Es ist nicht wichtig wer wählt sondern wer zählt

Try the new Google Books

Check out the new look and enjoy easier access to your favorite features

Es ist nicht wichtig wer wählt sondern wer zählt

Von Markus Wehner, Moskau

Angeblich keine Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen Bild: dpa/dpaweb

In Tschetschenien weiß jeder, daß das Wahlergebnis mit der Wahl nichts zu tun hat, sondern von vornherein festgelegt wurde. Recht freuen wollte sich auch der frisch gewählte tschetschenische Präsident Alu Alchanow nicht.

Recht freuen wollte sich Alu Alchanow nicht. „Ich empfinde keine Euphorie", sagte der frisch gewählte tschetschenische Präsident. Rund 74 Prozent der Wähler, so verkündete die Wahlkommission in Grosnyj, hätten für den 47 Jahre alten Polizeigeneral gestimmt - ein deutliches Ergebnis, aber eben doch in angemessen pietätvollem Abstand zum Resultat des getöteten Vorgängers Achmed Kadyrow, des neuen Nationalheiligen von des Kremls Gnaden. Der hatte vor elf Monaten 81 Prozent der Stimmen erhalten.

Auch die Wahlbeteiligung - sie wurde am Montag mit 85 Prozent angegeben - blieb in wenn auch nur geringem Abstand von der Wahl Kadyrows, an der sich angeblich 86 Prozent der Wahlberechtigten beteiligt hatten. In Moskau lobte man das große Vertrauen, das die tschetschenische Bevölkerung in den Kandidaten des Kremls gesetzt habe, und Alchanow versprach nach seiner Wahl, den Kurs des großen Kadyrow fortzusetzen und zudem alles, was man einem Volk nach zehn Jahren Krieg versprechen muß: Frieden, Sicherheit, Arbeit.

Man ist froh um jeden, der wählt

In Tschetschenien weiß freilich jeder, daß das Wahlergebnis mit der Wahl nichts zu tun hat, sondern von vornherein festgelegt wurde. Wichtig ist, nach einem angeblichen Stalin-Zitat, ja nicht, wer wählt, sondern wer zählt. Wie die Wahl ablief, berichtet am Montag etwa Mussa Muradow, der in Grosnyj lebende Korrespondent der Zeitung "Kommersant". Im ersten Wahllokal, das er besuchte, in einem Dorf nahe der Hauptstadt, herrschte kaum Betrieb, bis ein Mitarbeiter von Alchanows Wahlkampfstab Wähler in einem Bus heranschaffte. "Sonst kommen die Leute nicht. Man muß doch etwas tun", sagte er.

Der neue Präsident: Alu Alkhanov Bild: dpa/dpaweb

Der Korrespondent bat darum, auch wählen zu dürfen, obwohl er in Grosnyj wohne und für dieses Wahllokal keine Wahlberechtigung habe. Kein Problem, man ist froh um jeden, der wählt. Auch im nächsten Ort im nächsten Wahllokal, wo es ebenfalls leer gewesen sei, durfte er wählen. Insgesamt wählte Muradow im Lauf von einigen Stunden viermal. Nur einmal lehnte die Leiterin eines Wahllokals ab, ihn ohne Berechtigung wählen zu lassen, und forderte ihn auf, in seinem Wahllokal in Grosnyj seine Stimme abzugeben. Dort, wo er im Wählerverzeichnis aufgeführt sein müßte, fand man ihn indes nicht. Aber wählen durfte er auch dort.

Angeblich keine Unregelmäßigkeiten bei der Wahl

Zahlreiche Beobachter berichteten von leeren Wahllokalen in Tschetschenien, von Wahlleitern, die eigens ihre Verwandten für die Journalisten in die Wahllokale brachten, von Beobachtern, die bei der Auszählung nicht dabeisein durften, und von ausgetauschten Urnen. In Grosnyj war bis zum Nachmittag sogar offiziell nicht einmal jeder zweite zur Wahl gegangen. Wie man in einem Wahllokal in Grosnyj die vergangene Wahl im Oktober im eigenen Sinne organisierte, berichtet ein damaliges Mitglied einer Wahlkommission der Zeitung "Wremja Nowostjej".

