Wo was los ist franken

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Wo was los ist franken


Page 2

So ftell Dich auf Deinen Plaß in den Schranken," sagte de Bois-Guilbert, ,,und wirf Deinen leßten Blick auf die Sonne; denn heute Nacht wirst Du im Paradiese schlafen."

Schönsten Dank für Deine Höflichkeit,“ erwiederte der ents erbte Ritter, „und um sie zu vergelten, rath' ich Dir, eine frisches Pferd und eine neue Lanze zu nehmen, denn bei meiner Ehre, Du wirft beide nöthig haben.“

Nachdem er sich so voller Selbstvertrauen ausgedrüdt, zügelte er sein Pferd rüdwärts den absteigenden Gang herunter, den er heraufgekommen war, und zwang es, in derselben Weise rück: wärts durch die Schranken fortzugeben, bis er das nördliche Ende erreicht hatte, wo er, in Erwartung seines Gegners, ftehen blieb. Dieses Reiterstück 30g wiederum den Beifall der Menge auf fich.

So sehr er auch gegen seinen Gegner über die von ihm anempfohlenen Vorsichtsmaßregeln aufgebracht war, so bersäumte doch Brian de Bois-Guilbert seinen Rath nicht; denn seine Ehre war zu sehr dabei betheiligt, als daß er irgend ein Mittel, das ihm den Sieg über seinen anmaßenden Gegner versichern konnte, hätte versäumen sollen. Er wechselte fein Pferd gegen ein frisches von großer Stärke und Feurigkeit. Er wählte einen neuen, zähen Speer aus, im Falle das Holz des frühern, in den vorher von ihm bestandenen Treffen, sich berzogen hätte. Endlich legte er auch fein Schild, welches etwas Schaden gelitten hatte, bei Seite und empfing ein andres von seinen Knappen. Sein erstes hatte nur die allgemeine Devise seines Trägers * geführt und stellte zwei Ritter auf Einem Pferde reitend Dar, als Emblem der ursprüngs lidhen Demuth und Armuth der Templer, Eigenschaften, welche ste seitdem gegen die Anmaßung und den Reichthum, welche zulegt ihre Unterdrückung herbeiführten, ausgetauscht hatten. Bois: Guilberts neues Sityild führte einen Raben im vollen Fluge, wel. cher einen Svädel in den Klauen hielt und das Motto führte, Gare le Corbeau.

Als die zwei Kämpen sich an den beiden Enden der Schranken gegenüberstanden, so war die öffentliche Erwartung auf den Gip: fel gestiegen. Wenige bermutheten die Möglichkeit, daß der Kampf zu Gunsten des enterbten Ritters aus dlagen könnte, allein fein Muth und ritterliches Wesen ficherten ihm die allgemeinen, guten Wünsche der Zuschauer.

Raum hatten die Trompeten das Signal gegeben, als die Ränpen mit Bligesschnelle von ihren Poften verschwanden und in der Mitte der Schranken mit dem Stoß des Donnerkeils zusammen:


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„Wir werden uns noch treffen,“ sagte der Templer und warf einen Racheblick auf seinen Gegner, „und wo en Reinen gibt, um uns zu trennen.“

„Wenn es nicht geschieht,“ sagte der enterbte Ritter, „so ift's nicht meine Schuld. Zu Fuß oder zu Pferde, mit Speer, mit Ayt oder mit Schwerdt, ich bin gleich bereit Dir zu begegnen.“

Mehr und zornigere Worte wären gewechselt worden, aber die Marschälle zwangen fte, indem sie ihre Lanzen zwischen ihnen kreuzten, sich zu trennen. Der enterbte Ritter kehrte zu seinem ersten Stand und Bois-Guilbert in sein Zelt zurück, wo er den Nest des Tages über in Verzweiflungsqualen blieb.

Dhne vom Pferde zu steigen, rief der Sieger nach einer Schale Wein und das Visir oder den untern Theil des Helmes lüftend, perfündigte er, er trinke fte ,,auf das Wohl aller echt englischen Herzen und zur Vernichtung aller fremden Tyrannen." Bierauf befahl er seinem Trompeter den Herausforderern Truß zu blasen und trug einem Herold auf, ihnen kund zu thun, daß er keine Wahl treffen würde, sondern bereit wäre, ste alle, in der Reihenfolge, worin es ihnen gegen ihn heranzukommen beliebte, zu bekämpfen. Der riesige

Front de Boeuf in schwarzer Müstung war der erste, welcher in's Feld trat. Er führte auf einem weißen Schild einen schwarzen Bullenkopf, von den zahlreichen Stößen, die er ausgehalten, halb berwischt und das anmaßende Motto führend,

Cave, Adsum.“ Ueber diesen Kämpen trug der enterbte Ritter einen geringen, aber entscheidenden Vortheil davon. Beide Kämpen brachen ihre Lanzen in der Drdnung, aber Front de Boeuf, welcher bei dem Zusammenstoß einen Steigbügel verlor, wurde von den Richtern im Nachtheil erkannt.

Bei des Fremden dritten Gang, mit Sir Philipp Malvoisin, war er gleich glücklich, indem er jenem Baron so gewaltig auf die Sturmhaube stieß, daß die Helmriemen rissen und Malvoisin, der fich nur dadurch, daß er enthelmt wurde, bor'm Fallen rettete, wurde gleich seinen Gefährten für bestegt erklärt.

Bei seinem vierten Gang mit De Grantmesnil, zeigte der ent: erbte Ritter eben so viel Höflichkeit, als er bis dahin Muth und Geschicklichkeit bewiesen. De Grantmesnils Pferd, welches jung und heftig war, bäumte sich und stürzte sich auf eine Art in's Rennen, daß eg das Zielen des Reiters beeinträchtigte und der Fremde, den Vortheil, welden dieser Zufall ihm bot, bon fich weis send, erhob seine Lanze, passtrte an seinem Gegner vorbei ohne ihn


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personen mit Degen an der Seite hinten auf stehn sehn. Sobald der erste Honigmonat vorbei war, so stellte ich ihr das Unvernünftige dieser täglichen Neuerungen, die sie in meiner Familie machte, vor; allein sie erklärte mir, daß sie mich nicht länger als Herrn von Ambos, sondern als ihren Mann betrachte; und fügte mit einem drohenden Blick hinzu, daß ich nicht zu wissen schiene, wer fie sei. Ich war erstaunt, nach dem, iras zwischen uns borgefal len war, so behandelt zu werden. Aber sie hat mir seitdem zu wissen gethan, daß wenn wir auch auf vertrautem Fuße leben, ste im Algemeinen mit derjenigen Achtung, welche ihrer Geburt und ihrem Range zukommen, behandelt sein wil. Unsere Kinder har ben von Kindheit auf so viele Berichte über die Familie ihrer Mutter zu hören gekriegt, daß fte die Geschichten von allen, aus ihr hervorgegangenen großen Männern und Frauen wissen. Ihre Mutter erzählt ihnen, daß der und der ineinem Seegefecht komman: dirt hat, daß ihrem Urgroßvater bei Edgehil ein Pferd unter dem Leibe weggeschoffen wurde, daß ihr Dnfel bei der Belagerung von Buda war und daß ihre Mutter auf einem Bal bei Hofe mit dem Herzog von Monmouth getanzt hat; nebst einem Ueberfluß von Gequatsch in demselben Genre. Ich kam neulich etwas über eine Frage meiner fleinen Tochter Harriet aus der Fassung, welche mich mit großer Unschuld fragte, warum ich ihnen niemals von den Generälen und Admirälen erzählte, die in meiner Familie gewesen wären. W.18 meinen ältesten Sohn, Verquer, betrifft, so hat ihm seine Mutter solche Dinge in den Kopf gelegt, daß, wenn er sein Betragen nicht ändert, ich ihn wahrscheinlicher Weise enterben werde. Ehe er noch neun Jahr alt war, zuckte er einmal den Degen auf mich und erklärte mir, er erwarte, daß man ihn als Edelmann behandle; da ich im Begriff war, ihn für feine Unver: schämtheit zu züchtigen, so trat die gnädige Frau zwischen uns und fagte mir, ich foute bedenken, daß es zwischen seiner Mutter und meiner auch einen Unterschied gäbe. Sie findet fortwährend bei jedem ihrer Kinder die Züge ihrer eignen Verwandten wieder, obgleich ich, beiläufig gesagt, einen kleinen bausbäckigen Jungen habe, der mir so gleich sieht, wie er nur aus den Augen sehn kann, wenn ich es nur verlautbaren dürfte; aber, was mich am meisten ärgert, ist, daß wenn sie mid, mit einem von den Kindern auf den Knien spielen steht, so hat sie mich mehr als einmal gebeten, so wenig als möglich mit ihnen zu sprechen, damit sie keine von meinen bäurischen Angewohnheiten lernten.

