Unterschied zwischen pflegeverständnis und berufsverständnis

Demographische Veränderungen verlangen eine zunehmende Verstärkung eines auf „care“ ausgerichteten Handelns. Für beruflich Pflegende ergeben sich daraus Professionalisierungsnotwendigkeiten und Professionalisierungschancen, verbunden mit einer selbständigeren Arbeitsweise und einem klareren und eindeutigeren beruflichen Selbstverständnis, ebenso wie mit einer Neuausrichtung der Pflege. Das berufliche Selbstkonzept wird in Zusammenhang mit Berufszufriedenheit und Berufsverbleib gesetzt, dabei spielt auch der professionelle Status, also die Wichtigkeit und Bedeutung, die sowohl Pflegepersonen ihrem eigenen Beruf zuordnen, als auch dem Pflegeberuf von außen und von anderen zugeordnet wird, eine Rolle. Image- und Anerkennungsdefizite des Pflegeberufes begünstigen Rekrutierungsprobleme von qualifizierten BerufsinteressentInnen, die steigenden Berufsansprüchen und Verantwortungsbereichen begegnen können, ebenso wie vermehrte Berufsausscheide und eine kurze Verweildauer im Beruf. Beruflich Pflegende können Akteurinnen sein, die die Befähigung haben, die Entwicklung ihres Berufes selbständig zu beeinflussen, unter der Voraussetzung, ein professionelles Selbstverständnis zu realisieren und entsprechendes professionelles pflegerisches Handeln und Verhalten zu repräsentieren. Ziel der vorliegenden Arbeit ist, einen pflegewissenschaftlichen Beitrag zum Verständnis des beruflichen Selbstverständnisses von Pflegepersonen, zu leisten. Dieser Einblick soll im Zusammenhang mit subjektorientierten und kompetenzorientierten Professionalisierungsansätzen auf der Mikroebene klären, welchen Einfluss das berufliche Selbstverständnis, auf weitere Professionalisierungsprozesse der Gesundheits- und Krankenpflege in Österreich, haben kann. Es wurde eine integrative Literaturanalyse, eine spezielle Übersichtsmethode, in der bisherige empirische und theoretische Literatur eines Interessensgebietes zusammengefasst wird, durchgeführt. Das berufliche Selbstverständnis wird innerhalb der beruflichen Selbstdeutung bestimmt von der Innensicht der Berufsangehörigen, diese steht in Wechselwirkung mit der Außensicht der Gesellschaft. Haltungen und Einstellungen von Pflegepersonen werden nach außen hin sichtbar und nachvollziehbar in Handlungen und in der Selbstdarstellung von Berufsangehörigen; es wird von einer Innenseite und Außenseite von Handlungen gesprochen. Das berufliche Selbstverständnis von Pflegepersonen baut auf den Elementen Berufsverständnis und Pflegeverständnis auf. Weitere Einflussfaktoren auf das Selbstverständnis sind geschichtliche Bedingungen des Pflegeberufes, Berufsmotivation von BerufsinteressentInnen, die Ausgestaltung der beruflichen Sozialisation, ebenso wie differenzierte Ausprägungen des Selbstverständnisses von Pflegepersonen, dessen Heterogenität sich, sowohl auf Berufsauffassungen, als auch auf das Pflegeverständnis bezieht. Das berufliche Selbstverständnis von Pflegepersonen polarisiert zwischen traditioneller und professioneller Einstellung und selbständiger und unselbständiger Orientierung mit entsprechenden Verhaltensmustern und Handlungs- und Entscheidungskompetenzen. Die Entwicklung eines professionellen, einheitlichen, der Diffusität enthobenen und reflektierten Selbstverständnisses von Pflegepersonen, mit einem sichtbaren und nachvollziehbaren Kompetenzbeweis, trägt wesentlich zu einem Fortschreiten des Professionalisierungs- und Berufsentwicklungsprozesses der Gesundheits- und Krankenpflege in Österreich bei. Demographic changes are necessitating increasing emphases on care-oriented activities. For nurses, this creates opportunities for professionalisation as well as the necessity for professional development, combined with a more autonomous way of working and a clearer, more pronounced professional self-concept, as well as the reorientation of care. Professional self-concept is closely linked with job satisfaction and retention, which are influenced by the professional status in its relation to the importance and significance which caregivers attribute to their own profession, as well as how such status is attributed to the nursing care profession by others. Image and recognition deficits within the nursing care profession can cause difficulties in the recruitment of qualified job applicants, who can face increasing professional demands and areas of responsibility, as well as higher numbers of caregivers leaving the profession and short retention periods. Nurses can function as agents who possess the ability to influence the development of their profession in an independent manner, provided that they develop a pronounced professional self-concept and embody the corresponding professional care-centred actions and behaviour. The aim of this study is to provide a contribution to the understanding of the professional self-concept of nurses from the perspective of nursing science. This insight is intended, in connection with subject-oriented and competency-based professionalisation approaches at the micro level, to clarify the impact that the professional self-concept of nurses can have on further professionalisation processes of nursing in Austria. An integrative review was conducted to summarise past empirical and theoretical literature and to provide a comprehensive understanding of the problem. Professional self-concept is determined in the context of professional self-interpretation by the inner view of professionals which is interacting with the exterior view of society. The attitudes of caregivers are externally visible and recognizable by their actions and their self-expression; one speaks of the internal and external aspects of actions. The professional self-concept of nurses is based on the elements of the concept of profession and the concept of nursing. Other factors of influence of the professional self-concept of nurses include historical conditions, the career motivation of applicants to the profession, the organisation of professional socialisation, as well as differentiated and heterogeneous forms of care-givers’ self-understanding determined by their professional self-image and their concept of nursing. The professional self-concept of nurses stands polarised between traditional and professional attitudes and independent and non-independent orientation, with associated behavioural patterns and the action and decision-making authority of nurses. The development of a professional, homogeneous self-concept of nurses that is grounded in self-reflection and is less diffuse, accompanied by a visible and transparent demonstration of nursing competence, contributes significantly to progress in the professionalisation process of nursing in Austria.

