Kann ein vorliegender Notstand zu Straffreiheit führen? Show Neben der Notwehr, die dann vorliegt, wenn es einen rechtswidrigen Angriff abzuwehren gilt, existiert im Deutschen Recht noch ein weiterer Tatbestand, bei dem ein Mensch straffrei ausgehen kann, obwohl er etwa jemand anderen verletzt: der Notstand. Beide Begriffe werden im alltäglichen Sprachgebrauch irrtümlich häufig synonym verwendet, allerdings sind sie grundsätzlich voneinander abzutrennen. Doch wie genau unterscheiden sich Notstand und Notwehr voneinander? Wie definiert das Strafgesetzbuch (StGB) den rechtfertigenden und den entschuldigenden Notstand? Dies und mehr erfahren Sie im folgenden Ratgeber. Unterscheidung von Notwehr und NotstandDer Notwehr liegt ein direkter rechtwidriger Angriff vor, gegen den sich eine Person zur Wehr setzt. Tritt ein Dritter in einer solchen Situation für das Opfer ein, handelt es sich um die sogenannte Nothilfe. Anders verhält es sich beim Notstand: Ein solcher bezieht sich auf eine abstraktere Gefahr, die nicht von einer Einzelperson ausgeht. Die Abwehrhandlung richtet sich dabei ebensowenig gegen einen Angreifer, sondern auf einen Dritten und dessen Rechtsgüter. Es ist grundsätzlich unerheblich, ob das eigene Rechtsgut oder das eines anderen durch die Tathandlung geschützt werden soll. Um eine entsprechende Gefahrensituation kann es sich etwa im Falle von Naturkatastrophen, Kriegssituationen und allgemein chaotischen Zuständen wie Aufständen handeln. Staat und Regierung können in solchen Ausnahmesituationen den Notstand ausrufen. Neben dieser verfassungsrechtlichen Bedeutung, die auch mit zahlreichen Notstandsgesetzen gekoppelt ist, gibt es noch weitere Dimensionen, etwa den strafrechtlichen und den zivilrechtlichen Notstand. Entschuldigender und rechtfertigender Notstand – Definition nach StGBKommt es bei einer Großveranstaltung zu einer Massenpanik, kann ein Notstand vorliegen.Grundsätzlich beschreibt der Notstand nach StGB eine Situation, in der eine Person sich einer existenziellen Gefahr ausgesetzt sieht. Als die Existenz bedrohende Gefahr kann laut Strafrecht eine solche dann gelten, wenn sie das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit, die Ehre, das Eigentum oder ein anderes Rechtsgut bedroht. Eine etwaige Notstandssituation kann zum Beispiel auch im Rahmen einer Massenpanik entstehen. Um das eigene Leben zu schützen, kann etwa eine einfache Körperverletzung gegen einen Dritten – um sich nicht überrennen zu lassen – gerechtfertigt sein, wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben sind. Um eine solch unmittelbare Gefahr abzuwehren, ist es mitunter notwendig, anderer Leute Rechtsgüter zu verletzen – also im Grunde selbst rechtswidrig zu handeln. Für entsprechende Handlungen kann der Täter dann jedoch straffrei ausgehen, wenn einige grundlegende Voraussetzungen erfüllt sind. Zu unterscheiden sind dabei rechtfertigender Notstand nach § 34 StGB und entschuldigender Notstand nach § 35 StGB. Rechtfertigender Notstand nach § 34 StGBDamit der Verweis auf einen Notstand als Rechtfertigungsgrund für die Verletzung anderer Rechtsgüter erfolgreich ist, sind vier Aspekte von besonderer Bedeutung:
Entschuldigender Notstand nach § 35 StGBNach StGB (§§ 34 und 35) kann ein Notstand Rechtfertigungs- oder Entschudligungsgrund sein.Neben dem rechtfertigenden existiert im Strafrecht auch der entschuldigende Notstand. Bei diesem bleibt die ausgeübte Handlung grundlegend rechtswidrig. Dennoch kann bei objektiv nachvollziehbarem Entschuldigungsgrund von einer Bestrafung abgesehen werden. Wichtig ist die Wortbedeutung des Begriffs „Entschuldigung“: Es handelt sich hierbei buchstäblich um die Befreiung von Schuld. Der entschuldigende Notstand begründet die Straffreiheit eines rechtswidrig Handelnden also damit, dass er die Tat ohne Schuld verübte:
Eine solche Entschuldigungsgrundlage kann jedoch auch eingeschränkt werden – komplette Schuldfreiheit ist dann nicht mehr gegeben. Hierbei wird dann in der Regel von der strafrechtlichen Verfolgung der rechtswidrigen Handlung nicht abgesehen, mitunter kann die Strafe jedoch abgemildert werden. Folgende Einschränkungen sind möglich:
Zivilrechtliche Definition von NotstandIm BGB (§§ 228 und 904) finden sich auch zivilrechtliche Regelungen zum Notstand.Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) finden sich zwei weitere Formen des Notstands: defensiver und aggressiver Notstand. Anders als im Strafrecht handelt es sich bei der zivilrechtlichen Behandlung der Notstandschaft um Handlungen gegen Sachgegenstände Dritter, also ausschließlich gerichtet auf das Rechtsgut „Eigentum“ von anderen Personen. Ein vorhandener Notstand kann demnach auch bei einer Sachbeschädigung Straffreiheit begründen, sofern die Handlung verhältnismäßig, angemessen und geeignet ist, die vorliegende Gefahrensituation abzuwenden. Defensiver Notstand nach § 228 BGBBeim Defensivnotstand geht die Gefahr von dem Gegenstand aus, gegen den sich die Abwehrhandlung richtet. Ein nahender Schaden für die abwehrende Person ist dabei wahrscheinlich. Wer in einem solchen Notstand das fremde Eigentum zerstört, um die drohende Gefahr zu beseitigen, dabei verhältnismäßig und angemessen agiert, handelt nach § 228 Satz 1 BGB nicht rechtswidrig. Hat der Handelnde jedoch die Gefahr selbst zu verantworten, so kann er zumindest für Schadensersatzleistungen in Haftung genommen werden (§ 228 Satz 2 BGB). Aggressiver Notstand nach § 904 BGBBeim Aggressivnotstand kann nur eine gegenwärtige, nicht nur eine drohende Gefahr den Notstand begründen. Dabei darf sich die handelnde Person des Eigentums eines Dritten bedienen, um die Gefahr abzuwehren. Der Eigentümer der zu Hilfe genommenen Sache muss die Nutzung seines Besitzes trotz drohenden Schadens für das Sachgut dulden (§ 940 Satz 1 BGB). Der Aggressivnotstand ist nur dann begründet, wenn der eingesetzte Gegenstand tatsächlich unter objektiven Gesichtspunkten geeignet und angemessen war, die Gefahr abzuwenden. Zudem darf der Schaden an dem Fremdeigentum nicht unverhältnismäßig sein. |