Sie müssen ferner wissen, da ich ihnen nun einmal mein Herz eröffene, daß ste sich mir an Verstand eben so überlegen dünkt, als an Rang, und mich daher als einen einfachen, wohlmeinenden


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bohrer, Fußschwärzer, Sähnefärber, Augenbraunausreißer, ste würden alle kein Brod haben, wenn ihre Nächsten keine Eitelkeit hätten. Diese Eitelkeiten jedoch beschäftigen siel weniger Hände in China, als in England, und, ein nach der Mode zugeftugter, feiner Herr oder feine Dame scheinen faum ein einziges Glied zu haben, das nicht von der Kunst einige Verdrehungen erlitten hätte.

Uin einen feinen Herrn zu machen, sind mehrere Handwerke nöthig, vor allem aber der Barbier: Du hast ohne Frage von dem jüdischen Kämpen gehört, dessen Stärke in seinem Haar lag: man Follte glauben die Engländer berlegten alle Weisheit dorthin. Um weise zu erscheinen ist hier weiter nichts nöthig, als daß ein Mann

fich Quare von den Köpfen aller seiner Nächsten borge und fle gleich einem Busch auf seinen eignen aufstülpe: die Austheiler der Gerechtigkeit und Medizin kleben sich solche Massen auf, daß es fast unmöglich ist, selbst in Gedanken, den Kopf von den Haa: ren zu unterscheiden.

Diejenigen, welche ich so eben beschrieben habe, affektiren die Würde des Löwen; diejenigen aber, welche ich jeßt beschreiben werde, gleichen der naseweisen Lebhaftigkeit kleineren Gethiers. Der Barbier, welcher immer noch der Zeremonienmeister bleibt, schneidet ihnen das Haar dicht am Kopfe ab und bepflastert dann das Ganze mit einer Mischung von Mehl und Sped in folcher Weise, daß es unmöglich ist zu unterscheiden, ob der Pazient eine Müße oder ein Pflaster trägt. Um jedoch das Bild noch schlagender zu machen, stelle Dir den Schwanz eines Thieres vor, z. B. einen Windhundsdhwanz oder einen Schweineschwanz, der vom Hinterkopf herunterhängt und bis zu derjenigen Stelle herunter reicht, wo man die Schwänze der andern Thiere gewöhnlich ihren Anfang nehmen steht; so befdwänzt und bepudert, bildet sich der Mann von Geschmack ein, er verbo Ukommne feine Schönheit, stußt sein hartzügiges Gesicht zum Lächeln zu und versucht scheußlich zärtlich auszusehen.. So ausstaffirt, ist er in Stand gefeßt, sein Glück in der Liebe zu versuchen, und hofft, mehr wegen des Buders auswendig auf dem Kopf, als wegen der Gedanken darin, auf glücklichen Erfolg.

Bei alledem, wenn ich bedenke, was für eine Art von Geschöpf die feine Dame ist, um deren Hand er sich, der Annahme nach, bewirbt, so ist es nicht wunderbar, ihn so ausstaffirt zu finden, um zu gefallen. Sie ist selbst auf's Haar eben so berliebt in Puder und Schwänze und Speck, als er: um meine geheimen Gedanken auszusprechen, Hochehrwürdiger Fum, die Damen hier sind schauderhaft häßlich); ich kann ihren Anblic faum ausstehen; sie sehen in keiner Weise den Schönheiten Chinas ähnlicy: die Europäer


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LXXXVII.—Die Landpartie. Herr Pickwick fand, daß seine drei Gefährten aufgestanden waren, und auf seine Ankunft warteten, um das Frühstück anzufangen, welches mit verführerischer Schaustellung fertig ausgelegt war. Sie reßten sich zu der Mahlzeit nieder; und gebratener Schinken, Eier, Thee, Kaffee und Zuthaten fingen an, mit einer Schnellig feit zu verschwinden, welche sowohl von der Vorzüglich keit des effens, als dem Appetit seiner Verzehrer Zeugniß gaben.

,,Jeßt wegen Manor Farm," sagte Herr Picwid. ,,Wie sol len wir gehn?“

„Wir thäten vielleicht besser den Relner um Rath zu fragen," sagte Herr Lupmann; und der Rellner wurde demgemäß herbeigerufen.

Dingley Dell, meine Herrn? - F'fzehn Meilen, meine Herrn - Feldweg. — Postcaise, Herr ?"

„Postchaise hält nicht mehr, als zwei," sagte Herr Picwid. ,,Wahr, Herr — bitt um Verzeihung, Herr.

- Sehr nette, vierrädrige Chaise, Herr — zweisībig hinten - ein Sik vorn für den

Herrn, der fährt — oh, bitt' um Verzeihung, Herr, das hielte blos drei.

,,Was läßt sich da thun?" sagte Herr Snodgras.

,,Vielleicht würde einer von den Herrn gern reiten, Herr," gab der Kellner zu berücksichtigen, indem er Herrn Winkle ansab; „sehr gute Reitpferde, Herr – einer von Herrn Wardles Leuten zurückbringen, wenn nach Rochester reinkommen.“

,,Wie gefunden,'"* sagte Herr Picwick. „Winkle wollen Sie reiten?"

Nun hegte Herr Winkle im alertiefsten Winkel seines Herzens bedeutende Skrupel, bezüglich seiner Seitfunst; da er dieselben jedoch unter keiner Bedingung auch nur geahnt wissen wollte, so entgegnete er auf der Stelle mit großer Kühnheit, „gewiß. Niitts könnte mir mehr Vergnügen machen." +

Herr Winkle hatte sicj in sein Verhängniß gestürzt; es gab keinen Außweg.

,,Um Elf sind ste vor der Thür,"1 sagte Herr Pickwid. ,,Ganz wohl, Herr," entgegnete der Kellner.

Der Kellner entfernte fich; das Frühstück kam zu Ende und die Reisenden stiegen in ihre bezüglichen Schlafzimmer hinauf, um das Wechseln der auf ihrer bevorstehenden Partie mitzunehmenden

# Wörtlich : „Grade das Ding !" † Wirtlich: ,, ich würde es vor allem genießen.“ † Wörtlid : ,,laßt fic um Elf an der Thür sein.“


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Sache von großer Schwierigkeit, fie zu halten, machte, hatte es die sonderbare Leidenschaft, dann und wann plößlich nach der Seite der Straße hinzuschießen, dann auf dem Flec ftehn zu bleiben, und darauf einige Minuten lang mit einer Schnelligkeit vorwärts zu stürzen, welche zu bewältigen rein unmöglich war.

„Was kann es damit meinen ?“ sagte Herr Snodgras, als das Pferd dieses Manöver zum zwanzigsten Male ausgeführt hatte.

,,Ich weiß nicht,“ entgegnete Herr Tupman; ,,es sieht sehr danach aus, als scheute es fich, nicht wahr?" Herr Snodgras war eben im Begriff zu antworten, als er von einem Gesdrei Herrn Pickwicks unterbrochen wurde.

,,Ho!" sagte der Herr, ,,ich habe die Peitsche fallen lassen."

„Winkle," schrie Herr Snodgras, als der Reiter, den Hut über den Dhren und durch und durch gerüttelt, als wollte die Heftigkeit der Bewegung ihn in Stücke schütteln, auf seinem großen Pferde herangetrabt kam. „Heben Sie die Peitsche auf, Sie follen audy

, ein guter Kerl dafür sein." Herr Winkle zog am Zügel Des großen Pferdes, bis er fchwarz im Gesicht war; und als es ihm zulegt gelungen war, e6 zum Stehen zu bringen, so stieg er ab, übergab Herrn Pickwick die Peitsche, ergriff die Zügel und schicte fich an wieder aufzusteigen.

Ob nun das große Pferb, in der natürliden Spaßhaftigkeit feines Wesens, sich eine kleine unschuldige Erholung mit Herrn Winkle bersdhaffen wollte, oder, ob es ihm einkam, daß es die Reise ebenso sehr zu seiner eigenen Genugthuung ohne Reiter zu: rüdlegen könnte, als mit demselben, das find Punkte, worüber sich natürlid) zu feiner schließlichen und bestimmten Entscheidung gelangen läßt. Von welchen Beweggründen das Thier jedoch auch immer angetrieben sein möchte, so viel ist gewiß, daß Herr Winkle kaum die Zügel berührt hatte, als es fid) auch schon die: selben über den Kopf gleiten ließ und so lang wie fie reichten, zu: rüdkfuhr.

„Armer Kerl," sagte Herr Winkle besänftigend,

gutes, altes Pferd.“ Der „arme Rerl" war aber fest gegen Schmeichelei; je mehr Herr Winkle bersuchte, ihm nabe zu kom: men, desto weiter bog er aus, und ungeachtet jeder Art von Zure: den und Schmeicheln, da waren Herr Winkle und das Pferd, und gingen zehn Minuten lang uin einander um und herum, zu Ende welcher Zeit beide in genau derselben Entfernung von einander was ren, als wie fte zuerst anfingen - ein unter jeden Umständen unbes friedigender Stand der Dinge, aber ganz besonders auf einer einsas men Straße, wo man sich keinen Beistand verschaffen kann.