Unterschied zwischen pflegeverständnis und berufsverständnis
(C) veerapong

Die alltägliche fachkompetente Berufsausübung hängt mit der eigenen beruflichen Identität und dem beruflichen Selbstverständnis zusammen und sind Grundlage für fachkompetentes pflegerisches Handeln. In diesem Artikel sollen die einzelnen Aspekte beleuchtet und weiterführende Entwicklungen aufgezeigt werden.

Einführung

In den derzeitigen „Pflege-Diskussionen“, sei es in der Politik oder bei Versorgungsfragen wird in der Regel kein Unterschied zwischen der mitmenschlichen Tätigkeit „pflegen“ und „Pflege als Beruf“ gemacht. Damit wird nicht deutlich, dass der Unterstützungs-, Hilfe- und Pflegebedarf je nach Komplexität der Pflegesituation sehr verschieden sein kann und die jeweils notwendige Qualifikation der Person bestimmt, die dafür gebraucht wird. Deshalb soll in diesem Artikel die Ausübung professioneller Pflege in den Mittelpunkt werden und die Angehörigen der Berufsgruppe Pflege anregen, sich mit ihrem beruflichen Kontext auseinanderzusetzen und sich der spezifischen fachlichen Kompetenzen bewusst zu werden, um diese selbstbewusst zu vertreten.

Dass Pflege ein sehr vielfältiger Beruf ist, ist vielen bewusst. Im pflegerischen Berufsalltag wird sie in ihrer Dimension in den Versorgungsstrukturen nicht ausreichend wahrgenommen und ganz selbstverständlich auf allen Ebenen in ihrer Expertise einbezogen.

Berufliches Selbstverständnis

Der Berufsordnung des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe (DBfK) ist zu entnehmen, dass pflegerische Versorgung, Gesundheitsberatung und Gesundheitserziehung (Gesundheitsförderung und Prävention) elementare Bausteine einer jeden Gesellschaft sind. „Jeder hat ein Anrecht auf professionelle Pflege und muss von unsachgemäßer Pflege geschützt werden. […] Zur Sicherstellung des gesellschaftlichen Auftrags professioneller Pflege gehört die Förderung von qualitativ hochstehender Pflege im Bereich der Praxis, der Bildung, des Managements und der Pflegewissenschaften.“

In „Pflege neu denken – zur Zukunft der Pflegeausbildung“ ist im Bericht der Robert-Bosch-Stiftung von 2000 zu lesen, dass bis zum Jahr 2020 zukunftsweisende Veränderungen im Ausbildungsgeschehen der Pflegerufe eingehen müssen, da das Pflegeverständnis und das berufliche Selbstverständnis sich verändert habe. Der Pflegebedarf sei nicht mehr vorrangig an ärztliche Assistenz und an der Ausführung ärztlicher Anordnungen auszurichten, sondern an komplexen Pflegesituationen. Außerdem, dass die Ausbildung häufig nicht den derzeitigen Anforderungen an Fachlichkeit und Qualität entspricht und Erkenntnisse der Pflegeforschung zu wenig in die Ausbildung einfließen. (Robert-Bosch-Stiftung: Pflege neu denken – Zur Zukunft der Pflegeausbildung, Seite 10)

