Wer hat das Original zu Sag mir wo die Blumen sind geschrieben und gesungen?

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Seit rund drei Wochen wütet inzwischen der Krieg in der Ukraine. Jeden Tag erreichen uns neue Meldungen von Angriffen, von Todesfällen, von Zerstörung und von geflüchteten Menschen. In diesen Zeiten haben Antikriegslieder Konjunktur. Eines wurde im Jahr 1962 weltbekannt, kurz vor der Kuba-Krise:

Marlene Dietrich sang „Sag mir, wo die Blumen sind“ – die deutsche Version von „Where Have All The Flowers Gone“ des US-amerikanischen Songwriters Peter Seeger. Nur wenige wissen wohl, dass zentrale Passagen aus diesem Song einem ukrainischen Volkslied entstammen.

Seeger kam über den Umweg der Literatur zu diesem Volkslied. Er hatte Sympathien für sozialistische und kommunistische Ideen. In den 1950er-Jahren las er den sowjetischen Roman „Der stille Don“. Dieses Buch erzählt vom Ersten Weltkrieg, vor allem aber vom Bürgerkrieg nach der Oktoberrevolution. Es ist ein Mammutwerk mit 2.000 Seiten.

Der Held ist ein Donkosake, der auf beiden Seiten kämpft, ein scheiternder Held. Der Autor Michail Scholochow erhielt dafür übrigens 1965 den Literatur-Nobelpreis, obwohl es bereits damals Plagiatsvorwürfe gab, er könne so ein Werk gar nicht geschrieben haben. Das ist aber eine andere Geschichte.

Entscheidend für Pete Seegers zukünftigen berühmten Song war eine Szene im Roman, als eine weibliche Figur ein Wiegenlied für ein Kind singt. Diese Zeilen haben Pete Seeger beeindruckt, und er hat sie sich notiert. Das waren die die berühmten Worte, die den Kern seines Lieds bilden:

Und wo sind die Gänse? Sie liefen ins Schilf. Und wo ist das Schilf hin? Von Mädchen gemäht. Und wo sind die Mädchen? Verheiratet längst. Und wo die Kosaken? Sind fort in den Krieg.

Aus dem Roman "Stiller Don" von Michail Scholochow

Ein einfaches Kettenlied, bei dem die letzte Zeile der Strophe beziehungsweise die Hauptfigur immer wieder aufgegriffen und inhaltlich weitergetragen wird. Genau das hat Pete Seeger später in seinen Songtext übernommen – mit dem Folkloreforscher und Sänger Joe Hickerson, der ein paar Jahre später, 1960, weitere Zeilen hinzugefügt hat.

Der Legende nach hat Pete Seeger seinen Song während eines Flugs nach Ohio geschrieben, als er ein paar seiner alten Notizhefte durchsah, auf diese Worte stieß und dann noch im Flugzeug eben diesen Song geschrieben haben soll. Zunächst auf eine Melodie des amerikanischen Folksongs „Drill Ye Tarriers Drill“.

Erst später fand Pete Steeger das im Roman „Stiller Don“ erwähnte Lied zu diesem Text – im Kern sind es sogar zwei Lieder. Das erste ist ein einfaches, rhythmisches Lied aus der Ukraine, das zur Begleitung beim Arbeiten auf dem Land diente, genauer gesagt: beim Zerkleinern von Mohn. So heißt das Lied auch auf Deutsch: "Ich mahle Mohn."

Im Video sitzen ein paar Bäuerinnen im Kreis und singen dieses Lied a cappella, mit den entsprechenden Handbewegungen. Da kommen die Blumen ins Spiel, die die Mädchen gepflückt haben. In den letzten Zeilen heißt es: Sie heiraten, die Männer gehen fort und kommen nicht mehr wieder.

Das zweite Lied ist textlich eng verwandt und Pete Seeger erwähnt es als seine Quelle. „Kaloda Duda“ ist ein Wiegenlied der Kosaken.

Dass es dieses Lied auf Russisch gibt, hängt mit den Kosaken zusammen. Das waren so etwas wie Rebellen, freie Krieger – so auch die etymologische Bedeutung des Wortes. Es waren ukrainische, russische und polnische ehemalige Leibeigene, die sich in Reiterverbänden organisierten und in der gesamten Region – in Südrussland und in der Ukraine – unterwegs waren. Daher die stilistische Nähe über nationale Grenzen hinweg.

Dadurch, dass Lieder sowohl in der Ukraine als auch in Südrussland mündlich weitertradiert wurden, konnten unterschiedliche Varianten entstehen. In der mehrsprachigen Ukraine wurde ganz selbstverständlich zwischen den Sprachen gewechselt. Man konnte beide Lieder in beiden Sprachen singen.

Das Lied lässt sich also nicht in nationale Schubladen stecken. Entscheidender sind die regionalen und stilistischen Aspekte. Die Musik hat vor allem bäuerliche Wurzeln, jenseits von Ländergrenzen. Die gab es zudem in sowjetischen Zeiten gar nicht und es durfte sie nicht geben, etwa zwischen der Ukraine und Russland. Es war ja die Sowjetunion.

Das erklärt auch, warum Pete Seeger später mal von den ukrainischen und dann wieder von den russischen Wurzeln seines Songs sprach. Als er ihn in den 50er-Jahren schrieb, wurde da kein Unterschied gemacht.

Das bestätigt auch der Musikwissenschaftler Jascha Nemtsov. Er betont dabei zwei Aspekte: die geografische Nähe zum Schauplatz des Romans „Stiller Don“, wo dieses Lied ja auftaucht, also Südrussland und die Ukraine. Und dass für Pete Seeger das Wort „sowjetisch“ damals gewissermaßen synonym für „russisch“ war.