In dem Wahllokal in einer Poliklinik hätten 2.500 Wahlberechtigte ihre Stimme abgeben können, aber nur 146 hätten gewählt. Doch in einem Nebenraum hätten Leute gesessen, die die gewünschte Anzahl von Wahlbögen ausgefüllt hätten. "Dann haben wir einfach die Wahlbeobachter zum Mittagessen in einen anderen Raum geführt, die Urne ausgetauscht, die 146 echten Stimmen zu den gefälschten gegeben, und am Abend wurde das Wahlprotokoll erstellt. Von den Beobachtern gab es keine Beanstandungen", erzählte der Mann. Seit er dies erlebt habe, gehe er nicht mehr zur Wahl. Auch am Montag äußerten die Wahlbeobachter aus der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten, daß es am Sonntag keine Unregelmäßigkeiten gegeben habe.

Kein Dialog mit den Separatisten

Der Wahlsieger Alchanow versicherte am Montag, daß es keine Friedensgespräche mit dem einstigen Präsidenten Aslan Maschadow geben werde, der seit dem Beginn des zweiten Tschetschenienkriegs die Rebellen in den Bergen führt. Eine Woche zuvor hatte Alchanow solche Gespräche in Interviews noch für möglich erklärt. Doch ein Dialog mit den Separatisten widerspricht der Linie von Präsident Putin. Alchanow versprach, nichts grundlegend zu ändern, die Regierung nicht umzubilden.

Der Karrierepolizist wurde in Kasachstan geboren, wohin Stalin 1944 die Tschetschenen unter grausamen Bedingungen bis auf den letzten Mann deportierte. In der Chruschtschow-Zeit, als die Tschetschenen 1957 in ihre Heimat zurückkehren konnten, ging die Familie Alchanows nach Urus-Matan, wo man den neuen Präsidenten auch schon vor seiner Kandidatur kannte. Ansonsten war der schüchtern und unsicher wirkende Mann, den Kadyrow im April 2003 zum Innenminister in Tschetschenien ernannt hatte, in seiner Heimat wenig bekannt. Der Generalmajor stand stets in Diensten des sowjetischen, dann russischen Innenministeriums, stellte sich gegen den ersten Präsidenten Dschochar Dudajew, der die Unabhängigkeit der Republik verkündete, wechselte nie die Seiten.

Keine eigene Hausmacht

Alchanow wird nach Meinung fast aller unabhängigen Beobachter ein schwächerer Präsident werden als sein Vorgänger, da er keine Hausmacht in Tschetschenien hat. Er wird vor allem vom Kadyrow-Clan in Tschetschenien abhängig sein. Deren starker Mann ist der 28 Jahre alte Ramsan Kadyrow, der die "Kadyrowzy", die stärkste Truppe in der Kaukasusrepublik mit angeblich 5.000 Mann, führt. Da ein tschetschenischer Präsident 30 Jahre alt sein muß, konnte er an der Wahl nicht teilnehmen. In Tschetschenien erzählt man sich, Ramsan Kadyrow wolle Alchanow in zwei Jahren im Präsidentenamt beerben.

Am Montag lobte Ramsan Kadyrow den neuen Präsidenten über den grünen Klee, stellte ihn als den treuesten Mann an der Seite seines gestorbenen Vaters dar. Auf Wahlplakaten hatte sich der Kadyrow-Sohn indes Arm in Arm mit dem Kandidaten Wachi Wissajew gezeigt, einem Berater seines Vaters. Dies wurde als Hinweis auf Differenzen zwischen ihm und Alchanow gewertet. Das drohende Zerwürfnis zwischen den beiden Männern, auf die er sich in Tschetschenien stützt, soll Präsident Putin vergangene Woche bei einem Treffen in seiner Sommerresidenz in Sotschi verhindert haben. Ob Alchanow sich von Ramsan Kadyrow lösen kann, ist ungewiß. Er müßte dann seine "Alchanowzy" gründen.

Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 31.08.2004, Nr. 202 / Seite 3

Es ist nicht wichtig wer wählt sondern wer zählt

sowjetischer Politiker und Diktator
eigentlich: Iosif Wissarionowitsch Dschugaschwili (Иосиф Виссарионович Джугашвили)

  • "Der Staat ist eine Maschine in den Händen der herrschenden Klasse zur Unterdrückung des Widerstands ihrer Klassengegner. In dieser Hinsicht unterscheidet sich die Diktatur des Proletariats im Grunde genommen durch nichts von der Diktatur jeder anderen Klasse, denn der proletarische Staat ist eine Maschine zur Niederhaltung der Bourgeoisie." - Werke Band 6, Dietz 1952, S. 101 books.google, "Über die Grundlagen des Leninismus, IV. Die Diktatur des Proletariats"
  • " Man muss die überlebte Vorstellung fallen lassen, dass nur Europa uns den Weg weisen könne. Es gibt einen dogmatischen Marxismus und einen schöpferischen Marxismus. Ich stehe auf dem Boden des letzteren." - Erwiderung an Preobrashenski zur Frage des 9. Punktes der Resolution „Über die politische Lage“, 3. August 1917, auf dem VI. Parteitag der SDAPR (Bolschewiki). Werke. Band 3, Verlag Roter Morgen, Hamburg 1971], S. 101
  • "Es ist allgemein anerkannt, dass keine Wissenschaft ohne Kampf der Meinungen, ohne Freiheit der Kritik sich entwickeln und gedeihen kann. Aber diese allgemein anerkannte Regel wurde in unverfrorenster Weise ignoriert und mit Füßen getreten. Es bildete sich eine abgekapselte Gruppe unfehlbarer leitender Persönlichkeiten heraus, die, nachdem sie sich gegen jede Möglichkeit einer Kritik gesichert hatte, eigenmächtig zu wirtschaften und ihr Unwesen zu treiben begann." - Der Marxismus und die Fragen der Sprachwissenschaft [1950]. Werke, Band 15, Dortmund 1979, S. 126
  • "Und der große Lenin erleuchtet uns den Weg, Uns erzog Stalin zur Volkstreue." - Nationalhymne nach Korrekturen Stalins, nach Dimitri Wolkogonow: Stalin: Triumph und Tragödie. Aus dem Russischen von Vesna Jovanoska. S. 265 books.google
  • "Was wäre die Folge, wenn es dem Kapital gelänge, die Republik der Sowjets zu zerschlagen? Eine Epoche der schwärzesten Reaktion würde über alle kapitalistischen und kolonialen Länder hereinbrechen, man würde die Arbeiterklasse und die unterdrückten Völker vollends knebeln, die Positionen des internationalen Kommunismus würden liquidiert." - Werke Band 9, Dietz 1953, S. 24 books.google, "Noch einmal über die sozialdemokratischen Abweichungen in unserer Partei, III. Die Meinungsverschiedenheiten in der KPdSU", Rede am 7. Dezember 1926 auf dem VII. erweiterten Plenum des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale
  • "Natürlich wird die Theorie gegenstandslos, wenn sie nicht mit der revolutionären Praxis verknüpft wird, genauso wie die Praxis blind wird, wenn sie ihren Weg nicht durch die revolutionäre Theorie beleuchtet." - Über die Grundlagen des Leninismus: III Die Theorie. marxists.org
  • »Wißt ihr, Genossen«, sagte Stalin, »was ich über diese Frage denke? Ich meine, daß es völlig unwichtig ist, wer und wie man in der Partei abstimmen wird; überaus wichtig ist nur das eine, nämlich wer und wie man die Stimmen zählt.« - Boris Baschanow: Ich war Stalins Sekretär. [Aus d. Russ. von Josef Hahn] Ullstein 1977. S. 68 books.google
  • ("Знаете, товарищи, - говорит Сталин, - что я думаю по этому поводу: я считаю, что совершенно неважно, кто и как будет в партии голосовать; но вот что чрезвычайно важно, это - кто и как будет считать голоса". - Борис Бажанов: Воспоминания бывшего секретаря Сталина, ГЛАВА 5. http://lib.ru/MEMUARY/BAZHANOW/stalin.txt)
