Stand: 06.05.2022, 11:58 Uhr Show Die US-Zentralbank hat ihre Zinsen erhöht, die Europäische Zentralbank könnte bald nachziehen. Das Ziel ist klar: Die Inflation soll bekämpft werden. Welche Folgen hat das fürs Bauen und Sparen?
Was kann man gegen steigende Preise unternehmen? Die Lösung der Volkswirtschaftslehre lautet Zinserhöhungen. Vereinfacht gesagt: Höhere Zinsen sorgen für geringeren Konsum und ein langsameres Wirtschaftswachstum und somit auch für eine fallende Inflation. Aus diesem Grund hat die US-Notenbank Fed vorgestern angekündigt, ihren Leitzins um 0,5 Prozentpunkte zu erhöhen. Nicht nur die Butterpreise steigen | Bildquelle: WDRNicht nur in den USA, auch in Europa wächst die Inflation rasant. In Deutschland waren im April 2022 Waren und Dienstleistungen im Schnitt 7,4 Prozent teurer als im Vorjahr - der höchste Wert seit der Wiedervereinigung. Durch die Entscheidung der Fed gerät nun die Europäische Zentralbank (EZB) unter Druck. Das sei ein "Signal für die EZB, auch hier das Inflationsproblem anzugehen", sagte Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DeKaBank, der ARD.
Baldige EZB-Zinserhöhung scheint wahrscheinlichTatsächlich liegt der Leitzins der 19 Euro-Länder seit rund sechs Jahren bei null Prozent. Das könnte sich bald ändern. So hält EZB-Direktorin Isabel Schnabel eine Zinserhöhung im Juli für möglich. Der Chef der Österreichischen Nationalbank Robert Holzmann geht sogar von Juni aus. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, geht von einer Anhebung des EZB-Leitzinses nach den Sommerferien aus. Auswirkungen für Sparer und HausbauerWer plant, ein Haus zu bauen oder eine Wohnung zu kaufen, befindet sich derzeit in einer ungünstigen Lage. Ende 2021 lag der Durchschnittszins für Hypothekenkredite bei 0,9 Prozent, inzwischen ist er laut der FHM Finanzberatung schon auf 2,6 Prozent gestiegen. Und die Tendenz dürfte bei steigenden Zentralbank-Zinsen weiter nach oben weisen. Der Tipp von Hendrik Buhrs vom Geldratgeber "Finanztip" lautet daher: Wer bauen will, sollte nicht zögern, sondern sich möglichst schnell um eine Finanzierung kümmern.
Download Für Sparer hätte ein Zinsanstieg bei der Zentralbank erst einmal positive Folgen. Hendrik Buhrs geht davon aus, dass "die Zeit der Negativzinsen bald zu Ende geht, genauso wie die der Mini-Zinsen". ARD-Börsenexpertin Anja Kohl sieht das ähnlich: "Die Sparzinsen werden steigen - aber nur ein bisschen", sagte sie dem WDR. Sie geht - "wenn überhaupt" - von einer Steigerung auf 0,5 Prozent aus. Das Problem dabei: Die Inflationsrate von über sieben Prozent fresse diesen Anstieg direkt wieder auf. "Am Ende verliert man immer noch Geld, wenn man sein Geld auf das Sparbuch packt", so Kohl. "Hohe Teuerung wird länger bleiben, als uns lieb ist"Wie groß der Effekt der steigenden Zinsen auf die Inflationsrate ist, hängt von vielen Faktoren ab: Wie geht es im Ukraine-Krieg weiter? Was passiert mit den Rohstoffpreisen? ARD-Wirtschaftsredakteur Volker Hirth glaubt: "Nur weil das Geld nicht mehr so billig zu haben ist, werden die Gas- und Ölpreise bestimmt nicht gesenkt." Der Ökonom Michael Peters sieht das ähnlich. "Eine Inflation, die durch einen Angebotsschock, also den Krieg in der Ukraine entstanden ist, kann die EZB nicht wirklich einfangen", sagte er dem WDR. Auch Wirtschaftswissenschaftler Thomas Straubhaar von der Universität Hamburg befürchtet: "Die hohe Teuerung wird länger bleiben, als uns allen lieb ist."