Vor diesem Hintergrund und um die Pflege weiterzuentwickeln hat die Expertengruppe der Robert-Bosch-Stiftung (ebda. S. 52 ff) Qualitätsstufen hinsichtlich der Bildung in der Pflege erarbeitet, die sich je nach Qualifikation an komplexeren oder weniger komplexen Aufgaben orientieren und umfassend die Qualität der Pflege sichern sollen. Pflegeexperten sind ein Baustein.

(Abb. 1).

Unterschied zwischen pflegeverständnis und berufsverständnis
Abbildung 1: Qualitätsstufen der Pflege

Durch Bildungsdurchlässigkeit zwischen den einzelnen Stufen wird eine höhere Flexibilität der Einsatzmöglichkeiten von Pflegefachpersonen bzw. Pflegeexperten erreicht, was zur besseren Qualität in der Ausübung der Pflege beiträgt.

Wenn als Ausgangspunkt in diesem Zusammenhang festgehalten wird, dass die Berufstätigkeit auf einer spezifischen Ausbildung (Studium) beruht, die einen größeren Zeitraum umfasst und auf fundiertem theoretischem und wissenschaftlich begründetem Wissen basiert, muss die berufliche Pflegebildung grundsätzlich überdacht und an internationale Standards angeglichen werden. Die Ausübung professioneller Pflege muss am öffentlichen Wohl und an der Allgemeinheit ausgerichtet sein und benötigt zum fachkompetenten Handeln weitgehende Gestaltungs- und Entscheidungsfreiheit, das bedeutet Eigenverantwortlich zu Handeln.

Professionelles Handeln zeigt sich vor allem in einem umfassenden Fallverstehen, das die Bedürfnisse des einzelnen hilfebedürftigen Menschen, seiner Bezugspersonen und seinem sozialen Umfeld einbezieht und auf wissenschaftlichen und theoretischen pflegefachlichen Grundlagen erfolgt. Professionelles Handeln zeigt sich in der Bereitschaft, Beziehungen aufzubauen, sich in Entwicklungsprozesse zu begeben und von anderen zu lernen, gleich ob von Kolleginnen, anderen Berufsgruppen, von Pflege- und Hilfebedürftigen oder von Angehörigen. Patientenorientierte Pflege gestaltet Pflegesituationen und Arbeitsabläufe so, dass die einzelne auf professionelle Pflege angewiesene Person in ihrem sozialen Kontext davon profitieren kann und in ihrer Weiterentwicklung angeregt und unterstützt wird.

Identität

„Berufliche Identität und Engagement sind schwer voneinander zu trennen, weil beide die Art und Weise abbilden, wie sich der/die Einzelne auf seine Arbeit bezieht und wie er/sie subjektiv seine/ihre Arbeitsprozesse erlebt. Deshalb sind berufliche Identität und das berufliche Engagement in ihrer Ausprägung von zahlreichen individuellen und gesellschaftlichen Faktoren abhängig. Berufliche Identität kann demzufolge nur das Ergebnis eines Entwicklungsprozesses sein, der mit der Entstehung von beruflichen Kompetenzen und dem Festigen der beruflichen Rolle eng verknüpft und nicht voneinander zu trennen ist. Pflegerisch-berufliche Identitätsentwicklung verläuft im Spannungsfeld zwischen Selbstverwirklichung und den Anforderungen der Gesellschaft, aber auch im Finden und Bilden eigener Wertmaßstäbe. Dabei spielt die Balance der personalen und sozialen Dimension von Identität ebenso eine Rolle wie das Einbringen von Interessen und Bedürfnissen.“ (Schädle-Deininger, Wegmüller S. 28 ff.)

Zur eigenen Identitätsbildung gehören unterschiedliche Elemente, die immer wieder reflektiert werden müssen, da diese das Erleben und Verhalten sowie das Handeln bestimmen. Durch Überprüfung der Selbstwahrnehmung und Selbstbewertung sowie der Rückmeldung von anderen Personen wird der Prozess in Gang gehalten. Identität und das eigene Selbstkonzept zeigen sich in Einstellungen, Haltungen und in der Echtheit von Gefühlen und Verhalten. Das wiederum kommt im Selbstwertgefühl zum Tragen, das auf Akzeptanz der eigenen Person, Selbstachtung, Zufriedenheit, Sinnhaftigkeit, Autonomie, Unabhängigkeit und Wohlbefinden beruht. Ein weiterer Baustein von Identität ist die Bedeutung des subjektiven Erlebens sowie eine kontinuierliche Realitätsüberprüfung. 

