Wo ist die wm 2038

Sport und mithin auch das Spiel mit dem runden Leder wird im Reich der Mitte von der zentralen Planungs- und Entwicklungskommission dirigiert und ist Teil einer umfassenden Langzeit-Strategie. Damit soll der wachsende ökonomische und politische Einfluss auf dem Globus durch Soft Power untermauert werden. Zur «weichen Macht» gehört Kultur, etwa in Form der mittlerweile über 300 Konfuzius-Institute weltweit, darunter auch in der Schweiz. Die Herzen und Gefühle der Massen sind aber zuvörderst auch mit Sport zu erreichen. Fussball ist unter allen Sportarten wohl die universellste. Da trifft es sich gut, dass Staats-, Partei- und Militärchef Xi Jinping ein bekennender Fussballfan ist. Er hat klare Ziele gesetzt.

12:0-Stängeli

Erstens soll sich die Nationalmannschaft endlich, endlich wieder einmal für eine WM qualifizieren. Das gelang nämlich erst einmal. In Südkorea 2002 bezogen die chinesischen Ballkünstler dann drei schmachvolle Niederlagen und schossen kein einziges Tor. In der Qualifikation für die WM 2018 in Russland überstand das chinesische Team die Vorrunde. Gegen Hong Kong resultierte ein 0:0, dafür siegte China gegen die FIFA-Weltnummer 154 Malediven mit 3:0 und 4:0. Gegen die FIFA-Weltnummer 177 Buthan setzte es gar ein 6:0- und 12:0-Stängeli ab. Immerhin. Jetzt aber sieht es zappenduster aus. In einer Gruppe mit Iran, Südkorea, Usbekistan, Syrien und Qatar steht China nach fünf Spielen an letzter Stelle mit gerade einmal 2 Pünktchen. Ob der italienische Star-Trainer Marcello Lippi, einst Weltmeister mit Italien und mehrfacher China-Meister mit dem Millionärsclub Gaungzhou Evergrande, da noch etwas ändern kann, werden die nächsten Monate zeigen. Mindestens Lippi ist hoch motiviert, ist ihm doch ein Jahresgehalt von 18 Millionen Dollar sicher.

Zauberzwerg und Messi

Punkt Zwei in der Langzeitstrategie des obersten chinesischen Fussballfans Xi ist die Ausrichtung der WM 2026 oder 2030. Letztes Ziel ist der WM-Titel und mithin die Erreichung des Status einer Weltmacht auch im Fussball. Ihr Korrespondent, bekennender FCB-Fan – FC Basel 1893, FC Beijing Guo’an 1992 und FC Barcelona 1899, und zwar in dieser Reihenfolge – hat als Fussball-Experte und China-Kenner den Zeitpunkt einer chinesischen Fussballkrone bereits einmal prognostiziert. 2038 an der WM in Grönland wird das von Messi gecoachte China den Final mit 4:1 Toren gewinnen, und zwar gegen die von Zauberzwerg Shaqiri trainierten Schweizer. Jawoll!

Fürstliches Gnadenbrot

In der realen Welt von 2017 versucht China sich mit Millionensummen dem langfristigen Fussballziel anzunähern. Im staatskapitalistischen System Chinas machen die Unternehmer mit Überzeugung mit. Sie klotzen und kleckern. So wechselt Argentiniens 32 Jahre alter Carlos Tevez, einst für Manchester United und Manchester City kickend, von Boca Juniors (Buenos Aires) zu Shanghai Shenhua. Dort verdient er 762’000 Dollars. Pro Woche. Unterdessen sollen FCBs Messi nach Gerüchten 100 Millionen Dollars pro Jahr geboten worden sein, und noch mehr Reals Ronaldo. Noch sensationeller, aber real ist der Transfer des Brasilianers Oscar – einst für Chelsea kickend – zu Shanghai Shenhua. Denn der Mittelfeldspieler ist erst 25 Jahre alt. Verdienten sich einst alternde Fussballstars ein fürstliches Gnadenbrot in den Golfstaaten, China oder Nordamerika, zieht es nun jüngere Kicker immer mehr in Chinas Super League. Dort haben mittlerweile auch europäische und lateinamerikanische Trainer angeheuert, sowie neulich Schiedsrichter. Sogar dem Pfeifenmann des Jahres 2016, Marc Clattenburg von der English Premier League, soll ein lukratives Angebot vorliegen.

