Wer ist für die Pflege der Eltern zuständig

EIN KOMMENTAR Von Anna Steiner

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Die Pflege der Eltern ist auch eine Frage der Moral. Bild: dpa

Die Aufregung war groß: Jens Spahn möchte seine Eltern nicht pflegen, wenn sie alt sind. Doch ist das so verwerflich? In jedem Fall ist es eine sehr persönliche Frage.

Gesundheitsminister Jens Spahn sorgte in der vergangenen Woche für einen kleinen Eklat. Er könne sich nicht vorstellen, seine Eltern im Alter zu pflegen, sagte er in einer Talkshow. Die Beschwichtigung folgte sogleich: Die Eltern verlangten das auch gar nicht von ihm. Dabei müsste doch gerade der Gesundheitsminister wissen, dass das Pflegesystem zusammenbrechen würde, dächten alle wie er. Dieses funktioniert nur, weil drei Viertel der Pflegebedürftigen derzeit zu Hause versorgt werden. Bei Pflegegrad 2 gibt der Staat monatlich 770 Euro, wenn die Pflegebedürftigen in Heimen gepflegt werden. Die Pflege zu Hause kommt die Versichertengemeinschaft mit 316 Euro im Monat deutlich billiger.

Aber was wird den Eltern eigentlich gerecht? Mag sein, dass Spahns Eltern nicht von ihm gepflegt werden wollen, doch viele der über 3,3 Millionen Pflegebedürftigen wehren sich auch im hohen Alter noch mit Händen und Füßen gegen das Pflegeheim. Mit gutem Grund, schaut man sich die Verhältnisse in manchen Pflegeheimen einmal an. Die Pfleger mögen ihr Bestes geben, doch regelmäßig machen Berichte die Runde von schlechter Betreuung in notorisch unterbesetzten Heimen.

Hinzu kommt, dass viele Senioren seit Jahrzehnten in ihrem sozialen Umfeld wohnen, in derselben Stadt, derselben Straße, derselben Wohnung. Freiwillig dort weg möchte kaum jemand. Umfragen machen das deutlich: Neun von zehn der über 50-Jährigen möchten später zu Hause gepflegt werden. Kann man das den Kindern zumuten? Immerhin leben viele von ihnen nicht in unmittelbarer Nähe, sind finanziell nicht in der Lage, beruflich kürzer zutreten, um die Pflege zu übernehmen, oder die Familienverhältnisse sind zerrüttet.

Moralische Verantwortung

Was schulden wir unseren Eltern? Für die Rente regelt das in Deutschland der Generationenvertrag. Die arbeitende Bevölkerung zahlt für die Versorgung der Rentner. Dafür bekamen sie als Kind die Möglichkeit, zu reifen und später Arbeit zu finden. Bei der Pflege sieht das anders aus: In Deutschland gibt es keine Pflicht zur Pflege der Eltern. Allerdings müssen die Kinder finanziell aufkommen, sollten die Pflegebedürftigen dazu selbst nicht in der Lage sein.

Neben der finanziellen Komponente gibt es aber auch die emotionale. Meine Eltern jedenfalls sollen nicht in einem Heim ihren Lebensabend verbringen, in dem sie nur Gast sind in einem Zimmer von vielen, wo meist die Zeit fehlt für etwas mehr als das Essen und den Wechsel der Bettwäsche. Meine Eltern haben mich als Kleinkind gefüttert, mir in der Schule geholfen, meine pubertären Trotzphasen ertragen und mich dann auch noch im Studium unterstützt. Deshalb ist es meine Pflicht, mich um ihr Wohlbefinden im Alter zu sorgen. Die moralische Verantwortung, den Eltern die bestmögliche Pflege zu bieten, sollte niemand leichtfertig abgeben.

Natürlich darf nicht verurteilt werden, wer das Heim für seine Eltern in Betracht zieht. Gleich von einem „Abschieben“ zu sprechen ist falsch. Für die Pflege im Heim gibt es gute Gründe: die ausgebildeten Pflegekräfte, die zeitliche und finanzielle Unterstützung durch die Pflegeversicherung und die Hoffnung, die Lieben in guten Händen zu wissen. Doch einfach das Argument der professionellen Hilfe vorzuschieben, die man den Eltern selbst nicht bieten könne, ist zu einfach. Das geben die Zustände in vielen Heimen nicht her.

Dann doch lieber für die Pflege zu Hause sorgen. Niemand, der das nicht schafft, muss seine Eltern selber waschen. Hilfe gibt es reichlich: 13.000 ambulante Pflegedienste in Deutschland unterstützen die Angehörigen bei der Heimpflege. So ermöglicht man den Bedürftigen nicht nur, sich „daheim“ zu fühlen, sondern garantiert zugleich für eine professionelle Hilfe. Und kann sich sicher sein, dass der Pfleger, der dann nach Hause kommt, sich in dieser Zeit auch nur um den Vater oder die Mutter kümmert und nicht drei andere Senioren gleichzeitig um Hilfe rufen.

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Gründer und Geschäftsführer von pflege.de

Lars Kilchert ist Gründer und Geschäftsführer von pflege.de – eines der führenden Portale rund um die Pflege mit Fokus auf die Pflege zuhause. Sein Ziel ist es, mit pflege.de die Pflegeorganisation für Pflegebedürftige und pflegende Angehörige zu vereinfachen und ihnen mit wichtigen Pflegeinformationen zur Seite zu stehen.

Im Februar 2021 feierte pflege.de 10-jähriges Bestehen. Was mit zwei Personen begann, ist mittlerweile zu einem Unternehmen mit über 100 Mitarbeitenden herangewachsen. Heute ist pflege.de ein führendes Portal rund um die Pflege mit einem Fokus auf die häusliche Pflege und hilft täglich rund 30.000 Besuchern dabei, mit Informationen und nützlichen Services den Pflegealltag zuhause zu erleichtern. pflege.de-Gründer und Geschäftsführer Lars Kilchert blickt zurück auf zehn turbulente Jahre und gibt einen exklusiven Einblick in die Anfangszeit des Unternehmens.

Erstelldatum: 1202.21.41|Zuletzt geändert: 2202.10.13

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Geschäftsführer von pflege.de

Nils Tholen ist Geschäftsführer von pflege.de – eines der führenden Portale rund um die Pflege mit Fokus auf die Pflege zuhause. Sein Anliegen ist es, mit pflege.de sowohl Pflegebedürftige als auch pflegende Angehörige mit nachhaltigen Hilfestellungen im Pflegealltag zu unterstützen.

Nach nun zehn Jahren pflege.de wird es Zeit, mit dem zweiten Geschäftsführer Nils Tholen einen Blick zurückzuwerfen. Von Beginn an baute er gemeinsam mit Gründer und Geschäftsführer Lars Kilchert das Unternehmen auf und glaubte fest an die Idee, etwas Sinnstiftendes zu schaffen. Sämtliche Entwicklungen auf pflege.de konnte Nils Tholen aktiv gestalten und Neues ausprobieren. Stets mit dem Fokus auf den Nutzen für die pflegenden Angehörigen und Pflegebedürftigen, wie er selbst sagt. Die gesamte Organisation der Pflege sollte einfacher, zielführender und günstiger werden.

Erstelldatum: 2202.10.13|Zuletzt geändert: 2202.20.11

Wer ist für die Pflege der Eltern zuständig

pflege.de & Universität Tübingen

Abteilung Pflegewissenschaften, Schwerpunkt Versorgungsforschung

pflege.de hat in Zusammenarbeit mit der Universität Tübingen, Abteilung Pflegewissenschaften, Schwerpunkt Versorgungsforschung eine Umfrage unter Pflegepersonen durchgeführt, um herauszufinden, welche Erwartungen an digitale Unterstützungsangebote geknüpft werden.

Der Mangel an Pflegekräften in Deutschland ist ein bekanntes Problem und wird durch die Corona-Krise weiter verschärft. Viele Pflegebedürftige zählen zur Risikogruppe und lassen aus Sorge vor einer Infektion niemanden mehr ins Haus – auch den ambulanten Pflegedienst nicht. Digitale Unterstützungsangebote könnten Abhilfe schaffen und dazu beitragen, familiäre Pflegesituationen nachhaltig zu stabilisieren – auch nach Corona.

Eine Umfrage zu den Erwartungen an das sog. telenursing (tele = aus der Ferne; nursing = Pflege) hat nun ergeben, dass viele Betroffene offen sind für digitale pflegefachliche Angebote.

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Pflegebedürftige und ihre Angehörigen wurden befragt, in welchem Bereich sie E-Health-Angebote und technische Unterstützungsmöglichkeiten nutzen und wo sie sich erweiterte digitale Angebote wünschen.

Persönliche Unterstützung am hilfreichsten, digitale Angebote „zweitbester Weg“

Auf die Frage, wie hilfreich die befragten Personen die unterschiedlichen Beratungsangebote für eine individuelle und rasche Unterstützung bei der praktischen Pflege bewerten, gaben die meisten eine klare Präferenz für die Unterstützung von Pflegeexperten vor Ort an.

Allerdings signalisiert das Antwortverhalten auch eine Offenheit für moderne, digitale Unterstützungsangebote, sozusagen als „zweitbesten“ Weg: 44 Prozent fänden eine Pflege-App und 42 Prozent einen Pflege-Experten per Video als pflegefachliche Unterstützung hilfreich. Knapp ein Drittel der Befragten stellen sich Online-Lernangebote wie z. B. einen Online-Vortrag als hilfreich vor.

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Angebote in der Pflege, die als hilfreich eingestuft werden.

Mehr Unterstützung bei Fragen zur Finanzierung der Pflege

Außerdem wurde ermittelt, für welche Inhalte sich die Teilnehmer eine bessere Beratungsunterstützung wünschen. Ergebnis: Vor allem bei der Finanzierung der Pflegeversorgung wird Hilfe benötigt. Auch hinsichtlich der Entlastung durch technische Hilfsmittel bedarf es größerer Unterstützung. 60 Prozent wünschen sich zudem Hilfe in Situationen der Überforderung mit der Pflegebedürftigkeit, 46 Prozent beim Umgang mit Krankheiten (z. B. Demenz, chronische Wunden, Parkinson).

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In diesen Bereichen wünschen sich Pflegepersonen mehr Unterstützung.

Internet wird genutzt, viele digitale Angebote nicht

Erfragt wurde zudem, welche Beratungsangebote und Informationsquellen zur Pflege bekannt sind und wie sie genutzt werden. Dabei heraus kam, dass die meisten das Internet (siehe Anmerkungen unten im Text) mehrmals pro Woche nutzten, um an Informationen zur Pflege zu gelangen. Insofern hat sich das Internet als Informationsquelle bei Pflegebedarf neben „klassischen“ Beratungsinstanzen, also Ärzte und Pflegepersonal sowie Freunde oder Bekannte, etabliert. Kaum Beachtung finden dagegen Podcasts oder umfangreichere E-Learning-Angebote.

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Häufigkeit der Nutzung von Unterstützungsangeboten in der Pflege.

Hier wird ein Missverhältnis besonders deutlich: Obwohl die überwiegende Mehrheit der Befragten das Internet regelmäßig zur Informationsgewinnung für die Pflege nutzt (82%), nutzen lediglich wenige Befragte die existierenden digitalen Angebote wie Online-Pflegekurse oder andere eLearning-Formate.

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Internet wird genutzt, digitale Angebote nicht.

Fazit: Entwicklungsbedarf digitaler Angebote

Der Bedarf an Unterstützung in der häuslichen Pflege ist generell sehr hoch. Die Umfrage macht deutlich, dass die meisten Pflegepersonen die persönliche Unterstützung durch Pflegeexperten bevorzugen. Das Internet hat sich jedoch mittlerweile als Informationsquelle etabliert: Zahlreiche digitale Pflegeangebote werden als hilfreich eingestuft. Die Zielgruppe ist offen für mehr digitale Angebote zur Unterstützung und Entlastung ihrer privaten Pflegesituation. Allerdings sind bereits existierende Angebote, die diesem Bedarf gerecht werden können, noch zu wenig bekannt bzw. zu wenig hilfreich und werden entsprechend kaum genutzt. Insbesondere bezüglich der Entwicklung und dem Einsatz von digitalen Unterstützungsangeboten zeigt sich folglich ein großer Bedarf.

Ein weiterer Hemmschuh ist die unklare rechtliche Lage, bspw. die Frage, ob die Kosten von den Kassen übernommen werden. Hier habe Deutschland klar Aufholbedarf, so die Macher der Umfrage. Ein qualitätsgesicherter Einsatz von digitalen Unterstützungsangeboten würde den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen sehr zugutekommen und auch das System der gesundheitlichen Daseinsvorsorge, z. B. durch Präventionsmaßnahmen, erheblich entlasten. Es ist höchste Zeit, dass flächendeckend damit begonnen wird.

Erstelldatum: 0202.90.9|Zuletzt geändert: 0202.90.41

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Es wird angemerkt, dass die Umfrage über das Netzwerk von pflege.de durchgeführt wurde, also über ein reines Online-Portal für die Pflege. Der Zugangsweg zur Befragung bedingt somit das Antwortverhalten. Eine gewisser Grad an Internet- bzw. Technikaffinität muss also jedem einzelnen Teilnehmer dieser Umfrage unterstellt werden. Allerdings beläuft sich der Anteil der Smartphone-/Handy-Nutzer bei den über 70-Jährigen in Deutschland laut Statista im Jahr 2019 bereits auf 64,5 Prozent. 

Wer ist für die Pflege der Eltern zuständig

Professionell Pflegende, pflegende Angehörige & Mitglied im Angehörigenbeirat von pflege.de

Tatjana Brückner kennt die Pflege aus den verschiedensten Perspektiven: Aus der Sicht einer pflegenden und sorgenden Angehörigen, einer Gesundheits- und Krankenpflegerin, einer chronisch kranken Patientin sowie einer ehemals pflegebedürftigen Person.

Als Weggefährtin arbeitet sie derzeit intensiv mit pflegenden und sorgenden Angehörigen zusammen. Ihr Bestreben ist es, die Pflegenden so zu stärken, dass sie sich den Hürden und Herausforderungen des Pflegealltags gewachsen fühlen. Darüber hinaus festigt sie die zwischenmenschlichen Kompetenzen.

Tatjana Brückner ist ein engagiertes Mitglied im Angehörigenbeirat von pflege.de.

