Wo die nordseewellen text und noten

Friedrich Fischer-Friesenhausen Wo die Nordseewellen Wo de Nordseewellen trecken an den Strand, Wor de geelen Blomen blöhn in‘t gröne Land, Wor de Möwen schriegen gell in‘t Stormgebruus, Dor is mine Heimat, dor bün ick to Huus. Well'n un Wogenruschen weern min Weegenleed, Un de hohen Dieken seh‘n min Kinnerleed, Markten ook min Sehnsucht a sick wussen weer, Dör de Welt to fleegen, öwer Land un Meer. Wohl hett mi dat Lewen all min Lengen stillt, Hett mi allens geben, wat min Hart nu füllt; Allens is verswunnen, wat mi quäl‘ un dreev, Heff dat Glück woll funnen, doch dat Sehnsucht bleev. Sehnsucht na min leewet, gröne Marschenland, Wor de Nordseewellen trecken an de Strand, Wor de Möwen schriegen gell in‘t Stormgebruus, Dor is mine Heimat, dor bün ick to Huus. Martha Müller-Grählert Wo die Ostseewellen Wo de Ostseewellen trecken an den Strand, wo de gäle Ginster bleught in’ Dünensand, wo de Möwen schriegen grell in’t Stormgebrus, dor is mine Heimat, dor bün ick tau Hus. Well- un Wogenruschen wiern min Weigenlied, un de hogen Dünen seg’n min Kinnertied, seg'n uck mine Sähnsucht un min heit Begehr, in de Welt tau fleigen öwer Land un Meer. Woll hett mi dat Läwen dit Verlangen stillt, hett mi allens gäwen, wat min Hart erfüllt, allens is verschwunden, wat mi quält un drew, häw nu Fräden funden, doch de Sähnsucht blew. Sähnsucht nah dat lütte, stille Inselland, wo de Wellen trecken an den witten Strand wo de Möwen schriegen gell in’t Stormgebrus; denn dor is min Heimat, dor bün ickt tau Hus!

Herkunft, Vorgeschichte

Mit der Anfangszeile Wo die Ostseewellen trecken an den Strand schrieb 1907 die in Zingst aufgewachsene Heimatdichterin Martha Müller-Grählert ein Gedicht, das später zur Grundlage des Friesenliedes wurde. Zum ersten Mal veröffentlicht wurde das Gedicht 1908 unter dem Titel Mine Heimat in der Zeitschrift Meggendorfer Blätter.

Eine besondere Geschichte hat die Melodie: Ein Glasergeselle aus Flensburg brachte während seiner Wanderjahre den Ostseetext nach Zürich. Dort trat er dem Arbeitermännergesangverein bei und motivierte dessen Chorleiter, den Text zu vertonen. Der aus Thüringen stammende Simon Krannig, der sich nach Jahren der Wanderschaft als Schreinergeselle in Zürich niedergelassen hatte, komponierte als gelernter Orgelspieler 1910 nach einem Bericht seines Sohnes die Melodie in weniger als einer Stunde. Die Uraufführung des Liedes fand am Grab des inzwischen gestorbenen Glasergesellen statt.

Leicht geändert wurde das Ostseewellenlied von dem Lyriker und Verleger Friedrich Fischer-Friesenhausen zu dem Friesenlied mit der bekannten Titelzeile Wo die Nordseewellen.

Fischer-Friesenhausen ließ das Nordseewellenlied auf Postkarten drucken und sorgte auf diese Weise für dessen weite Verbreitung, so dass es bald „wie eine norddeutsche Nationalhymne“ (Theo Mang, Der LiederQuell, 2015, S. 450) empfunden wurde.

Liedbetrachtung

Wie der ursprüngliche Gedichttext Mine Heimat der Dichterin, die es in jungen Jahren aus beruflichen Gründen nach Berlin verschlagen hatte, ihre Sehnsucht nach der Ostsee beschreibt, so ist auch Wo die Nordseewellen ein Heimatlied. Der 1886 in Detmold geborene Friedrich Fischer-Friesenhaus hat das Ostseewellenlied nach seinem Wanderleben in England, Skandinavien, Holland, Belgien, Frankreich, Spanien und Amerika (s. www.lexikon-westfaelischer-autorinnen-und-autoren.de) mit 29 Jahren so wenig abgeändert, dass man durchaus von einem Plagiat sprechen könnte (vgl. Textversionen).