Die Jugend

Nach dem Langzeitplan der zentralen Planungs- und Entwicklungskommission soll aber nicht nur mit der grossen Kelle angerichtet werden. Vielmehr sollen mit umfassender Jugendarbeit die künftigen chinesischen Messis, Ronaldos und Shaqiris herantrainiert werden. So sollen bis 2020 über 60’000 Fussballfelder gebaut und 20’000 Fussball-Akademien gegründet werden. Bereits jetzt betreiben die Clubs der Super League professionell Jugendabteilungen mit meist ausländischem Trainerpersonal. Der sechsfache Landesmeister und zweifache Sieger der Asian Champions League, Guangzhou Evergrande, ist inzwischen ein hochprofessioneller Club, der den Vergleich mit der English Premier League nicht mehr zu scheuen braucht. Das ist nicht selbstverständlich. 2013 wurde der chinesische Fussball von einem beispiellosen Skandal erschüttert. Spieler, Trainer, Schiedsrichter waren in umfassend angelegte Wettbetrügereien verwickelt. Der Präsident des Fussballverbandes und sein Vize wanderten ins Gefängnis.

Mehr Chancen für chinesische Spieler

Die wegen der hohen Transfer- und Gehaltssummen für Schlagzeilen sorgenden Transfers geben den obersten Fussballplanern Chinas offenbar auch zu denken. Das Parteiblatt Renmin Ribao (Volkstageszeitung) etwa bezeichnete die Ausgaben im Fussball als eine «Blase» und kommentierte: «Die Gesamtausgaben übertreffen bei weitem den ökonomischen Wert für die Liga.» Die englischsprachige Regierungszeitung China Daily bewertet die Entwicklung in der Super League mit den astronomischen Trainer- und Spieler-Gehältern als «sehr schlecht für die Zukunft des Chinesischen Fussballs». Immerhin hat die Chinese Football Association (CFA) für die im März beginnende Saison eine Anpassung der Transferregeln vorgenommen. Anstatt fünf dürfen Clubs nur noch vier ausländische Spieler verpflichten, und pro Match dürfen nur drei ausländische Kicker eingesetzt werden. Ziel der Regelanpassung: mehr Chancen für chinesische Spieler.

Weltweit Soft Power

Am Langzeitziel aber wird festgehalten. Interessant dabei ist, wie renommierte Unternehmen Soft Power und harte Geschäftswirklichkeit in Übereinstimmung bringen. «China Media Capital» (CMC) investiert rund um den Globus in Sport und Unterhaltung. So ist etwa CMC mit 15 % an der City-Fussballgruppe, u.a. Manchester City, beteiligt, ebenso mit 20% an Atletico Madrid. Dazu kommen Übernahmen oder Beteiligungen an Infronts Sport and Media, Ironman Triathlon, Hollywood Film Studio Legendary sowie ein FIFA Sponsoring Deal, ein Disney-ähnlicher Park in Beijing und vieles mehr. Nach Vorstellung von Xi Jinping generieren Sport-Investoren und andere Unternehmen Einnahmen, schaffen Arbeitsplätze und erlauben so dem Reich der Mitte, seine Soft Power weltweit zu verbreiten.

Das SCG-Modell

Ein Modellfall ist die Suning Commerce Group (SCG) aus der Provinz Jiangsu. Sie betreibt Verkaufszentren für TV-Apparate, Kühlschränke, Waschmaschinen sowie Digital- und IT-Produkte. Dazu kommt eine erfolgreiche Online-Plattform zum Verkauf von Büchern, Haushaltsartikeln und Gesundheitsprodukten. Die SCG erzielt pro Jahr einen Umsatz von 21,5 Mrd. DollarS und entlöhnt 25’000 Angestellte. Wie andere chinesische Grossunternehmen hat SCG auch iN Fussball investiert und betreibt den Fussballclub Jiangsu Suning. Daneben hält SCG 70% an Inter Mailand und hat für 407 Millionen DollarS die chinesischen TV-Rechte für fünf Jahre an der in China beliebten spanischen La Liga erworben. Für die brasilianischen Kicker Ramires und Alex Teixeira hat SCG überdies zig Millionen Dollar in die Hand genommen. SCG ist mit andern Worten so etwas wie ein Modellfall für langfristige VisionEN der zentralen Planungs- und Entwicklungskommission.
Viele ausländische, aber auch chinesische Beobachter zweifeln daran, ob Xi Jinpings grosser Fussballtraum auch Wirklichkeit werden wird. Doch wer hätte vor zwanzig Jahren gedacht, dass China sich ökonomisch und sozial derart schnell entwickeln wird? Deshalb liebe Fussballfans: Abwarten und Grün-Tee trinken. Schliesslich hat China vor über 2’000 Jahren den Fussball erfunden. Deshalb sagt Ihr Korrespondent nur: Grönland 2038!

