saknussemm war hier.

Floßfahrt nach oben

Die drei betreten den Tunnel, doch schon nach wenigen Schritten versperrt ihnen ein großer Felsbrocken den Weg. Das Hindernis soll weggesprengt werden. Sie legen Schießbaumwolle in den Tunnel, und Axel zündet die Lunte, was ihm zehn Minuten Zeit gibt, zu den anderen aufs Floß zu gelangen. Auf dem Meer wollen sie der Wucht der Explosion entgehen. Durch die Detonation entsteht eine große Schlucht. Das Meer samt dem Floß strömt hinein. Es wird eine rasende Fahrt. Der Professor erkennt, dass sie nicht abwärts-, sondern aufwärtsfahren. Er vermutet, dass sie im Krater eines Vulkans sind, der ausbrechen wird. Die Hitze nimmt zu. Das Wasser wird siedend heiß, und darunter wogt glühende Lava. Axel ist halb ohnmächtig. Als er die Augen wieder öffnet, sind die drei zurück auf der Erdoberfläche, auf einer Insel. Die Landschaft ist südlich, es gibt Feigen- und Olivenbäume. Die Männer steigen den Berg hinunter, Lavaströmen ausweichend. Sie sind auf der Vulkaninsel Stromboli. Im Hafen werden sie von Fischern aufgenommen. Am 31. August beginnt die Rückreise, am 9. September sind sie wieder in Hamburg. Der Forscher und sein Neffe werden weltberühmt. Axel heiratet Grete. Nur die Sache mit dem Kompass lässt ihm keine Ruhe. Er löst das Rätsel, indem er entdeckt, dass die Nadel nach Süden zeigt. Die Pole haben sich also verkehrt, vermutlich während des Gewitters.

Vernes in 45 kurze Kapitel gegliederter Abenteuerroman lebt vor allem von einem: der Spannung. Nach der Entschlüsselung des Kryptogramms stellt sich zunächst die Frage, ob die Forscher es rechtzeitig zu dem isländischen Krater schaffen. Und als sie drin sind folgen die nächsten Probleme auf dem Fuß: Wie weit werden sie kommen? Werden sie verdursten? Werden prähistorische Meeresungeheuer oder Riesen sie verschlingen – und vor allem: Werden sie heil wieder herauskommen? Das dem Genre entsprechende Überleben ist natürlich schon dadurch gewährleistet, dass Axel als Ich-Erzähler berichtet. In seine Erzählung eingeflochten ist ein Log- oder besser Tagebuch, das das unmittelbare Erleben auf dem Floß fesselnd beschreibt und Traum und Wirklichkeit ineinander übergehen lässt. Mehrfach fällt der Satz, die eigentliche Reise beginne erst jetzt: als sie in den Krater einsteigen, als sie Meeresspiegelniveau erreicht haben, als der erste vertikale Schacht unter dem Meeresspiegel auftaucht usw. Die Gespräche zwischen Onkel und Neffe sind meistenteils wissenschaftliche Diskussionen, in denen der Autor das Wissen seiner Zeit zusammenfasst. Verne zeigt sich aber auch von der witzigen Seite: in der Schilderung der Kauzigkeit des Professors und den ironischen Kommentaren des Erzählers Axel.

Interpretationsansätze

  • Die Rätselstruktur des Romans, angefangen bei dem Kryptogramm bis hin zu dem verstellten Kompass, lädt förmlich dazu ein, nach übertragenen, hinter der Oberfläche der Handlung liegenden Bedeutungen zu suchen.
  • Professor Lidenbrock ist für Axel eine Vaterfigur. Er stellt seinen Neffen auf die Probe, bevor er ihn als Wissenschaftler anerkennt und ihm Grete zur Frau gibt. Für Axel kommt das Abenteuer einer Initiation gleich. Nachdem er sie erfolgreich überstanden hat, wird er buchstäblich wieder auf der Oberfläche des gewöhnlichen Lebens ausgespuckt, für das er jetzt gewappnet ist.
  • Axel unternimmt nicht nur eine Reise ins Erdinnere, sondern auch eine tiefenpsychologische Expedition. In Räuschen erlebt er eine Entgrenzung seines Ichs, wobei er sich bis in einzelne Atome aufzulösen und sich mit der umgebenden Natur zu vereinigen glaubt.
  • Zugleich schildert der Roman eine Zeitreise zurück in die Vorgeschichte der Menschheit. Zeit und Raum werden hier geologisch kurzgeschlossen, denn die Zeitalter lassen sich an den Erdschichten ablesen.
  • Der Roman hat eine vertikale und eine horizontale Dimension: Lidenbrock verkörpert die Vertikale; er wird ungeduldig, wenn es zu flach vorangeht, und hat einzig die wissenschaftliche Durchdringung seines Gegenstands im Auge. Für die Schönheiten der Natur hat er keinen Sinn. Axel dagegen, obwohl ebenfalls Wissenschaftler, ist empfänglich fürs Horizontale, für Traum, Rausch, Schönheit.
  • Die unterirdische Welt ist Himmel und Hölle zugleich. Sie hält Glücksgefühle und ungeahnte Schönheit bereit, palastartige Höhlen und wunderbare Panoramen. Sie ist aber auch Anlass zu Albträumen und trägt Merkmale der Hölle oder des Hades: schreckliche Ungeheuer, Unwetter und fürchterliche Hitze.

