Erpressung - Wie viel ist deine Familie wert teil 2

Erpressung - Wie viel ist deine Familie wert teil 2
„Erpressung – Wie viel ist deine Familie wert?“ // Deutschland-Start: 30. Juni 2017 (DVD/Blu-ray)

Es sollte ein echter Traumurlaub sein für Kevin (Eion Bailey), seine Frau Julie (Bethany Joy Lenz) und den gemeinsamen Sohn Andy (Mauricio Alemañy). Ein paar Tage in der Karibik, das traumhafte Wetter genießen, das Meer, die Strände. Doch all das ist hinfällig, als sie sich ein Boot mieten, um damit eine der vielen kleinen Inseln zu erkunden, die sich in der Gegend befinden. Denn als sie sich nach einem schönen Tag wieder auf den Rückweg machen wollen, stellen sie fest, dass der Motor nicht mehr anspringt. Alternativen gibt es keine, weit und breit ist außer ihnen kein Mensch zu sehen. Nach einigen verzweifelten Versuchen, selbst irgendwie wieder wegzukommen, scheint ihnen das Glück hold zu sein. Ein Fischer (Barkhad Abdi) entdeckt die gestrandete Familie und bietet dieser an, sie mit zurück zu nehmen. Die Sache hat aber einen hohen Preis: Er will eine Million US-Dollar dafür …

Ein (Fast-)Normalo in einer Ausnahmesituation

Es gehört zu den in Thrillern immer wieder gern verwendeten Szenarien: Ein absoluter Durchschnittsmensch gerät in eine außergewöhnliche und lebensbedrohliche Situation, in der er sich beweisen muss und dabei über sich hinauswächst. Das Publikum darf ihm dabei nicht nur zusehen, sondern soll sich auch mit dem Helden wider Willen identifizieren und mitzittern. Bei Erpressung – Wie viel ist deine Familie wert? kommt noch hinzu, dass unser Protagonist Frau und Kind retten muss. Das ist natürlich noch besser. Da dürfen die Männer daheim sich selbst als Helden fühlen, alte Geschlechterrollen bestätigen und vertreten durch den Schauspieler da vorne Abenteuer erleben. Dürfen dann auch mal zeigen, was in ihnen steckt. Oder zumindest zeigen lassen.

Soweit zur Theorie. In der Praxis funktioniert das schon sehr viel weniger gut. Zum einen ist ein Arzt, der sich einen nicht gerade billigen Urlaub in der Karibik leisten kann, vielleicht nicht unbedingt die Verkörperung des Max Mustermanns. Während man an den Stellen aber schon mal großzügiger sein darf, nach oben ist immer ein bisschen Luft, sieht es in anderer Hinsicht schwieriger aus. Ein großes Problem: Kevin ist unsympathisch. Natürlich ist der Kampf um die Familie, bei der man schon mal Sachen tut, die man unter normalen Umständen nie tun würde. Bei Erpressung – Wie viel ist deine Familie wert? ist das aber so überzogen, dass man sich immer weniger in dem Mann sieht – oder auch sehen will.

Aktionismus jenseits von Sinn und Verstand

Damit einher geht ein Film, der zunehmend schwachsinnig wird. Auch in der Hinsicht darf man natürlich großzügiger sein. Das Genre ist traditionell eher auf Realitätsflucht ausgelegt, weniger auf die Abbildung von Realität. Wenn irgendwann aber gar nichts mehr Sinn ergibt, dann wurde zwischendurch vielleicht doch eine Grenze überschritten. Dabei sind es nicht nur die zahlreichen Zufälligkeiten, welche Erpressung – Wie viel ist deine Familie wert? zu schaffen machen und einen immer wieder aus dem Geschehen reißen. Vor allem irritiert das Verhalten der Hauptfigur, welche die ganze Zeit einfach nur irgendwas macht, ohne dass sich dies auf plausible Weise aus der Situation ergeben würde. Klar, sie befindet sich in einer Ausnahmesituation und muss unter Zeitdruck Entscheidungen treffen. Da greift man schon mal daneben, macht das Falsche. Wenn das aber zu einem reinen Aktionismus und einer damit verbundenen Willkürlichkeit führt, wird es schnell frustrierend.

Wenn der Film wenigstens spannend wäre. Aber dafür ist er zu lang und zu sehr darum bemüht, dauernd irgendwas Neues geschehen zu lassen. Die Rastlosigkeit soll natürlich mit dem Zeitdruck erklärt werden. Dieser wird aber nicht so wirklich spürbar, weil der Film einfach zu lange geht. Wenn es heißt, dass keine Zeit mehr bleibt, danach aber stundenlang in der Gegend herumgefahren wird, verliert sich das mit der Dringlichkeit nach einer Weile. Wo die erste Hälfte noch einigermaßen funktionierte, gibt es in der zweiten einen Komplettabsturz. Sehenswert ist an Erpressung – Wie viel ist deine Familie wert? vor allem das Setting, gerade wenn es im Kontrast zur Lebensgefahr steht. Und auch Barkhad Abdi, der für seinen Auftritt als Pirat in Captain Phillips unter anderem eine Oscar-Nominierung erhielt, bleibt positiv in Erinnerung. Aber das ist eben nicht genug für einen Film, der eine grundsätzlich interessante Idee völlig in den Sand setzt. Ein paar der unfreiwillig komischen Szenen machen Spaß. Ansonsten gibt es vor allem Langeweile.