Schlüsselqualifikationen und Kompetenzen

Berufliche Identität, Kompetenzen und Schlüsselqualifikationen sind eng miteinander verwoben. Schlüsselqualifikationen dienen dazu, Fähigkeiten und Fertigkeiten zu entwickeln durch die Vermittlung breit angelegter und vernetzter Inhalte. Schlüsselqualifikationen unterstützen und erweitern die berufliche Handlungs- und Problemlösungsfähigkeit ebenso sowie die Kooperations- und Beteiligungsfähigkeit. Es geht dabei weniger um eng umgrenzte spezialisierte Kenntnisse, sondern um die Möglichkeiten einer umfassenden Kompetenzentwicklung. Die Entwicklung von Kompetenzen bezieht sich nicht nur auf das fachliche Expertentum, sondern bindet die sozialen, personalen und methodischen Fähigkeiten mit ein, um sich in beruflichen Situationen handelnd auseinanderzusetzen und Prozesse gestalten zu können. Das erfordert vorrangig beispielsweise ein Denken in Kontexten, eine handlungs- und problemorientierte Vorgehensweise sowie eine Bereitschaft zur ständigen Weiterentwicklung und Wissenserweiterung. Regelmäßiges Reflektieren mit unterschiedlichen methodischen Ansätzen erweitern die Erfahrung und Flexibilität.

Handlungskompetenz

Handlungskompetenz steht für die Anwendung und den Transfer von fachlichem Wissen in tägliches praktisches Handeln. Engagierte und qualitativ gute Berufsausübung ist verbunden an berufliche Autonomie, an ständiger Verbesserung durch Erkenntnisse sowohl in der Praxis als auch auf wissenschaftlicher Ebene, Reflexion, Flexibilität, Fähigkeit zur Kommunikation und Zusammenarbeit, zum kreativen Denken und zur Entwicklung einer klaren Grundhaltung. Eine Grundhaltung, die den einzelnen Menschen als Ganzes wahrnimmt, respektiert und auch bereit ist, das eigene Menschenbild und die Berufsausübung zu überprüfen und zu reflektieren, ermöglicht ethisches und fachliches Handeln.

Die Fähigkeit zur Selbstreflexion, zur kritischen Auseinandersetzung, zur Kooperation, Koordination, Kommunikation und Kontinuität in der täglichen Arbeit ist dabei genauso entscheidend wie die Befähigung hypothetisch zu denken. Theoretische Ansätze einzubeziehen und in Handeln umzusetzen, pflegerische Probleme zu identifizieren, zu analysieren.

Die Selbstbestimmtheit und Autonomie des einzelnen auf Pflege angewiesenen Menschen zu fördern, haben zentrale Bedeutung. Krisen- und Konfliktmanagement im Umgang mit Patienten/Klienten, Angehörigen, Kollegen, anderen Berufsgruppen und Institutionen gehören zu einer fachlich qualifizierten Arbeitsweise ebenso wie die Mitwirkung an der Gesamtbehandlung der Patient*innen und die Fähigkeit zur Teamarbeit. Die Berücksichtigung von ökonomischen und ökologischen Aspekten sollte selbstverständlicher Bestandteil beruflichen Handelns sein.

Gesundheitsförderung und Prävention, Beratung und Vorbeugemaßnahmen, das Kennen der Versorgungsstrukturen sind elementare Grundlagen. Die Mitwirkung an der Entwicklung des Berufsbildes und Wissen über jeweils aktuelle gesundheitspolitische und sozialpolitische Rahmenbedingungen erleichtern dem Einzelnen Inhalte und Fortschritt in der Pflege mit zu beeinflussen. Der Einblick   in aktuelle Themen der Pflege, die Mitarbeit in Gremien, Arbeitsgruppen und der Besuch von Fort- und Weiterbildungen sind weitere Bestandteile der Aktualisierung des Wissens.