Die Stellen, an denen Jules Verne in seinem Roman vom Bewiesenen ins Fantastische wechselt, sind zumeist jene Bereiche, in denen nach damaligem Wissensstand Unsicherheit herrschte. Zunächst folgen die Abenteurer den Gesteinszeitaltern in wissenschaftlich korrekter Abfolge. Erst am tiefsten Punkt ihrer Reise ist die Zeit sozusagen aufgehoben, und die Farne der Übergangsepoche, die das erste vom zweiten erdgeschichtlichen Zeitalter trennt, vermischen sich mit den Monstern des Tertiärs und des Quartärs.

In den 1860er Jahren wurde die Frage nach dem Alter der Menschheit intensiv diskutiert, insbesondere nach den Funden des Paläontologen Jacques Boucher de Perthes. Dieser fand altsteinzeitliche Faustkeile und datierte damit das Entstehen des Menschen auf 2,4 Millionen Jahre vor der Gegenwart. Das entspricht dem heutigen Forschungsstand. Boucher de Perthes’ Erkenntnisse wurden allerdings zunächst von Georges Cuvier in den Hintergrund gedrängt, der die These vertrat, der Mensch sei erst vor 6000 Jahren nach der großen Sintflut aufgetaucht. Schließlich setzten sich aber die Ansichten Boucher de Perthes’ durch; es gelang ihm, mit seinen Artefakten die gleichzeitige Existenz von Urmenschen und ausgestorbenen Tierarten zu beweisen.

Eine weitere wissenschaftliche Frage des späten 19. Jahrhunderts, nämlich die nach der Beschaffenheit des Erdkerns, lässt der Roman elegant unbeantwortet, indem er die Abenteurer gar nicht bis dorthin vordringen lässt. Um die unterirdische Reise in großen Tiefen stattfinden zu lassen, musste Verne allerdings Professor Lidenbrocks Zweifeln an der vorherrschenden Annahme eines Erdfeuers folgen. Heute weiß man: Der innere Erdkern ist fest, aber 6700 Grad heiß. Der sich daran anschließende äußere Kern ist flüssig und hat Temperaturen um 2900 Grad. Bereits in der Erdkruste, der äußersten Schicht, sind es in 14 km Tiefe 300 Grad.

Entstehung

Nach Fünf Wochen im Ballon, dem Roman, der Jules Vernes Ruhm begründete, war die Reise zum Mittelpunkt der Erde sein zweites Buch. 1863 lernte Verne den Geografen Charles Saint-Claire Deville kennen. Dieser hatte den Stromboli erforscht und vertrat die Theorie, die Vulkane Europas seien durch unterirdische Gänge miteinander verbunden. Dies war die Initialzündung für den Roman, zusammen mit der Theorie von John Cleves Symmes, die Erde sei hohl und an den Polen offen. 1838 schickten Anhänger von Symmes eine amerikanische Expedition in die Antarktis, um den Südpol näher zu untersuchen. Davon wurde auch Edgar Allen Poes Roman Die denkwürdigen Erlebnisse des Arthur Gordon Pym beeinflusst, den wiederum Verne sehr bewunderte.

Zur Vorbereitung studierte Verne einen Bericht über Island aus dem Jahr 1857. Im Roman lässt er Axel und Lidenbrock mit im Bericht erwähnten, also realen Menschen zusammentreffen, etwa dem Naturwissenschaftler Fridrickson. Zur wissenschaftlichen Fundierung zog er außerdem die Prinzipien der Geologie von Charles Lyell heran, ebenso Cuviers Die Umwälzungen der Erdrinde. Im September 1864 beendete Verne das Manuskript im Haus seiner Eltern in Chantenay, wo er sich mit seiner Familie aufhielt. Dort hatte er einen Anfall von Gesichtslähmung (bereits den vierten), den er mit Elektroschocks behandeln ließ – ein Hinweis auf die große nervliche Belastung, unter der der Erfolgsautor seine Werke schuf. Reise zum Mittelpunkt der Erde kam 1864 heraus. In die illustrierte Ausgabe des Romans von 1867 arbeitete Verne noch die aktuellsten Berichte über die Funde prähistorischer menschlicher Skelette mit ein.

Wirkungsgeschichte

Reise zum Mittelpunkt der Erde wurde ebenso begeistert aufgenommen wie Vernes erster Abenteuerroman. Die Schriftstellerin Georges Sand, welcher der Verleger Pierre-Jules Hetzel die beiden Romane zur Ablenkung geschickt hatte (ihr Lebensgefährte lag im Sterben), schrieb einen begeisterten Brief an den Autor – der literarische Neuling war deshalb so aufgeregt, dass er seinen Antwortbrief fälschlich um ein Jahr zurückdatierte. Verne hat international viele Autoren beeinflusst. Im Gegensatz etwa zu Karl May sah man in ihm nie einen reinen Jugendbuch- oder Unterhaltungsautor, sein literarischer Rang war stets unbestritten. Friedrich Dürrenmatt holte sich bei der Reise zum Mittelpunkt der Erde die Inspiration zu seinem frühen Prosawerk Der Tunnel. Arno Schmidt las den Roman als allererste Jugendlektüre. Er habe „anschließend natürlich alles Erreichbare von dem Manne gelesen“. Verne habe als Erster gezeigt, wie die Errungenschaften der Wissenschaft „nicht nur nicht Poesie-zerstörend wirkten; sondern vielmehr unerhört neu-reiche Gebiete dem Dichter eröffneten“. Die erste deutsche Übersetzung des Romans erschien 1874. Es existieren zahlreiche Verfilmungen.