Credits

OT: „Extortion“
Land: USA
Jahr: 2017
Regie: Phil Volken
Drehbuch: Phil Volken
Musik: Gad Emile Zeitune
Kamera: Helge Gerull
Besetzung: Eion Bailey, Bethany Joy Lenz, Barkhad Abdi, Danny Glover, Mauricio Alemañy

Bilder

Trailer

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Hätte sich Kevin Riley (Eion Bailey) von seinem Nachbarn Lucas (Jack Wallace) doch nur zeigen lassen, wie er seinen Rasenmäher wieder flott bekommt! Auf diese bittere Pointe ließe sich Phil Volkens Thriller zusammenfassen, wenn man ihm Übles wollte. Denn Volkens Protagonist weiß als Chirurg zwar, wie er Herzen repariert, hat für alles Mechanische aber kein rechtes Händchen. Und als er wenige Tage später im Familienurlaub auf den Bahamas mit seiner Frau Julie (Bethany Joy Lenz) und seinem Sohn Andy (Mauricio Alemañy) nicht mehr von einer einsamen Insel kommt, stellt er selbst lakonisch fest, dass der Antrieb des geliehenen Bootes, der seinen Dienst versagt, im Grunde ein Rasenmähermotor sei. Im Angesicht des Verdurstens naht unverhofft Rettung. Doch die Fischer Miguel (Barkhad Abdi) und Jorge (Jorge Cabrera) bieten ihre Hilfe nur gegen Bares an und lassen Julie und Andy zurück. Um seine Familie zu retten, muss Kevin zurück im sicheren Hafen eine Million US-Dollar auftreiben.

Nun ist Erpressung durchaus besser als diese bittere Pointe, aber eben auch nicht so gut, dass es einer Kinoauswertung bedurft hätte. Volkens Werk ist im besten wie im schlechtesten Sinne Mittelmaß und damit in der DVD-Abteilung genau richtig aufgehoben. Das fängt bei den Schauspielern an, die zwar solide Arbeit abliefern, aber nie so recht über Fernsehniveau hinauskommen. Hauptdarsteller Eion Bailey fehlt schlicht das Format für die große Leinwand. Danny Glover und Barkhad Abdi, der für seine Rolle in Captain Phillips für einen Oscar nominiert war, sind zugkräftige Namen. Doch während der eine seine besten (Lethal-Weapon-)Tage längst hinter sich hat, reicht der andere an die vergangene Glanztat nicht heran. In Helge Gerulls Kameraarbeit, die die Schönheit der Karibik in viel zu hastigen, seltsam fahlen Bildern einfängt, setzt sich das Mittelmaß ebenso fort wie in Volkens Drehbuch, das zu großen Teilen nur deshalb funktioniert, weil Erpressungsopfer und Ermittler allesamt viel zu überzogen reagieren, anstatt kurz durchzuschnaufen und den Verstand einzuschalten.

Im Bonusmaterial der DVD, das neben dem obligatorischen Trailer und einer Bildergalerie vom Set auch ein kurzes Making-of enthält, erklärt Phil Volken seinen Anspruch. Er habe eine Geschichte erzählen wollen, die Zuschauer rund um den Globus anspreche und zu keinem Zeitpunkt langweile. Ersteres ist ihm mit dem Alptraum eines jeden Familienvaters gelungen. Langeweile hingegen macht sich ab und an trotz aller überkonstruierter Atemlosigkeit breit. Im Grunde will Erpressung wie das im Film gezeigte Speedboot sein, hat dazu allerdings nur einen Rasenmähermotor zur Verfügung.