  • "Stalin ist zu grob, und dieser Mangel, der in unserer Mitte und im Verkehr zwischen uns Kommunisten durchaus erträglich ist, kann in der Funktion des Generalsekretärs nicht geduldet werden. Deshalb schlage ich den Genossen vor, sich zu überlegen, wie man Stalin ablösen könnte, und jemand anderen an diese Stelle zu setzen, der sich in jeder Hinsicht von Gen. Stalin nur durch einen Vorzug unterscheidet, nämlich dadurch, daß er toleranter, loyaler, höflicher und den Genossen gegenüber aufmerksamer, weniger launenhaft usw. ist." - Lenin: Brief an den Parteitag, 23. Dezember 1922 bis 4. Januar 1923. Ergänzung vom 4. Januar 1923 zum Brief vom 24. Dezember 1922. Rev. Übersetzung hier nach: Lenin, W.I., Werke. Nach der 4. russischen Ausgabe, besorgt vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED, 40 Bde und zwei Ergänzungsbde, Bd. 36, Berlin (O) 1974, S. 577-582. 1000dokumente.de
  • "Bei Stalin war jedes Verbrechen möglich, denn es gibt kein einziges, das er nicht begangen hätte […] ihm wird jedenfalls […] der Ruhm zufallen, der größte Verbrecher der Geschichte zu sein." - Milovan Djilas: Gespräche mit Stalin, Frankfurt/M 1962, S. 237; vgl. die englische Ausgabe bei Peguin "not+committed" PT136 books.google
  • "Gemessen an ihren Verbrechen waren Hitler und Stalin auf gleicher Augenhöhe, nur dass der eine den Krieg gewonnen hat. Das NS-Regime ist nicht an seinen Verbrechen, sondern an seiner Dummheit gescheitert." - Wolfgang Dvorak-Stocker, Interview mit Colette M. Schmidt, Der Standard, 20. Mai 2005, Der Standard
  • "Koba denkt zu langsam, seine Ideenverbindungen sind zu monoton, sein Stil ist linkisch und ärmlich. Will er einen kräftigen Effekt hervorrufen, verfällt er in niedrige Ausdrucksweise." - Trotzki, "Stalin - Eine Biografie", S. 91, Arbeiterpresse Verlag, Essen, 2. Auflage, 2006
  • "Man muss natürlich Stalin und Dserschinski für diesen wirklich großrussischen nationalistischen Feldzug verantwortlich machen." - Aus Lenins Aufzeichnungen vom 31.12.1922 zur Georgienpolitik Stalins, aus "Die Fälschung der Geschichte der Oktoberrevolution (1927/1928)", Trotzki, Internationale Arbeiterliteratur, Dortmund, 2. Auflage, 1996, S. 79
  • "Mühsam formte er [Stalin] seine Sätze und brachte keine Betonung auf, keine Wärme, keine Farbe. Die organische Schwäche seiner Natur, Kehrseite ihrer Stärke, ist seine völlige Unfähigkeit, Feuer zu fangen, sich über langweilige Trivialitäten zu erheben, zwischen sich und den Zuhörern ein lebendiges Band zu schaffen, in dem Zuhörer das bessere Selbst zu wecken. [...] Kalte Bosheit genügt nicht, um die Seele der Massen zu erobern." - Trotzki, "Stalin - Eine Biografie", S. 90/91, Arbeiterpresse Verlag, Essen, 2. Auflage, 2006
  • "So grob er [Stalin] anderen gegenüber sein kann, so leicht fühlt er sich selbst beleidigt und, so überraschend das erscheinen mag, so launenhaft ist er. Seine Reaktionen sind primitiv. Sobald er sich übergangen glaubt, neigt er dazu, Menschen sowohl als Ereignissen den Rücken zu kehren, mürrisch seine Pfeife zu schmauchen und von Rache zu träumen." - Trotzki, "Stalin - Eine Biografie", S. 91, Arbeiterpresse Verlag, Essen, 2. Auflage, 2006
  • "Stalin war, das muß sachlich festgestellt werden, eine sehr große Persönlichkeit, der geniale Züge nicht abzusprechen sind. Politisch war er ein eiskalter und kluger Führer der Sowjetunion, der unter schwierigsten Umständen stets die Interessen seines Landes und seiner Partei vor Augen hatte und sie mit Ausnahme einiger schwerer Fehler in der letzten Phase seines Lebens weitgehend auch erfolgreich vertreten hat." - Otto von Habsburg: Damals begann unsere Zukunft. Wien, München: Herold 1971, S. 133 books.google
Commons führt Medien zu Josef Stalin.