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,,Erschrecken Sie nicht, Mylord, fie find vollkommen ficher; wir verlangen blos Ihre Ihr und Börje."

,,Wirklich," antwortete eine Stimme, noch sanfter, als die des Räubers, während ein markirtes, etwas französisches Gesicht, in einer Pelzmüße, nach dem Arretirenden Hinguckte, - wirklich, mein Herr, Ihr Gesuch ist so sehr bescheiden, daß es schlimmer, als grausam von mir wäre, Ihnen eine abschlägige Antwort zu geben. Meine Börse ist nicht sehr voll und Sie mögen sie eben so gut und gern haben, als einer von meinen schurfischen Gläubigern — aber für meine Uhr habe ich eine Liebhaberei — und

,,Ich verstehe, Mylord,“ fiel der Straßenräuber ein, „wie hoch schäßen Sie Ihre Uhr?"

Hm - für Sie kann fte einige zwanzig Guineen werth sein." ,,Erlauben Sie mir, sie zu sehn.“

Ihre Neugier ist äußerst erbaulidy," erwiderte der Edelmann, wie er mit großem Widerstreben seine goldene Repetiruhr herauszog, die, wie es zu jener Zeit zuweilen Mode war, mit kostbaren Steinen beseßt war. Der Straßenräuber warf einen oberflächlichen Blick auf das Spielzcug.

Ew. Herrlichkeit,“ sagte er mit großer Würde, waren zu be: ideiden in Dero Sdäßung 3hr Geschmack macht Ihnen mehr Ehre : erlauben Sie mir Ihnen zu bersichern, daß Ihre Uhr fünfzig Guineen für uns werth ist, wenigstens ! Um Ihnen zu zeigen, daß, id) des vollen Ernstes glaube, will ich sie entweder behalten, und wir wollen kein Wort weiter darüber verlieren; oder ich will fie Ihnen auf Ihr Ehrenwort zurückstellen, daß Sie mir einen Wechsel auf fünfzig Guineen, au porteur burch Ihren wirf: liden Banquier zahlbar, ausstellen. Sie haben die Wahl; e6 ist mir vollkommen gleichgültig!"

,,Bei meiner Ehre, mein Herr," sagte der Reisende, während ein Anflug von Erstaunen ihm in's Gefidyt stieg, ,,Ihre Kaltblü: tigkeit und Selbstbeherrschung sind ganz bewundernswürdig. Ich sebe, Sie kennen die Welt.

,,Ew. Herrlichkeit schmeicheln mir!" entgegnete Lovett mit einer Verbeugung. Wie entscheiden Sie sich ?“

" ,, Aber, wie ist es möglich Tratten zu schreiben, ohne Tinte, Fe: der oder Papier ?"

Lovett trat zurück und während er in seinen Taschen nach Sdireibmaterialien, die er stets bei fich führte, suchte, ergriff der Reisende die Gelegenheit, riß plößlich eine Pistole aus der Wa: gentasche und richtete fte dem Räuber grade auf den Kopf. Der Reisende war ein ausgezeichneter, geübter Schüße - er war seinem beabsichtigten Opfer fast auf Armeslänge naye - feine Pic


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gens bis nach steben Uhr Abends herumgegangen war, ohne auch nur für einen Heller zu verkaufen, so seßte ich mich ganz müde und ermattet unter dem Portal einer Kapelle nieder. Zuleßt schlief ich ein, und wie, glaubst du wohl, daß ich erwachte ? Von einer starken Empfindung des Stidens ; und auf sprang ich, huftend und fast erstict, bon Rauch umgeben. Etliche böse Buben, die sahen, daß ich fest eingesQlafen war, hatten meine Zündhölzchen angestedt, die ich zwischen den Beinen in der Hand hielt und ich erwachte nicht eher, als bis meine Finger schwer verbrannt wa:

Mit meiner Zündhölzchenspekulation war's nun zu Ende, denn es war mit all’ meinem Rapital zu Ende.

Mir war sehr jämmerlich zu Muthe und ich ging fort und dachte über die Angemessenheit nach, sobald als idfönnte, in's Gefängniß zu gehn; denn der Bettler hatte es stark empfohlen. Ich war in der Vorstadt, als ich zwei Menschen sich zusammen herumbalgen sah und ging auf sie zu. „Hör' a mal,“ sagte der Eine, der ein Polizeidiener zu sein schien, „Du kommst mit mich.“ — Siehst'te nic' den Anschlag da? Ade Rumdreiber werden ufgegriffen und geseßlich bestraft."* ,,So hol' dich doch

. „ der Teufel, Du altes sonarriges Diebegesicht, Du - bin ich nich

' a Matros und bin ich nich

) geseßlich a Numdreiber von Profession?“ „Das thut's halt nich," sagte der andre ; ,,ich befehle Dicht im Namen des Könige, Dirf in's Gefängniß bringen zu lassen, und ich befehle ihm gleichfalls, junger Mensch,“ sagte er

ich war nämlich zu ihnen herangekommen ,,ich befehle Ibm, als gesekmäßigter || Unterthan, mir beizustehen.“ Was gebt Ihr dem armen Kerl für seine Mühe ?“ sagte der Matrose. ,,$' is seine Pflicht (und Schuldigkeit), als geseßmäßigter Unterthan, und id) geb' ihm gar nichts; aber ich

) spunn' ihm in in's Gefängniß, wenn er's nid thut.“ „Denn, du altes Rhinozeros, wil ich ihm fünf Schilling geben, wenn er mir beisteht, und so kann er jeßt also wählen.“ Auf jeden Fall, dacht idy, dies kann nur auf ein oder die andere Art zum Glück ausschlagen; aber ich will demjenigen zur Hülfe kommen, der am großmüthigsten ist. Id ging also auf den Polizeidiener, der ein dickes Exemplar von einem Kerl war, los und schlug ihm ein Bein und nieder kam er auf den Hinterkopf.


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Betracht zieht, so war vielleicht kein Mensch jemals zufriedener oder vollständiger mit seinem Loose versöhnt, als er.

Maria Harding, seine Tochter, war ein bescheidenes, anspruch loses und interessantes Mädchen, voller Gefühl und Sanftmuth. Sie war blöde und zurückhaltend; aber die Bescheidenheit, welche ihre schönen schwarzen Augen niedersenkte, konnte den Geist, wel: cher darin strahlte, nicht verschleiern. Ihre Gesundheit war keineswegs stark; und die Bleichheit ihrer Wange — ach! nur zu häufig von dem hektischen Anflug unseres baterländischen Uebelo erhellt — berlieh ihrem Antliß ein tiefes Interesse. Sie wurde

mit der ganzen Sorgfalt und Aufmerksamkeit, welche ein so zar: tes und so wenig für die Gefahren und Mühen der Welt geschaffenes Wesen erheisqyte, von ihrer zärtlichen Mutter bewacht und gepilegt.

Ihr Bruder Georg war ein kecker und kluger Junge, von der: ber Gesundheit und furchtloser Unabhängigkeit. Sein Charakter war häufig der Gegenstand von seines Vaters Betrachtung; und er sah in seinem Temperament, seinem Geist, seinen Beschäftigun: gen und Neigungen das Versprechen fünftigen Erfolgs im prak: tischen Leben.

Mit diesen Kindern, welche beziehungsweise die beneidenswer: thesten Charakterzüge ihres Geschlechts besaßen, erkannten Herr und Madame Harding ihr Glück und ihre voukommene Zufrieden: heit mit dem ihnen in dieser vergänglichen Welt zugewiesenen loose, voller Dank gegen die Vorsehung an.

Maria rar ungefähr Neunzehn und hatte erst die Blicke eines nahen Verwandten auf sich gezogen und dann allmählig seine Liebe an sich gefesselt. Sein großes Vermögen, in Verbindung mit seinen körperlichen und geistigen Vorzügen, machten ihn zu einem höchft willkommenen Freier für ihre Elterii, was er, wie Maria’s Herz idweigend anerkannte, für sie auch dann noch gewesen sein würde, wäre er auch arm und ohne einen Pfennig gewesen.

Der Vater dieses, Maria zugedachten Manneß, war ein Mann bon Bedeutung und besaß biel persönlichen Einfluß, vermittelst dessen George, der Bruder seiner zukünftigen Schwiegertochter in jenem diplomatischen Seminar in Downing-Street angestellt werben sollte, von wo er zu seiner Zeit, durch alle Beamtengrade, (die er, wie seine Freunde und vorzüglich seine Mutter überzeugt wa: ren, bei seinen ganz besondern Talenten, fo tüchtig ausfüllen würde,) aufsteigen und zuleßt ein mächtiger und geheimnißvoller Gesandte werden sollte.

