Wo wurde wilke wurst verkauft

Nach einem Listeriose-Ausbruch durch mit Keimen verseuchte Wurstwaren gerät die Lebensmittelaufsicht in die Kritik. Obwohl zwei Todesfälle auf den Genuss von mit Listerien kontaminierten Produkten der Firma Wilke Fleisch- und Wurstwaren zurückgeführt würden, sei für die Verbraucher auch Tage nach dem Bekanntwerden des Skandals nach wie vor nicht erkennbar, welche Erzeugnisse betroffen seien, kritisierten Verbraucherschützer.

Der inzwischen von den Behörden geschlossene Betrieb machte einen Großteil seines Umsatzes mit dem Großhandel, Weiterverarbeitern und Kantinen. Kontaminierte Fleischerzeugnisse können in Fertiggerichten wie Pizza und Lasagne enthalten sein oder an Fleischtheken als lose Ware verkauft werden. Ein Rückruf, veröffentlicht unter anderem auf der Website „Lebensmittelwarnung.de“, bezieht sich jedoch lediglich auf eigene Wilke-Produkte, erkennbar am ovalen Identitätskennzeichen „DE EV 203 EG“.

Das Unternehmen mit Sitz im hessischen Twistetal-Berndorf hat am Freitag die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragt. Das bestätigte ein Sprecher des Amtsgerichts Korbach. Betroffen sind 200 Mitarbeiter. Die Firma war am Freitag telefonisch nicht zu erreichen und reagierte nicht auf E-Mails. Ihr Internet-Auftritt enthielt zunächst keinerlei Hinweis auf die Gefahr.

Unklar ist weiter, wie viel Ware sich noch in der Lieferkette befindet. „Die Kommunikationspolitik ist in diesem Fall einfach schlecht“, sagte Armin Valet, Lebensmittelexperte der Verbraucherzentrale Hamburg, gegenüber WELT. Die Organisation Foodwatch sprach von einer „katastrophalen Informationspolitik“ des Landkreises Waldeck-Frankenberg, der die Lebensmittelaufsicht wahrnimmt. „Die Menschen werden im Stich gelassen“, sagte Foodwatch-Geschäftsführer Martin Rücker.

Alle bekannten Verkaufsstellen und die Namen der betroffenen Produkte müssten unverzüglich veröffentlicht werden. Ein Sprecher des Landkreises verwies auf das Unternehmen. Wilke hätte die Angaben öffentlich machen müssen, erklärte er. Die Liste der Handelspartner liege nun bei der Staatsanwaltschaft, die in dem Fall ebenfalls ermittelt. Der Kreis versuche, die Daten zu erhalten, was voraussichtlich Anfang kommender Woche der Fall sein werde. „Wir arbeiten mit Hochdruck an dem Thema“, versicherte der Behördensprecher.

Verbraucherschützer Valet hält die Argumente nicht für stichhaltig. „Es ist völlig unverständlich, dass die Behörden nicht eindeutig sagen, in welchen verarbeiteten Produkten und an welchen Fleischtheken Wilke-Produkte verkauft werden. Das müsste klar sein“, meinte er. Schließlich stehe das Unternehmen bereits seit Monaten unter besonderer Beobachtung der Lebensmittelaufseher, die seit Anfang 2019 nach den Ursachen des Keimbefalls fahnden.

Bereits im März war ein Listerien-Fall durch Wilke-Ware aus Hamburg gemeldet worden, ein weiterer tauchte in Baden-Württemberg auf, so die Lebensmittelaufsicht. Dies habe zu einem „internen Rückruf“ geführt. Eine Grundreinigung habe die Probleme nicht beseitigen können.

Auch die Information über den am Donnerstag erfolgten offiziellen Rückruf verbreitete sich nur zögerlich. So habe die Reha-Einrichtung eines Universitätsklinikums noch am Donnerstag zum Frühstück betroffene Produkte an Patienten ausgegeben, berichtete Foodwatch. Dies sei „von mehreren voneinander unabhängigen Quellen“ berichtet worden. Einige Handelsketten reagieren inzwischen aus eigenem Antrieb. Kaufland rief über seine Website Wilke-Produkte zurück und warnte zusätzlich Kunden, die sie an der Wursttheke gekauft haben.

Dies sei nur in den Märkten Schwalmstadt, Korbach und Biedenkopf der Fall. Metro bestätigte, dass Wilke-Ware unter der Eigenmarke „Aro“ vertrieben wurde. Betroffen seien vier Produkte, die ebenso wie alle anderen Erzeugnisse der Firma unverzüglich aus den Regalen entfernt worden seien. Routinemäßige Stichproben zuvor hätten keine Auffälligkeiten ergeben. Dennoch würden derzeit alle Abnehmer kontaktiert, um die Risiken so klein wie möglich zu halten. „Wir rufen alle Kunden an, schreiben E-Mails und Briefe“, sagte eine Sprecherin.

