Obschon Corona gerade das dominierende Thema ist, erreichen mich auch immer wieder kritische Zuschriften zu anderen Themen, zum Beispiel zum Klimawandel. Das ist gut so, denn die Klimaerwärmung hat langfristig viel gravierendere Auswirkungen auf unser Leben als die Pandemie. Das ist allerdings nicht, was mir die Leute mitteilen wollen. Im Gegenteil: Der Grundton der Klima-Mails ist ähnlich wie in den Corona-Mails, die mich momentan täglich erreichen. Die Botschaft lautet: Ist doch alles nicht so schlimm. Und speziell auf das Klima bezogen: Früher war es auf der Erde schon deutlich wärmer. Warum also das Geschrei um das bisschen Erwärmung? Tatsächlich lebten auch im Gebiet der heutigen Schweiz früher einmal Dinosaurier. Plateosaurier zum Beispiel. Heute graben wir deren Knochen aus, im Fricktal. Hingegen bei Niederweningen (ZH) finden wir Knochen von Mammuts. Diese stapften am Ende der letzten Eiszeit vor der Zunge des Linthgletschers über den gefrorenen Boden. Mal ist es wärmer, mal kälter. Was also ist das Problem, wenn es jetzt wieder wärmer wird? Zwischen Dinosauriern und Mammuts liegen nicht nur hundert Millionen Jahre, sondern auch zehn Grad Temperaturunterschied. Und an diesem enormen Klimawandel kann nicht der Mensch schuld sein. Denn der moderne Mensch, der Homo Sapiens, tauchte erst vor 100 000 Jahren auf – vielleicht auch vor 200 000. Welche Temperaturen in dieser Zeit auf der Erde herrschten, lässt sich an Eisbohrkernen aus Grönland rekonstruieren. Die ältesten Bohrkerne reichen bis 800 000 Jahre zurück. Und es ist ganz klar bewiesen: Die Temperatur ist heute so hoch, wie es der Mensch noch nie erlebt hat. Und nicht nur der Mensch, sondern auch die heute existierenden Ökosysteme sind an die aktuellen Temperaturen angepasst, beziehungsweise haben sich mit diesen Temperaturen erst gebildet. Aber dann kommt immer wieder das Dinosaurier-Argument. Damals war es doch wesentlich wärmer als heute. _____________ _____________ Nicht nur die Atmosphäre war anders zusammengesetzt, auch die Meeresströmungen verliefen völlig anders um die Urkontinente als sie es heute tun. Die Antarktis war zusammen mit Gondwana von einem warmen Ozean umspült. Darum findet man heute sogar in der Antarktis Haifischzähne und fossile Blätter von Nothofagus, der Südbuche. Erst als die Dinosaurier schon ausgestorben waren und die Säugetiere langsam die Erde beherrschten, begannen die Antarktis und Australien wegzudriften. Die Meeresströmungen veränderten sich, es gelangte kein warmes Wasser mehr zur Antarktis, der Kontinent, der unterdessen an den Südpol gewandert war, begann einzufrieren. Also: Dinosaurier im Fricktal und Haifischzähne in der Antarktis sind zwar erdgeschichtlich superinteressant, aber kein gutes Argument, um den aktuellen Klimawandel kleinzureden. Bleiben noch die Mammuts bei Niederweningen. Oder die Frage, warum es seit der letzten Eiszeit wärmer wurde. Auch daran kann der Mensch ja nicht schuld sein. Die Antwort gibt es hier in einer Woche. Wärmer wird es seit der letzten Eiszeit. Warum das Geschrei ums Klima? (2/3)Ganzen Artikel lesenIm Mittelalter gab es auch eine Warmphase – Warum das Geschrei ums Klima? (3/3)Ganzen Artikel lesenDer Faktist schaut ganz genau hin. Im Dschungel der wissenschaftlichen Studienresultate behält er den Überblick. Zeigt, was zusammenhängt. Und was einfach nicht aufgeht. Der Faktist ist Beat Glogger, Gründer und Chefredaktor von higgs. Jeden Dienstag als Sendung auf Radio 1 und als Video auf higgs. https://www.radio1.ch/de/podcast/der_faktist--10 Unterstütze uns Ein internationales Forscherteam unter Leitung von Geowissenschaftlern des Alfred-Wegener-Institutes, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) hat ein neues und bislang einzigartiges Fenster in die Klimageschichte der Antarktis aufgestoßen. In einem Sedimentbohrkern, den die Forschenden im Februar 2017 im westantarktischen Amundsenmeer geborgen haben, fanden sie nahezu ursprünglich erhaltenen Waldboden aus der Kreidezeit, einschließlich vieler Pflanzenpollen und -sporen sowie eines dichten Wurzelnetzwerkes. Die Vegetationsüberreste belegen, dass vor etwa 90 Millionen Jahren ein gemäßigter, sumpfiger Regenwald im Küstenbereich der Westantarktis wuchs und die Jahresdurchschnittstemperatur etwa 12 Grad Celsius betrug – ein für das Südpolargebiet außergewöhnlich warmes Klima, welches nach Auffassung der Wissenschaftler nur möglich wurde, weil der antarktische Eisschild fehlte und die Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre deutlich höher war als Klimamodellierungen bislang vermuten ließen. Die Studie, welche die südlichsten direkt verwertbaren Klima- und Umweltdaten aus der Kreidezeit liefert und Klimamodellierer auf der ganzen Welt vor neue Herausforderungen stellt, erscheint am 1. April im Fachmagazin NATURE. Die mittlere Kreidezeit vor circa 115 bis 80 Millionen Jahren gilt nicht nur als das Zeitalter der Dinosaurier, sie war auch die wärmste Periode der zurückliegenden 140 Millionen Jahre. Nach bisherigem Wissensstand betrug die Meeresoberflächentemperatur in den Tropen damals rund 35 Grad Celsius; der Meeresspiegel lag bis zu 170 Meter höher als heute. Weitgehend unbekannt war bislang jedoch, wie die Umweltbedingungen zu jener Zeit südlich des damaligen Polarkreises aussahen. Aus der Antarktis gab es bis jetzt nämlich kaum aussagekräftige Klimaarchive, die so weit zurückreichen. Der neue Bohrkern bietet den Wissenschaftlern nun erstmals die Gelegenheit, anhand einzigartiger Spuren das westantarktische Klima der mittleren Kreidezeit zu rekonstruieren. In dem Bohrkern, den die Forschenden auf einer Polarstern-Expedition mit dem Bremer Meeresboden-Bohrgerät MARUM-MeBo70 vor dem westantarktischen Pine-Island-Gletscher gezogen haben, fanden sie nahezu ursprünglich erhaltenen Waldboden aus der Kreidezeit.