Die pflegerische Handlungskompetenz umfasst sechs Kompetenzfelder: kognitive, sprachlich-kommunikative, soziale, psychomotorische und emotionale Kompetenz sowie moralisches Bewusstsein. Pflegerisches Handeln beruht immer auf Wert- und Normvorstellungen, die jedoch nicht immer explizit reflektiert werden. Aktiv-ethisches Handeln kann als ein bewusstes, reflektiertes und aktives Umgehen mit ethischen Werten, die für den Patienten bedeutsam sind, bezeichnet werden.

„Nach Wittneben (1999) macht sich berufliche Handlungskompetenz in folgenden, eng miteinander verwobenen Bereichen fest. Methodenkompetenz, Selbstkompetenz, Fach-, Sach- und Personenkompetenz, was u.a. die Fähigkeit zur Selbstreflexion, werteinsichtigem Verhalten und gezieltem methodischen Vorgehen einschließt, ebenso wie Urteilsfähigkeit und Kooperationsbereitschaft. Des Weiteren gehört die kognitive Kompetenz zur Handlungskompetenz, also die Fähigkeit, hypothetisch zu denken und theoretische Ansätze in Handeln umzusetzen bzw. einzubeziehen. Neben anderem das pflegerische Hier und Jetzt dem Möglichen, den Pflegezielen im Pflegeprozess unterzuordnen, sowie pflegerische Probleme zu identifizieren und zu analysieren. Sprachlich-kommunikative Kompetenz ist die Fähigkeit zu einer sprachlichen Kommunikation im Mittelpunkt, die das fachliche Handeln begründet, außerdem die Richtigkeit von Handlungsnormen oder Regeln auf deren Gültigkeit bezieht und überprüft, also die argumentative Auseinandersetzung. Soziale Kompetenz, generalisiertes Rollenhandeln kann als Fähigkeit zur Koordination, Kooperation und Kommunikation bezeichnet werden, d.h., dass der Pflegende sich in einem ständigen Entwicklungsprozess befindet, in dem er die eigenen Handlungen sowie die Bedeutung einer soziale Situation von unterschiedlichen Standpunkten sehen und bewerten kann. Die moralische Kompetenz ist postkonventionelles moralisches Bewusstsein, in dem das Individuum seine Werte im Rahmen selbstgewählter Prinzipien definiert, z. B. Gerechtigkeit, Freiheit, Gleichheit und der unantastbaren Würde des Menschen oder der Fürsorge. Psychomotorische Kompetenz ist die Fähigkeit, sich automatisch oder gewohnheitsmäßig zu bewegen. Psychomotorische Fähigkeiten werden unterteilt in Konditions- und Koordinationsfähigkeiten. Zu den Konditionsfähigkeiten zählen Kraft und Ausdauer, zu den Koordinationsfähigkeiten Rhythmus, Gleichgewicht, Orientierung und Flexibilität. Emotionale Kompetenz beinhaltet im Wesentlichen die Fähigkeit zur Empathie, sich in den Anderen und in dessen Rolle zu versetzen, sich einfühlen zu können, was in keinem personenbezogenen Dienstleistungsbereich fehlen darf und das Abwägen zwischen Nähe und Distanz erleichtern kann.“ (Schädle-Deininger; Wegmüller S. 30 ff.)

Im Alltag ermöglicht die Handlungskompetenz angemessenes Tun an einem bestimmten Arbeitsplatz in einer bestimmten Situation. Das bedeutet, das benötigte Fachwissen sowie die Fähigkeit festgelegte Handhabungen oder bestimmte Wege des Vorgehens bzw. Arbeitsweisen durch Entscheidungs- und Problemlösungsfähigkeit, aber auch durch vernetztes und umfassendes Denken anzuwenden.

Professionelle Pflege

Wenn die Pflege künftig durch professionelle Eigenständigkeit und berufliche Identität gekennzeichnet sein will, müssen einige zentralen Punkte überdacht, verändert und weiterentwickelt werden.

Dazu gehört eine klare Differenzierung unterschiedlicher Ebenen, in denen die Tätigkeit Pflege praktiziert wird, aber auch eine klare Entscheidung, wie Pflegebildung in Zukunft aussehen soll. Die Bedarfe hinsichtlich Qualifikationsniveaus müssen breit diskutiert werden, zur Anregung soll Abb. 2 dienen (vgl. Schädle-Deininger; Wegmüller Seite 710 [kleine Veränderungen und Ergänzungen durch Schädle-Deininger]).