Wer die Pflege zuhause organisiert, muss viel organisieren, klären, absprechen. Ob Pflegedienst, Pflegekasse, Arzt, Physiotherapie oder Sanitätshaus: Viele Personen und Institutionen sind daran beteiligt, die Pflege und Versorgung einer pflegebedürftigen Personen sicherzustellen. Richtige Kommunikation ist dabei die Grundlage. Tatjana Brücker ist Mitglied im Angehörigenbeirat von pflege.de und gibt Ihnen 14 praktische Tipps, die Ihnen helfen können, in offiziellen Gesprächssituationen systematisch vorzugehen und Ihr Anliegen möglichst schnell und effektiv zu klären.

Durch meine Erfahrung als pflegende und sorgende Angehörige, als Fachkraft, als chronisch kranke Patientin und auch als ehemals pflegebedürftige Person, weiß ich aus den verschiedenen Perspektiven, wie wichtig der wertschätzende Umgang mit meinem Gegenüber ist. Pflege ist immer interaktiv. Was wir aussenden, kommt zu uns zurück. Ich behandle andere immer so, wie ich selbst gerne behandelt werden möchte. Aus meinen eigenen Erfahrungen habe ich Ihnen 14 Tipps zusammengestellt, die dabei helfen können, die Pflegeorganisation kommunikativ zu meistern.

Vorab ein Organisationstipp: Bevor Sie in ein Gespräch, zum Beispiel mit der Pflegekasse gehen, weil vielleicht noch kein Antwortschreiben auf einen Antrag kam, schauen Sie auch zuhause bei Ihrem Angehörigen genau nach. Möglicherweise ist das Schreiben angekommen und zwischen anderen Briefen untergegangen.

Um die Ordnung von Dokumenten auch für andere Familienmitglieder nachvollziehbar zu machen, lohnt sich ein System, auf das alle zugreifen können. Legen Sie zum Beispiel einen Ordner mit Register an, sodass es einfach nachvollziehbar ist, auch für andere Familienmitglieder, die Teil des Pflege-Hilfsnetzwerks sind, wo sich was befindet und wo sie auch Dinge nachlesen können. Diese Organisation hilft dabei, sich besser auf das Gespräch vorbereiten zu können.

1. Priorisieren Sie anstehende Gespräche

Listen Sie Gespräche auf, die Sie zu führen haben. Priorisieren Sie dabei, welche Gespräche vorrangig sind und welche noch etwas warten können.

Notieren Sie sich hierbei auch den Gesprächstand mit Datum, am besten auf dem betreffenden Schreiben selbst. Handelt es sich zum Beispiel um einen Rückruf oder melden Sie sich dort als Rückmeldung auf einen Brief?

Da auch Unvorhergesehenes dazwischenkommen kann, ist es wichtig, sich eine Übersicht zu verschaffen, um den Überblick zu behalten. Erledigte Gespräche können Sie von Ihrer „To-Do-List“ streichen.

2. Gehen Sie vorbereitet ins Gespräch

Schreiben Sie sich auf, welche wichtigen Fragen Sie an Ihren Gesprächspartner haben. Legen Sie sich die benötigten Unterlagen, Stift und Papier bereit. Suchen Sie schon vor dem Gespräch zum Beispiel Ihre Versichertennummer, Kundennummer oder das Schreiben, auf das Sie sich beziehen, heraus. Im Gespräch selbst ist es störend, wenn Sie erst noch suchen müssen. Es kommt dadurch auch schneller vor, dass etwas in Vergessenheit gerät.

3. Schildern Sie Ihr Anliegen kurz und prägnant

Vermitteln Sie klar und verständlich, was genau Ihr Anliegen ist. Richten Sie dabei Ihren Fokus auf die wichtigen Informationen und schweifen Sie nicht ab. Unwesentliche Informationen halten erstens auf und können zweitens Ihren Gesprächspartner von Ihrem eigentlichen Anliegen ablenken. Halten Sie sich vor Augen, dass ein zielorientiertes Gespräch nicht unhöflich ist, sondern schneller zur gewünschten Handlung führt. Dennoch dürfen Sie Ihre eigenen Bedürfnisse, Wünsche und auch offene Fragen stellen und Unklarheiten äußern. Machen Sie Ihr Anliegen so konkret wie möglich, zum Beispiel: „Können Sie mich bitte zu wohnumfeldverbessernden Maßnahmen beraten?“

Um möglichst kurz und prägnant sein zu können, ist es in vielen Situationen hilfreich, sich vorab zu informieren, beispielsweise über bestimmte Pflegeleistungen. So können Sie Ihre Fragen konkret stellen und kommen so schneller an Ihr Ziel. Außerdem wissen Sie dann vielleicht bereits, an wen Sie sich für welches Anliegen wenden können.

4. Notieren Sie wichtige Informationen während des Gesprächs

Gehen Sie nicht ohne Papier und Stift ins Gespräch! Schreiben Sie sich die wichtigsten Informationen mit. Erkundigen Sie sich zu Beginn, wie Ihr Gesprächspartner heißt und notieren Sie sich auch dessen Durchwahl. Zu den wichtigen Notizen gehören zum Beispiel auch weitere Handlungsschritte. Was müssen Sie als nächstes tun, an wen müssen Sie sich wenden, um Ihr Ziel zu erreichen?

Verlangen Sie eine Bestätigung, wenn Sie es für nötig halten, beispielsweise dann, wenn Sie etwas beantragt haben. So können Sie Ihre eigenen Notizen ergänzen.

5. Klären Sie die Erreichbarkeit Ihres Gesprächspartners und den gewünschten Kommunikationskanal

Fragen Sie nach, wie Sie Ihren zuständigen Arzt, Sachbearbeiter oder ähnliche Personen am besten erreichen, damit Ihr Anliegen zeitnah bearbeitet werden kann.

Gegebenenfalls kann es wichtig sein, dass Sie Informationen oder Anträge übermitteln, für die es bestimmte Vorschriften gibt. Klären Sie daher zusätzlich ab, über welchen Kommunikationskanal Sie sich melden sollen – per Telefon, Fax, E-Mail, App oder schriftlich per Post.

6. Fragen Sie bei Unklarheiten nach

Trauen Sie sich nachzufragen, falls Sie etwas noch nicht verstanden haben oder Ihnen einzelne Bestandteile des Gesprächs unklar geblieben sind. Seien Sie dabei konkret: Was haben Sie nicht genau verstanden? Nur so kann Ihr Gesprächspartner treffend antworten, die Information wiederholen oder näher erläutern.

7. Führen Sie wichtige Gespräche in Ruhe

Schaffen Sie sich einen Zeitraum und einen Ort, an dem Sie die Möglichkeit haben, ungestört und in Ruhe zu sprechen. Planen Sie dafür ausreichend Zeit ein, um das Gespräch in Ruhe zu Ende führen zu können. Bedenken Sie: Es kann vorkommen, dass Sie Ihren Gesprächspartner nicht gleich telefonisch erreichen, daher ist es wichtig, sich einen Zeitpuffer einzuplanen.

8. Achten Sie auf Ihre Gefühle, die mitschwingen

Wenn Sie sich schon vor dem Telefonat sehr angespannt fühlen, nehmen Sie sich noch eine kleine Auszeit, um durchzuatmen. Vielleicht hilft es Ihnen, sich einen Tee oder Kaffee zu machen, der während des Gesprächs für eine behagliche Atmosphäre sorgt. Ein entspannt geführtes Gespräch ermöglicht beiden Seiten eine friedvolle, wertschätzende Kommunikationsumgebung. Bedenken Sie, dass Ihr Gesprächspartner mehrmals am Tag mit Personen spricht, die angespannt und auch unzufrieden sind. Laden Sie Ihren Druck und negative Gefühle nicht bei der Person ab, die dazu da ist, Ihnen behilflich zu sein.

9. Lassen Sie Ihr Gegenüber aussprechen

Viele Menschen neigen dazu, die Sätze des anderen zu vollenden. Lassen Sie Ihr Gegenüber aussprechen.. Sie selbst dürfen auch aussprechen, was Sie zu sagen haben. So wahren Sie ein respektvolles Miteinander.

Wenn Sie zwischendurch eine Verständnisfrage haben, können Sie auch kurz unterbrechen mit „Entschuldigen Sie, habe ich das richtig verstanden, dass …?“. So ermöglichen Sie sich selbst, dem Gesagtem überhaupt folgen zu können. Ihr Gegenüber muss das Gesagte im Anschluss nicht noch einmal komplett wiederholen. Nutzen Sie Gesprächsunterbrechungen so selten wie möglich, um den Gesprächsfluss nicht ganz ins Stocken zu bringen und auch um Ihr Gegenüber nicht zu überrumpeln. Wichtig ist, dass Sie das Gespräch nur unterbrechen, wenn es auch Sinn ergibt und den weiteren Gesprächsverlauf positiv beeinflusst.

Sie können sich Ihre ungeklärten Fragen auch für später notieren. Oftmals lösen sich Unklarheiten durch den weiteren Gesprächsverlauf auf.

10. Hören Sie aktiv zu und bestätigen Sie das Gesagte

Reduzieren Sie Ablenkungen, soweit Ihnen das möglich ist – Radio, Fernseher oder auch das Essen auf dem Herd. Bei wichtigen Gesprächen ist es wichtig, dass Sie Ihre Aufmerksamkeit aktiv auf das Gespräch richten. Dass Sie aktiv zuhören, vermitteln Sie Ihrem Gesprächspartner durch den Blickkontakt, gelegentliches Nicken oder auch ein kurzes Bestätigen des Gesagten. Bei Telefonaten durch ein bestätigendes „Ok“, „Aha“, „Ja“, „Verstehe“.

Lassen Sie Pausen zu und stellen Sie Rückfragen. Hierbei dürfen Sie das Gesagte nochmals in eigenen Worten zusammenfassen und Wünsche oder auch mögliche Optionen heraushören. So können Sie überprüfen, ob Sie die Antworten richtig verstanden haben – und auch, ob Ihr Gegenüber Sie verstanden hat.

11. Gehen Sie gelassen mit Unfreundlichkeit um und bleiben Sie positiv

Manchmal werden Sie Menschen auf dem falschen Fuß erwischen und auf unfreundliches Verhalten treffen: Bleiben Sie gelassen und haben Sie Verständnis. Vielleicht hat Ihr Gegenüber einen schlechten Tag? Sie werden dann der erste freundliche Kunde an diesem Tag sein. Womöglich merkt Ihr Gesprächspartner nach dem Telefonat, dass er zu Ihnen nicht so freundlich war, wie er es sonst ist. Bleiben Sie bei sich und behandeln andere so, wie sie selbst behandelt werden möchten.

12. Sagen Sie „Bitte“ und „Danke“

„Bitte“ und „Danke“ zu sagen, klingt selbstverständlich – das ist es aber leider nicht.

Die Wertschätzung gegenüber Ihrem Gesprächspartner ist nach wie vor wichtig! Sie können ein wertschätzendes Verhalten Ihres Gegenübers nur erwarten, wenn Sie sich selbst wertschätzend verhalten. Bedanken Sie sich am Ende des Gesprächs für die hilfreiche Beratung oder dass sich Ihr Gesprächspartner für Ihr Anliegen die Zeit genommen hat.

13. Geben Sie Feedback

Sie dürfen Ihrem Gegenüber sagen, wie Sie seine Nachricht empfunden haben und auch wie es Ihnen nun mit dieser Information ergeht. Sie dürfen auch mitteilen, ob Ihnen die mitgeteilten Informationen behilflich waren oder ob es noch weitere Fragen zu klären gibt. Seien Sie dabei ehrlich. Denn wenn jeder nach einem Gespräch „Ja, danke“ sagen würde und keiner sagt, „Das hilft mir jetzt noch nicht wirklich weiter, ich fühle mich damit noch überfordert“ – woher soll dann zum Beispiel der Kundenberater wissen, dass er noch weiter ausholen muss? Feedback ermöglicht beiden Seiten eine Reflexion des Gesprächs und dadurch auch Verbesserungsmöglichkeiten.

14. Hilfe suchen und annehmen

Sie fühlen sich ganz ohnmächtig ein Gespräch zu führen, da es Ihnen viel Kraft abverlangt? Sie möchten das ganze Organisatorische alleine schaffen, aber fühlen sich jetzt schon überfordert mit den ganzen Anträgen und Formularen? Das ist keine Seltenheit und auch sehr gut nachzuvollziehen.

Haben Sie keine Angst davor, Hilfe anzunehmen. Ich rate Ihnen, sorgen Sie von Anfang an für Entlastung. Lassen Sie sich von der Person, die Ihnen manche Tätigkeiten abnimmt, trotzdem auf dem aktuellen Stand halten, um nicht den Überblick zu verlieren. Außerdem haben Sie dann auch immer noch die Möglichkeit, in Entscheidungen mit einbezogen zu werden.

Sie können Aufgaben auch delegieren. Es gibt Organisationen, welche die Kommunikation für Sie übernehmen, was die Krankenkasse, Pflegekasse oder Ähnliches betrifft. Hierbei kann Ihnen der nächste Pflegestützpunkt, die Fachstelle für pflegende Angehörige oder auch der ambulante Pflegedienst in Ihrer Nähe behilflich sein. Es gibt kostenfreie, ehrenamtliche und natürlich auch kostenpflichtige Angebote.

Vielleicht haben Sie auch einen Angehörigen oder Bekannten, der Ihnen gerne behilflich ist – besonders, wenn Sie das Gefühl haben, der Informationsflut nicht gerecht zu werden. Wenn Sie merken, dass Ihnen jeder Anruf zu viel wird, dann holen Sie sich Hilfe, durch Ihr Hilfsnetzwerk oder durch einen Betreuer, der dann diese Angelegenheiten für Sie übernimmt.

Lesen Sie jetzt Teil 2 der Kommunikationsreihe

Im zweiten Teil der Kommunikationsreihe mit Tatjana Brückner erfahren Sie mehr zur Kommunikation im eigenen Hilfsnetzwerk. Kommunizieren statt verkomplizieren zeigt Ihnen, wie Sie Ihre Bedürfnisse kommunizieren und ein funktionierendes Hilfsnetzwerk aufbauen und am Laufen halten.

Erstelldatum: 1202.01.62|Zuletzt geändert: 1202.11.2

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©istock.com/francescoridolfi.com

Wer ist für die Pflege der Eltern zuständig

Professionell Pflegende, pflegende Angehörige & Mitglied im Angehörigenbeirat von pflege.de

Tatjana Brückner kennt die Pflege aus den verschiedensten Perspektiven: Aus der Sicht einer pflegenden und sorgenden Angehörigen, einer Gesundheits- und Krankenpflegerin, einer chronisch kranken Patientin sowie einer ehemals pflegebedürftigen Person.