Die Eltern des jungen Langdale und Maria Hardings stimmten jedoch dahin überein, daß keine Nothwendigkeit vorhanden wäre, Das Bündniß zwischen ihren Familien zu übereilen, da fie sahen, daß das Alter des Paares zusammen nicht mehr als neun und dreißig Jahre war: und da ste ferner sahen, daß der ältere Herr Langdale au$ Privatrücksichten, die ihm selbst am besten bekannt waren, wünschte, daß sein Sohn das Alter von ein und zwanzig Jahren erreicht hätte, bis er heirathete und da sie noch ferner sa: hen, daß Madame Langdale, welche selbst nur wenig über dreißig Jahr alt war, ihre Gründe hatte, welche sie ebenfalls privatim sein zu lassen gedachte, so lange als möglich eine Zeremonie aufzu: schieben, deren Resultat ihr aller Wahrscheinlichkeit nach etwas zu früh im Leben, um einer Dame von ihren Gewohnheiten und Neigungen angenehm zu sein, den furchtbaren Titel Großmutter berleihen würde. Es wurde also festgelegt, daß unmittelbar nach der eingetretenen Mündigkeit Fridrich Langbales, und nicht früher, er die zarte, blöde Maria Harding zum hymenäischen Altar führen sollte.


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„Bitte, bitte, vergeßt die arme Martha, die Zigeunerin, nicht,“ fagte das Weib, ,,einen Pfennig aus Barmherzigkeit; Herr, bitte schön!"

Herr Harding war Subsfribent zum Bettler-Verein, einer Stiftung, welche beabsichtigt, der Bettelei durch die neue Manier, ben Armen nichts zu geben, ein Ziel zu regen; er war ferner Magistrateperson – ferner hatte er fein klein Geld bei sich; und er forderte das Weib etwas barsch auf, fich fortzuscheren.

Es half ihm alles nichts; fie folgte ihm dennoch und wieder: holte den jämmerlichen Ruf, ,,Bitte, bitte, bergeßt die arme Marthe, die Zigeunerin nicht!"

Zuleßt, von der Beharrlichkeit des Weibes gereizt, — denn selbft subalterne Regierungsbeamte lassen fich nidit gerne mit Bit: ten bestürmen - drehte fich Herr Harding rasch um und schleuberte, ganz gegen seine gewöhnliche Art und gegen die Sitten und Gewohnheiten der modernen Gesellschaft, einen Fluch auf die flehende Landstreicherin.

,,Fluch !" fagte Marthe; „ist es so weit mit mir gekommen? Hör' mir zu, Mann, armer sdwacher, hochmüthiger Mann! Mert' auf — sieh mich an!"

Er sah jie an; und erblidte ein vor Wuth flammendes Gesicht. Ein paar Augen, schwärzer als Bech und heller als Diamanten, stierten ihn an, wie Sterne; ihr schwarzes Haar hing aufgelöjt über ihre olivenfarbigen Wangen; und eine Reihe Zähne, weißer als frischgefallener Schnee, zeigten sich zwischen ein paar Koral. lenlippen in einem furdytbaren Lädjeln, einem grausenhaften Hohngrinsen der Verachtung, die sich in ihre Wuth mischte. Har: ding war an die Stelle festgebannt und hielt, theils von dem gewaltigen Zauber ihres übermenschlichen Gesichts, theils von der Furcht vor einem Straßenskandal bestimmt, stil, um ihr zuzu: hören.

„Merk' auf, Herr," sagte Martha; „Du und ich werden uns wieder sehn. Dreinal wirst Du midi sehn, bis Du stirbst. Mein Besuch wird fürchterlich sein; aber der Dritte wird der Leßte sein!"

Es lag eine Feierlichkeit in dieser Erklärung, welche ihm, tro bem, daß fie bloß von einer berworfenen Landstreicherin fam, in's

Innerste traf. Vorübergehende näherten sich und wünschend, wußte nicht warum, den Zorn des aufgebrachten Weibes zu be: fänftigen, zog er mechanisd etwas Silber aus der Tasche und hielt es ihr hin.

,,Da, gute Frau - da," sagte er, indem er die Hand ausstrecte. ,,Gute Frau!" gab das alte Weib zurück. ,,Geld ießt! Ich


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lig machte man die Hoffnung rege, daß fie ihn vielleicht bald wies der sehn würde - Diese Hoffnung wurde allmählig zur Gewißheit gesteigert — man sprach von der Zeit, wo es statthaben möchte — diese Zeit wurde wiederum allmählig verringert – das gespannte Mädchen faßte die ganze Wahrheit – sie wußte fie — es war ihr bewußt, daß sie ihn morgen sebn sollte -- sie brach in einen Thränenstrom aus und sanf auf ihr Kissen nieder.

In dem Augenblic strahlte die lichte Sonne, welche in ihrem ganzen Glanze scien, in'& Zimmer und fiel ftark auf ihr fiebergeröthetes Antlig.

,,Zieh den Vorhang nieder, mein Engel," sagte Madame Har: ding zu ihrem Mann. Harding erhob sich und ging an's Fenster.

Gin Schreckensschrei entfuhr ihm - ,,Da ist fte!" rief der ges folterte Mann.

,,Wer?" (dyrie Teine erstaunte Frau. ,,Sie — fie - die gräßliche Sie!"

Madame Harding lief zum Fenster und fal, auf der gegenüber: liegenden Seite der Straße, mit aufmerksam auf's Haus gerich teten Augen, — Martha, die Zigentnerin stehn. .

„Zieh den Vorhang nieder, mein Engel," und komm' fort; bitte, bitte! fomm' fort," sagte Madame Harding.

Harding 30g den Vorhang nieder.

,,Was für ein Unglück ist zur Hand? Was für ein Glend steht bevor ?schluchzte Harding.

Ein lauter Schrei von seiner Frau, welche an's Bette zurückge: kehrt war, war die gräßliche Antwort auf seine schmerzliche Frage.

Maria war todt!

Zweimal von breien hatte er diesen Teufel in Menschengestalt gesehen: jede Heimsuchung sollte, (wie sie vorausgesagt,) die vor: hergehende an Bedeutung im Gräßlichen übertreffen – was konnte dies noch übertreffen?

Dort, vor den betrübten Eltern, lag ihr unschuldiges Kind, im ftilen Todesschlaf hingestreckt. Reines von ihnen fonnte es glau: ben - 8 schien wie ein fürchterlicher Traum. Harding war von Sinnen und wandte sich von dem Leichnam seiner geliebten Toch ter gegen das Fenster, welches er eben verlassen hatte. Martha war fort - und er hörte ste am andern Ende der Straße ein wil. des, frohlođendes Lied jingen.

Man rief die Dienerschaft herbei — ärztliche Hülfe wurde her: beigeschafft, aber es war zu spät! und die jammervollen Eltern waren verurtheilt, ihre geliebte, ihre verlorne Maria zu betrauern. Ihr zärtlicher, liebender Bruder Georg, der in Dyford war, eilte


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,Was es sein soll,“ sagte Harding, „wo der Schlag fallen soll, weiß ich nicht; aber es ist über uns heut Nacht!"

Mein Aded!" rief Madame Farbing, ,,Was für eine neue Einbildung ist dies ?"

,,Elisa, Theure !" antwortete ihr Mann, in einem Tone unaus(prechlicher Qual,,,ich habe sie zum dritten und legten Male gejehn!"

,,Martha, die Zigeunerin!"

,,Unmöglich !" sagte Madame Harding; ,,Du hast ja heute das Haus nicht verlassen!"

,,Freilich, geliebtes Weib," erwiderte der Mann; ,,aber ich habe fte gesehn. Als der fürchterliche Lärmen fich hören ließ, beim Abendessen, wie die Thür sich auf übernatürliche Weise aufs that, ba fah ich fie. Sie richtete die fürchterlichen Augen, die fie

ste hat, auf mich; ste ging zum Kamin und stand mitten unter den Kindern und da blieb fie, bis der Bediente hereinkam.“

„Mein liebster Mann," sagte Madam Harding, „dies ist nur eine Krankheit der Phantaste.“

,,Sei es, was es wolle," sagte er, ich habe ste gesehn. Mensch: lidh oder übermenschlich – natürlich oder übernatürlich da war fte. Ich will nicht suchen, über einen Punkt zu streiten, wo ich wenig Glauben zu finden hoffen darf; alles, was ich begehre, ist, bete brünstig, habe Glauben, und wir wollen hoffen, daß das Unglück, was es auch sein mag, abgewendet werden möge.'

Er füßte zärtlich seiner Frau die Wange und fiel nach ein bis zwei unruhigen, feberhaften Stunden in Schlaf.

Von dem Schlaf erwachte er nie wieder — man fand ihn den nächsten Morgen tobt im Bette.

„Db nun die Macht der Phantaste, im Zusammenhang mit dem unerwarteten Geräusch, ihm solche Bestürzung verursachte, daß es ihm das Leben raubte, weiß ic) nicót,“ sagte mein Berichterstatter, aber er war todt.

Diese Geschichte wurde mir von meinem Freunde Edis erzählt, als wir spät am Abend aus der City nach Harley-Street gingen; und wie wir an diesen Theil der Geschichte kamen, so waren wir auf dem Bedford-Plag, an der dunklen, öden Ede, wo CarolineStreet daran stößt.

