Meister Petz und Reineke, wer kennt diese Fabelnamen nicht. In zahlreichen uralten Geschichten haben viele Tiere teils drollige Namen erhalten, die im Verlauf der Jahrhunderte zum Volksgut geworden sind. Welchen Tieren die einzelnen Namen zugeordnet werden, erfahren Sie hier. Show
Tiere in Fabeln haben oft drollige Namen wie Meister Petz oder Adelheid. Diese sind jedoch keineswegs willkürlich. Jedem Tier ist ein bestimmter Name zugeordnet. Innerhalb der Fabel steht jeder Name beziehungsweise jedes Tier sinnbildlich für bestimmte menschliche Eigenschaften.
Welches Kind liebt es nicht mit einer heißen Schokolade vor dem knisternden Kaminfeuer zu sitzen und den Fabeln zu lauschen, die aus einem großen Buch vorgelesen werden. Und ganz ehrlich, auch viele Erwachsene können sich der Faszination der alten Geschichten nicht entziehen. Zumal die Fabeln häufig mit wunderschönen Bildern illustriert sind. Was aber unterscheidet eine Fabel von anderen Märchen?
Fabelname Reineke - ist der Fuchs wirklich so hinterlistig?imago images / STAR-MEDIA
Der ein oder andere hat vielleicht schon einmal davon geträumt, ein Wildtier als Haustier zu halten. Warum das zumindest beim Wolf keine gute Idee ist, lesen Sie im nächsten Praxistipp.
Die Fabel ist eine Beispielgeschichte. Sie soll eine moralische Lehre oder eine praktische Lebensweisheit verdeutlichen. Es handelt sich zumeist um eine Tierdichtung, die in Vers oder Prosa erzählt wird. Der Begriff dieser kurzen literarischen Gattung leitet sich ab von von lat. fabula = Erzählung. Die Tiere sind mit menschlichen Verhaltensweisen, Lebensverhältnissen und Fähigkeiten ausgestattet. Dabei verkörpert jedes Tier allgemein anerkannte Charaktereigenschaften: Der Fuchs ist zum Beispiel schlau und listig, der Löwe stark und majestätisch, der Bär schwerfällig und gutmütig. Typische Merkmale der Fabel
Von der Antike bis in die Neuzeit folgt der Aufbau der Fabel dem Prinzip der Dreigliederung. Jede Fabel hat eine Einleitung, einen Hauptteil und einen Schluss. 1. Ausgangssituation
2. Konfliktsituation
3. Lösung
(4. Lehrsatz)
Inhalt einer Fabel
Fabeltiere und ihre EigenschaftenDie Figuren einer Fabel sind die Fabeltiere. Dabei steht jedes Tier für bestimmte (menschliche) Eigenschaften. Ein Fuchs ist immer schlau und listig, ein Wolf immer böse, gierig und verlogen. Sobald ein Tier auftritt, weiß der Leser, was ihn erwartet. Die meisten Tiere haben einen, manchmal mehrere, Fabelnamen. Diese haben ihren Ursprung im Germanischen oder Mittelhochdeutschen.
Geschichtliche EntwicklungDie Fabeln des Äsop: Vergnügliche SatireDer griechische Sklave Äsop (620 – 560 v. Chr.) gilt als Begründer der Tierfabel als selbständiger Gattung. Ob er tatsächlich gelebt hat, ist nicht sicher. Angeblich zeichnete er früher entstandene indische und griechische Fabeln auf. In Äsops Fabeln stehen sich häufig zwei Tiere gegenüber. Beliebte Fabeltiere sind der Löwe, der Fuchs, der Rabe, der Esel, der Wolf und der Hase. Sie wurden eingesetzt, um Kritik an Politik und Gesellschaft zu üben. Fabeln waren also mitnichten für Kinder gedacht, sie richteten sich an Erwachsene! Mitunter zielten sie auch nur auf allgemeine menschliche Schwächen. So oder so: Das Volk liebte die leicht verständlichen und vergnüglichen Geschichten. Zur Zeitenwende: Umdichtung der Fabeln zu moralischen LehrstückenUm 50 n. Chr. dichteten Babrius (griechisch) sowie der Römer Phaedrus (lateinisch) die Äsopischen Fabeln um. Von nun an sollten Fabeln weniger unterhalten als belehren. Diese neue Form machte sie über Jahrhunderte hinweg zur beliebten Schullektüre in Europa. Im Mittelalter: Figuren und Motive bleiben gleichIm Mittelalter wurden die Fabeln im deutschsprachigen Raum von dem Stricker (um 1230) sowie von Ulrich Bohner (um 1350) aufgenommen. In Frankreich und Spanien erschien eine Fabelsammlung von Marie de France (um 1180) unter dem Titel »Ysopet« (Kleiner Äsop). Allen gemeinsam war, dass sie die Figuren und die Motive von Äsop weitgehend übernahmen; sie schufen lediglich neue Regeln für die Komposition der Fabel. Blütezeit der Fabel während Reformation und HumanismusZur Zeit der Reformation und des Humanismus im 15. und 16. Jahrhundert erlebte die Fabel eine Blütezeit. Sie wurde individueller und realistischer ausgestaltet und für Kirchenfragen sowie religiöse Erneuerung eingesetzt. Bekannte Fabeldichter jener Zeit waren zum Beispiel Heinrich Steinhöwel (Der Ulmer Aesop, 1476), Sebastian Brant, Martin Luther (Etliche Fabeln aus dem Esopo verdeutscht, 1540) oder Erasmus Albertus (Das Buch von der Tugend und Weisheit, 1550). Dem Schuhmachermeister und Dichter Hans Sachs aus Nürnberg gelang es, mit Fabeln (und anderen literarischen Formen) die Ideen der Reformation dem einfachen Volk verständlich zu machen.
