Der größte Teil des Mikroplastiks in den Ozeanen stammt nicht von achtlos weggeworfenen Plastiktüten - sondern von Autoreifen Show Mindestens acht Millionen Tonnen Plastik landen jedes Jahr in den Ozeanen, haben Forscher der britischen Ellen MacArthur Foundation berechnet. Das ist, als würde jede Minute ein Müllwagen seinen Inhalt ins Meer kippen. 2030 werden es zwei Müllwagen pro Minute sein, 2050 vier. Gemessen am Gewicht werden dann mehr Kunststoffteile als Fische im Wasser schwimmen. Fischer und Taucher stoßen oft auf PET-Flaschen und Plastiktüten, die nicht recycelt wurden. Auch Kosmetika tragen bei: Peelings enthalten Plastikkügelchen, die über die Kanalisation ins Meer gelangen. Und in jüngster Zeit sind Studien erschienen, die unsere Kleidung als Hauptverursacher der Meeresverschmutzung ausmachen. Laut einer Studie von Studenten der University of California verlieren Fleecejacken aus Polyester bei jedem Waschen bis zu zwei Gramm Fusseln. Von der Waschmaschine gelangen sie in Kläranlagen, die den Großteil der Fasern herausfiltern; doch einige schwimmen weiter in Flüsse und ins Meer. Forscher der Plymouth University haben nachgewiesen, dass auch andere synthetische Stoffe beim Waschen Fasern verlieren. Irische Wissenschaftler des Galway-Mayo Institute of Technology fanden gar in 94 Prozent ihrer Wasserproben aus dem Nordostatlantik Plastik. 89 Prozent war Mikroplastik (Teile, die kleiner sind als fünf Millimeter), und davon wiederum waren 96 Prozent Fasern. Sollten wir also weniger Wäsche waschen – um die Meere zu schonen? Nicht unbedingt. Denn womöglich sind die Studien fehlerhaft. Weil es schwierig ist, Plastikfasern zu messen, „kommt es sehr schnell zu einer Kontamination der Proben durch Fasern aus der Kleidung, die die Forscher selbst tragen, und aus der Raumluft“, erläutert Mark Lenz im Interview mit GEO. Lenz befasst sich am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel mit Mariner Ökologie. Er vermutet, dass zahlreiche Studien die unfreiwillige Verunreinigung der Proben nicht berücksichtigten. Eine der umfangreichsten Untersuchungen zur Meeresverschmutzung hat die Norwegische Umweltbehörde vorgenommen. Ergebnis: Von den gut 4000 Tonnen Mikroplastik, die jährlich von Norwegen aus ins Meer gelangen, stammen weniger als drei Prozent aus Kleidung. Auf Kosmetika entfallen nur 0,1 Prozent. Dafür haben die Norweger eine andere Quelle der Verschmutzung ausgemacht: 56 Prozent des Meeresmülls stammen demnach aus dem Abrieb von Reifen durchs Autofahren. Der Plastikmüll hat unglaubliche Dimensionen: Bis zu 13 Millionen Tonnen Verpackungsmüll aus Plastik gelangen jährlich ins Meer. Man muss sich das einmal vorstellen: Das ist so, als würde man jedes Jahr irgendwas zwischen 800.000 und 2,5 Millionen Elefantenbullen einfach ins Meer kippen. Weder die, noch Plastik gehören da hin. Doch leider wird die Menge an Plastik im Meer zunehmen, wenn die Entwicklung so weitergeht. Umwelt und Wirtschaft leiden unter dem PlastikmüllFür die Umwelt bedeutet dies unter anderem: Mehr als 800 Tierarten werden durch Plastikmüll beeinträchtigt. Wale und Seehunde verfangen sich in Geisternetzen, Vögel nehmen Plastikteile auf und verhungern. Wenn sich nichts ändert, dann wird bis zum Jahr 2050 fast jeder Meeresvogel Plastik im Magen haben. Auch die Wirtschaft hat zu leiden: Für die Schifffahrt und für den Tourismus entstehen Millionenschäden, wenn sich Plastikmüll in Schiffsschrauben verfängt oder Touristen von vermüllten Orten fern bleiben. Bald schon ganz normal? Der traurige Mageninhalt eines Wasservogels. © Marine Photobank / Claire Fackler / WWFPlastik als unsichtbarer MüllHinzu kommen die Millionen Mikroplastikpartikel aus Reifenabrieb, Kunststofftextilien oder Kosmetika, die über Flüsse in die Umwelt gelangen. Die Mikroplastikpartikel sind so klein, dass man sie nicht sieht. Aber die Umwelt spürt sie trotzdem. Plastik braucht mehrere hundert Jahre, bis es sich zersetzt. Nun reichert es sich nach und nach in der Umwelt an. Darum ist für mich ganz klar: Plastik gehört nicht in die Umwelt. Produkte und Verpackungen aus Plastik müssen kontrolliert eingesammelt und dann weiter verarbeitet werden – am besten zu Recyclingprodukten für neue Anwendungen. Folge uns in Social MediaAus Ländern ohne gutes Abfallsystem strömt der Plastikmüll in die MeereDas größte Problem mit Plastikmüll besteht vor allem in den Ländern, in denen es keine kontrollierte Abfallsammlung gibt. Einen Schwerpunkt bilden hier vor allem die Länder in Südostasien. Dort wird der Abfall nicht kontrolliert eingesammelt, geschweige denn getrennt oder recycelt. In vielen Ländern ist es ganz normal, Müll einfach irgendwo abzuladen. Über Flüsse und aus ungesicherten Deponien ergießt sich ein Strom aus Plastikmüll in die Meere. Ein einfacher Six-Pack-Halter kann zu einer lebensbedrohlichen Falle für Meerestiere werden. ©iStock / getty imagesDas gab es auch in DeutschlandMich erinnern diese Zustände an die Situation in Deutschland bis in die 1970er Jahre hinein: Einer meiner Spielplätze war eine wilde Hausmülldeponie. Der drohende Müllnotstand war eines der Hauptthemen der damaligen Umweltbewegung. Warum ist das heute nicht mehr so? Eine Auswirkung der damaligen Umweltbewegung war eine Gesetzesinitiative des Staates, die Unternehmen zu mehr Müll-Verantwortung verpflichtete. Unternehmen, die Verpackungen in Verkehr bringen, sind seitdem für deren Sammlung, Sortierung und Weiterverarbeitung mit verantwortlich. So kommt der Plastikmüll ins MeerUnternehmen müssen ihren Plastikmüll verantwortenWenn Unternehmen Verantwortung für ihre Verpackungen übernehmen, müssen sie auch die Kosten für deren Sammlung und Weiterverarbeitung tragen. Darum werden für Verpackungen in Deutschland jährlich Lizenzgebühren von etwa 1,5 Milliarden Euro gezahlt. Regelungen, die Unternehmen wie in Deutschland eine sogenannte „erweiterte Produktverantwortung“ zuweisen, gibt es nur in wenigen Ländern. Darum sind dort Abfallsammelsysteme auch chronisch unterfinanziert – mit entsprechenden Folgen. Immer mehr Produkte werden in Plastik verpackt. Aber die Systeme der Abfallentsorgung in sogenannten Entwicklungs- und Schwellenländern entwickeln sich nicht mit. Auch und gerade hier müssen wir helfen. Folge uns in Social Media: |