Verbrauchervertreter sehen nicht nur ein Versagen einzelner Personen und Behörden, sondern machen auch strukturelle Ursachen verantwortlich. Der Fall sei ein Musterbeispiel dafür, dass Lebensmittelüberwachung auf der Ebene der Landkreise falsch angesiedelt sei, so Foodwatch. Es könne nicht gut sein, wenn dieselbe Behörde für die lokale Wirtschaftsförderung und die Lebensmittelkontrollen gleichzeitig zuständig sei, meinte Rücker.

Die Kontrolltätigkeit müsse stattdessen auf Landesebene organisiert werden. Die Organisation warf dem zuständigen Dezernenten des Landkreises vor, in einem Fernseh-Interview den Eindruck erweckt zu haben, das größte Problem liege jetzt bei der Schließung des Betriebs, in dem „Freunde und Bekannte arbeiten“, und nicht in den Gesundheitsgefahren durch die Produkte. Bundesweit stehen weitere drei Dutzend Fälle von Erkrankungen unter Beobachtung.

Auch die Hamburger Verbraucherzentrale wies auf Interessenkonflikte bei den Aufsehern hin. „Behörden sind vorsichtig mit Warnmeldungen, weil sie Schadenersatzforderungen fürchten müssen“, sagte Valet. Könnten die Beamten nicht zweifelsfrei nachweisen, dass ein Rückruf angebracht ist, müssten die Ämter fürchten, zur Kasse gebeten zu werden. Es müssten rechtssichere Grundlagen geschaffen werden, wonach Behörden in solchen Fällen veröffentlichen müssen und damit die Gesundheit der Verbraucher Vorrang vor den Interessen der Firmen habe.

Produktrückrufe sind keine Seltenheit. Immer wieder kommt es auch zu größeren Skandalen. So gelangte vor zwei Jahren das Insektengift Fipronil über das Hühnerfutter in Zehntausende Eier. Betroffen waren mehrere europäische Länder, darunter Deutschland, Belgien und die Niederlande. Im Jahr 2013 flog auf, dass Lasagne und andere Fertiggerichte nicht deklariertes Pferdefleisch statt Rindfleisch enthielten. Fast alle großen Ladenketten starteten Rückrufaktionen.

Nicht lange vorher fanden Kontrolleure verbotene Antibiotika-Rückstände bei Geflügelzüchtern. 2011 erkrankten 3800 Menschen in Deutschland am Darmkeim Ehec. Manche erlitten bleibende Schäden, 53 starben. Listerien gelten als weniger gefährlich. Nur wenige Menschen erkranken tatsächlich an Listeriose, gesunde Erwachsene entwickeln dann meist grippeähnliche Symptome. Gefährlich ist die Infektion aber für abwehrgeschwächte Personen wie Neugeborene, alte Menschen, chronisch Kranke oder Schwangere. Bei ihnen und Ungeborenen kann Listeriose zum Tod führen.

Samstag, 18.01.2020

Der Listerien-Skandal erschütterte die gesamte Bundesrepublik. Nun muss die verantwortliche Firma Wilke aus dem nordhessischen Twistetal (Kreis Waldeck-Frankenberg) ihr Firmengelände verkaufen. Für 1,7 Millionen Euro kann das Gelände im Twistetaler Ortsteil Berndorf gekauft werden. Laut der HNA könne es sogar zu einer Zwangsversteigerung kommen, da der Insolvenzverwalter die "Masseunzulänglichkeit" angezeigt habe.


Dies bedeutet die Insolvenzmasse reicht nicht aus, um die entstandenen Verbindlichkeiten zu decken. Damit besteht auch die Gefahr, dass die Gläubiger auf ihrem Geld sitzen bleiben. Zunächst werden in diesem Fall dann die Gerichtskosten und die Kosten für den Insolvenzverwalter gezahlt. Aus diesem Grund droht sogar eine Zwangsversteigerung des Anwesens. Die über 30.000 Quadratmeter große Fläche umfasst Lager- und Produktionsflächen. Zudem gehört ein neuartiges Blockheizkraftwerk und Wohn- und Geschäftshäuser dazu.


Rückblick: Die Firma Wilke wurde im Herbst 2019 geschlossen, da die gefährlichen Listerien-Bakterien in ihren Fleisch- und Wurstwaren nachgewiesen wurden. Laut dem Robert-Koch-Institut sind die Verunreinigungen in der Firma für mindestens drei Todesfälle verantwortlich. (Kevin Kunze)+++

Keimbelastete Fleischwaren des Wurstproduzenten Wilke wurden auch an Ikea-Restaurants geliefert. Der Verkauf aller Produkte des Herstellers wurde gestoppt.