,,Und dort," sagte Edis, hinunterzeigend, ist die Straße, wo der Umstand fich zutrug."

,,Sei doch vernünftig," sagte ich, „Du erzählft die Geschichte


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drauf besteht, daß alle jungen Damen fich die Gläser füllen lassen müffen, troß ihrer wiederholten Bersicherung, fie könnten nun und nimmermehr, unter feiner Bedingung, daran denken fte auszu: trinken: und wie er später um Erlaubniß bittet, ein paar Worte über die von Papa ausgebrachte Gesundheit zu sagen, wobei er eine der brillantesten und poetisdisten Reden, die man sich nur vorstellen kann, über das alte Jahr und das neue hält. Nachdem man den Loaft getrunken hat und die Damen fich zurückgezogen haben, so bittet Herr Tupple, daß jeder Herr ihm die Gewogenheit erzeigen möchte, sein Glas zu füllen, denn er habe eine Gesundheit vorzu: schlagen, woruuf alle Herrn „Hört! hört !" rufen und demgemäß die Flaschen herumgehen lassen: und Herr Tupple, von dem Hausherrn benachrichtigt, daß fte alle geladen find und auf seinen Loaft warten, steht auf und errinnert ergebenft die gegenwärtigen Herrn, wie sie von dem blendenden Aufzug von Eleganz und Schönheit, welchen der Saal heut Abend aufgewiesen, entzückt, und wie, von ber bezaubernden Vereinigung von weiblicher Lieblichkeit, welche dieses Zimmer hier erst so fürzlich entfaltet, ihre Sinne hingerissen und ihre Herzen gefangen gewesen. (Lautes ,,Hört!") So sehr er (Tupple) geneigt sei, die Abwesenheit der Damen aus an: dern Gründen zu beklagen, so könne er doch nicht umhin, einigen Trost aus dem Gedanken zu stöpfen, daß der Umstand selbft, daß ste nicht gegenwärtig seien, ihn in Stand see, einen Toast vorzu: schlagen, welchen auszubringen, er sonst verhindert gewesen sein würde — bieser Toast nehme er fich die Freiheit zu sagen, sei „Die Damen !" (Großer Beifall.) Die Damen! unter welchen die reizenden Töchter ihres vortrefflichen Wirthes, durch ihre Schön: heit, ihre Talente und ihre Eleganz gleich hervorstechend wären. Er bitte sie, einen Pokal, „auf das Wohl der Damen und ein glüdliches Neujahr für sie," zu leeren! (Verlängerte Zustimmung, worüber hinaus das Geräusch der Damen, welche oben unter ftdy den spanischen Lanz tanzen, fich deutlich bernehmen läßt.)

Der auf diesen Toast folgende Beifall hat sich kaum gelegt, als man einen jungen Herrn, in einer Rosa-Unterweste, am untern Ende des Tisches figend, sehr unruhig und aufgeregt werden und starke Anzeichen eines geheimen Verlangens, fich seiner Gefühle in einer Rede zu entlebigen, offenbaren steht, welches, sogleich gewahrend, der umsichtige Tupple dadurch abzuschneiden sucht, daß er selber spricht. Er erhebt sich also noch einmal mit der Miene feierlicher Wichtigkeit und hegt das Vertrauen, man werde ihm gestatten eine andere Gesundheit vorzuschlagen. (Unbedingte Zu: stimmung und Herr Tupple. fährt fort.) Er sei überzeugt, daß


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hier ist ein Brief! Ich dacht' es wohl, mein alter Freund würde mir ein Avis geben Fehen wir einmal, was er sagt.

(Thomas mit dem Korb, ab in's Haus.) Wm. 1.1. (Bei Seite.) Ich bin in der lächerlichsten Lage von der Welt!

Dr. N. (Lieft.) „Mein lieber Freund — Mein Sohn, Ueberbringer Dieses, wird Dir einen Stocfisch präsentiren. Ich hoffe

3 Du und Deine Tochter werden mit dem Exemplar zufrieden sein.“ (Indem er William Thompson ansteht.) Ganz vorzüglich, in der Lhat.

Wm. T. 1. (Bei Seite.) Was! wil er damit sagen, daß ich ein Fisih bin? Dr. N. (lieft.) ,,Ich stehe gut dafür, daß er frisch gefanWm. I. 1. Gefangen allerdings! Beim Schlafen ertappt!

Dr. N. (Lieft.) ,,Er bringt einen Rorb Champagner zum Präsent für Dich mit. Ich erwarte, daß Du mir anzeigít, ob mein Sohn, der Fisch und der Weinkorb sicher zu Handen gekommen und wenn das Geschäft, weswegen er kommt, abgeschlossen ist.

Stets zur Drdre,

Dein William Thompson." „N. B. laß die Zeremonie keinen Aufschub leiden - ich habe meine Gründe.

Wm. T. 1. (Bei Seite.) Die Zeremonie! was für eine Zere: monie? Was werben fte noch mit mir anfangen?

Dr. N. Es soll nicht an mir liegen, wenn sie’s wird: aber, mein lieber Herr Thompson, ich bin Ihnen zwar für Ihr schönes Präsent sehr verbunden, aber es thut mir leid, daß Sie sich Rosten berursacht haben.

W m. T. 1. D, lassen Sie doch das, mein bester Herr Doktor; 'ne Kleinigkeit -- ganz und gar keine Kosten für mich.

Jul. (Bei Seite.) So ift's mein zugedachter Mann! Seltsam genug, daß meines Vaters Wahl grade der Mann meiner eig’nen ist! aber er scheint mir sehr berlegen.

Dr. N. Aber gehn wir in's Haus: kommen Sie, Schwieger: sohn, machen Sie den Galanten -- führen Sie Ihre Geliebte hinein.

WmT.

W m. I. 1. Schwiegersohn! Also Hochzeit ist die gut, wenn das ist, und dies fod die Dame sein, so will ich den Irrthum noch ießt grade nicht aufklären.

(Ade ab.)


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licher Weise, wie gewöhnlich, auch meine Sachen nehmen. Sind die Kutschen noch hier ? Aufw. Nein, Herr; fte find nach London zurüdgefahren.

(Ab in's Wirthshaus.) W m. I. 2. Sehr hübsches Benehmen bon dem Kutscher, auf mein Wort! Er sollte doch zugesehen haben, wen er mitnahm. Ich glaube doch, mein Gesicht bergißt fich nicht so leicht, wenn man's einmal gesehen hat. Wenn ich meine Sachen nicht wieder befomme, so berklag' ich ihn, oder mein Name ist nicht William Thompson.

Gerichtsd. Ist Ihr Name William Thompson, mein Herr ?

W m. T. 2. Ja, mein Herr, mein Name ist William Thomp: son, wenn Sie nichts dagegen haben. Vielleicht steht Ihnen auch noch der Sinn danach?

Gerichtod. Nein, Herr Thompson; aber ich habe Ihnen ein paar Worte zu sagen, wenn das ihr Name ist.

Wm. T. 2. Wegen meines verlornen Eigenthums, hoffentlich.

Gerichtsd. Nein, Herr; wegen des verlornen Eigenthums von Herrn Schniß, auf dessen Klage ich Sie hiemit arretire.

(Faßt ihn an der Schulter und zeigt seinen Verhaftsbefehl.) Wm. T. 2. Mich arretiren! Das ist ein guter Spaß! Gerichtsd. Es freut mich, daß Sie's dafür ansehen, Meister: Wenige finden es.

Wm. T. 2. Wollen Sie wirklich damit fagen, Sie find im Ernst und arretiren mich gefeßlich? Warum?

Gerichtet. Warum? Um Schulden, versteht sich.

W m. 1. 2. (Lacht. Ich, in Stulben! Sehr wahrscheinliche Geschichte, wahrhaftig! Sonst noch was? Sie nehmen mich fälschlich für einen andern, Freund.

Gerichtsd. Nein, nein, das hilft Ihnen nichts : Sie find William Thompson, nach Ihrer eignen Angabe, und nach Herrn Schnißens, find Sie ihn vierzig Pfund schuldig.

Wm. T. 2. Aber ich sag' shnen, ich bin's ihm nicht schulbig - es ist Zemand anders.

Gerichied. Ja, das weiß ich; aber Sie waren verantwortlich; also müssen Sie mit mir kommen, nach London, und ich will Sie ficher in einem anständigen Verhaftszimmer logiren — D. h. wenn Sie fich höflich aufführen.

W m. I. 2. Sicher in einem anständigen Verhaftszimmer logiren! Das wird 'ne schöne Schande für einen achtbaren Hans belemann, abgeben! Wenn ich ein vornehmer Herr wäre, so würd' eß allerdings nicht so sehr außer der Regel sein; aber es ruinirt meinen Nuf, deun die Leute werden sagen, ich hab' es gethan, um


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Wm. 1. 2. (B. S.) Er ist um das Schicfal seiner Trauer: federn besorgt. (Laut.) Rennen Sie das Alter des Herrn?