Als Weggefährtin arbeitet sie derzeit intensiv mit pflegenden und sorgenden Angehörigen zusammen. Ihr Bestreben ist es, die Pflegenden so zu stärken, dass sie sich den Hürden und Herausforderungen des Pflegealltags gewachsen fühlen. Darüber hinaus festigt sie die zwischenmenschliche Kompetenzen.

Tatjana Brückner ist ein engagiertes Mitglied im Angehörigenbeirat von pflege.de.

Der Hilfebedarf Ihres Angehörigen kann sich schleichend verstärken oder aber auch unverhofft von heute auf morgen mehr werden. Sie fühlen sich als Hauptpflegeperson alleingelassen und wünschen sich mehr Unterstützung aus dem Familien- und Freundeskreis? Bauen Sie ein Hilfsnetzwerk für Ihre Pflegesituation. Denn es gibt viel zu organisieren, neu zu strukturieren und helfende Hände zu orchestrieren.

Tatjana Brückner ist mit Pflegesituationen sehr vertraut und weiß, dass es innerhalb von Familien zu Herausforderungen und Spannungen kommen kann, wenn Informationen unklar ausgedrückt werden oder nicht ausreichend kommuniziert wird. Sie weiß um die Wichtigkeit der Selbstfürsorge für pflegende Angehörige und gibt nützliche Tipps, wie ein wertschätzender und konstruktiver Umgang innerhalb des Hilfsnetzwerks dank einer friedvollen und offenen Kommunikation gelingen kann.

Zu einem Pflege-Hilfsnetzwerk zählen alle Beteiligten, die in der Pflege, Sorge und Betreuung eines Pflegebedürftigen unterstützen. Hierzu zählt auch der Nachbar, die Freundin, der Hausarzt, ein ambulanter Pflegedienst, die Kinder und Enkel.

Sinn ist es, ein Netz aus Helfenden um die pflegebedürftige Person herum aufzuspannen. Die Pflegesituation kann so erheblich erleichtert werden. Das Netz kann Sie als Hauptverantwortliche außerdem auffangen, wenn Sie ausfallen. Denn durch ein stabiles Hilfsnetzwerk verteilt sich die Arbeit auf mehrere Schultern, was die Gefahr von Überlastung und Überforderung mildern kann.

Weil ein Hilfsnetzwerk aus verschiedenen Menschen besteht, ist Kommunikation grundlegend, um ein solches aufzubauen und erfolgreich am Laufen zu halten. Durch offene, ideenreiche Brainstorming-Runden im Rahmen einer Familienkonferenz lassen sich viele Lösungen sammeln, mit der die Situation verbessert werden kann.

Familienkonferenzen: Hilfsnetzwerk aufbauen im Familienkreis

Um Klarheit für alle Pflege-Beteiligten zu schaffen, empfehle ich, eine Familienkonferenz einzuberufen. Alle Familienmitglieder oder Bekannte, die an dieser Konferenz beteiligt sind, sollen dazu beitragen, ein funktionierendes Hilfsnetzwerk zu bilden, welches die Pflegesituation trägt.

Die pflegebedürftige Person sollte – wenn möglich – Teil der Familienkonferenz sein und in Entscheidungen einbezogen werden. So vermeiden Sie, dass über den Kopf des Betroffenen hinweg entschieden wird beziehungsweise dass sich Ihr Angehöriger ausgegrenzt fühlt. Auch wenn er an einer Demenz oder ähnlichem erkrankt sein sollte, ist es wichtig, dass Sie ihm das Gefühl der Zugehörigkeit und des Mitspracherechts vermitteln. Tragen Sie jedoch Sorge dafür, dass er nicht an der Gesprächsrunde teilnimmt, wenn es Redebedarf über Themen gibt, die ihn verletzen könnten.

Wann Sie eine Familienkonferenz einberufen sollten

Innerhalb der Pflegesituation kann eines der größten Probleme sein, dass sich nicht alle Angehörigen und auch Beteiligten auf dem gleichen Wissensstand befinden. Durch einen regelmäßigen Austausch sind alle Beteiligten informiert.

Die Familienkonferenz sollte zu Beginn der neuen Pflegesituation einberufen werden und über die Zeit immer wieder stattfinden. Beispielsweise dann, wenn sich der Zustand Ihres Angehörigen verschlechtert, wenn Sie merken, dass die Pflege nicht mehr ausreichend sichergestellt werden kann oder die Person, welche die Pflege zum größten Teil übernimmt, zunehmend an ihre Grenzen gerät.

Es können aber auch Familienkonferenzen einberufen werden, wenn sich die Situation zum Positiven wendet, neue Ideen von Beteiligten kommuniziert werden möchten oder wenn Sie einfach das Gefühl haben, es wäre an der Zeit, wieder miteinander zu reden. Es gibt Familien, die sich gerne ein festes Datum setzen – zum Beispiel einmal im Monat beim Sonntagskaffee. Dabei bietet sich an, erst die Konferenz zu halten und dann in den gemeinsamen Alltagsplausch überzugehen.

Im Rahmen eines Familiengesprächs finde ich persönlich immer sehr hilfreich, wenn alle Beteiligten vorab informiert werden, um was genau es gehen wird. Dann kann sich jeder im Voraus Gedanken machen und fühlt sich weniger überrumpelt.

Bevor allerdings Lösungen gefunden werden können, müssen Sie den Hilfebedarf mitteilen. Was ist der Wunsch des Pflegebedürftigen? Welche Aufgaben müssen verteilt werden? Wie kann eine Vertretung für wichtige Termine aussehen?

Sprechen Sie bei der Aufgabenverteilung über Stärken und Schwächen

Ein Pflege-Hilfsnetzwerk braucht auf die Zeit gesehen Menschen, die sich untereinander aktiv unterstützen, um wiederum bei allen Beteiligten für Entlastung zu sorgen. Es gibt viele Möglichkeiten, die Sie und Ihre Angehörigen in Erwägung ziehen können, damit die Pflege bestmöglich gelingt. Die Grundvoraussetzung dafür ist Kommunikation.

In der Familienkonferenz wird besprochen, wer sich wie einbringen kann und auch einbringen möchte. Jeder verfügt über individuelle Stärken und Schwächen. Offenes Kommunizieren kann erreichen, dass sich jeder mit seinen Stärken einbringt. Die Lösung kann dabei ganz einfach sein: Zum Beispiel hat einer vielleicht ein Händchen für das Organisatorische, tut sich aber mit der Pflege am Menschen schwer. Ein anderes Familienmitglied ist stärker im sozialen Umgang und hat keine Berührungsängste. Die logische Konsequenz ist dann, die jeweiligen Aufgaben aufzuteilen.

Wenn sich alle an einen Tisch setzen, sollte jeder zum Sprechen kommen und seine Bedenken, Bedürfnisse und Vorstellungen aussprechen. Teilen Sie sich aufrichtig mit und hören Sie einander aktiv zu. Alle Beteiligten sollten sich vorab bewusst machen, dass sie diese Konferenz führen, um Lösungen zu finden. Damit sich alle in der Pflegesituation wiederfinden können, sollten ausreichend Optionen zur Wahl stehen. Sammeln Sie erst einmal alle Möglichkeiten, die denkbar sind.

Beispielhafte Tabelle mit möglicher Aufgabenverteilung

Legen Sie in der Familienkonferenz Rollen und Aufgaben fest. Sie werden merken, dass die Rollen nicht immer trennscharf sind, aber sie bieten eine Orientierung für jeden Beteiligten.

Name Rolle  Aufgabe
Chrissi Gesprächspartnerin 1 x Woche Oma besuchen und Fotos angucken
Andi Einkaufspartner Jeden Dienstag mit Oma zum Einkaufen fahren
Philip Steuerfachmensch Macht Omas Steuererklärung
Michel Hausmeister Erledigt anfallende Reparaturen
Hanna Pflegeleistungs-Managerin Kommunikation mit Pflegelasse, kümmert sich um Anträge und Bescheide
Angelika Gesundheitspartnerin Fährt mit Oma zu Ärzten, besorgt Hilfsmittel
Andrea Hauswirtschaftlerin Unterstützt Oma 2 x die Woche im Haushalt beim Kochen, Putzen und Wäsche waschen

Ernennen Sie einen Moderator für die Familienkonferenz Es bietet sich an, dass vorab eine Person benannt wird, die die Rolle des Moderators übernimmt. Der Moderator greift bei Bedarf in das Gespräch ein. Er trägt dafür Sorge, dass das Ziel der Familienkonferenz erreicht wird und ihr Verlauf harmonisch ist. Er hält die Ergebnisse fest und kann zum Beispiel auch die nächste Familienkonferenz einberufen.

Meine Tipps für eine gelungene Familienkonferenz

Zieldefinition: Als Moderator schildern Sie zu Beginn die Situation und erläutern, mit welchem Ziel Sie die Familienkonferenz führen.

Kommunikationsregeln: Besprechen Sie, welche Kommunikationsregeln es gibt.

  • Sprechen Sie Gefühle, Erwartungen und Wünsche aus. Die anderen Teilnehmenden können nicht erraten, was in Ihnen vor sich geht.
  • Offene, konstruktive Kritik beziehungsweise Einwände sind erlaubt. Eine konstruktive Kritik ist klar, deutlich und ohne Umschweife. Sie ist frei von Vorwürfen, aber bleibt offen für Gegenargumente oder auch mögliche Erklärungen. Ihr Ziel ist, etwas zu verbessern und auch mögliche Vorschläge und Alternativen zu bieten. Beachten Sie, dass diese Kritik situationsbezogen und niemals verallgemeinernd ist.
  • Senden Sie „Ich-Botschaften“ anstelle von vorwurfsvollen „Du-Botschaften“. Zum Beispiel: „Ich finde nicht, dass eine Alltagsbegleitung für zuhause die passende Lösung ist, um tagsüber für Entlastung zu sorgen. Ich bevorzuge eine Tagespflege, weil sie noch mehr Betreuung und auch einen Tapetenwechsel bietet.“
  • Lassen Sie einander aussprechen, aber schweifen Sie nicht vom Thema ab.
  • Hören Sie sich gegenseitig aktiv zu und gehen Sie auf genannte Punkte ein.

Lösungsorientierung: Gehen Sie lösungsorientiert vor. Das heißt, Sie erörtern zwar Herausforderungen, vor denen Sie stehen, richten aber dann den Fokus auf Lösungen, die es gibt.

Beteiligung: Lassen Sie jeden Teilnehmenden zu Wort kommen und seine oder ihre Meinung frei äußern.

Protokoll: Als Moderator notieren Sie offene Fragen. Das betrifft Fragen, mit denen Sie in das Gespräch gegangen sind und solche, die während der Konferenz entstanden sind. Halten Sie auch besprochene Lösungen schriftlich fest.

Stellvertreter-Funktion: Die Person, die bereits überwiegend mit dem Hausarzt, der Pflegekasse oder dem Pflegedienst kommuniziert, spricht in der Familienkonferenz auch für diese. Falls es noch keine Person gibt, die der Ansprechpartner für den Hausarzt, die Pflegekasse oder den Pflegedienst ist, sollte diese im Rahmen der Konferenz ernannt werden.

Teil 1 der Kommunikationsreihe

Im ersten Teil der Kommunikationsreihe mit Tatjana Brückner erfahren Sie, mit welchen Kommunikationstipps für die Pflegeorganisation Sie den Austausch mit Pflegediensten, Pflegekassen und Co. meistern.

Fragen für eine Familienkonferenz

Folgende Fragen können sich als hilfreich erweisen:

  • Welche Probleme gibt es in der aktuellen Pflegesituation und welche Lösungen können wir uns vorstellen? Gegebenenfalls: Was wurde bereits unternommen, um die vorhandenen Probleme zu lösen?
  • Wurde bereits eine Pflegeberatung in Anspruch genommen, um sich ein Bild der Angebote und Leistungen zu verschaffen?
  • Wer kann und möchte sich wie einbringen? Wer könnte bei Lösungen unterstützen?
  • Wo befinden sich Lücken im Pflegealltag und wie können diese Lücken gefüllt werden?
  • Welche Institutionen sind zur Unterstützung eine mögliche Option?
  • Mit welchem Schritt beginnen wir?
  • Was benötigt es, um unser Hilfsnetzwerk stabil zu gestalten und wie können wir das zusammen umsetzen?
  • Wer ist der Ansprechpartner für den Pflegedienst und die behandelnden Ärzte?
  • Wer kümmert sich um das Antragswesen und die Formulare, die benötigt und bei der Pflegekasse eingereicht werden müssen?
  • Was gilt es auf rechtlicher Seite zu regeln? Liegt beispielsweise bereits eine Patientenverfügung oder Vorsorgevollmacht vor?
  • Abschließend: Sind wir alle damit einverstanden? Hat jemand noch eine offene Frage oder etwas auf dem Herzen, das er oder sie gerne aussprechen möchte? War die Familienkonferenz hilfreich? Gibt es Verbesserungsvorschläge?

Bedürfnisse kommunizieren – aber richtig

Mein Tipp: Es kann von Vorteil sein, wenn Sie sich bei einer Bezugsperson alles von der Seele reden, bevor Sie mit der Familie ins Gespräch gehen. Vor allem ist das hilfreich, wenn es schon verschiedene Spannungspunkte in der Familie gibt. Nach einem solchen „Vorgespräch“ sinkt die Anspannung und Sie haben einen klareren Kopf, weil Sie sich Ihrer Bedürfnisse bewusst geworden sind. Womöglich können Sie dann auch Wünsche besser mitteilen, die Ihnen auf dem Herzen liegen.

Ein Negativbeispiel, das bei Überlastung schnell einmal herausrutschen kann, ist Folgendes: „Du hilfst nie bei der Pflege mit, bring dich doch auch mal mit ein!“ Hier greifen Sie Ihr Gegenüber an und machen ihm einen Vorwurf. In der Folge wird er sich verteidigen wollen. Wahrscheinlich werden Sie so zu keinem Ergebnis kommen und der Konflikt wird beiden Seiten Kraft kosten. Das eigentliche Ziel sollte ein lösungsorientiertes Gespräch sein.

Probieren Sie, Beobachtungen und Gefühle ohne Wertung sowie Bedürfnisse und Bitten ohne Vorwürfe zu kommunizieren. Achten Sie darauf, keine verallgemeinernden Worte wie „immer“, „jedes Mal“, „nie“ oder „ständig“ zu benutzen.