07.10.2019| Update: 07.10.2019 - 14:17 Uhr

Todesfälle durch Keime in Wurst

Todesfälle durch Keime in Wurst © dpa

Korbach, Hofheim Auch der Möbelkonzern Ikea ist mit Produkten des nordhessischen Wurstherstellers Wilke beliefert worden, der wegen keimbelasteter Waren in die Schlagzeilen geraten ist. Über einen Großhändler habe Ikea Deutschland Wurst-Aufschnitt für Kunden- und Mitarbeiterrestaurants von diesem Hersteller erhalten, sagte eine Sprecherin des Möbelkonzerns am Montag. Sie bestätigte damit entsprechende Angaben der Verbraucherorganisation foodwatch.

Ikea war am Mittwoch durch den Großhändler über die Schließung von Wilke informiert worden und habe „den Verkauf aller Produkte des Herstellers umgehend gestoppt“, sagte die Sprecherin. Nicht betroffen sei das übrige Fleisch- und Wurstwaren-Sortiment aus Restaurant, Schwedenshop und Bistro. Mittlerweile gebe es einen neuen Lieferanten für Aufschnitt.

Waren von Wilke werden mit zwei Todesfällen in Südhessen und 37 weiteren Krankheitsfällen in Verbindung gebracht. Mehrfach wurden Listerien-Keime in Wilke-Produkten nachgewiesen. Die Keime können für Menschen mit geschwächtem Immunsystem lebensgefährlich sei. Der Landkreis Waldeck-Frankenberg hatte als Aufsichtsbehörde den Betrieb mit 200 Mitarbeitern am Dienstag vergangener Woche geschlossen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen fahrlässiger Tötung.

Auch Betriebe in Rheinland-Pfalz sind mit Wurst von Wilke beliefert worden. „Aktuell gehen wir davon aus, dass Betriebe in ganz Rheinland-Pfalz Wurstwaren des Unternehmens erworben haben“, sagte Ernährungsministerin Ulrike Höfken (Grüne). Bereits vergangene Woche hatte der Großhändler Metro erklärt, Wilke-Produkte und Eigenmarken mit Wilke-Fleisch aus dem Sortiment genommen zu haben.

Wie die Keime immer wieder in die Wurst kamen, untersuchten Spezialisten des Landes Hessen. Der Bericht sei fertig und dem Landkreis Waldeck-Frankenberg zugeleitet worden, sagte ein Sprecher des Regierungspräsidiums Darmstadt am Montag. Dort ist die für Hessen zuständige „Task-Force Lebensmittelsicherheit“ angesiedelt. Zum Inhalt des Berichts äußerte sich der Sprecher nicht und verwies auf die Kreisverwaltung als zuständige Behörde. Diese kündigte für Montagnachmittag eine Stellungnahme an.

Foodwatch hatte Wilke und den Behörden „schwere Versäumnisse“ beim Krisenmanagement vorgeworfen. Zudem will die Organisation die Veröffentlichung von Listen aller belieferten Betrieb erzwingen - notfalls auf dem Gerichtsweg.

Am Montag veröffentlichte das Land zumindest eine Auflistung der Marken und Handelsnamen von betroffenen Produkten. „Im Fall Wilke Wurstwaren stellen sich derzeit noch viele Fragen, die beantwortet werden müssen, um Wiederholungen zu vermeiden“, sagt Umweltministerin Priska Hinz (Grüne). Gemeinsam mit der Kreisverwaltung, dem Regierungspräsidium Kassel und der Task-Force werden man den vorliegenden Fall analysieren und die erforderlichen Konsequenzen ziehen. Zudem solle die Lebensmittelüberwachung durch einen Gesetzesentwurf gestärkt werden.

Der Landkreis Waldeck-Frankenberg hat angekündigt, den Vorgang „auch intern ohne Wenn und Aber aufzuarbeiten“. Sollte es beim Krisenmanagement oder Umgang mit Wilke Fehler gegeben haben, wäre das Regierungspräsidium in Kassel die zuständige Aufsichtsbehörde. Dort will man vorerst abwarten. „Das müssen die erstmal aufarbeiten“, sagte ein RP-Sprecher am Montag.

Wilke hatte am Freitag die Eröffnung eines vorläufigen Insolvenzverfahrens beantragt. Diesem Antrag sei zugestimmt worden, sagte ein Sprecher des Amtsgerichts Korbach. Ein Insolvenzverwalter sei bestellt worden. Ziel des Verfahrens sei, dass das Unternehmen in Twistetal-Berndorf weiter betrieben werden könne. Ob das in diesem Fall gelinge, sei aber fraglich.

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