Dr. N. Ungefähr Sechsundzwanzig.

W m. I. 2. Sedysundzwanzig! Sechsundfünfzig wollen Sie fagen! - Dr. Nurgemach sechsundzwanzig!

Dr. N. Wer hat denn von Dr. Nurgemach gesprochen? er fou ja nicht verheirathet werden.

Wm. 1. 2. Verheirathet! nein, blod begraben.

Dr. N. Begraben! - Dieser Mensch muß verrüdt sein! Was wollen Sie damit sagen, Herr ?

Wm. T. 2. Was ich damit sagen wil? Na, ist es nicht Gebrauch Einen zu begraben, wenn er todt ist?

Dr. N. Todt? Wer hat Ihnen denn das gesagt? Er ist so gut am Leben, wie ich selber.

Wm. 1.2. Denn sind Sie also nicht der Begräbnißunternehmer? Dr. N. Begräbnißunternehmer, wahrhaftig! - Nein. Wm. T. 2. Ich bitte Sie um Entschuldigung, ich dachte Sie wären's; denn der Dr. Nurgemach ist allerdings todt - ich habe es von der besten Autorität.

Dr. N. So? Es ist doch merkwürdig, daß er sterben sollte, ohne daß ich etwas davon wüßte.

Wm. T. 2. Wie, waren Sie denn so intim?

Dr. N. Wie Leib und Seele; und Sie werden mir erlauben zu sagen, daß Sie falsch berichtet sind oder sich im Namen geirrt haben.

Wm. T. 2. Wer? Ich mich irren? Pah! dummes Zeug – ich sag' Ihnen, er ist todt, so gewiß, wie Sie da stehen.

Dr. N. Und ich sage Ihnen, er ist am Leben, so gewiß, als ich hier stehe.

W m. I. 2. Was für'n eigensinniger alter Kerl er ift! — Wann haben Sie ihn zuleşt gesehn?

Dr. N. Heut' morgen, als ich mich rafirte.
W m. I. 2. Dh, dann ist er seit der Zeit gestorben

sein Tod thut mir sehr leid.

Dr. N. Nicht mehr, als er mir thun würde, ich kann Sie verfichern.

W m. T. 2. Gut, ba er todt ist, so ist die Angelegenheit, warum ich hergekommen bin, zu Ende.

Dr. N. (B. S.) Ich möchte doch wissen, wer dieser sonderbare Mensch ist! - (Laut.) Darf ich fragen, mein Herr, was Ihre Angelegenheit bei ihm war ?

03 m. 1. 2. Nun ja, ich fod mich berheirathen: und ich war aus dem Grunde zu ihm hergeschidt.


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meine eigene Hand sold fich Genugthuung verschaffen, wenn er immer noch behauptet, William Thompson zu sein.

W m. 2. 2. 3a, Herr, ich versichere, daß ich der wahre Wils liam Thompson bin, laß' den andern sein, wer es auch wolle.

W3 m. 5. 1. Dann müssen Sie Ihr Anrecht zu dem Titel mit Gewalt der Waffen behaupten, denn nichts als der Lob, foul mir meinen Namen rauben.

Dr. N. (Zwischen fie tretend.) Nein, nein, ich kann Ihnen nicht erlauben, Ihr Leben gegen einen Betrüger zu risfiren.

Wm. T. 1. (B. S. zum Doktor.) 's ist blos um ihn aus Furcht zum Geständniß zu bringen; die Pistolen sollen blos mit Pulver geladen sein.

Dr. N. Gut, wenn Sie so darauf berpicht find; obgleich ich zwar glaube, daß Sie ihm zu viel Ehre anthun, ihm durch den Ropf zu schießen

Wm. T. 2. Ein schöner Schwiegervater! Aber vielleicht schieß' ich ihm durch den Kopf und ich mache mir nichts daraus, ob ich's thue - Das Blut kocht mir jest — solche Behandlung könnte eis

– nen Stockfisch aufbringen.

Wm. T. 1. Jeßt, Herr, folgen Sie mir in den Garten - ich babe Pistolen hier.

Dr. N. Ich will mit Ihnen gehen und die Mensur nehmen.

Wm. T. 2. Wenn ich fte nur nicht (mit meinem Radaver) nehme. (Ade ab.)

Vierte Scene. Ein Garten. Doktor Nurgemach tritt auf, gefolgt von den beiden Thompson, welche wieder Roc und Fut angelegt haben — Thomson der Erste mit einer Pistole in jeder Hand.

W m. I. 1. (Die Pistolen präsentirenb.) 3eßt, Herr, wählen Sie zwischen diesen Pistolen.

W m. 1. 2. (Sie ansehenb.) Ich wußt', es wären meine, unb hübsch geladen find fte oben drein; denn wie fonnt' ich vorherse: hen, als ich drei Kugeln in jede that, daß fte mir noch vor Abend im Kopfe logirt sein sollten ID ja, es find meine !

Wm. T. 1. In dem Falle, Herr, will ich Ihnen unverzüglich ben Inhalt von der einen davon zurückstellen.

Wm

W m. 1.2. Danke recht sehr, mein Herr; aber mir gefädt Ihre Art Eigenthum zurückzustellen nicht.

Wm. T. 1. Šie treiben Allotria: ich bin nicht hierhergekommen, um zu streiten.

Wm. 1. 2. Das ist sehr hübsch von Ihnen! Wir kommen hierher, um uns einander das Gehirn auszublasen, und er sagt, er ist nicht hergekommen um zu streiten.


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desto besser, so fönnen Sie ste fich nach Ihrem Geschmack zuftuts zen. Sie ist blöde, aber aufrichtig. Hör' doch, Georgina, was rum sagst Du denn Herrn Nikolaus nicht was Herzstärkendes, Frauenzimmer, nach seiner langen Reise?

Geo. 'was Herzstärkendes nach 'ner langen Reise, Vater? Schön also, wenn ich etwas sagen muß, so kann ich vielleicht nichts Besseres sagen, als —

A1d. Na, ja wohl, nur 'raus damit !
Geo. Das Abendbrod ist fertig, mein Herr.

Ald. Þah! — aber allerdings, es ist doch ganz richtig angebracht; ein kleiner Schäfer, Herr Nikolaus - ein kleiner Schäfer

; - schlägt nach mir.

Nik. (B. Š.) Ich bin ebenso berlegen, was ich sagen soll, als die junge Dame es nur sein kann. Das Abendessen ist wahrhaftig eine Erlösung zur rechten Zeit, – (Laut.) Grlauben Sie mir, , Shnen den Arm anzubieten, mein Fräulein.

Geo. Sie sind sehr höflich, mein Herr — dies ist der Weg, ges fälligst.

(Nikola u 8 und Georgina ab.) Ald. Ich folg' Euch den Augenblic, sobald ich dem Kellner ein paar Befehle gegeben habe. Ich bin so voller Freude, daß -

Bedienter tritt auf. Na, Bursch, was wilft Du?

Beb. Ich will nichts, Ew. Gnaden – aber Dickory ift ba er ist zurückgekommen und will Sie allein sprechen, sagt er -

Ald. Vid mid allein sprechen! — was kann der Schafsfopf mit mir allein wollen ? Gut, laß ihn 'rein kommen. (Bedienter ab.) Wahrscheinlich hat er seine Zeit so vertröbelt, daß Herr Nikolaus schon fort war, noch eher er ankam, und jeßt kommt er mit irgend einer Jagdgeschichte, um sich zu entschuldi: gen.

Didory tritt auf, weinend. Na, was zum Triufel stellt das lange Gesicht bor? Did. D Herr! -- Herr Aldwinkle, fold' ein Unglück! olo!

Ald. Was! Nicht wahr, als Du beim Halbwegshotel angefommen bist, fo hast Du gefunden, daß Herr Nikolaus eben abs gefahren war.

Did. Ja a, der arme Herr, er war schon über eine Stunde borher abgefahren, als ich ankam. Aber ich habe ihn mit zurechts legen helfen, als ich fand, wie die Sachen standen.

Ald. Zurechtlegen ? - Sapperment, ich hoffe, Du hast nicht in irgend einer Weise schlecht von ihm gesprochen.


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Did. Ne, aber ich hab? seine Erscheinung gefehn. Es ist ganz unanständig und unnatürlich von ihm, nicht ruhig zu bleiben, jeßt, wo er tobt ist, wie ein rechter chriftlicher Herre.

AID. Rann der Kerl wirklich in Ernst sein? Ich bin verblüfft.

Geo. Ein Geist ! Sit der Herr ein Geift? Du lieber Gott, ich fann es doch wahrhaftig im Leben nicht über mich bringen, einen Geift zu heirathen, Papa.