Unterschied zwischen pflegeverständnis und berufsverständnis

Abbildung 2 Mögliche Bildungsdurchlässigkeit und pflegerische Qualifikationsbedarfe

Ganz allgemein bedeutet „pflegen“ die Fähigkeit der Sorge um das Wohlbefinden und das menschliche Leben und ist in diesem Wortsinn eine mitmenschliche Tätigkeit in unterschiedlichem individuellem Befinden und persönlichen Lagen. Pflege als Beruf: benötigt die bereits erwähnten Faktoren wie eine menschlich-ethische Grundlage, fachliche, personale, soziale, methodische und personale Kompetenzen für das jeweilige Tätigkeitsspektrum sowie allgemeines und spezifisches Fachwissen auf dem neusten wissenschaftlichen Forschungsstand.

Das würde dann bedeuten, dass die Komplexität der Pflegesituation ausschlaggebend ist, wer mit welchem Qualifikationsgrad tätig wird. Aus meiner Sicht ist dabei zu vermeiden, dass eine Pflegesituation zersplittert wird, das bedeutet, dass in einer vielschichtigen und komplizierten Pflegesituation von der Fachpflegekraft (Pflegeexpertin) umfängliche pflegerische Aufgaben und Tätigkeiten übernommen werden, die zum Ziel haben einen Menschen umfassend (ganzheitlich) zu pflegen, damit personenorientierte Kontinuität möglich ist.

Die Aufgabe professioneller Pflege ist es unter anderem therapeutisch wirksam zu sein. Dazu gehört, dass Pflegende eine humanistische Grundhaltung einnehmen, kontinuierlich ihr Tun reflektierend überprüfen und sich ihrer (therapeutischen) Wirkfaktoren bewusst sind. Dazu gehört neben den pflegerischen Inhalten und Erkenntnissen das Wissen um das Einsetzen spezifischer Methoden und die Bedeutung wie Beziehungen gestaltet werden. Selbstfürsorge und Kenntnisse von Übertragung und Gegenübertragen sind im Zusammenhang der eigenen Gefühle und Befindlichkeit zentraler Aspekt im Alltag des pflegerischen Handelns. Diese Inhalte müssen ganz selbstverständlich Gegenstand und Inhalte von Aus-, Fort- und Weiterbildungen bzw. Studiengänge der Pflege sein. Die nachfolgende Tab. 3 soll dies verdeutlichen. Dort werden allgemein pflegerische Zugangswege zum Patienten mit psychotherapeutischen Wirkfaktoren vergleichen.

Unterschied zwischen pflegeverständnis und berufsverständnis
Quelle: Schädle-Deininger (eigene Darstellung) in Anlehnung Schädle-Deininger/ Villinger 1996

Abbildung 3: Vergleich der pflegerischen Zugangswege mit psychotherapeutischen Wirkfaktoren

Wenn sich professionell Pflegende bewusst sind, welche eigenständigen theoretischen Grundlagen sie zur Verfügung haben und wo sie Zusammenhänge mit anderen Erkenntnissen verbinden lassen, wird der Beruf wieder mehr Selbstbewusstsein entwickeln und attraktiver werden.

Wir Pflegende müssen darauf drängen, dass Aufgaben und Konzepte sich an dem ausrichten, was der einzelne erkrankte Mensch und sein soziales Umfeld brauchen, um fachliche Grundlagen und pflegerische Instrumente gezielt und flexibel einzusetzen. Es gilt aber auch gemeinsam solidarisch zu handeln und entsprechend aufzuklären.

Dass wirtschaftlich und ökonomisch gearbeitet werden muss, ist keine Frage. Trotzdem sei an dieser Stelle erlaubt, die Frage zu stellen, ob ein Gesundheits- und Sozialwesen überhaupt mit privatwirtschaftlichen Mittel zu steuern ist. Eine Individualisierung von Leid, Krankheit und Soziales kann keine Lösung sein.

Nur so viel: Pflege muss (berufs-)politisch Handeln, das heißt: sich informieren, reflektieren und Standpunkt einnehmen, gleich ob es sich um aktuelle Gesetzgebung und Reformen im Gesundheitsbereich handelt oder um sozialpolitische Veränderungen. Pflegende müssen sich der individuellen und berufspolitischen Verpflichtung bewusst sein, das bedeutet hinsichtlich ihrer ethisch-moralischen und bürgerlichen Verantwortung aktiv Stellung beziehen und in Gremien und Gruppen aktiv mitarbeiten.