Es lässt sich gut nachvollziehen, wie die (blauen) Wellen mit den gelben Blumen (in manchen Versionen: der gelbe Ginster) und dem grünen Marschland einen Kontrast bilden, ebenso wie die Wellenbewegung zum ruhenden Festland. Und wenn man dann noch die Möwen schreien hört, können sich an der Waterkant Geborene wie zu Hause fühlen. Das lyrische Ich erinnert sich an seine Kindheit und meint, das Rauschen der Wellen sei wie ein Kinderlied gewesen, das die Deiche ebenso gekannt haben wie den Wunsch, durch die Welt über Land und Meer zu fliegen.

Wie stark die Sehnsucht ist, wird in der dritten Strophe ausgedrückt. Obwohl das Leben alles Verlangen erfüllt hat, alles gegeben hat, was das Herz erfüllt und zudem alles verschwunden ist, was das lyrische Ich gequält und umhergetrieben hat und es schließlich das Glück gefunden hat, bleibt die Sehnsucht nach dem Marschenland, den Nordseewellen und den schreienden Möwen. In Anlehnung an die Gedichtzeilen heißt es auf dem Grabstein der 1939 in Franzburg (Landkreis Vorpommern-Rügen) gestorbenen Dichterin Martha Müller-Grählert: „Hier ist meine Heimat, hier bün ick to Hus“ versehen.

Rezeption

Zur Verbreitung trug neben den erwähnten Postkarten bei, dass das Friesenlied ab 1922 als Partitur verlegt und publiziert wurde. Nachdem das Lied von den Nordseewellen im norddeutschen Radio häufig gespielt wurde und es auf den Fähren zu den ostfriesischen Inseln für Einheimische und Touristen zu hören war, stieg die Popularität weiter an. Auch der Deutschlandsender spielte es landesweit es gern und oft; 1934 war es im Film „Heimat im Meer“ in den Kinos zu hören.

Eines der ersten mir bekannten Liederbücher mit dem Friesenlied ist das Liederbuch Nordmarklager der Hitlerjugend, 1936. Weitere Nazi-Liederbücher folgten. Ohne nazistischen Bezug konnte 1939 der Knurrhahn – Seemannslieder und Shanties, Band 1 erscheinen.

Aus dem KZ Eschwegen wird ein Text überliefert: “Wo das Lager (die Hölle) steht, so dicht am Waldesrand“ (vgl. www.volksliederarchiv.de), den die Insassen, die“ Moorsoldaten“, nach der Melodie des Friesenliedes (mit der Version „die Hölle“ heimlich) gesungen haben (s. auch Aus dem Zirkus Konzentrazani: „Wir sind die Moorsoldaten“ (Johann Esser, Wolfgang Langhoff; Musik: Rudi Goguel)

Nach dem Zweiten Weltkrieg gehörte das Lied zu den Evergreens, es wurde von Freddy Quinn, Lale Andersen, Lolita, Heidi Kabel, Hein Timm, Heino und vielen anderen Sänger*innen interpretiert. Bald gehörten die Nordseewellen zum Standardrepertoire jedes Shanty-Chors und vieler Männerchöre.

Von den ab 1948 bis 2015 erschienenen mir bekannten 32 Liederbüchern mit dem Friesenlied sollen hier der hohen Auflagen wegen zunächst die Taschenbücher des Heyne Verlags Der deutsche Liederschatz (1975) und Die schönsten Volkslieder (1977) und des Moewig Verlags Die schönsten Seemannslieder und Die schönsten Heimatlieder (beide 1992) erwähnt werden. Auch der Deutsche Liederschatz (Weltbild Verlag, 1985) und vor allem die Liederwolke (1986 kunterbundedition) weisen für Liederbücher zeichnen sich durch relativ hohe Auflagen aus.