Die nationale Identitätssuche und Selbstbehauptung der Ukrainer, die es bereits im 19. Jahrhundert und früher gab, war in sowjetischen Zeiten kein Thema und konnte sich auch erst wieder nach der Unabhängigkeit Anfang der 90er-Jahre neu entwickeln.

Zusammenfassend könnte man sagen: „Kaloda Duda“ ist ein Lied, das sowohl in der Ukraine als auch in Russland gesungen wurde. Die Klammer ist die kosakische Herkunft.

Das Lied “Sag mir wo die Blumen sind” (englischer Titel: where have all the flowers gone?) ist ein Antikriegslied. Es wurde von Peter Seeger geschrieben. Die deutsche Version des Liedes sangen zahlreiche Interpreten, darunter Marlene Dietrich, Nana Mouskouri und Hildegard Knef.

Die Besonderheit des Liedes liegt in seinem Liedtext, welcher in jeder Strophe wiederkehrende Elemente enthält und welcher keinen klassischen Refrain oder Chorus besitzt.

Die Strophen beginnen stets mit “Sag mir wo … sind” und geben noch in der selben Strophe die Antwort über den Verbleib. Die Strophen enden alle mit einem wiederholten “Wann wird man je verstehn”.

Dies ist Erste Strophe:

Sag mir wo die Blumen sindWo sind sie gebliebenSag mir wo die Blumen sindWas ist gescheh’nSag mir wo die Blumen sindMädchen pflückten sie geschwindWann wird man je verstehn

Wann wird man je verstehn

sie stellt die Frage nach dem Verbleib der Blumen, welche gleichzeitig auch der Titel des Liedes ist.

Die Blumen wurden von Mädchen gepflückt, also sinngemäß “zerstört”.

In der folgenden Zweiten Strophe, geht es um den Verleib der Mädchen:

Sag mir wo die Mädchen sindWo sind sie gebliebenSag mir wo die Mädchen sindWas ist gescheh’nSag mir wo die Mädchen sindMänner nahmen sie geschwindWann wird man je verstehn

Wann wird man je verstehn

Die Mädchen wurden, wie früher üblich, bereits in jungen Jahren “geschwind” von Männern zur Frau genommen. Dies stellt das abrupte Ende der Kindheit dieser Mädchen dar.

In der dritten Strophe des Liedes verschwinden die Männer, welche aufgrund des beginnenden Krieges zur Armee gingen und zu Soldaten wurden, welche treu für Ihr Vaterland gekämpft haben:

Sag mir wo die Männer sindWo sind sie gebliebenSag mir wo die Männer sindWas ist gescheh’nSag mir wo die Männer sindZogen fort der Krieg beginntWann wird man je verstehn

Wann wird man je verstehn

Wie man anhand der bisherigen Strophen bereits erahnen kann, werden auch die Soldaten verschwunden bleiben. Dies bedeutet, dass sie noch im Krieg sind und viele dort gefallen sind, also nie mehr zu Ihren Frauen und Kindern zurückkehren werden.

In der Vierten Strophe wird dies nocheinmal deutlich gemacht:

Sag wo die Soldaten sindWo sind sie gebliebenSag wo die Soldaten sindWas ist gescheh’nSag wo die Soldaten sindÜber Gräbern weht der WindWann wird man je verstehn

Wann wird man je verstehn

Hier wird explizit auf die im Krieg gefallenen Soldaten eingegangen, da von Ihren Gräbern gesprochen wird.

Die Fünfte Strophe ist die Vorletzte Strophe des Liedes insgesamt und die letzte Strophe, welche die Reihe fortsetzt:

Sag mir wo die Gräber sindWo sind sie gebliebenSag mir wo die Gräber sindWas ist gescheh’nSag mir wo die Gräber sindBlumen blüh’n im SommerwindWann wird man je verstehn

Wann wird man je verstehn

In dieser Strophe sind die Gräber verschwunden. Dies bedeutet, dass viele Jahre vergangen sind und neue Blumen blühen, also neue Hoffnung und Frieden existiert, da der Krieg lange her ist. Mit dieser Strophe könnte das Lied auch enden, jedoch wollte der Verfasser des Liedtextes offensichtlich noch eine Mahnung einfügen, die Fehler der Vergangenheit, welche zu einem Krieg führten nicht zu wiederholen.

Die Sechste und letzte Strophe des Liedes ist fast identisch mit der Ersten. Der Unterschied liegt in einer weiteren Wiederholung der Frage “Wann wird man je verstehn” sowie der verzweifelten Abschlussfrage “Ach wird man je verstehn”, ob die Menschheit überhaupt jemals aus den Fehlern der Vergangenheit lernen wird. In dieser Strophe wird, wie in der ersten Strophe, nach dem Verbleib der Blumen gefragt. Diese sind auf die gleiche Art und Weise verschwunden wie in der ersten Strophe. Dies liesst darauf schließen, dass die Fehler der Vergangenheit bereits erneut begangen worden sind.

Sag mir wo die Blumen sindWo sind sie gebliebenSag mir wo die Blumen sindWas ist gescheh’nSag mir wo die Blumen sindMädchen pflückten sie geschwindWann wird man je verstehnWann wird man je verstehnWann wird man je verstehn

Ach wird man je verstehn

Vielen Interpreten merkte man bei live Auftritten an, wie schwer es Ihnen viel das Lied “Sag mir wo die Blumen sind” zu singen. Hierbei ist insbesondere Marlene Dietrich hervorzuheben, welche bei der Abschlussfrage “Ach wird man je verstehn” den Tränen nahe war.

Quellenangaben

<p>(Peter Seeger / Arr.: Alain Goraguer / Bearb.: M. Colpet)</p>