Politische Fragmente

Professionelle Pflege ist abhängig von politischen Strömungen und die immer noch aktuellen Argumentationen ziehen sich schon seit Jahren durch das Gesundheitswesen. Die Meldungen in Zeitungen und Nachrichten suggerieren uns seit Langem, dass wir ohne radikale Einschnitte im Gesundheits- und Sozialwesen nicht auskommen und dass das, was durch Einzelpersonen vorgeschlagen und in politischen Gremien in dieser Hinsicht beschlossen wird, nicht zu umgehen, also alternativlos (Unwort des Jahres 2010) sei zu unser aller wohl dient und unsere künftigen sozialen und gesundheitlichen Bedürfnisse und Pflegebedürftigkeit absichert. Sätze wie  „Es gibt keine Alternativen in Zeiten von knappen Kassen“ oder „das teuerste sind die Personalkosten, dies lässt keine anderen Möglichkeiten zu als dort zu reduzieren und einzusparen“ aber auch „unser Gesundheits- und Sozialsystem ist zu teuer, das kann sich kein Staat leisten“ sind an der Tagesordnung. Es handelt sich also um einen „alternativlosen“ Sachzwang.

Ist das ständige Vortragen von Sachzwängen und Zeitdruck von Management und Politik, und dass einem nichts anderes übrigbliebe als so zu agieren und zu handeln, wie man es tue, nicht ein Widerspruch von Politik, Demokratie und Führung? Deren Aufgabe doch – wenn ich mich richtig erinnere – darin besteht, zu beratschlagen, zu überlegen und auf der Grundlage des Nachdenkens, des Reflektierens, des Erwägens von Alternativen dann eine politische oder der Dienstleistung angemessene und dienliche Entscheidung zu treffen?

Inwieweit möglicherweise dadurch wieder Mehrkosten zu verzeichnen sind, weil ein pflegebedürftiger oder erkrankter Mensch weniger Gelegenheiten hat durch entsprechende Interventionen, Training und Alltagsgespräche sich besser mit seiner Erkrankung auseinanderzusetzen und auch Angehörige und Umfeld darin unterstützt werden – oder, wenn kranke Menschen in ihren Grundbedürfnissen nicht gut betreut und begleitet werden und dadurch immer wieder in Krisen geraten, bleibt unberücksichtigt. Dies alles ist bisher nicht ausreichend untersucht und fließt in der Regel nicht in Entscheidungen ein.

Die Bedingungen im Alltag haben Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die sich mit ihrem Beruf identifizieren, längst unzufrieden gemacht. Sparmaßnahmen, Einengung der Handlungsspielräume oder auch Personalreduktion haben viele Professionelle in den Pflegeberufen resignieren lassen oder zumindest in ihrer Motivation sehr gebremst und herabgestimmt. Innere Kündigungen der pflegerischen Mitarbeiter sind oft die Folge und haben sowohl Auswirkungen auf hilfe- bzw. pflegebedürftige Menschen als auch auf ihre Angehörigen und auf die Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen.

Sind wir wirklich von den bisher praktizierten strukturellen, die Situation angeblich reformierenden Maßnahmen und Gesetze überzeugt, vor allem diejenigen, die täglich in Krankenhäusern, Alteneinrichtungen, in sozialen Brennpunkten oder mit chronisch kranken Menschen zu tun haben?

Der Begriff „Qualität“ wurde erst dann zu einem Gesetzesbegriff, als es mit den Spar-Reformgesetzen begann. Erstmals wurden Maßnahmen der Qualitätssicherung mit der Gesundheitsreform von 1989 in das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung durch die §§ 135 bis 139 SGB V für die wichtigsten Gesundheitsleistungen verbindlich eingeführt. Bisher ging ich davon aus, dass „re-“ für „zurück“ steht und „formatio“ für „Gestaltung, Wiederherstellung“, also im politischen Kontext für eine größere, sukzessive, planvolle und gewaltlose Umgestaltung und Verbesserung der bestehenden Verhältnisse.

Im Zuge des rigorosen Sparens verformt das betriebswirtschaftliche Renditedenken das Handeln, pflegerische Inhalte werden so zu Rechengrößen, Zuwendung und individuelle Hilfeleistungen spielen eine untergeordnete Rolle. Es wird geglaubt, dass man durch mehr Standards, Vorgaben, technokratisches Vorgehen den Mängeln gerecht werden kann. Diese können eine Hilfe oder Unterstützung sein. Pflege orientiert sich jedoch immer am Bedarf und an den Bedürfnissen des einzelnen auf Pflege angewiesenen Menschen.