Beobachtungen ohne Bewertung

Mir ist aufgefallen, dass du in den letzten zwei Wochen nicht mit Oma einkaufen gegangen bist und sie mich nach Hilfe gefragt hat.“

Gefühle ohne Interpretation

„Als ich mit ihr zum Einkaufen gefahren bin, war ich frustriert, weil mir unsere Absprache wichtig ist.“

Bedürfnisse anstelle von Vorwürfen

Ich wünsche mir, dass du dich an unsere Aufgabenverteilung hältst.“

Bitten anstelle von Forderungen

Kannst du dir vorstellen, dir nächstes Mal eine Vertretung zu organisieren oder rechtzeitig Bescheid zu geben?“

Bedenken Sie, wie Sie gerne angesprochen werden möchten und was Sie als wertschätzend empfinden. Wichtig ist, sich zu reflektieren: Habe ich mich jetzt so verhalten, wie ich möchte, dass sich jemand mir gegenüber verhält? Was hat mich jetzt an diesem Gespräch gestört? Habe ich das auch kommuniziert? Wie sind wir verblieben? Sind wir zu einer Lösung gekommen?

Selbstfürsorge als notwendiger Bestandteil in der Pflege

Sich um seinen Angehörigen zu kümmern und ihn zu pflegen, ist eine Aufgabe, die definitiv nicht zu unterschätzen ist. Ich empfehle von Anfang an: Achten Sie als pflegender Angehöriger auch gut auf sich selbst.

Sehr oft passiert es bei der Pflege eines geliebten Menschen, dass man sich selbst hintenanstellt. Das ist naheliegend und einfach umsetzbar. Es ist für eine gewisse Zeit zu verkraften, aber nicht auf Dauer machbar. Die Belastung wird schleichend immer mehr und die Überbelastung kommt dann plötzlich. Letzten Endes beeinträchtigt es auch die pflegebedürftige Person, wenn seine Hauptpflegeperson überlastet ist. Pflegende sollten sich Auszeiten nicht „gönnen“, sondern sie zu einem festen Teil in der Pflege machen.

Daher möchte ich Ihnen Folgendes ans Herz legen:

  • Wenn Sie etwas bedrückt, kommunizieren Sie Ihre Bedürfnisse. Reden Sie gemeinsam über das, was Sie auf dem Herzen haben. Lassen Sie dabei auch nichts aus.
  • Räumen Sie sich regelmäßig feste Pflege-Auszeiten ein.
  • Sorgen Sie für einen Ausgleich außerhalb der Pflegesituation zum Beispiel durch Spaziergänge, Sportgruppen, Achtsamkeitstraining, Gespräche mit „Situationsfremden“.
  • Tauschen Sie sich auch mit anderen Pflegenden aus. Von den Erfahrungen anderer können Sie definitiv profitieren. Fragen Sie zum Beispiel die Nachbarin, wie das denn bei ihren Eltern war. Neben hilfreichen Informationen, die Sie erhalten, können Sie auch mal „Dampf ablassen“, denn Gleichgesinnte haben deutlich mehr Verständnis für Sie und Ihre Situation. Hierzu lege ich Ihnen auch die Facebook-Gruppe „Ich pflege“ von pflege.de ans Herz. Hier finden Sie viele Gleichgesinnte mit einem riesigen Wissensschatz.
  • Nutzen Sie professionelle Beratungsangebote und Kurse, die dazu dienen, Sich selbst zu stärken. Hierzu können Sie sich beispielsweise an den nächsten Pflegestützpunkt wenden und sich zu Hilfs- beziehungsweise stärkenden Angebote für pflegende Angehörige beraten lassen. Außerdem gibt es ambulante Dienste, die immer wieder Schulungen und Beratungen anbieten. Auch Psychologen, Heilpraktiker oder ein Coach kann Ihnen behilflich sein. Machen Sie sich mit den verschiedenen Angeboten vertraut und nehmen Sie das wahr, worin Sie am meisten Unterstützung für sich persönlich sehen.

Lassen Sie Ihrer Kreativität freien Lauf, Sie müssen sich nicht an Normen halten oder „wie man das halt eben so macht“. Sie dürfen Ihr Hilfsnetzwerk so frei gestalten, wie es Ihnen beliebt.

Erstelldatum: 1202.01.62|Zuletzt geändert: 1202.01.62

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Meine Mutter starb am 2. November 2014 im Alter von 76 Jahren in ihrem Wohnzimmer, in den Armen meines Vaters. Dass wir ihr diesen Wunsch ermöglichen konnten, war bei aller Trauer ein sehr friedliches Gefühl, obwohl die vorangehenden Wochen natürlich mit vielen emotionalen Höhen und Tiefen einhergingen. Im Folgenden möchte ich meine Erfahrung teilen, wie ich als Tochter die letzten zwei Monate meiner Mutter zuhause erlebt habe, und möchte Ihnen damit Mut machen.

Zunächst kurz zu unserer Familie: Ich bin mit 45 Jahren die jüngste von drei Töchtern und diejenige, die im gleichen Ort wie unsere Eltern wohnt. Meine Schwestern wohnen 60 km und 120 km entfernt, können also nicht so spontan zuhause vorbeischauen, wie es für mich möglich ist. Ich selbst bin verheiratet, arbeite selbstständig von zuhause aus und habe zwei Kinder, die damals 10 und 12 Jahre alt waren. Mein Vater ist 79 Jahre alt und kommt noch sehr gut zurecht.

“Schmerzen waren immer ein großer Teil ihres Lebens“

Ich kenne meine Mutter eigentlich fast mein ganzes Leben lang mit chronischen Schmerzen und mittelschweren bis schweren Erkrankungen. Dabei handelte es sich sehr oft um Schmerzen, die nicht wirklich abgeklärt werden konnten. Doch auch lebensbedrohende Situationen wie eine Entzündung im Gehirn oder Darmverschluss begleiteten meine Mutter, so dass häufige Arztbesuche, Krankenhausaufenthalte und vor allem physische Beeinträchtigung durch immer wieder auftretende schlimme Schmerzen ein großer Teil ihres Lebens waren und viel von ihrem eigentlichen Wesen unterdrückt haben.

Es war ein ewiges Auf und Ab zwischen Bangen und Hoffen.

Im Juli 2014 häuften sich nun die merkwürdigen Schmerzen, die Darmprobleme und die Herzrhythmusstörungen und meine Mutter wurde immer wieder ins Krankenhaus eingeliefert, zum Teil operiert und dann wieder entlassen. Es war ein ewiges Auf und Ab zwischen Bangen und Hoffen; entspannte und zuversichtliche Phasen mit vielen Plänen für die Zukunft wurden von schlimmen Schmerzen mitten in der Nacht abgelöst. Mal war es der Darm, mal das Herz, dann schienen die Schmerzen von der Wirbelsäule her zu kommen, aber so richtig wusste niemand, was los war. In einer Notoperation bekam meine Mutter einen künstlichen Darmausgang, wenig später einen Herzschrittmacher. Zur Reha wurde sie dann in eine spezielle Klink verlegt und es sah erst gut aus.

“Ich sehe das doch richtig, dass meine Mutter in absehbarer Zeit sterben wird, oder?“

Doch recht schnell merkte ich, dass ihr Lebenswillen nun einfach weniger wurde und sie keine Lust mehr auf Untersuchungen, Physiotherapie, spezielles Essen etc. hatte – sie wollte nur noch nach Hause. Anfang September bat ich um ein Gespräch mit der behandelnden Ärztin, die mir dann sagte, sie könnte für meine Mutter nichts mehr tun und wir müssten nun entscheiden, was mit ihr geschieht. Wie es meine Art ist, fragte ich geradeheraus: „Ich sehe das doch richtig, dass meine Mutter in absehbarer Zeit sterben wird, oder?“. Die Ärztin lehnte sich sichtlich erleichtert zurück und antwortete: „Was bin ich froh, dass Sie das so realistisch sehen, das erlebe ich sehr selten bei Angehörigen.“ Mittlerweile wog meine Mutter knappe 40 kg bei 1,68 m Körpergröße und es war klar, dass dieser ausgezehrte Körper auch keine weitere Operation mehr überstehen würde – selbst, wenn die Ärzte gewusst hätten, was zu operieren ist. Somit wurde meine Mutter als multimorbid entlassen. Mein Vater war der festen Meinung, dass meine Mutter sich in ihrer vertrauten Umgebung wieder komplett erholen würde und reagierte auf alle gegenteiligen Aussagen sehr unwirsch.

„Mein Vater bemühte sich nach Kräften, sie zu bekochen und wieder ‚aufzupäppeln’“

Nun stand ein Pflegebett im Wohnzimmer und meine Mutter war froh, wieder zuhause zu sein. In den ersten Tagen schaffte sie es sogar ein paar Schritte auf die Terrasse und genoss die herbstlichen Sonnenstrahlen. Mein Vater bemühte sich nach Kräften, sie zu bekochen und wieder ‚aufzupäppeln‘, während morgens und abends ein ambulanter Pflegedienst kam, der sich um den Stomabeutel kümmerte und meine Mutter für den Tag oder die Nacht wusch und umzog.

Da meine Mutter überwiegend schmerzfrei war, kehrte auch langsam ihre humorvolle und entspannte Haltung wieder und sie wirkte oft glücklich mit der Situation. Ihr Bruder und ihre Schwägerin aus Stuttgart kamen zu Besuch, natürlich wir Schwestern, Freunde riefen an und mein Vater kümmerte sich ebenfalls rührend um meine Mutter. Doch nach und nach wurde sie schwächer, sie wollte nicht mehr aufstehen oder ein paar Schritte gehen, wollte keine Physiotherapie mehr und das Liegen bereitete ihr trotz Weichlagerungsmatratze zunehmend Schwierigkeiten. Sie schlief auch wesentlich mehr und es strengte sie an, wenn zu viele Menschen im Raum waren oder sich unterhielten.

Mein Vater bemühte sich immer noch, sie zu regelmäßigem Essen zu bewegen, es gab spezielle hochkalorische Trinknahrung, die er ihr immer wieder anbot. Das machte meine Mutter irgendwann wirklich wütend und ich versuchte Papa wieder darauf hinzuweisen, dass Mama einfach ’nicht mehr werden‘ würde. Doch immer noch wies er das strikt von sich und meinte, sie müsse halt nur die Übungen machen und gut essen und trinken, dann würde das alles wieder gut.

„Es war eine überwiegend friedliche und liebevolle Stimmung im Haus“

Da mein Vater im Schützenverein regelmäßige Veranstaltungen hatte und auch einen Abend in der Woche seit Jahren einer Doppelkopfgruppe angehört, kam ich zu diesen Zeiten regelmäßig, um bei meiner Mutter zu sein. Eine meiner Schwestern übernahm auch einige dieser „Mama-Sitting“-Stunden und wir fanden beide, dass es sehr schöne Zeiten waren. Oft schlief meine Mutter, wurde dann wach und stellte eine Frage, nach deren Beantwortung sie wieder wegdöste. Sie genoss aber auch Fußmassagen, ließ sich gerne kämmen oder eincremen und fand es einfach schön, ein bisschen zu reden. Bis auf wenige Ausnahmen – unbequeme Lage, beginnender Dekubitus, leichte Krämpfe oder kalte Füße – war sie auch frei von jeglichen Schmerzen und so war es eine überwiegend friedliche und liebevolle Stimmung im Haus. Ab und zu gab es Diskussionen mit meinem Vater um die Menge dessen, was sie gegessen oder getrunken hatte, denn da blieb er sehr hartnäckig.

Mitte Oktober rief dann der Hausarzt meiner Mutter an, der regelmäßig zu Blutuntersuchungen vorbeikam. Mein Vater war nicht zuhause, und da der Arzt mich von klein auf kennt, sprach er mit mir darüber, dass die Nierenwerte meiner Mutter sich sehr verschlechtert hätten. Es gäbe nun zwei Möglichkeiten: Sie müsse mehrmals in der Woche ins Krankenhaus zur Dialyse oder einen Port gelegt bekommen, über den sie dann zuhause jeweils mehrere Stunden am Tropf sein könnte. Auch hier sagte ich, was ich dachte: „Meine Mutter will nicht mehr ins Krankenhaus. Und es ist doch so, dass sie in absehbarer Zeit sterben wird, oder?“ Auch er war sehr erleichtert und meinte, dass er als Arzt natürlich alle Möglichkeiten darstellen müsse. Ich fragte ihn, was denn die Folgen wären, wenn keine Dialyse stattfindet und er erklärte mir, dass dann die Nieren schnell versagen würden, was sich in zunehmender Müdigkeit, eventuellen Krämpfen, die man aber medikamentös gut behandeln könne und letztendlich in einem Versagen des Herz-Kreislaufsystems äußert. Ich antwortete, dass ich natürlich diese Entscheidung meinem Vater überlassen müsse, der sich bei ihm melden würde.

„Es ging fortan nur noch darum, die verbleibende Zeit so schön wie möglich zu gestalten“

Als mein Vater nach Hause kam, war es eines der schwersten Gespräche meines Lebens. Auf einmal fiel alles von ihm ab und ich konnte deutlich sehen, dass auch er schon länger wusste, dass Mama sterben würde, es aber einfach nicht wahrhaben wollte. Nach seinem Telefonat mit dem Arzt war es, als ob ein Ruck durch seinen Körper gehen würde und als erstes packte er alles an Astronautennahrung und sonstigen Pülverchen weg und nahm jeglichen Druck aus der Versorgung und Pflege meiner Mutter raus. Es ging fortan nur noch darum, die verbleibende Zeit so schön wie möglich zu gestalten und er richtete sich komplett danach, was Mama sich wünschte. Sie schlief sehr viel, aber es waren auch noch viele wunderbare Momente bis hin zum abendlichen ‚gemeinsamen Fernsehen‘, bei dem mein Vater ihr die Filme erklärte, die sie überwiegend im Halbschlaf mitbekam.