Eine Fabel von Martin Luther: Von der Stadtmaus und der Feldmaus Eine Stadtmaus ging spazieren und kam zu einer Feldmaus. Die tat sich gütlich an Eicheln, Gersten, Nüssen und woran sie konnte.Aber die Stadtmaus sprach: »Was willst du hier in Armut leben! Komm mit mir, ich will dir und mir genug schaffen von allerlei köstlicher Speise.«Die Feldmaus zog mit ihr hin in ein herrlich schönes Haus, darin die Stadtmaus wohnte, und sie gingen in die Kammern, die voll waren von Fleisch, Speck, Würsten, Brot, Käse und allem. Da sprach die Stadtmaus: »Nun iss und sei guter Dinge. Solcher Speise habe ich täglich im Überfluss.«Da kam der Kellner und rumpelte mit den Schlüsseln an der Tür. Die Mäuse erschraken und liefen davon. Die Stadtmaus fand bald ihr Loch, aber die Feldmaus wußte nirgends hin, lief die Wand auf und ab und gab schon ihr Leben verloren.Da der Kellner wieder hinaus war, sprach die Stadtmaus: »Es hat nun keine Not, lass uns guter Dinge sein.«Die Feldmaus antwortete: »Du hast gut reden, du wusstest dein Loch fein zu treffen, derweil bin ich schier vor Angst gestorben. Ich will dir sagen, was meine Meinung ist: Bleib du eine Stadtmaus und friss Würste und Speck, ich will ein armes Feldmäuslein bleiben und meine Eicheln essen. Du bist keinen Augenblick sicher vor dem Kellner, vor den Katzen, vor so vielen Mäusefallen, und das ganze Haus ist dir feind. Von alldem bin ich frei und bin sicher in meinem armen Feldlöchlein.« Wer reich ist, hat viel Sorge. Die Fabeln von La FontaineDer französische Schriftsteller und Fabelautor Jean de La Fontaine (1621 – 1695) gilt in Frankreich als Klassiker. Seine Berühmtheit verdankt er seinen witzig-ironischen und charmanten Tierfabeln. Diese verbinden einen heiteren Plauderton mit Lehrhaftigkeit und bürgerlicher Lebensklugheit. Zu den bis heute beliebten Fabeln gehören die lehrreiche Geschichte »Der Rabe und der Fuchs« oder »Der Löwe und die Maus«. La Fontaines Stil wurde gern von anderen Dichtern übernommen, in England zum Beispiel von John Gay (1685 – 1732). Zeit der Aufklärung: Die Fabel hat ihre HochblüteVertreter der Aufklärung in Deutschland wie Gellert, Hagedorn, Gleim, Herder und andere hinterließen ein reiches Werk an Fabeln. Sie alle orientierten sich am galanten und volkstümlichen Stil von La Fontaine. Gotthold Ephraim Lessing dagegen lehnte die weitschweifige Form der Versfabel ab. Er war in Theorie und Praxis ein Verfechter der knappen Prosaform: geistreich und zugespitzt im Sinne der antiken Rhetorik. Mit Lessing (1729 – 1781) und dem Russen Iwan A. Krylov (1769 – 1844) geht die Hochblüte der Fabel zu Ende. Die Fabel in der Neuzeit: Keine WeiterentwicklungSeit dem 19. Jahrhundert hat sich die Gattung nicht mehr weiterentwickelt. Unter den zahlreichen Fabeldichtern des 19. und 20. Jahrhunderts waren Maria von Ebner-Eschenbach, Wilhelm Busch, Bertolt Brecht und Robert Gernhardt. Keinem der Dichter gelang es jedoch, die Gattung noch einmal aufleben zu lassen. Gero von Wilpert hält dies am ehesten in George Orwells »Farm der Tiere« oder im Comic-Strip »Mickey Mouse« für gegeben. Vielleicht lässt sich auch die Musikfabel »Alfred Jodocus Kwak« des niederländischen Liedermachers Herman van Veen hier einreihen. Überlieferte Fabeln gehören heute zur Kinderliteratur. Abgrenzung zu anderen GenresFabel oder Parabel?Auch eine Parabel (griech. parabole = Nebeneinanderwerfen, Gleichnis) will eine Lehre erteilen. Ihre Botschaft ist aber oft versteckt; sie gibt dem Leser ein Rätsel auf. Dem steht es dann frei, eine Analogie zu seinem eigenen Leben zu finden. Eine Parabel tritt eher selten als eigenständige Form auf. Oft ist sie als Binnenerzählung in ein Drama oder einen epischen Text eingebunden. Ein bekanntes Beispiel ist die »Ringparabel« aus Lessings Drama »Nathan der Weise«. Fabel oder Gleichnis?Wie die Fabel oder die Parabel haben Gleichnisse einen didaktischen Anspruch. Die Lehre ist aber weder offensichtlich, wie bei der Fabel, noch verschlüsselt wie bei der Parabel. Gero von Wilpert, Sachwörterbuch der Literatur, Alfred Kröner Verlag, Stuttgart 2013. Seite veröffentlicht am 01.03.2018. Letzte Aktualisierung am 14.10.2021. Text von Heike Münnich. © Inhaltsangabe.de. |