Las. (B. S.) Davon fönnt ich profitiren. (Laut.) Wahr: haftig, ich gestehe, ich dachte, er wäre, was er nicht sein sollte, nach seinem geheimnißvollen Wesen; hast Du’s nicht bemerkt, Rousinchen, daß er die ganze Zeit über, wo er bei uns saß, niemals ben Mund öffnete, bis wir ihn zwangen, es zu thun.

Did. Ne, Geister sprechen niemals, als wenn fle gezwungen werden zu sprechen.

Lab. Und dann, hast Du nicht bemerkt, liebes Georginchen, daß er weder essen noch trinken wollte?

Ald. Geister thun’s nie — ich weiß nicht, was ich denken soll. Halt, Didory, was ist das ba am Lichte ?

Did. Na, ein großes Stück Talg, freilich ; was sollt' eg benn sonst sein?

(Schlägt ein Stück vom Licht ab.) ÀIb. Ein Stück Talg, Schlingel ? — 's ist ein Leichentuch !

ÁID Ich hab in meinem Leben kein vollkommneres gesehn. Wir wollen heut Abend nicht zu Bette gehn.

Lab. Aber was wir Ihnen so eben erzählt haben, ist noch nicht Ades, lieber Onkel ; er gestand offen, er fühle fich nach dem Geisterreich hingezogen.

Å 18. Fühle sich nach dem Geisterreich hingezogen. Es läuft mir* wahrhaftig kalt über den Rücken!

Did. Verlassen's sich Se drauft er hat was auf der Seele. Es sollt mich nicht wundern, wo er nicht privatim ron Einem ermordet wäre und nun herkommt und ihn an den Galgen bringen wil.

Geo. Etwas auf der Seele. Dabei fällt mir ein, grade vorher, als er nach oben berschwand, so stöhnte er heraus, daß er Dir ein fürchterliches Geheimniß zu entdecken hätte ?

Ald. Mir! Gott sei mir gnädig, Du bersebest mich über und über in kalten Schauder.

Geo. Und erinnerst Du Dich nicht, Lavinia, er sagte, er wäre genöthigt, bei Tagesanbruch zu berschwinden?

Did. Bei Tagesanbruch verschwinden! 's ist ein richtiger !


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bald etwas Geld kriegen werde; eß sollte mich nicht wundern, wenn Ew. Gnaden mir eine Guinee gäben.

A18. Was ? eine Guinee - hm — 's gibt keine Guineen heutzutage, Dickory : aber Du souft einen Souverän haben; Das ist ganz eben so gut.

(Gibt ihm einen Souverän.) Did. Ja wohl, gnädiger Herr, besser - ich bin ein loyaler

Unterthan und habe einen Souverän sehr gern. Hihihi!

(Sieht den Souverän an.) A1b. Na, worüber grinseft Du benn noch jest?

Did. Wollen Sie ihm nicht eine Krone aufregen, gnädiger Herr ?

Ald. Eine Rrone aufseßen, wem? Did. Na, dem Souverän, versteht sich ! (Hält Aldwinkle feine Hand, mit dem Souverän barin, hin.)

Ald. Der Schlingel! Aber der Souverän roll doch nicht aus Mangel an fünf Schilling ohne Krone bleiben. Es freut mich, vom Wirthe zu vernehmen, daß die Verwandten des armen Herrn Nikolaus selbst das Brgräbniß besorgen wollen. Es fpart mir eine Masse Ungelegenheit, denn ich hätte mich nicht weigern fönnen, feine Leide unter die Erde zu bringen. Ich hoffe, er wird d’runter bleiben, wenn er erst einmal d’runter ist und uns keine weitern Visiten machen.

Did. Er kommt auf jeden Fall heut Abend, Herr Gutsbesiker; Sie wissen, er hat’s gesagt.

AID. Der Herr fei mir gnädig! Das ist wahr.

Did. Er hat Ihnen das Geheimniß noch nicht gesagt; und er wird nicht ruhig bleiben, bis das nicht heraus ist, - Keiner bon ihnen kann's

Ald. Wahr, wahr! Gnade meiner Seele was ist die Uhr jeßt, Dickory?

Did. Gerade Zwölf. Die Zeit, wo er gestern Abend kam.

AID. D, meine armen fünf Sinne, sie sind mir vor Schrecken fast alle vergangen. Der unglückliche junge Herr muß ein furchtbar böser Sünder zu seiner Zeit gewesen sein, daß seine arme Seele auf diese Manier umgeht, Didory.

Dick. Ia wohl, freilid) i Aber er muß auch jeßt dafür bezahlen. Ha! was ist das? Da ist er wieder, gnädiger Herr !

Ald. D je! o je! Tritt zurück, wir wollen ihn beobachten. (Aldwinkle und Didory ziehn fich in den Hintergrund zurück.)

Nikolaus tritt auf. Nik. Sunderbar, daß sie alle Thüren um diese Stunde in der Nacht auflassen. Ich bin froh, daß ein trauriger Tag vorüber ist und ich einen so großen Theil der mir auferlegten schmerzlichen


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los Amt vorbei. Ihm durch den Leib rennen, heißt nur Streiche gegen die Luft führen — mit folchem Widersacher, wie der, ist das beste Mittel, das Hasenpanier zu ergreifen und davon zu laufen. Nikolaus tritt auf, ohne bon Georgina u.s.w. bemerkt zu

werden. Nik. (B. S.) Am! in geheimer Unterhaltung begriffen. Id will mich nicht in ihre Geheimnisse drängen.

Prahl. Wenn wir diesen Herrn Nikolaus nur erst einmal unter die Erde kriegen können, so wollen wir uns schon so einrichten, ihn da zu behalten, wenn wir einen Berg auf ihn wälzen. Idy wiú ihn lehren, meinen Nebenbuhler spielen, ein Kerl ohne Mark und Bein!

Nik. (B. S.) Was sagen ffe ba: mich unter einen Berg begraben? Ich muß doch weiter horchen.

Geo. Wenn er mich aber zwingt, ihn zu heirathen, so müssen Sie Nachts kommen, Herr Hauptmann, und ihm auf den Kopf schlagen. Prahl. Ja wohl, ihn ausräuchern!

Nik. (B. S.) Mir auf den Kopf schlagen und mich ausräuchern: Welche Barbarei !

Geo. Oder ihn zwischen zwei Federbetten kriegen und ihn er: sticken.

Nik. (B. S.) Das ist ja ein wahrer Teufel in Weibergeftalt. - Da wär' ich schön angekommen!

Geo. Alles um das Ungeheuer nur los zu werden.
Nik. (B. S.) Eine wahrhaft liebende Gattin, auf Ehre !

Prahl. Mir wird merkwürdig tapfer. Ich wünschte blos, ich könnte diefem herumirrenden Herrn jeßt gegenüber treten ich wollte ihn lehren, Nachts Ruhe zu halten und

(Nikolaus tritt vor.) Geo. Ah! (Rreischt und stürßt heraus.) Prahl. Dh, der Leufel ! Vorgesehn! (Sdr." ab.) Lav. (B. S. Soll ich ihrem Beispiel folgen. - Nein, was

) rum sollt ichs ? — Ich habe mich bis jeßt noch niemals vor einem Manne gefürchtet, und ich will es doch wahrhaftig nicht vor seis nem Geiste. (Laut.) Engel und Diener der Gnade beschüßt mich!

Bist Du ein Geist des Heils, oder

Nik. Ich fürchte, ich habe Sie erschreckt, mein Fräulein. - 'S war nicht absichtlich. Ich hoffe meine Unterbrechung war nicht wesentlich.

Lav. Nein, mein Herr. Sie ist in wesentlich, wenn ich glauben fou, was man mir sagt. — Bringen ste Nachrichten aus der andern Welt, gefälligst ?


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eine entschiedene Manier ausfindig, sich als ipso facto Mann auszuweisen und bleiben Sie Nachts ruhig in Ihrem Bette.

Nik. Wie ausgezeichnet wird ste mir in meinen gelehrten Be: strebungen beistehn.

Lav. (B. S.) Ich fürchte, ich werde ihn eher in seinen gelehrten Bestrebungen stören, als ihm beistehn.

Nik. A18 böser Geist — nächtliche Wanderungen - mich auf ben Ropf schlagen lassen! Ein Licht fängt mir an aufzugehn. Schönes Geschöpf, wie könnt' ich mich besser als Mann erweisen, als indem ich das Schicfal meines Lebens mit dem Deinigen vereine ? So auf meinen Knieen

(Kniet.) AIDw in kle, Georgina, Þrahlheim und

Didory treten auf. AID. Er ist zur Ruhe gebracht, endlich! - Teht, er ist auf den Rnieen und bittet um Gnade.

Lab. Stehn Sie auf, mein Herr; ich weiß alles, was Sie fagen wollen und da ich nichts Besonderes einzuwenden habe, so ist hier meine Hand.

Nik. Auf mein Wort — ein sehr bernünftiges Mädchen fte spart einem eine Welt voller Mühe.