Diese für uns alle in erster Linie sehr friedliche Zeit dauerte dann noch 14 Tage, bis sie an einem Sonntagmorgen sehr unruhig war. Ich war bei ihr, wie jeden Sonntag, und war über zwei Stunden damit beschäftigt, sie zu umsorgen. Ihre Zehen krampften und mussten massiert werden, dann wurde ihr schlecht und sie brauchte eine Schüssel, dann juckte ihr Rücken … ihr gesamtes Verhalten war ganz anders als sonst und ich hatte schon sehr stark das Gefühl, dass es nun nicht mehr lange dauern würde. Kurz, nachdem sie eingeschlafen war, kam mein Vater nach Hause und ich berichtete von meinen Beobachtungen. Er war bestürzt aber sehr gefasst, ließ sie schlafen und schickte mich nach Hause. Kaum war ich zuhause angekommen, klingelte das Telefon und mein weinender Vater war am Apparat, meine Mutter hatte es überstanden. Also fuhr ich direkt wieder hin und wir spendeten uns gegenseitig Trost, so gut es ging.

„Diese Möglichkeit, auch im Tod noch Zeit mit ihr verbringen zu können, war sehr viel wert“

Natürlich waren nun einige Telefonate zu erledigen, aber nach dem Anruf beim Hausarzt und beim Bestatter setzten wir uns erst einmal wieder aufs Sofa und verbrachten noch ein bisschen Zeit mit Mama, die nun – auch, wenn es klischeehaft sein mag – sehr entspannt und friedlich aussah. Diese Möglichkeit, auch im Tod noch Zeit mit ihr verbringen zu können, war sehr viel wert. Mein Vater vereinbarte mit dem Bestattungsunternehmen, dass sie am nächsten Abend erst abgeholt würde und hat diese letzten Stunden wohl auch sehr bewusst mit ihr erlebt, um noch einmal ganz in Ruhe Abschied zu nehmen.

Für uns war es eine gute Entscheidung und wir alle haben auch viele positive Erfahrungen gemacht und wertvolle Stunden miteinander verlebt.

Alles in allem war die Zeit, in der wir meine Mutter zur Pflege und zum Sterben zuhause hatten, natürlich emotional sehr aufwühlend und mein Vater sagte einmal, er wüsste nicht, wie lange er das hätte durchhalten können. Es waren gut zwei Monate von der Entlassung im Krankenhaus bis zum Tod, und das war eine Zeit, die machbar war. Dazu kam auch, dass Mama überwiegend geistig klar war, wenn sie auch ab und zu mal Daten oder Ereignisse durcheinandergebracht hat. Außerdem war sie auch nicht mehr in der Lage, das Bett zu verlassen – wie es mit der Pflege eines verwirrten Angehörigen, der im Alleingang das Bett oder sogar das Haus verlässt, aussieht, vermögen wir uns nicht vorzustellen. Für uns war es eine gute Entscheidung und wir alle haben auch viele positive Erfahrungen gemacht und wertvolle Stunden miteinander verlebt, deren Erinnerungen uns auch in der Trauer viel geholfen haben.

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Erstelldatum: 7102.50.01|Zuletzt geändert: 9102.50.82

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Wer ist für die Pflege der Eltern zuständig

pflege.de & Universität Witten/Herdecke

Department für Pflegewissenschaft

pflege.de hat in Zusammenarbeit mit der Universität Witten/Herdecke (Department für Pflegewissenschaft) eine Online-Umfrage mit pflegenden Angehörigen durchgeführt, um herauszufinden, ob sie sich wertgeschätzt fühlen und welche Verbesserungswünsche sie an die Politik haben.

Bürokratische Hürden, wenig Entlastungmöglichkeiten und mangelnde Wertschätzung sind die Kernprobleme der häuslichen Pflege. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Umfrage mit Pflegenden und Pflegebedürftigen, die pflege.de mit der Universität Witten/Herdecke im Sommer 2020 durchgeführt hat. Bei einer anonymen Online-Befragung mit 486 Personen, wurde schnell ersichtlich, wo und wie bei der häuslichen Pflege noch nachgebessert werden muss.

Wer ist für die Pflege der Eltern zuständig

Rund 3,2 Millionen Pflegebedürftige werden von den Angehörigen allein oder in Kombination mit einem ambulanten Pflegedienst zuhause versorgt. Das sind 80 Prozent von insgesamt 4,1 Millionen Pflegebedürftige im Jahr 2019. (#*magazine_60f7e322dff6b*#) Mit einer steigenden Anzahl an Menschen, die zuhause gepflegt werden, drängt die Frage, wie die Pflege gelingen kann. Erfahren pflegende Angehörige genug Wertschätzung und welche konkreten Verbesserungswünsche haben sie an die Politik?

In einer Online-Befragung, die von pflege.de entwickelt und dem Department für Pflegewissenschaft der Universität Witten/Herdecke begleitet wurde, sollten diese Fragen beantwortet werden. An die Teilnehmenden wurden 25 Fragen gestellt, die Einblicke in die Situation der Betroffenen geben sollen. Von 486 Personen, die an der Befragung teilgenommen haben, schlossen 366 TeilnehmerInnen die Umfrage ab. In den Ergebnissen wurden nur vollständig ausgefüllte Fragebögen berücksichtigt.

Es mangelt an Wertschätzung in der häuslichen Pflege

Eins zeigt die Umfrage eindeutig: Die Gründe der Pflegenden für die Pflege eines Angehörigen zuhause sind vielfältig. Klar erkenntlich ist aber, welche die zentralen Beweggründe sind. Rund die Hälfte der Befragten entschied sich durch emotionale Bindung, Nähe zueinander oder aber gefühlte familiäre Verpflichtung für eine häusliche Pflege. An positiven Aspekten wie Dankbarkeit und Anerkennung für ihre Pflegeleistung fehlt es jedoch größtenteils – nur 20 Prozent der Befragten gaben an, für ihre Leistung wertgeschätzt zu werden. Ein trauriges Ergebnis, denn sie meistern Großes: Knapp ein Drittel der Befragten bringt mehr als 40 Stunden wöchentlich für die Pflege auf. Viele von ihnen gönnen sich selbst wenig und stellen den zu Pflegenden in den Mittelpunkt ihres Alltags.

Wunsch der Pflegenden: Mehr Zeit für sich selbst und weniger Bürokratie

Mit durchschnittlich 40 Stunden Pflegeaufwand pro Woche sind die Belastungsfaktoren im Alltag von Pflegenden hoch. Viele pflegende Angehörige fühlen sich sehr gestresst und reagieren mit psychischen und physischen Erkrankungen. Als Entlastung wünschen sich über 90 Prozent der Befragten mehr Zeit für sich selbst, knapp 90 Prozent würden sich gerne im Urlaub oder auf einer Kur erholen. Mehr als zwei Drittel der Pflegenden bräuchten zudem psychologische Unterstützung, um den Stress besser zu bewältigen. Aber auch praktische Hilfe im Alltag beim Einkaufen oder Haushalt beispielweise durch eine unterstützende Kraft würde laut rund 70 Prozent der Befragten eine nützliche Erleichterung liefern.

Zusätzlich zur emotionalen und psychischen Belastung müssen sich pflegende Angehörige noch mit Formularen und einem komplizierten Pflegesystem auseinandersetzen. So ist es kaum verwunderlich, wenn auch der Wunsch nach mehr Unterstützung bei der Antragstellung von beispielsweise Zuschüssen oder Pflegegraden einer der wichtigsten Entlastungswünsche ist – über 85 Prozent der Befragten fänden dies hilfreich. Auffällig: Nur 18,5 Prozent sehen dabei in digitalen Angeboten ein Entlastungspotential. Diese verhältnismäßig geringe Bereitschaft gegenüber digitalen Lösungen lässt sich möglicherweise durch die Altersverteilung der Befragten begründen: 55 Prozent der Teilnehmenden sind zwischen 51 und 70 Jahren alt.

Dienstleistungen für Senioren

Finanzielle Belastungen in der häuslichen Pflege sind hoch

Mehr Unterstützung sollte es aber auch in finanzieller Hinsicht geben, meinen über 80 Prozent der Betroffenen. Denn allzu oft kommen Pflegebedürftige und pflegende Angehörige durch diverse Zuzahlungen oder Arbeitsreduzierung in eine finanzielle Notlage. Im Jahr 2019 erhielten 301.547 Menschen sogenannte Hilfe zur Pflege. (#*magazine_60f7e322e939b*#) Damit ist eine Sozialleistung gemeint, die sich an pflegebedürftige Personen richtet, die nicht in der Lage sind, ihre Kosten für die Pflege aus eigenen Mitteln zu bestreiten. Die Dunkelziffer derer, die keine Sozialhilfe in Anspruch nehmen und dennoch in finanzielle Schwierigkeiten geraten, ist groß. Diese angespannte Situation ist trotz vergangener Verbesserungsversuche durch die Pflegepolitik immer noch einer der größten Sorgenfaktoren der Betroffenen. Wer bis zu 40 Stunden in der Woche pflegt, ist kaum in der Lage, einer vollen Erwerbstätigkeit nachzugehen.

Einfach, schnell und kostenlos zum persönlichen Ergebnis

Pflegende fühlen sich von der Pflegepolitik alleingelassen

Auf die Frage, vom wem die pflegenden Angehörigen Wertschätzung für ihre Pflegeleistung erfahren, gaben rund 65 Prozent an, von den Pflegebedürftigen selbst anerkannt zu werden. Auch von Familie und Freunden fühlten sich 60 Prozent wertgeschätzt. Trotzdem fehlt im privaten Umfeld aber die Unterstützung. Denn 41 Prozent gaben an, dass sie als pflegende Angehörige mit den Herausforderungen der privaten Pflege häufig alleingelassen werden.

So auch im Hinblick auf die Politik: Hohe finanzielle Belastung, wenig Wertschätzung und gefühlte Ignoranz der Politiker führen dazu, dass sich über 90 Prozent der Befragten von der deutschen Pflegepolitik im Stich gelassen fühlen. Sie fühlen sich kaum oder gar nicht vertreten. Denn pflegende Angehörige haben keine Lobby, die mehr Aufmerksamkeit auf das Thema lenkt und laut genug ist, um auch gehört zu werden. Ihnen selbst fehlt dafür schlichtweg die Zeit. Betrachtet man die durchschnittliche Pflegezeit, die 6,7 Jahre beträgt (#*magazine_60f7e322e939b*#), wird schnell klar, dass die meisten pflegenden Angehörigen während der Pflege keine Kapazitäten haben und nach so einer lang andauernden Pflege zunächst eine Pause brauchen. Sie sind ausgelaugt und benötigen dringend Erholung. Kein Wunder also, dass nur wenige Betroffene, nämlich 18 Prozent der Befragten, bereit wären, sich an den entscheidenden Stellen zu engagieren. Hinzu kommt, dass die existierenden Verbände und Initiativen vielen Betroffenen, nämlich 77 Prozent der Befragten, gar nicht bekannt sind.

Pflegeleistungen: Der große Überblick

Ausblick: Die Politik muss aktiv werden

Die Umfrage bestätigt, was viele pflegende Angehörige schon lange beklagen: Sie sind überarbeitet und erfahren zu wenig Wertschätzung und Unterstützung – sowohl in ihrem privaten Umfeld als auch von der Politik. Aus Sicht der Befragten sind eigene Erholungsmöglichkeiten, psychologische Unterstützung, Verbesserungen rund um die bürokratische Pflegeorganisation und Finanzierung notwendig, um die Angehörigenpflege sinnvoll zu verbessern und Pflegende zu entlasten. Hier ist die Politik gefragt. Denn diese bedenkt laut Umfrage-Teilnehmenden die Pflege zuhause durch Angehörige zu wenig und berücksichtigt deren Interessen kaum. Zudem kennt die Mehrheit der Befragten keine Organisation, welche sich für die Interessen der pflegenden Angehörigen einsetzt. Dies ist ein wichtiger Hinweis für die Interessenvertretungen, zu überprüfen, wie gut ihr Bekanntheitsgrad bei den pflegenden Angehörigen tatsächlich ist und es deutet darauf hin, dass die bestehenden Interessenvertretungen noch mehr Bekanntheit erlangen müssen.

Während es einerseits die Aufgabe der Interessenvertretungen ist, Pflege zuhause sichtbarer zu machen und weiter in die Politik hineinzutragen, gibt es andererseits viele Punkte, die bereits bekannt sind. Es liegt nun an der Politik, diese Aspekte auch in den neuen Gesetzen wie zum Beispiel dem Versorgungs- und Pflege-Modernisierungs-Gesetz (DVPMG) zu berücksichtigen.

Erstelldatum: 1202.70.22|Zuletzt geändert: 1202.70.32

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Statistisches Bundesamtes (Destatis) (2020): 4,1 Millionen Pflegebedürftige zum Jahresende 2019.

https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2020/12/PD20_507_224.html (letzter Abruf am 21.07.2021)

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BARMER (2015): BARMER GEK Pflegereport 2015.

https://www.barmer.de/presse/infothek/studien-und-reports/pflegereport/report-2015-39004 (letzter Abruf am 21.07.2021)

Kathrin Sievert ist 34 Jahre alt, lebt in Hamburg und kümmert sich um ihre Oma, die in Hannover in einem Pflegeheim lebt. Im pflege.de-Magazin teilt sie ihre Erfahrungen, die sie bei der Organisation der Pflege aus der Ferne gesammelt hat und berichtet von den Herausforderungen, die ihr begegnen.

Kathrin Sievert koordiniert seit dem Jahr 2011 die Pflege ihrer Oma aus der Ferne. Sie selbst lebt in Hamburg, ihre Großmutter wird in einem Pflegeheim in Hannover versorgt. Als sie die Betreuung für ihre Oma offiziell übernahm, dachte sie sich, „das kann ja nicht so schwer sein“. Doch immer wieder traten unerwartete Schwierigkeiten auf, mit denen sie überhaupt nicht gerechnet hat: Wie erfahre ich, welche Diagnose der Arzt gestellt hat, wenn ich nicht beim Termin dabei sein kann? Wann müssen wir neue Kleidung besorgen? Wen kann ich neue Zahnpasta kaufen schicken? Inzwischen hat sie ihre eigene Methode gefunden und weiß, wie sie fehlende Informationen kriegt. Ein ganz persönlicher Erfahrungsbericht einer Angehörigen, die die Pflege ihrer Oma über hundert Kilometer hinweg organisiert.

Als die Pflegebedürftigkeit bei meiner Oma eintrat, studierte ich in Göttingen, rund zwei Stunden mit dem Zug von ihrem Heimatort entfernt. Ich dachte mir, dass ich die Pflege mit ein bisschen strukturiertem Ordnungsmanagement schon wuppen werde. Regelmäßige Besuche unternahm ich ohnehin und für die richtige Pflege sorgte man ja im Pflegeheim, in dem sie seit einem Sturz auf die Hüfte wohnte.