Spuren einer vegetationsreichen Sumpflandschaft Welch einzigartiges Klimaarchiv die Forschenden jedoch tatsächlich geborgen hatten, offenbarte sich erst, als der Sedimentkern in einem Computertomographen (CT) untersucht wurde. Die CT-Aufnahmen zeigten ein dichtes Wurzelgeflecht, welches sich durch die gesamte Bodenschicht aus sehr feinkörnigem Ton und Silt zog und so gut konserviert war, dass die Wissenschaftler einzelne holzige Zellverbände erkennen konnten. Außerdem enthielt die Bodenprobe zahllose Pollen und Sporen verschiedener Gefäßpflanzen, darunter auch Spuren der ersten Blütenpflanzen innerhalb dieser hohen antarktischen Breiten.
Die Ergebnisse der Vegetationsanalyse stellten die Forscher vor ein Rätsel: Unter welchen Klimabedingungen konnte damals auf einer geografischen Breite von etwa 82 Grad Süd ein gemäßigter Regenwald wachsen? Der antarktische Kontinent lag auch schon in der Kreidezeit am Südpol. Das heißt, in der Region, aus welcher der Waldboden stammte, herrschte länger als vier Monate Polarnacht. Energiespendendes Sonnenlicht fehlte demzufolge ein Drittel des Jahres.
Anschließend suchten die Forschenden im Waldboden nach biologischen und geochemischen Temperatur- und Niederschlagsanzeigern, auf deren Basis sie die Luft- und Wassertemperatur des westantarktischen Kreide-Regenwaldes sowie die Regenmenge rekonstruieren konnten. Vereinfachte Übersichtskarte der Südpolarregion zum Zeitpunkt der Ablagerung vor etwa 90 Millionen Jahren. (Foto: J. P. Klages, Alfred-Wegener-Institut) Viele Analysen, ein Ergebnis: Die Antarktis war in der Kreidezeit eisfrei und extrem warm Die Ergebnisse der vielen verschiedenen Analysen passen wie die Teile eines Puzzles zusammen: Vor etwa 90 Millionen Jahren herrschte nur etwa 900 km vom Südpol entfernt ein gemäßigtes Klima. Die Lufttemperatur betrug im Jahresdurchschnitt etwa 12 Grad Celsius. Das heißt, zur Kreidezeit war es in der Südpolarregion im Mittel etwa zwei Grad wärmer als aktuell in Deutschland. Die Sommer im Südpolargebiet waren im Schnitt circa 19 Grad Celsius warm; die Wassertemperatur der Flüsse und Sümpfe stiegen auf Werte um die 20 Grad Celsius. Geregnet hat es in der Westantarktis in etwa so häufig und stark wie heutzutage in Wales. Diese neuen Vegetations-, Temperatur- und Niederschlagsdaten aus der Westantarktis nutzten die Forscher anschließend als Zielangabe für Simulationen des Klimas der mittleren Kreide in einem Klimamodell. Ihre Berechnungen mit einem Paläo-Klimamodell ergaben, dass die rekonstruierten Bedingungen nur dann erreicht werden konnten, wenn (1) der antarktische Kontinent von einer dichten Vegetation bedeckt wurde, (2) es in der Südpolarregion keine Landeismassen von der Größe eines Eisschildes gab und (3) die Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre weitaus höher war als dies bislang für die Kreidezeit angenommen wurde.
Die Studie zeigt somit, welch enorme Wirkungskraft das Treibhausgas Kohlendioxid besitzt und welch wichtige Kühleigenschaft heutige Eisschilde ausüben.
Die große Frage lautet nun: Wenn es damals in der Antarktis so warm werden konnte, was hat dann im Anschluss dazu geführt, dass sich das Klima stark abkühlte und Eisschilde entstanden? „In unseren Klimasimulationen konnten wir darauf noch keine zufriedenstellende Antwort finden“, sagt Gerrit Lohmann. Die Ursachen für solche Kipppunkte zu finden, ist jetzt Aufgabe und Herausforderung der internationalen Klimaforschung. Veröffentlichung: Klages, J.P. et al, “Temperate rainforests near the South Pole during peak Cretaceous warmth”, Nature, 1. April 2020, DOI: 10.1038/s41586-020-2148-5 Quelle: off. Pm der Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung Titelbildunterschrift: Dieses Acrylbild zeigt die ehemaligen Umweltbedingungen, die für den Bereich der Bohrung rekonstruiert werden konnten. Das Bild wurde auf Basis der vielfältigen wissenschaftlichen Erkenntnisse angefertigt, die aus dem Sedimentbohrkern PS104_20-2 gewonnen werden konnten. (Grafik: Alfred-Wegener-Institut, James McKay under Creative Commons licence C-BY 4.0“.) |