 

Erpressung - Wie viel ist deine Familie wert teil 2
Eion Bailey

Erpressung - Wie viel ist deine Familie wert teil 2
Bethany Joy Lenz

Erpressung - Wie viel ist deine Familie wert teil 2
Danny Glover

Seine Frau und sein Sohn werden auf irgendeiner dieser zahllosen einsamen Inseln verdursten, wenn Dr. Kevin Riley nicht 1 Million Dollar auftreibt. Aber die hat er nicht! Er ist doch bloß Arzt in einem Bezirkskrankenhaus und wollte einmal Ferien in der Karibik machen. Aber den Fischern, die die gestrandete Familie mit dem kaputten Motorboot gefunden haben, erscheint er als reicher Mann. Da muss sich was verdienen lassen! Mit aller Härte machen sie Riley den Ernst der Lage klar. Die Polizei ist wenig hilfreich, denn hier ist die Karibik, man ist schlecht ausgestattet und außerdem: Gibt es eigentlich Beweise für diese wilde Geschichte? Riley ist völlig auf sich allein gestellt …

Erpressung - Wie viel ist deine Familie wert teil 2
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Kritik

Erpressung - Wie viel ist deine Familie wert? ist die Art von Film, bei der das Publikum schon nach den ersten Minuten weiß, wohin die Reise geht. Der Direct-to-Video-Streifen von Phil Volken (Garbage), der nicht nur im Registuhl platz nahm, sondern auch als Autor fungierte, erzählt die Geschichte eines unschuldigen Familienvaters, der aus einer idyllischen Szenerie in einen Albtraum gezogen wird. Diese Prämisse ist für Filmfans altbekannt, weshalb der Film auf andere Weise seinen Weg zur Überzeugung des Zuschauers finden muss. Leider gelingt dies Erpressung - Wie viel ist deine Familie wert? selten. Zwar schafft es der Film hin und wieder mittels ausweglosen Situationen eine packende Spannung aufzubauen, die oftmals aber mit fragwürdigen Entscheidungen unelegant aufgelöst wird und ein angemessenes Pacing verhindert. Es wird sich zu wenig Zeit genommen, um die Idylle vorzustellen und bei manch anderer Sequenz hat man sich ein wenig zu viel Zeit gelassen. Hinzu kommt, dass der Titel auch schon einen wesentlichen Teil des Plots verrät, denn während sich der Zuschauer anfangs fragt, ob und wie die gestrandete Familie von der Insel gelangt, reicht ein Blick auf das Cover und schon kann er sich den folgenden Verlauf zusammenreimen. Die 109 Minuten Laufzeit vergehen wie eine Achterbahnfahrt, die sowohl Hochspannungseinlagen bietet, andererseits aber auch das Überwinden einiger belangloser Durststrecken fordert. 

Dieser Aspekt ist wirklich Schade, denn Eion Bailey (Band of Brothers) liefert mit seiner Rolle als verzweifelter Familienvater eine äußerst starke Darstellung ab, der nahezu im Alleingang die Handlung auf seinen Schultern trägt. Von sympatischer Feriendaddy bis zum Missetäter. Das Spektrum an Gemütszuständen ist hier ein breites. Mit Barkhad Abdi (Captain Phillips) haben wir zudem einen Oscar-nominierten Namen in der Castliste. In seiner Rolle als gieriger Fischer, der zum Kriminellen wird, fühlt sich der eine oder andere Zuschauer möglicherweise an seine Rolle in Captain Phillips erinnert, was überwiegend zutrifft, aber von der schauspielerischen Leistung weit daneben liegt.  Und was wäre ein Direct-to-Video-Film ohne einen in die Jahre gekommenen Ex-Hollywood-Star wie Danny Glover (Leathal Weapon)? Er portaitiert einen alten Cop, der sich aus dem Hintergrund immer wieder in die Story einmischt, ohne jedoch eine allzu große Rolle im Handlungsverlauf zu spielen. Diese Performance ist leider genauso schnell vergessen, wie sie vermutlich geschrieben wurde. 

Leider fehlt es Erpressung - Wie viel ist deine Familie wert? auch an einem Soundtrack mit Wiedererkennungswert. Vor allem die rasanten Hetzjageden könnten die Action auf ein weit beeindruckenderes Niveau hiefen, doch stattdessen bedient man sich hier einem typischen 0815-Track, der ebenso aus einer Folge CSI: Den Tätern auf der Spur stammen könnte. Die Bilder hingegen sind schön gefilmt. Nicht nur, dass das tropische Paradies ist ein Augenschmaus ist, sondern spiegeln die Bilder auch die raue und schmutzige Atmosphäre der in Armut lebenden Arbeiter dar, die sich selbst und ihren Familien durch kriminelle Machenschaften aushelfen wollen. Teil hat man zwar einige verwackelte Einstellungen in Szenen, in denen man auch gut auf den Dynamikzuschuss hätte verzichten können, aber im Großen und Ganzen ist der Streifen solide gefilmt. 

Fazit

Erpressung - Wie viel ist dir deine Familie wert? entpuppt sich als genau die Art von Film, die der Zuschauer beim Anblick des Covers vermutet: Eine Tragödie im Paradies, bei der ein Mann alles daran setzten muss, seine geliebte Familie zu retten. Für Fans des Kidnapping -Nischengenres  ein netter Zeitvertreib,doch  die massentaugliche Abendunterhaltung bietet Phil Volkens zweite Regiearbeit bei Weitem nicht.

Autor: Oliver Koch