Ausblick

Die Pflege hat in den letzten Jahren immer mehr theoretische und wissenschaftliche Grundlagen für die Basis des täglichen Handelns geschaffen. Beispielsweise werden die pflegerischen Aufgaben mehr definiert und die Eigenständigkeit postuliert. Doch in der alltäglichen Praxis spielt das häufig eine sehr untergeordnete Rolle. Dies wiederum macht gerade die engagierten pflegerischen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen enorm unzufrieden.

Da sich professionelle Pflege an Menschen in allen Lebensphasen, an Einzelpersonen, Familien, Gruppen und Gemeinden, an Kranke und deren Angehörige, sowie an Behinderte und Gesunde richtet und auf einer Beziehung zwischen betreuten Menschen und Pflegenden beruht, muss sie durch sorgende Zuwendung, Einfühlsamkeit und Anteilnahme geprägt sein, die dem einzelnen auf Hilfe und Pflege angewiesenen Menschen die Entfaltung von Ressourcen oder Wohlbefinden ermöglicht und ihn auch im Sterben begleitet.

Die Komplexität der Kenntnisse in der Pflege, um den Alltag so gestalten zu können, beispielsweise, dass ein hilfebedürftiger Mensch umfassend gesehen, in seinen alltäglichen Bedürfnissen und Selbstpflegedefiziten gezielt betreut, begleitet und gepflegt werden kann, wird häufig von Gesetz- und Geldgebern nicht oder nicht ausreichend gesehen.

Hier müssen selbstbewusste und engagierte professionell Pflegende die Mängel und Lücken aufzeigen und sich für mehr berufliche Eigenständigkeit einsetzen, damit Pflege den komplexen Anforderungen gerecht wird. Entscheidungskompetenzen, Verantwortung und Berufsautonomie sind die Basis.

Fazit

Dass gesundheits- und gesellschaftspolitische Rahmenbedingungen sich auf die professionelle Pflege und deren Handeln auswirken, ist keine Frage. Wichtig ist, dass im Pflegeberuf der professionell-fachliche und der staatsbürgerliche Verantwortungsbereich zusammengehören und dass beides gelebt wird. Das bedeutet beispielsweise die Pflicht Fehlentwicklungen oder Versorgungslücken rechtzeitig erkennen und gemeinsam, aktiv verantwortlich mit anderen dem entgegenzuwirken.

Wenn die professionelle Pflege (wieder) mehr an Gewicht gewinnen will, müssen wir für die Zukunft bedenken:

  • Nur mündige Fachkräfte können ihre Fachkenntnisse gezielt anwenden und partnerschaftlich sowohl mit Betroffenen und Angehörigen als auch mit anderen Berufsgruppen in einem demokratischen Miteinander arbeiten!
  • Die Kultur zwischenmenschlicher Beziehungen muss verteidigt werden, denn sie kann nicht durch das Managen von Kontakten ersetzt werden.
  • Unsere Pflicht und Verantwortung ist es, an die Öffentlichkeit zu gehen, um darauf aufmerksam zu machen, dass unter den gegebenen Rahmenbedingungen keine professionelle und menschlich gute Pflege zu machen ist!
  • Genauso wie pflegebedürftige Menschen haben auch Pflegende in dieser Gesellschaft keine oder wenig Lobby, deshalb müssen Pflegende sich zu Wort melden, sich organisieren und klar definieren, wohin sie wollen!
  • Professionell Pflegende müssen aufgrund ihrer Verantwortung die eigenen Aufgaben überdenken und sich gesellschafts-, sozial- sowie gesundheitspolitisch, aber auch berufspolitisch positionieren!
  • Politisch zu handeln macht solidarisch und ermöglicht einen aufrechten Gang!

Literatur

Grawe, K.: Psychologische Therapie, 1998, Hogrefe Göttingen

Robert-Bosch-Stiftung: Pflege neu denken – Zur Zukunft der Pflegeausbildung, 2000 Schattauer Stuttgart

Schädle-Deininger, H.; Villinger, U.: Praktische Psychiatrische Pflege – Arbeitshilfen für den Alltag, 1996, Psychiatrie Verlag Bonn

Schädle-Deininger, H.; Wegmüller, D.: Psychiatrische Pflege – Kurzlehrbuch und Leitfaden für Weiterbildung, Praxis und Studium, 2017, Hogrefe Bern

Wittneben, K.: Pflegeausbildung im Spannungsfeld von Pflegepraxis, Wissenschaft und Didaktik. In Koch, V. (Hrsg.): Bildung und Pflege, 3. Europäisches Osnabrücker Kolloquium, 999, Hans Huber Verlag Bern