Lab. Und jeßt, lieber Onkel, (zu Aldwinkle) forbre ich die Erfüllung Ihres Versprechens. Um Ihr Haus von den nächt: lichen Besuchen dieses schrecklichen Wesens zu befrein und ihn da: zu zu bringen ruhig zu schlafen, wie andre Chriften, so habe ich mich heroisch entschlossen, mich zu opfern und ihn zu heirathen.

AID. Was! heirathen - einen Geist – einen Vampyr —

Á ein Gespenst ?

Nif. 3ch seh' es alles. Hier ist ein großer Irrthum gewesen; Sie haben mich mit meinem Vetter fonfundirt.

Ald. Sthön! es scheint, wir sind auch alle verwettert und fons fundirt gewesen. - Dem sei nun, wie ihm wolle, ich bin von Ber: zen froh, daß alles so abgelaufen ist, wie's ist; aber Du, Dickory, wie bist Du darauf gekommen, es Dir in den Kopf zu fegen, daß dieser Herr ein Geist wäre ?

Did. Ja, Herr Aldwinkle, wenn er auch kein Geist war, so war er doch geistig und geistige Sachen steigen mir sehr oft in den Ropf.


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Bet. Doppelte Nerven.

Bigg 8. Ja; er ist nicht blos nervenschwach, sondern auch nervenjtarf. Nun, ich wollte mir nichts daraus machen, bei ei: nem Menschen zu dienen, der so delikat wäre, daß er, so oft er sich schüttelte, er mich nicht auch schüttelte; aber, Du weißt, wenn der Herr zu zittern anfängt, so zwingt er uns alle, es ihm nachzu: machen.

&&penlaub. (Hinter der Scene.) Biggs ! Biggs!

Bigg 8. Aha! er ist auf! Lauf, Betty, nach der Theemaschine. Nein halt. Pit! lauf nicht. Geh leise auf den Zehen, oder er sagt, Du bringst ihn um seinen Schlaf. (Betty geht auf den Zehen hinaus.) Jeft laß mich sehen, ob das Zimmer in Ordnung ist. Ja — gut. Was wird das Erste sein, wofür ich's heut Morgen abkriegen werde? Ich weiß schon, er wird mich schelten, daß ich ihn so früh geweckt habe. — Espenlaub tritt auf, im Schlafrock, mit der Uhr in der Hand.

Esp. Bigge! Bigg 8. Gerr Espenlauh ! Esp

GSP. Sieh her auf die Uhr - halb Elf! Wie kannst Du Dich unterstehn, mich bis um halb Elf, am Montag Morgen, meine Zeit im Bette verlieren zu lassen?

Bigge. Sie haben mir gestern Abend gesagt, Herr Espen: laub, Sie nicht zu stören, weil Sie nicht wohl wären.

& sp. Unsinn! – Mensy ! past Du jemals gehört, daß ein Mensch davon wohl geworden ist, daß er Montag morgens im Bett gelegen hat.

Bigg8. Wirklich, Herr Espenlaub, es war nicht mein Fehler. & p. Sprich nicht, Mensch — Nervensywache können das

& Sprechen nicht bertragen. Bigg 6. Aber, wenn Sie einen bernünftigen Grund hören

8 wollen, Herr

E s P. Sprich nicht von vernünftigen Gründen, Mensch Nervenschwache fönnen vernünftige Gründe nicht vertragen. (Seßt fid) zu Tisthe.) Wo ist die Theemaschine? (Betty schleicht sich Damit herein und wie sie dieselbe auf den Tijd stellt, so wirft sie einen Teller herunter. Espenlaub fährt auf.) Was ist das?

Bet. Ein Unglück, Herr

E Sp. Ein Unglück? Eins von Euren Unglücken * eine raffinirte Methode, einen zu ärgern!


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zu zeichen, daß, nach at den Mittach- und Apenbpröbtchen, + wil uit die id für ihn auffeffen I habe – und noch effen wil — er

nicht blos zufrieben ist zu sachen, Herr McShane, ich bin Ihnen

berpunden, sondern || auch : hier sind dreißig Pfund, mein Herzensinto chunge, S für ihren Schneider; und weil ich nun 'mal im Suche

bin — noch zwanzig für Chleinichcheiten. **

& Sp. (B. S. 3ft das ein Spigbubel Nein, nein - die Ges in his richtsdiener müssen ihn haben; das macht mich sicher! Shell - McS.++ Also nehmen Sie nur Ihr Pankpuch, Sie liepeng

würdiche Schwachbeit, und zeichens fich 'mal als Ébelmann.

& Sp. Kin! Mein liebster Freund, es thut mir sehr leid - aber then,

wirklich, die Wahrheit ist, so sehr ich Sie hochschäße - baar Geld mir ist grade jeßt so rar und die Rechnungen so schwer, daß

Mc S. Sie wollen nicht. 11 Chanz wohl, und damit pasta. Wir wollen einen Spazierchanch ||| inachen und peim Schießstand vorspre: chen —Sie sollen sich halt wundern, g'schaun, wie ich mich seit Rurzem vervolchummet SS habe. Ich wiū nach der Gypsfichur in jeder peliepidhen IT Position schießen, und ihm in einen edlen Theil

treffen, mit zukmachten Auchen. *** ty (Thut als schösse er und macht Espenlaub bedeutungsvolle Winke.)

Ep. So, eine schöne Lage! Ich muß mich entweder berauben oder ermorden lassen. - (Es klopft.) Rettung! Biggs, zeig' Ihnen herein - ich bin zu Hause!

Hauptmann Geschniegelt tritt auf. li

Gedyn. Herr Gepenlaub - Gop. Mein Herr.

Geschn. Ich habe mir das Vergnügen gemacht, bei Ihnen vors zusprechen, um eine Tratte auf hundert Pfund von meinem geschäß. ten Freunde, Kaleb Feldschlange, zu präsentiren (gibt Espenlaub den Wedsel) und da ich noch heut aus der Stadt geben will, so

werden Sie vielleicht nichts dagegen haben? i

Esp. Wie glücklich! Seßen Sie sich, mein Herr; ich geh in mein Komptoir und bin auf der Stelle zurück. (B. S.) Dem Him: mel sei Dank, dies ist meine Rettung !-- 3eßt zum Agenten. (Ab.)

* zeichen — zeigen. + Mittach- und Apenbpröbtden Mittag- und Abendbrödchen.

auffefsen - aufgegelen. Il verpunden, fzondern - verbunden, sondern. S Herzenschunge – Herzengjunge. Zuche - Zuge. ** Chleinichcheiten - Kleinigkeiten. tt Also nehmen Sie nur Ihr Bankbuch, Sie liebenswürdige Schwachheit, und zeigen sich ac. It Ganz wohl und damit basta!

IIII Spazierchanch - Spaziergang. SS vervo Uchummet – vervo Ufommnet. 1111 peliepichen - beliebigen. *** Auchen - Augen.


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laby B. So endigt unsre Stadtkampagne. Sehr langweilig, Mylord.

L. Schl. Särr !

Lady B. Wahrhaftig, London hat sich so verändert in den let: ten paar Jahren, daß, wer nur den geringsten Geschmack hat, den (bloßen) Namen davon verabscheuen muß; die Modenfreunde haben alle Schwingen nad; dem Kontinent genommen - und die, welche ihre Stelle versehen, find entweder zu arm, um patronistrt zu wers den, oder zu gemein, um sich dressiren zu lassen.

L. Schl. Yase!

Lady B. Bei solcher Krise wünscht man sich nach einer Eremi: tage und obgleich unsere Kleine Villa in Wiltshire zwar ziemlich klein ist, Mylord

2. Sdi. Ziemlich!

Lady B. Und unser Etablissement zu eingeschränft, um großen Glanz zu gestatten —

2. Schl. Yase!

Lady B. So ist doch der Lufus, der Berührung mit den Parbenüs, welche die Bäder überschwemmen, zu entfliehen, so groß, daß man auf ein beschränktes Einkommen in dem Lichte eines (wahren) Gegens blicken muß - obgleich das zwar schwierig ist, Mylord.

L. Schl. Särr! Lady B. Adrian! L. Sol. Lätitia !

Laby B. Haben Sie heute Morgen mit dem Hauptmann keine Unterhaltung gehabt?

2. Gdl. Nein!

Lady B. Sie sind von einem gewissen Ereigniß nicht unters richtet.

L. Schl. Was ?

Lady B. Er hat mir endlich meine Zustimmung abgerungen, ihn glücklich zu machen.

L. Schl. Schön.

Lady V. Ich weiß recht gut, er steht tief unter unserm Range: feine Familie --- jämmerliche Bildung; aber der Mensch hat ein sehr gutes Herz und er hat fünfhundert Pfund jährlich.

L. Schl. Yase!

Lady B. Also, da er sehr willig ist, fich belehren zu lassen und mir sehr wenig Ungelegenheit machen wird, fo dacht' ich, es wäre besser, fein Einkommen zu dem Unsrigen hinzuzufügen, als ben ar: men Kerl in Verzweiflung zu stürzen. * l. Schl. Wahr.