Was bedeutet das „Management Oma“?

Die Koordination ihrer Pflege und Betreuung stellte ich mir eher wie einen Verwaltungsjob vor. Was das wirklich alles bedeutet, darüber machte ich mir wenig Gedanken. Ich glaube, das ist meistens so: Zum Pflegefall wird man ja nicht schleichend, sondern i. d. R. ganz plötzlich. Wenn dann schnell reagiert werden muss, hat man keine Zeit mehr, das Für und Wider abzuwägen. Dann macht man halt einfach. Und weil es niemand anderen in meiner Familie gab, der in dem Maße, wie ich es für richtig hielt, die Organisation regeln würde, übernahm ich dann also das „Management Oma“.

Je unselbstständiger jemand wird, desto mehr musst du ihm abnehmen. Ein Mensch besteht ja nicht nur aus seiner Grundpflege.

Ich hatte natürlich Respekt vor der Aufgabe, die Pflege aus der Ferne zu organisieren. Schließlich übernimmt man ja irgendwie die Verantwortung für das Wohlergehen eines Menschen. Aber wenn ich ehrlich bin, hatte ich die Vorstellung im Kopf, ab und zu mit den Pflegern oder der Krankenkasse telefonieren zu müssen und ein paar Überweisungen zu tätigen. Schnell merkte ich aber, dass die Liste an Aufgaben zum Roman wurde. Je unselbstständiger jemand wird, desto mehr musst du ihm abnehmen. Ein Mensch besteht ja nicht nur aus seiner Grundpflege. Rechnungen müssen weiter bezahlt und der Besuch der Schwester in Dresden organisiert werden. Außerdem muss ein neuer Mantel für den Winter her. Ach ja, Deo und Zahnpasta sind alle und nächste Woche steht der Arztbesuch beim Neurologen an. Das aus der Ferne zu steuern ist ohne verlässliche Kommunikation echt schwierig. Auf die Aussagen meiner Oma konnte ich mich irgendwann nicht mehr verlassen. Immer öfter vergaß sie Dinge oder wusste nicht mehr, was sie gestern noch wollte. Die Diagnose Demenz folgte nach zwei Jahren im Pflegeheim. Ich war also auf die Verlässlichkeit Dritter angewiesen.

Die Grenzen von Pflege und Betreuung

Es war kein Problem, die Vollmachten und Verfügungen zu bekommen, also die gesetzliche Vertretung zu übernehmen. Auch der „Papierkram“ mit der Pflegekasse und dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ließ sich leicht bewerkstelligen. Durch die Unterstützung des Pflegepersonals im Pflegeheim wurde mir in dieser Hinsicht super geholfen. Die Einstufung in Pflegestufe 3 (Anm. d. Red.: heute Pflegegrad 4 oder Pflegegrad 5) ging problemlos vonstatten. Es schien fürs Erste alles zu laufen.

Mit der Zeit lernte ich die eigentlichen Herausforderungen kennen, die die Koordination der Pflege aus der Ferne bedeutet: Auch wenn es zur Grundpflege dazugehört, „Menschen kommunikativ zu aktivieren“, heißt das nicht, dass sich eine Pflegekraft die Zeit nehmen kann, mit der Oma spazieren zu gehen und ein wenig zu plaudern. Es gibt immer wieder Situationen, in denen es für mich als Angehörige schwer war herauszufinden, was das Pflegheim leistet und an welchen Stellen ich selbst aktiv werden muss. Das geht los bei der Frage, wann neues Shampoo oder neue Zahnpasta gekauft wird bis hin zur der Entscheidung, wann Oma neue Unterwäsche oder Hosen braucht. Das Internet kann da auch nur bedingt helfen. Ich erinnere mich, dass ich einmal Unterhemden in einem Onlineshop bestellte und an die Adresse des Pflegeheims schickte. Die waren dummerweise zu groß und mussten wieder zurückgeschickt werden. Das ist schwierig, wenn niemand vor Ort ist, der den Rückversand übernehmen kann.

Immer öfter stellte sich mir die Frage: Wie viel „Betreuung“ kann ich von einem Pflegeheim erwarten? Wenn ich mal drei Wochen nicht da war, stellte ich z. B. fest, dass die Blumen im Zimmer vertrocknet waren. Einmal bekam sie eine neue Gehhilfe. Davon wurde niemand in Kenntnis gesetzt, die Pflegekasse schickte den Rollator einfach ins Pflegeheim. Das Problem war nun, dass dieses riesige Paket mit dem Rollator mitten in dem 12 Quadratmeter-Zimmer stand und niemand es aufmachte. Datenschutz, wie man mir erklärte. Wieso sagt niemand Bescheid, dass seit zwei Wochen das Zimmer blockiert ist? Dafür braucht es doch keine Anweisung.

Als Oma schon einige Monate in ihrem Zimmer im Pflegeheim lebte, redeten wir darüber, wie schön es wäre, einen eigenen kleinen Kühlschrank auf dem Zimmer zu haben. „Das ist kein Problem, Oma, wir besorgen dir einen Minikühlschrank für die Ecke.“ Oma schien begeistert. Doch zwei Wochen nachdem der Kühlschrank geliefert, angeschlossen und befüllt war, musste ich feststellen, dass der Inhalt verschimmelt war: Das Stromkabel wurde herausgezogen, weil das Gerät nachts zu laut war. Dass der Kühlschrank dann aber auch geleert werden muss, daran dachte im Pflegeheim anscheinend niemand. Klar, das ist ja auch nicht die Aufgabe eines Pflegers, den Kühlschrank der Oma zu leeren. Aber dass selbst der Geruch niemandem eine Reaktion abrang, machte mich fassungslos. Eine Info an mich wäre hilfreich gewesen.

Manchmal habe ich das Gefühl, dass das Informieren der Angehörigen im Pflegeheim gar nicht so wichtig genommen wird. Und irgendwie ist das ja auch nachvollziehbar. Pflegende sind ohnehin schon mit ihren eigentlichen Aufgaben überlastet. Die Kommunikation mit den Angehörigen würde ich auch auf das Nötigste reduzieren, wenn ich an ihrer Stelle wäre. Schließlich fehlt den Pflegern ja allein schon die Zeit für ihre praktische Pflege und Betreuung. Es muss sich dringend etwas tun in der Pflege.

Als Sprachrohr zugegen sein

Die Erfahrung, dass Informationen manchmal schwer zu beschaffen sind, habe ich auch bei den Hausärzten, Fachärzten, den Krankenhäusern und Physiotherapeuten machen müssen. Und dieses Problem verschärft sich durch den zumindest in unserer Region vorherrschenden Fachkräftemangel: Nicht nur Altenpfleger fehlen, auch Physiotherapeuten sind ein rares Gut geworden. Physiotherapeutische Einheiten müssen verschrieben werden, aber ein Rezept zu bekommen, ist – zumindest für gesetzlich Versicherte – sehr schwierig. Man wisse um den erhöhten Bedarf, aber es gibt einfach nicht genug Physiotherapeuten. Was hilft: Sich nicht von vermeintlichen Kapazitätsgrenzen abschrecken zu lassen. Ich versuche in solchen Fällen, die Menschen persönlich ans Telefon zu bekommen und ihnen die Dringlichkeit zu erklären. Das klappt nicht immer, aber meine Quote wird besser.

Auch wenn es zur Grundpflege dazugehört, Menschen kommunikativ zu aktivieren, heißt das nicht, dass sich eine Pflegekraft die Zeit nehmen kann, mit der Oma spazieren zu gehen und ein wenig zu plaudern.

Was mich sehr überrascht hat, war die Tatsache, dass es anscheinend einen riesigen Konflikt zwischen stationären Ärzten und ambulant Behandelnden gibt. Die Hausärztin meiner Oma zweifelt relativ oft an der Glaubwürdigkeit der Krankenhausdiagnosen. So etwas wie ein Rücksprache-System gibt es soweit ich weiß auch gar nicht. Es scheint mir manchmal, als würden unliebsame Patienten von der ambulanten in die stationäre Behandlung abgeschoben und von dort wieder zurück. So ein bisschen, als ob sich damit keiner wirklich abschließend befassen will. Umso wichtiger finde ich, die Oma, die sich einfach nicht mehr richtig ausdrücken und wehren kann, bei der medizinischen Versorgung möglichst niemals allein zu lassen. Das wurde mir seitens der Pflegekräfte auch nahegelegt: Menschen, die an Demenz leiden, kommen in der Pflege im Krankenhaus eigentlich immer zu kurz. Als „Pflegekoordinatorin“ einer Demenzerkrankten sehe ich mich mittlerweile zunehmend in der Pflicht, als Sprachrohr zugegen zu sein. Vor allem bei Arzt- und Krankenhausaufenthalten ist es wichtig, persönlich mitzuhelfen und sich nicht auf die Daseinsvorsorge zu verlassen.

„Um wirklich etwas zu erreichen, nerve ich die Leute auch schonmal“

Ich ärgere mich immer wieder, dass mir bestimmte Infos nicht mitgeteilt werden, weder von der Hausärztin, noch von den Pflegern im Heim. Dann frage ich mich, warum die Digitalisierung im Bereich Pflegekommunikation nicht endlich durchschlägt. Wie leicht wäre es, wenn Ärzte, Therapeuten, Pfleger und Angehörige mit entsprechenden Vollmachten Informationen über eine Internetseite oder eine App austauschen könnten? Das würde vieles vereinfachen.

Ich habe einen Weg für mich gefunden, der ganz gut funktioniert, der aber bei weitem nicht der beste ist: Mit einer Pflegerin kläre ich bestimmte Dinge, wie bspw., dass etwas besorgt werden muss oder ein wichtiger Arzttermin ansteht, mittlerweile per WhatsApp. Also über ihre private Handynummer. Das heißt, dass die Grenze zwischen mir als „Kundin“ und der Pflegerin als Privatperson verschwimmt. Manchmal schreibt sie mir noch spät nach ihrem Feierabend. Eigentlich ein Unding, denn die berufliche Belastung nimmt so noch mehr zu. Aber für sie sei das in Ordnung. Und auf diesem Wege funktionieren die Abläufe auch für mich einfach besser. Es wird eine Verbindlichkeit hergestellt, die beim Anruf auf der Station nicht klappt: Erstens weiß ich nie, wer gerade mit mir spricht. Zweitens kann ich nicht sicher sein, ob die Infos weitergegeben werden. Drittens haben die Pfleger manchmal selbst einen unterschiedlichen Wissensstand und können deshalb keine verlässlichen Auskünfte geben.

Es klingt unverschämt, aber funktioniert hat bei mir, den Menschen auch einfach mal eine Frist zu setzen, z. B. Ich erwarte, bis 17:00 Uhr zurückgerufen zu werden.

Eine feste Person im Pflegeheim als Ansprechpartner zu haben, ist Gold wert. Sonst hilft leider nur, beharrlich zu bleiben und die Leute ein bisschen zu nerven. Es klingt unverschämt, aber funktioniert hat bei mir, den Menschen auch einfach mal eine Frist zu setzen, z. B. „Ich erwarte, bis 17:00 Uhr zurückgerufen zu werden.“ Man kommt sich dabei zwar ein bisschen vor wie diese speziellen Mütter in der Schule, die den Lehrern hinterherdackeln und ihr pädagogisches Konzept in Frage stellen. Aber letztlich erreichst du so einfach mehr.

Mein Fazit

Ich rate allen, die die Pflege aus der Ferne organisieren, nicht nur die Zuständigkeiten des Pflegepersonals genau abzuklären, sondern auch die Möglichkeit der gesundheitlichen Verschlechterung durchzuspielen. Rufen Sie regelmäßig an und fragen Sie, ob Unterstützungsbedarf besteht. Lassen Sie sich die Namen der Personen geben, mit denen Sie gesprochen haben. Sprechen Sie bei Besuchen Ihres Angehörigen in der Pflegeinrichtung immer auch kurz mit dem Pflegepersonal. Holen Sie sich ggf. Hilfe durch eine Seniorenassistenz, die Sie bei der Organisation und Betreuung unterstützt.

Erstelldatum: 8102.90.42|Zuletzt geändert: 2202.20.11

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Kathrin Sievert ist 34 Jahre alt, lebt in Hamburg und kümmert sich um ihre Oma, die in Hannover in einem Pflegeheim lebt. Im pflege.de-Magazin teilt sie ihre Erfahrungen, die sie bei der Organisation der Pflege aus der Ferne gesammelt hat und berichtet von den Herausforderungen, die ihr begegnen.

Meine Oma lebt in einem Seniorenheim in der Nähe von Hannover. Ich lebe in Hamburg und organisiere, was rund um ihre Pflege anfällt, aus der Ferne. Neue Kleidung, Deo oder Shampoo besorgen, zum Arzt begleiten, Überweisungen tätigen oder Omas Schwester in Dresden besuchen fahren — das Spektrum ist umfangreich. Darüber habe ich bereits in meinem Beitrag „So organisiere ich Omas Pflege aus der Ferne“ im pflege.de-Magazin berichtet. Manchmal lassen sich Dinge von Hamburg aus erledigen, manchmal muss man unbedingt vor Ort sein. Insgesamt fallen sehr viele, vor allem auch kleine Dinge, an. Das muss auf mehrere Schultern verteilt werden. In die Organisation involviert sind meine Geschwister und meine Eltern. Aus unterschiedlichen Gründen habe ich die Koordination des ganzen Pflegemanagements übernommen, aber insgesamt kümmern wir uns als Team zusammen um Omas Belange und teilen die meisten Aufgaben untereinander auf.

Als meine Oma vor sieben Jahren pflegebedürftig wurde, war ganz schnell klar, dass sie fortan in einem Pflegeheim wird leben müssen. Geahnt hatten wir es schon länger, aber dass sie dann doch so plötzlich zum Pflegefall wurde, kam unerwartet. Was war zu tun? Wir beriefen als erstes einen Familienrat ein, um die Pflege meiner Oma zu organisieren. Insgesamt kamen drei Generationen zusammen: Meine Geschwister und ich, mein Vater und die Schwester meiner Oma, die extra aus Dresden angereist war. Es ist ein großer Vorteil, dass wir so viele waren: Je mehr Vertraute bei der Entscheidungsfindung über die richtige Versorgungsform beteiligt sind, desto mehr Input gibt es. Jede Person erkennt andere Dinge, so dass mögliche blinde Flecken unwahrscheinlicher werden.