Für mich erstaunlich ist, dass weder der Volksliedforscher Ernst Klusen das Lied in seine zweibändige Liedersammlung Deutsche Lieder (2. Auflage 1981, 51. bis 100. Tsd.) noch der Volkskundler und Liedersammler Heinz Rölleke in Das große Buch der Volkslieder (1993) aufgenommen haben. Dagegen ist es in Der LiederQuell (Neuauflage 2015) des Volkliedforschers Theo Mang vertreten.

Der Katalog des Deutschen Musikarchivs, Leipzig, weist 31 Tonträger aus, darunter 22 Schellackplatten, 8 LPs und eine 2008 erschienene CD mit dem über Hamburg hinaus bekannten „Lautensänger“ Richard Germer.

Noch heute kann man Wo die Nordseewellen nicht nur in Norddeutschland, sondern in ganz Deutschland hören. Besonders beliebt ist das Lied in „fröhlicher Weinrunde am Rhein, an der Mosel oder am Neckar, …wo das Anstimmen durch einen Norddeutschen ausreicht, um den ‘Wellengesang‘ im Dreivierteltakt zum stimmungsvollen Schunkeln aufzugreifen“ (Mang, S. 450).

Über Deutschland hinaus ist es in Dänemark bekannt unter Der, hvor nordsøbølger ruller ind mod land; in Frankreich wird Les Flots du Nord angestimmt und in Südtirol heißt die Übersetzung aus dem Ladinischen Wo die Wiesen sind mit Blumen übersät.                                                                             

Georg Nagel, Hamburg

  1. Wo de Nordseewellen trecken an de Strand, Wor de geelen Blöme bleuhn int gröne Land, |: Wor de Möwen schrieen gell int Stormgebrus, Dor is mine Heimat, dor bün ick to Hus. :|
  2. Well'n un Wogenruschen weern min Weegenleed, Un de hohen Dieken seh'n min Kinnerleed, |: Markten ok min Sehnen un min heet Begehr:

    Dör de Welt to flegen, ower Land un Meer. :|

  3. Wohl hett mi dat Lewen all min Lengen still, Hett mi all dat geven, wat min Hart erfüllt; |: All dat is verswunnen, wat mi drück un dreev,

    Hev dat Glück woll funnen, doch dat Heimweh bleev. :|

  4. Heimweh nach min schöne, gröne Marschenland, Wor de Nordseewellen trecken an de Strand, |: Wor de Möwen schrieen gell int Stormgebrus,

    Dor is mine Heimat, dor bün ick to Hus. :|


  1. Wo die Nordseewellen spülen an den Strand, Wo die gelben Blumen blühn ins grüne Land, |: Wo die Möwen schreien schrill im Sturmgebraus,

    Da ist meine Heimat, da bin ich zu Haus. :|

  2. Well'n und Wogen sangen mir mein Wiegenlied, Hohe Deiche waren mir das "Gott behüt", |: Merkten auch mein Sehnen und mein heiß Begehr:

    Durch die Welt zu fliegen, über Land und Meer. :|

  3. Wohl hat mir das Leben meine Qual gestillt, Und mir das gegeben, was mein Herz erfüllt. |: Alles ist verschwunden, was mir leid und lieb,

    Hab das Glück gefunden, doch das Heimweh blieb. :|

  4. Heimweh nach dem schönen, grünen Marschenland, Wo die Nordseewellen spülen an den Strand, |: Wo die Möwen schreien, schrill im Sturmgebraus, Da ist meine Heimat, da bin ich zu Haus. :|

  1. Wo de Ostseewellen trekken an den Strand, Wo de geelen Blomen blöhn in 't gröne Land.* |: Wo de Möwen schriehen hell in 'n Stormgebruss;

    Dor is mine Heimat, dor bünn ick tau Hus. :|

  2. Well'n un Wogen rauschen mirn min Wiegenleed, Un de hogen Dünen segn'n min Kinnertid, |: Sen og mine Sehnsucht un min heit Begehr,

    In de Welt tau fleigen öwer Land un Meer. :|

Martha Müller, Pommern, 1907