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Veröffentlicht am 04.10.2016

Wo ist die wm 2038
Wo ist die wm 2038

Was sein muss, muss sein: Gianni Infantino treibt die Entwicklung des Fußballs voran

Die Fußball-WM ist viel zu klein. Für eine vernünftige Größe von 220 Teilnehmern gibt es aber schlicht zu wenig Länder. Mit Hochdruck bekämpft die Fifa diesen unsäglichen Missstand.

Die Fifa steht vor einer großen Herausforderung. Bislang nehmen nur 32 Mannschaften an der Weltmeisterschaft teil. Dies sei eindeutig zu wenig, befindet Präsident Gianni Infantino vom Fußball-Weltverband und will den Wettbewerb nun konsequent ausbauen. Bislang war eine Aufstockung auf 40 Teilnehmer im Gespräch, nun aber sollen es bereits bei der WM in zehn Jahren 48 Starter sein.

Offenbar nur die Spitze des Eisbergs. Aus internen Dokumenten geht hervor, dass das Teilnehmerfeld in den Folgejahren „zum Wohle des weltweiten Fußballs“ noch einmal rasant anwachsen soll. Fernziel sind 220 Teilnehmer im Jahr 2038.

Die WM würde dann auf drei Kontinenten in 22 Zehnergruppen mit Hin-und Rückspiel ausgetragen und soll von Februar bis Oktober andauern. Nur die besten acht Mannschaften einer Gruppe plus die 18 besten Gruppenneunten kommen weiter und spielen dann in der „Golden-Champions-Deluxe-League“ die 128 Teilnehmer für die erste von sieben K.o.-Runden aus.

„Ein faszinierender Modus, der die weltweite Entwicklung des Fußballs spürbar voranbringen wird“, wird ein ranghoher Fifa-Funktionär in dem Papier zitiert: „So können wir 188 weiteren Mannschaften die Qualifikation für die Endrunde ermöglichen. Wir hätten dann viele weitere Spiele mit absolutem Finalcharakter. Und zwei großen Sieger: den Fußball und die Fans.“

Auch bei Sponsoren und Fernsehsendern kommt die Idee glänzend an. So planen ARD und ZDF, alle Spiele live zu übertragen und dafür das Programm „dezent umzustrukturieren“. Außer Fußball zeigen die Öffentlich-Rechtlichen in den betreffenden Monaten nur noch die Erfolgsformate „Volle Kanne“, „Brisant“ und „alle Showideen mit Helene Fischer“.

Lauf Fifa gebe es hinsichtlich des „größten und friedlichsten Festes der Erdgeschichte“ nur noch ein marginales Problem zu beseitigen. Auf unserem Planeten existieren derzeit leider nur 193 Nationen - 27 zu wenig für eine vernünftige WM also. Seit Jahren arbeitet die Fifa mit Hochdruck gegen diesen unsäglichen Trend, verfügt sie doch jetzt schon über 211 Mitglieder, 18 mehr als es Länder gibt also. Fehlen aber immer noch neun. Eher mehr. Schließlich soll es vor der Endrunde ja noch „eine spannende Qualifikation“ geben, wie der Verband anmerkt.

„Nun ist die Staatengemeinschaft gefragt“, heißt es. Die schlüssige Forderung: „Es müssen neue Länder her.“ Da das Vertrauen in die Politik und die langsam mahlenden Mühlen der Bürokratie aber gering ist, will die Fifa proaktiv werden. Zwei Maßnahmen sollen beschlossen werden.

1) Die Gründung neuer Staaten durch die Fifa an den unbewohnten Rändern der Erdscheibe. Entsprechende Expeditionsteams werden demnächst aus dem Züricher Hafen entsandt. Als Staatsoberhäupter sind verdiente Fifa-Funktionäre wie etwa Sepp Blatter vorgesehen. Natürlich gilt für diesen Job auch der Kaiser als prädestiniert.

2) Das Zerschlagen vorhandener Nationen. Als Vorbild dienen in dem Fifa-Papier fußballerische Erfolgsgeschichten wie die der ehemaligen Sowjetunion („Hier wurden aus einer Fußballmannschaft quasi über Nacht 15 potenzielle WM-Teilnehmer gemacht“).

Gerüchten zufolge habe es diesbezüglich auch schon ein erstes Treffen zwischen einem Fifa-Abgesandten und Horst Seehofer gegeben.