Nach welchen Kriterien sucht man ein Pflegeheim aus? Was passiert mit den Möbeln, den Büchern und Küchenutensilien, die Oma beim Umzug nicht mit ins Pflegeheim nehmen kann?

Wir überlegten also im Familienkreis, welche Aufgaben nun anfallen werden und wer wo am besten helfen kann. Der gesamte Transit-Prozess (von der Eigenständigkeit zur Pflegebedürftigkeit) war rückblickend betrachtet der schwerste. Ganz einfach, weil ja alles zum ersten Mal geschah. Viele Themen waren für uns völlig neu. Wie funktioniert das mit den Vollmachten? Nach welchen Kriterien sucht man ein Pflegeheim aus? Was passiert mit den Möbeln, den Büchern und Küchenutensilien, die Oma beim Umzug nicht mit ins Pflegeheim nehmen kann? In Summe kommt da ganz schön was zusammen.

Nicht jeder kann in gleichem Maße eingebunden werden

Es wird natürlich komplizierter, wenn nicht alle einer Meinung sind, was das Vorgehen betrifft. Mein Bruder sagte zu mir: „Wenn wir Oma im Luxus-Pflegeheim einquartieren, wird sie es bestimmt schön haben — aber von uns fährt sicher niemand mal eben nach der Arbeit 30 Kilometer dorthin, um auf einen Kaffee reinzuschauen.“ Das war realistisch. Also begutachteten wir die Pflegeheime in der unmittelbaren Umgebung. Und entschieden uns für das, in dem sie ohnehin schon zur Kurzzeitpflege untergebracht war. Die Lage war unschlagbar: Meine Mutter arbeitet um die Ecke und meine Geschwister wohnen ganz in der Nähe.

Eine Erkenntnis, die uns allen bei der Organisation von Pflege und Betreuung von Oma gekommen ist, war: Nicht jeder kann in gleichem Maße eingebunden werden. Aufgabenverteilung und Verantwortung hängen von vielen Faktoren ab. Mir sind drei Punkte aufgefallen, die vielleicht damit zusammenhängen:

  1. Grad an Intimität bzw. Verbundenheit
    Soll die Aufgabe von der angeheirateten Schwägerin, dem Enkelsohn oder der Schwester erledigt werden? Oder anders gefragt: Wie sehr fühlt sich die Person verpflichtet, in die Pflege eingebunden zu werden? Selbst wenn das verwandtschaftliche Verhältnis eng ist: Jemanden zum Helfen zwingen funktioniert auf Dauer nicht.
  2. Zeit
    Kann derjenige die Zeit aufwenden, die die Ausführung der Aufgabe in Anspruch nimmt? Wer beruflich oder familiär eingespannt ist, kann bestimmte Dinge vielleicht nicht so gut in den Tagesablauf integrieren. Und wer weit weg wohnt, ist bei vielen Erledigungen ohnehin raus. Wer in der Woche keine Zeit findet, kann dafür aber am Wochenende ein bisschen mit Oma durch den Park spazieren.
  3. Eignung für bestimmte Aufgaben
    Ist derjenige in der Lage, die Aufgabe richtig auszuführen? Bspw. wäre nicht jeder geeignet, die Oma zur Darmspiegelung zu begleiten oder ihr beim Gang aufs Klo zu helfen. Aber vielleicht behält derjenige ja den Überblick, wenn es um Verträge und bürokratische Aufgaben geht. Es geht dann auch darum, seine eigenen Grenzen zu erkennen und sagen zu dürfen: „Das schaffe ich nicht, diese Aufgabe muss ich abgeben.“ Im besten Fall erntet man Verständnis von den anderen Familienmitgliedern und versucht, einen Ausgleich zu schaffen, indem man etwas anderes übernimmt.

Holen Sie sich zu gleich zu Beginn Hilfe

Einen großen Fehler haben wir bei der Organisation der Pflege und Betreuung unserer Oma gemacht: Gleich als erstes hätten wir einen Pflegestützpunkt aufsuchen sollen. Das sind Anlaufstellen für Menschen, die über Pflegethemen aufgeklärt werden wollen. Wir hingegen haben unnötig Zeit und Energie verschwendet. Der Aufwand ist nämlich größer, als man im ersten Moment denkt. Wir preschten einfach rein in den Pflegedschungel und verrannten uns. Dabei muss man gar nicht mühselig jede Info selbst zusammenzutragen. In Deutschland gibt es extra für diesen Fall geschulte Berater, die einem kostenfrei helfen und sogar eine Versorgungsplanung machen. Auch pflege.de hat uns als Informationsportal bei wichtigen Fragestellungen rund um den Bereich Pflegeorganisation sehr oft weitergeholfen.

Es kommt immer mal wieder etwas dazwischen

Zunächst haben wir versucht, die Pflege für Oma in Themen-Bereiche aufzuteilen, so dass man sich nicht immer in die Quere kommt.

  • Arztbesuche und die Kommunikation mit Pflegeheim, Ärzten und Pflegekasse
  • Finanzen, Beihilfe, Überweisungen, Rechnungen bezahlen
  • Besuche, Spazieren gehen, Betreuung, Kleidung kaufen
  • „Botengänge“: z. B. Einkaufen gehen, Bargeld vorbeibringen

Wir haben mit einem Online-Kalender gearbeitet, in dem wir vermerkten, wer wann zu Besuch kommt oder was eingekauft bzw. erledigt werden soll. Irgendwann mussten wir aber feststellen – eigentlich ganz logisch – dass nicht alles durchgeplant werden kann. Es kommt immer wieder etwas dazwischen: Urlaub, Beruf, Kinder oder Krankheit. Auch ein Familienstreit (ich hörte, das kommt in den besten Familien vor) kann geplante Abläufe durcheinanderbringen.

Auch ein Familienstreit kann geplante Abläufe durcheinanderbringen.. Ich höre, das kommt in den besten Familien vor.

Wichtig ist, dass die Zuständigkeiten geklärt sind und dass Ärzte und Pfleger einen festen Ansprechpartner haben. In unserem Fall bin ich nicht nur die rechtliche Vertreterin, sondern auch die „Sprecherin“ des Pflege-Unterfangens. Das ist aus der Ferne manchmal ganz schön kräftezehrend, denn nicht immer bekommt man mit einem Anruf die Infos, die man braucht. Oma ist jetzt 91 Jahre alt und im Schnitt alle zwei bis drei Monate im Krankenhaus. Es ist wirklich verrückt, wie „normal“ das für uns geworden ist.

Die Kommunikation mit den unterschiedlichen Ärzten läuft über mich und das nimmt mittlerweile die meiste Zeit meines Pflegemanagements in Anspruch. Denn: Auch zwischen den Ärzten, z. B. zwischen Stationsarzt, Hausarzt und Pflegeheim muss vermittelt werden. Manchmal erschrecke ich mich, wie viele hochrelevante Infos einfach nicht weitergegeben werden. Ein Beispiel: Oma kam mit Lungenembolie ins Krankenhaus. Glücklicherweise konnte die Thrombose in der Lunge aufgelöst werden, so dass sie nach einer Woche Krankenhausaufenthalt wieder nach Hause kam. Der Umstand, dass Omas Oberkörper nach einer abklingenden Lungenembolie hochgelagert werden muss, wurde vom Krankenhaus aber nicht ans Pflegeheim weitergegeben. Auch die Hausärztin verordnete nichts. Oma brauchte zudem dringend einen Handgriff überm Bett. Das war zu dem Zeitpunkt nämlich die einzige Möglichkeit, ihren Körper zu bewegen. Telefonisch versuchte ich also zu veranlassen, dass man diesen verflixten Griff über ihrem Bett im Heim installiert. Das ginge erst in den kommenden Wochen, wenn der Hausmeister wieder im Haus sei, antwortete mir eine Mitarbeiterin im Heim. Ich war fassungslos und wurde böse: „Wenn das Teil nicht bis heute Nachmittag angebracht wird, werde ich ungemütlich!“ fuhr ich die Pflegerin am Telefon an, wohlwissend, dass ich von Hamburg aus nichts weiter als ein zahnloser Tiger war. Kaum aufgelegt wählte ich die Nummer meines Bruders. Der war wie so oft beruflich unterwegs und hatte nur wenig Zeit. „Du musst heute Abend ins Pflegeheim und dich drum kümmern, dass der Haltegriff angebracht wird.“ Philip verstand und fuhr sofort los. Eine Stunde später piepste mein Handy. Ein Foto wurde in die WhatsApp-Familiengruppe gestellt: Die im Bett liegende Oma lächelte schwach in die Kamera, über ihr baumelte der ersehnte Griff.

Wir haben es irgendwie gemeinsam geschafft, Situationen wie dem Toilettengang das Beschämende zu nehmen.

Wer hilft Oma aufs Klo zu gehen?

Ich habe vorhin von den verschiedenen Aufgabenbereichen berichtet und davon, dass man in gewisser Weise geeignet sein muss, bestimmte Dinge zu tun. Ich habe gemerkt, dass ich manches machen kann, was meine Brüder nicht machen würden. Meiner Oma beim Gang zur Toilette zu helfen, hat mich anfangs große Überwindung gekostet. Und Oma erst! Sicher ist das für jeden eigenartig, wenn sich dieses Rollenverhältnis umkehrt. Oma hat mich doch als Baby gewickelt und jetzt helfe ich ihr zur Toilette? Das war am Anfang sehr eigenartig für mich. Aber eigentlich war es Oma, die vor der größeren Herausforderung stand. Sie musste ja damit klarkommen, dass sie — und das war wohl endgültig — einen Schritt in der Entwicklung zurückging. Und dass sie wahrscheinlich bald nie wieder in ihrem ganzen Leben ohne Hilfe zur Toilette gehen kann. Ich habe mich oft gefragt, welches Gefühl da bei ihr wohl überwiegt, Frustration über das Unvermögen oder Dankbarkeit darüber, dass ich ihr helfe. Ich glaube, dass sie dankbar ist. Auch weil wir es irgendwie gemeinsam geschafft haben, solchen Situationen wie dem Toilettengang das Beschämende zu nehmen. Wir nehmen uns Zeit für jeden einzelnen Schritt, erzählen dabei ein wenig und wir reißen ein paar Witze.

Meine Geschwister und meine Eltern finden es toll, dass ich das mache. Sie könnten es aber nicht, haben sie mir gestanden. Und ich glaube, Oma würde es auch nicht wollen. Oma und ich – wir sind ein unschlagbares Team auf der Toilette. Klingt witzig? Sie sollten uns mal sehen, wenn wir zusammen zur Darmspiegelung gehen.

Aber im Ernst. Auch wenn ich am meisten eingebunden bin in das Oma-Management: Ich bin heilfroh, dass meine Familie da ist und viele wichtige Aufgaben übernimmt. Meistens sind das Dinge, die „nicht so nah am Körper“ sind. Mein Bruder Christian hat den Bereich Finanzen übernommen: Er verwaltet das Konto, macht die Überweisungen und kümmert sich um die Steuer. Seine Frau Carmen schickt die Pflegeheim-Rechnungen am Monatsanfang an die Beihilfe-Stelle. Mein Bruder Andreas ging früher regelmäßig mit Oma ins Konzert oder zu Kunst-Vorträgen. Philip ist eher nicht dazu gemacht, sich einen zweistündigen Vortrag über den Blauen Reiter anzuhören. Andreas ist da sozusagen kulturaffiner. Heute kann Oma das nicht mehr, zu Konzerten oder Vorträgen gehen. Deswegen schaut Andreas sich jetzt mit ihr Kunstbücher im Garten an. Jeder macht eben das, was er gut kann.

Oma hat mich doch als Baby gewickelt und jetzt helfe ich ihr zur Toilette?

Wertschätzung ist das A und O: Danke sagen!

Die Betreuung und Pflege-Organisation von Oma teilen wir jetzt seit sieben Jahren untereinander auf. Erst hat uns das vor große Herausforderungen gestellt. Es hat aber auch den Familienzusammenhalt gestärkt. Wir haben gelernt, verständnisvoller füreinander und auch wertschätzender zu sein. Es hilft viel, „Danke“ zu sagen, auch wenn man manche Kleinigkeit als selbstverständlich sieht. Man lernt auch zu akzeptieren, dass immer wieder Situationen entstehen, in denen es nicht rund läuft. Ich glaube, dass eine grundlegende Gefahr darin besteht, dass der eine dem anderen Dinge unterstellt, wie „er kann das eh am besten, dann soll er es auch machen“ oder „sie zieht sich raus, weil es ihr zu anstrengend wird“. Sowas mündet im schlechtesten Fall in dem ziemlich harten Vorwurf „Oma ist dir wohl egal“. Das sind gefährliche Annahmen, die man vielleicht als Signal verstehen sollte: „Hier muss etwas grundlegend geklärt werden. Wir sind nicht auf demselben Stand.“ Eine WhatsApp-Gruppe ist dafür schon ganz gut. Regelmäßige Treffen sind aber besser.

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Wer ist für die Pflege der Eltern zuständig

Examinierte Gesundheits- und Krankenpflegerin und Gesundheitswissenschaftlerin

Chantal Meißner spezialisiert sich derzeit im Master Public Health auf die Bereiche Gesundheitsversorgung, -ökonomie und -management.

Die Entscheidung dafür, seinen pflegebedürftigen Angehörigen selbst zu versorgen, ist ein großer Schritt und muss gut überlegt sein. Es lässt sich oftmals leicht sagen, dass man seine Eltern oder seinen Partner solange wie möglich zuhause pflegen möchte, doch die wenigsten sind sich über die Tragweite dieses Entschlusses bewusst.

In Deutschland werden rund drei Viertel aller Pflegebedürftigen zu Hause versorgt. Das heißt: Von den insgesamt 2,9 Millionen Pflegebedürftigen sind es über eine Million Menschen, die allein durch nahe Angehörige gepflegt werden. Denn der Wunsch vieler Verwandten ist es, dem Pflegebedürftigen die bestmögliche Versorgung in seiner bekannten Umgebung zu bieten. Aber was ist überhaupt die optimale Pflege und was kann ich mir selbst zumuten? pflege.de möchte Ihnen durch ein paar Fragestellungen helfen, die für Sie richtige Entscheidung zu treffen. So können Sie besser abschätzen, was die Pflege eines Angehörigen abverlangt und worauf Sie sich einstellen müssen.