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Der Leitzins – die wichtigsten Fakten
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Die Zinsen sind niedrig. Das wissen viele von uns, weil sie in den vergangenen Jahren günstig an eine Finanzierung für ihr Haus gekommen sind. Super Sache also dieser niedrige Leitzins, oder? Das sehen diejenigen, die sich mithilfe von Zinseinkünften ein Vermögen aufbauen wollten – etwa über das Spar- oder Tagesgeldkonto – jedoch anders. Klassische Geldanlagen erzielen nämlich aufgrund des niedrigen Zinses nur noch wenig Rendite. Aber wie passt das alles zusammen? Dazu müssen wir zunächst verstehen, was der Leitzins eigentlich ist.
Wie bereits erwähnt, ist der Leitzins im Grunde ein geldpolitisches Steuerungselement. Er soll zu großen Preisschwankungen in einem Wirtschaftssystem entgegenwirken. Das heißt: Preise sollen nicht dauerhaft zu stark sinken oder steigen. Warum? Wenn sich die Preise aller Güter beispielsweise kontinuierlich erhöhen würden – zum Beispiel, weil die Nachfrage höher ist als das Angebot – hieße das, dass wir für das gleiche Geld immer weniger kaufen könnten. Das nennt man dann Inflation . Wenn gleichzeitig die Gehälter jedoch nicht ebenfalls steigen, gibt es schnell ein Problem: Wir haben nicht mehr genug Geld, um unseren Lebensunterhalt zu bestreiten und machen Schulden. Für die Gesamtwirtschaft eines Landes bedeutet das: Haben alle Menschen nur noch wenig oder gar kein Geld mehr, bricht die Wirtschaft langsam ein: Unternehmen verlieren Aufträge und somit Geld. Sie müssen sich von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern trennen oder sogar schließen. Das führt dazu, dass noch weitere Menschen weniger Geld haben als zuvor. Ein Abwärtstrend, der sich nur schwer aufhalten lässt. Durch die Anpassung des Leitzinses kann eine Zentralbank Entwicklungen wie diese verhindern. Senkt sie beispielsweise den Zins frühzeitig und macht Geld günstiger verfügbar, bleiben Sparkassen und Banken als auch die Menschen liquide. Sie geben weiterhin Geld aus und halten die Wirtschaft damit am Laufen.
Der aktuell historisch niedrige Leitzins hat seinen Ursprung in der weltweiten Finanzkrise ab 2008 und die damit zusammenhängende Schuldenkrise im Euroraum. Die EZB senkte den Leitzins ab, um vor allem verschuldeten EU-Staaten die Möglichkeit zu geben, ihre schwache Wirtschaft über günstige Kredite anzukurbeln. An dieser Geldpolitik hält die EZB bis heute fest. Seit 2008 sank der Leitzinssatz von 4,25 Prozent auf inzwischen 0 Prozent. Der sogenannte Einlagensatz, den Sparkassen und Banken zahlen, wenn sie eigene Gelder bei der Notenbank parken, liegt derzeit sogar bei minus 0,5 Prozent. Das bedeutet, dass Strafzinsen fällig werden, sobald Sparkassen und Banken Geld bei der EZB einlagern.
Es ist schwer einzuschätzen, ob und wann die Europäische Zentralbank die Zinsen wieder erhöht. Sie äußert sich regelmäßig zu ihrer Geldpolitik und gibt einen Ausblick über die kommenden Monate. Derzeit ist nicht davon auszugehen, dass sich kurz- oder mittelfristig etwas ändert. Die EZB wird wohl weiterhin als ihrer Geldpolitik festhalten, um das Wirtschaftswachstum im Euroraum anzukurbeln.
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