Bevor Sie sich dazu entschließen Ihren Angehörigen zu pflegen, sollten Sie sich in Ruhe mit ihm (und anderen Familienmitgliedern) über seinen Pflegebedarf und seine Wünsche austauschen. Zugleich sollten Sie sich Ihrer eigenen Bedürfnisse sowie Grenzen bewusstwerden und entscheiden, ob Sie körperlich und psychisch dazu in der Lage sind, Ihren Angehörigen zu pflegen.

Folgende Fragen können Sie dabei unterstützen, eine Entscheidung für Ihre individuelle Situation zu fällen:

1. Habe ich bereits Kenntnisse im Bereich der Pflege?

Vorkenntnisse im Bereich der Pflege machen es oftmals leichter mit den psychischen und physischen Belastungen der pflegerischen Versorgung umzugehen. Sollten Sie noch keine Erfahrungen in der Pflege haben, stellt dies keinen wesentlichen Hinderungsgrund dar. Sie sollten sich jedoch fragen, ob Sie sich zutrauen, Ihren Angehörigen bei der Körperpflege und vor allem der Intimpflege zu unterstützen. Welche Grenzen möchten Sie bei der Versorgung setzen? Können Sie sich vorstellen, Ihren Angehörigen im Intimbereich zu waschen? Wäre es für Sie denkbar, ihn bei Toilettengängen zu unterstützen oder den Wechsel von Inkontinenzmaterialien durchzuführen? Haben Sie die Geduld und Gelassenheit, um ihm geeignete Nahrung zuzubereiten und ihn bei der Ernährung zu unterstützen?

In kostenlosen, regionalen Pflegekursen erhalten Sie einen ersten Eindruck davon, was die tägliche Versorgung eines Pflegebedürftigen beinhaltet. Sie erlernen praktische Grundlagen der Altenpflege und haben die Möglichkeit, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen sowie konkrete Fragen zu stellen. Der Pflegekurs kann Ihnen dabei helfen, Ängste abzubauen, und Sie dabei unterstützen, eine Entscheidung für die Pflege Ihres Angehörigen zu fällen. Eine weitere Option bieten zudem Pflegeschulungen in der Häuslichkeit. Dort erhalten Pflegepersonen, die ihren Angehörigen bereits zu Hause pflegen, eine individuelle Beratung zur Anwendung von Hilfsmitteln in der Wohnumgebung. Erfahren Sie mehr zu diesem kostenlosen Angebot der Pflegekassen in diesem Beitrag.

2. Bin ich körperlich dazu in der Lage, meinen Angehörigen zu pflegen?

Die Versorgung eines Pflegebedürftigen ist körperlich belastend und erfordert neben Kraft auch Ausdauer. Zu den regelmäßigen Aufgaben eines pflegenden Angehörigen gehören, je nach Pflegegrad (bis 31.12.2016: Pflegestufe) des Betroffenen, die Unterstützung beim An- und Auskleiden, die tägliche Körperpflege, das Vorbereiten und Anreichen von Mahlzeiten, die Begleitung zu Terminen, die Betreuung sowie die Mobilisation des Betroffenen. Auch wenn Bewegungskonzepte, wie zum Beispiel Kinästhetik, dazu beitragen können, die pflegerischen Tätigkeiten für beide Seiten angenehmer zu gestalten, ist die tägliche Versorgung für Pflegende anstrengend und kräftezehrend.

Sind Sie dazu in der Lage, täglich körperlich zu arbeiten? Bedenken Sie, dass Sie die Pflege vermutlich über einen längeren Zeitraum durchführen werden.

Sie sollten sich daher fragen, ob Sie dazu in der Lage sind, täglich körperlich zu arbeiten. Menschen mit dauerhaften Schulter- und Rückenproblemen sowie körperlich eingeschränkten oder wenig belastbaren Personen wird geraten, nur einen Teil der Pflegeaufgaben zu übernehmen und sich von professionellen Pflegekräften, wie einem ambulanten Pflegedienst, entlasten zu lassen. Auch eine chronische Krankheit, die schubweise auftritt, oder eine lang geplante Operation schränken die Pflege Ihres Angehörigen ein. Bedenken Sie, dass Sie die Pflege vermutlich über einen längeren Zeitraum durchführen werden und informieren Sie sich, ob Entlastungsangebote, wie z. B. Verhinderungspflege, für Ihren Angehörigen und Sie in Frage kommen.

3. Kenne ich alle gesetzlichen Ansprüche, die ein Pflegebedürftiger hat?

Pflegende Angehörige haben sowohl im Falle einer häuslichen Versorgung als auch der Unterbringung im Pflegeheim Anspruch auf viele unterschiedliche Unterstützungsangebote. Der Überblick über diese Pflegeleistungen hilft, die Versorgung des Pflegebedürftigen besser planen zu können. Informieren Sie sich daher umfangreich über die Angebote, die Sie als pflegenden Angehörigen entlasten können.

4. Traue ich mir die zusätzliche Belastung durch die Pflege psychisch zu?

Informieren Sie sich umfangreich über die Angebote, die Sie als pflegenden Angehörigen entlasten können!

Neben der körperlichen Belastung sollten Sie auch die psychische Beanspruchung durch die Versorgung nicht unterschätzen. Die Pflege eines Angehörigen ist zeitintensiv und kann täglich mehrere Stunden in Anspruch nehmen. Pflegepersonen fühlen sich daher oft isoliert und vernachlässigen nur allzu oft ihre eigenen sozialen Kontakte. Überlegen Sie sich daher im Vorhinein, welche Ausgleichsmöglichkeiten Ihnen zur Verfügung stehen. Bringen Sie ein stabiles soziales Umfeld und Hobbys mit, die Ihnen helfen, Stress abzubauen und die Gefahr für Überforderung mindern? Oder leiden Sie selbst unter einer seelischen Erkrankung, die Sie belastet? Auch familiäre Schwierigkeiten oder starker beruflicher Druck können die emotionale Anstrengung verstärken und zu einer inneren Unausgeglichenheit führen.

Es ist keine Schande, die Pflege eines Angehörigen in professionelle Hände zu geben. Beziehen Sie also auch diese Option in Ihre Überlegungen mit ein. Wägen Sie ab, ob Sie die Pflege langfristig durchführen können, ohne Ihre eigene Gesundheit zu gefährden und denken Sie darüber nach, ob Sie Ihrem Angehörigen, trotz der täglichen Belastung, wertschätzend und respektvoll gegenübertreten können. Hierzu helfen die vielfältigen Entlastungsmöglichkeiten der Pflegekasse wie Kurzzeitpflege, Verhinderungspflege sowie Tages- und Nachtpflege.

5. Ist die Versorgung meines Angehörigen zuhause möglich?

Um die häusliche Pflege Ihres Angehörigen gewährleisten zu können, benötigen Sie gewisse wohnliche Voraussetzungen. Daher sollten Sie vor der Entscheidung, Ihren Angehörigen zu pflegen, prüfen, welche Barrieren die Versorgung unnötig erschweren könnten. Die Erweiterung eines sehr kleinen Badezimmers stellt dabei z. B. eine wesentlich größere Herausforderung dar, wie der Umbau einer Wanne zur Dusche. Auch eine Treppe, die vom Pflegebedürftigen nicht mehr selbst bewältigt werden kann, kann durch einen Treppenlift ausgestattet werden und so die Eigenständigkeit und Mobilität Ihres Angehörigen fördern. Sie müssen sich jedoch darüber bewusst sein, dass die Pflege Ihres Angehörigen meist optische Veränderungen Ihres Wohnraums nötig werden lässt. Sind Sie dazu bereit, Teppiche aus Ihrem Haus zu entfernen, die für Ihr Familienmitglied unnötige, gefährliche Stolperfallen darstellen? Würden Sie einen Raum frei räumen, in dem das Pflegebett Ihres Angehörigen freistehen kann? Für die Wohnraumanpassung steht Personen mit anerkanntem Pflegegrad die finanzielle Unterstützung durch die Pflegekasse zu. Der Abbau von Barrieren in der Wohnung wird von dieser mit bis zu 4.000 Euro einmalig für alle Maßnahmen unterstützt.

6. Kann ich die Pflege meines Angehörigen mit meinem Beruf vereinbaren?

Vor allem für Berufstätige ist die Entscheidung, die Pflege Ihres Angehörigen zu übernehmen, oftmals keine einfache. Sie sollten sich daher fragen, ob Sie dazu bereit sind, Ihren Job (temporär) aufzugeben oder ob Sie Ihre Arbeitszeit um ein paar Stunden reduzieren können. Ist Ihr Arbeitgeber vielleicht dazu bereit, Ihnen flexiblere Arbeitszeiten einzuräumen? Vielleicht kommt für Sie auch eine der gesetzlichen Entlastungsmöglichkeiten in Frage? Hierbei stehen nahen Angehörigen drei Optionen offen:

Bei einer plötzlich eingetretenen Pflegebedürftigkeit eines nahen Angehörigen können Sie sich für zehn Arbeitstage freistellen lassen. Hierzu ist weder ein Antrag noch die Zustimmung des Arbeitgebers notwendig – Sie sind lediglich dazu verpflichtet, Ihren Arbeitgeber über die Verhinderung zu informieren. In dieser Zeit steht Ihnen das sog. Pflegeunterstützungsgeld zu.

In Betrieben mit über 15 Beschäftigten können Sie sich laut Pflegezeitgesetz bis zu sechs Monate für die Pflege Ihres Angehörigen freistellen lassen. In dieser Zeit erhalten Sie kein Gehalt, jedoch ist ein finanzieller Ausgleich durch das Pflegegeld des pflegebedürftigen Angehörigen möglich. Des Weiteren können Sie in der Pflegezeit ein zinsloses Darlehen vom Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben erhalten.

Möchten Sie Ihren Angehörigen über einen längeren Zeitraum pflegen, können Sie die sog. Familienpflegezeit nach dem Familienpflegezeitgesetz für maximal zwei Jahre in Anspruch nehmen. Währenddessen können Sie Ihre Arbeitszeit für die Pflege Ihres Angehörigen auf mindestens 15 Stunden pro Woche reduzieren. Zum Ausgleich kann, wie auch bei der Pflegezeit, ein zinsloses Darlehen vom Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben in Anspruch genommen werden.

7. Kann ich es mir finanziell leisten, meinen Angehörigen zu pflegen und meinen Beruf aufzugeben?

Bei der Entscheidung, seinen Angehörigen zu pflegen, spielen vor allem finanzielle Sorgen eine große Rolle. Kann ich es mir leisten, ggf. meinen Beruf aufzugeben und mich vollständig auf die Pflege meines Angehörigen zu konzentrieren? Um diese Frage zu beantworten hilft es, sich einen Überblick über die potentiellen Ausgaben und finanziellen Unterstützungsangebote zu machen.

Die Kosten für einen Pflegeheimplatz werden in der Regel nur zum Teil durch die Pflegekasse gedeckt. Im Durchschnitt muss jeder Pflegebedürftige einen Eigenanteil von rund 1.500 Euro leisten, um seinen stationären Aufenthalt in einem Heim zu finanzieren. Die ambulante Versorgung ist hingegen oftmals deutlich günstiger und mit weniger Kosten verbunden. Zudem haben Pflegebedürftige bei der Versorgung in der Häuslichkeit Anspruch auf eine Reihe von Pflegeleistungen. Hierzu zählen u. a. Pflegehilfsmittel zum Verbrauch im Wert von bis zu 40 Euro pro Monat sowie Zuschüsse zum Hausnotruf und zur Wohnraumanpassung.

Sollten Sie sich aufgrund eines plötzlichen Pflegefalls in der Familie dazu entscheiden, sich von der Arbeit freistellen zu lassen, steht Ihnen für diese Zeit das sogenannte Pflegeunterstützungsgeld zu. Bei der längerfristigen Pflege eines Angehörigen bietet es sich hingegen an, das sogenannte Pflegegeld, welches sich am Pflegegrad des Betroffenen orientiert, als Lohnersatz zu nutzen. Des Weiteren trägt die Pflegeversicherung durch die Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen zur Alterssicherung pflegender Angehöriger bei. Dieses Unterstützungsangebot gilt, wenn der Pflegebedürftige mindestens Pflegegrad 2 aufweist und für wenigstens zehn Stunden die Woche, aufgeteilt auf zwei Tage, gepflegt wird.

Sollten Sie sich dazu entscheiden, die Pflege Ihres Angehörigen selbst zu übernehmen, ist dies sehr löblich! Achten Sie jedoch bei allem Engagement auch weiterhin auf Ihre eigene Gesundheit. Denn nur wenn Sie gesund sind und gesund bleiben, können Sie auch für Ihre Angehörigen da sein.

9 Ratschläge für pflegende Angehörige

  1. Gönnen Sie sich regelmäßige Auszeiten – Pflegen Sie Ihre sozialen Kontakte und gehen Sie Ihren Hobbys nach. Nutzen Sie dazu die stundenweise Betreuung oder das Angebot der Verhinderungspflege.
  2. Suchen Sie Kontakt zu anderen pflegenden Angehörigen z. B. in Selbsthilfegruppen und Gesprächskreisen.
  3. Nehmen Sie staatliche Unterstützungsangebote wie die Pflegezeit oder ein zinsloses Darlehen in Anspruch. Dazu gibt es einen großen Katalog an Pflegeleistungen, die Ihnen zustehen.
  4. Besuchen Sie Pflegekurse für pflegende Angehörige, um neue praxisnahe Fachkenntnisse zu sammeln und den Austausch mit anderen Pflegenden zu fördern.
  5. Ziehen Sie Grenzen und lassen Sie sich bei der Pflege durch einen ambulanten Dienst oder teilstationäre Pflege entlasten.
  6. Sie können nicht immer in der Nähe des Pflegebedürftigen sein. Ein Hausnotruf gibt Ihnen die Sicherheit, dass nichts passiert, auch wenn Sie unterwegs sind.
  7. Holen Sie sich Unterstützung bei Haushaltstätigkeiten, z. B. durch eine Einkaufshilfe oder einen Menübringdienst.
  8. Achten Sie auf die Beziehung zwischen Ihnen und Ihrem pflegebedürftigen Angehörigen. Es ist wichtig, auch bewusst Zeit ohne pflegerische Tätigkeiten miteinander zu verbringen, um die Beziehung nicht nur darüber existieren zu lassen.
  9. Reflektieren Sie Ihr Handeln und erkennen Sie frühzeitig Anzeichen einer Überlastung. Es ist keine Schande, sondern eher ein Zeichen von Stärke, sich von professionell Pflegenden Hilfe zu holen.

Erstelldatum: 8102.60.11|Zuletzt geändert: 1202.21.31

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