Wie viele geschlechter gibt es auf der welt

  • Wie viele geschlechter gibt es auf der welt

Wie viele geschlechter gibt es auf der welt

„Herzlichen Glückwunsch – es ist ein Mädchen!”

Ist es so einfach? Ein Blick zwischen die Beine und das Geschlecht steht fest? Nein. Das Geschlecht ist weit mehr als das Genital: Chromo- somen, Hormone, Körpermerkmale, die Form und Funktion der inneren und äußeren Genitalien, soziale, psychologische und neurophysiologische Aspekte. Das Geschlecht ist ein komplexes Gebilde, das sich aus vielen Faktoren zusammensetzt. Das Genital und andere Körpermerkmale sind nur Hinweise auf das Geschlecht.

Ob sich ein Mensch selbst als weiblich, als männlich, als Person im Kontinuum zwischen diesen beiden Polen oder auch vollkommen außerhalb dieser binären Kategorien erklärt, entscheiden nicht seine Genitalien sondern einzig sein Denken, Fühlen und Handeln. Dieses instinktive Wissen um das eigene Geschlecht, das sogenannte Geschlechtsbewusstsein, ist keine Entscheidung. Es lässt sich nicht ändern. Es ist, wie es ist:

Das Geschlecht sitzt nicht zwischen den Bei­nen. Es sitzt zwischen den Ohren!

Unser Faltflyer zum Durchblättern:

Unsere Kultur wird von drei Fehlannahmen geprägt:

  1. Es sei wissenschaftlich möglich, das Geschlecht eines jeden Menschen durch Betrachtung der Genitalien und medizinische Untersuchungen zu bestimmen.
  2. Es würden ausschließlich zwei Geschlechter („weiblich“ und „männlich“) existieren.
  3. Es läge im Interesse jedes Menschen, einem der beiden binären Geschlechter „weiblich“ oder „männlich“ bzw. einer der traditionellen Geschlechterrollen „Frau“ bzw. „Mann“ anzugehören.

Der oft in der Diskussion genutzte Begriff des „biologischen Geschlechts“ unterstellt, dass sich Geschlecht anhand weniger Merkmale bestimmen ließe – oder gar nur an den Genitalien. Diese Betrachtungsweise ist vereinfachend und bildet nicht den wissenschaftlichen Kenntnisstand ab, da sich chromosomales Geschlecht, genetisches Geschlecht, hormonelles und neurophysiologisches Geschlecht unterscheiden können. Diese Ebenen lassen sich zudem nicht mit „entweder-oder“ (männlich oder weiblich) sondern nur mit „von – bis“ beschreiben.

Die Frage nach dem biologischen Geschlecht lässt sich somit nicht so einfach beantworten, wie es häufig dargestellt wird.

Die gesellschaftliche Setzung eines „eindeutigen und natürlichen biologischen Geschlechts“ dient in erster Linie dazu, am binären Geschlechtersystem festzuhalten. Damit werden auch die Geschlechterrollen „Mann“ und „Frau“ festgeschrieben sowie Unterdrückungs- und Ausgrenzungsmechanismen gerechtfertigt.

Der Begriff wird oft in politischen und psychologischen Zusammenhängen genutzt. Er unterscheidet das „erlebte Geschlecht“ (Identität) vom „biologischen Geschlecht“– der Begriff ist jedoch umstritten.

Die Kritik an der Bezeichnung „Geschlechtsidentität“ besteht in der Betonung der psychologisierenden Komponente (Identität) des Geschlechtsbegriff. Dies wird von Kritiker* innen als patho-psychologisierend empfunden. Außerdem würde dadurch ein weiterer Begriff für „Geschlecht“ verwendet. Dies hätte zur Folge, dass der Begriff „Geschlecht“ weiterhin auf „Genital“ verkürzt würde. Diese Gleichsetzung sei jedoch ursächlich für viele Vorurteile und Fehlannahmen.

Wir verwenden den Begriff „Geschlechtsidentität“ in dem wir mit ihm nicht nur das (gewusste/geäußerte) Geschlecht, sondern auch alle weiteren lebensgeschichtlichen Faktoren, wie Coming Out, Haltung und Diskriminierungserfahrungen im Zusammenhang mit dem eigenen Geschlecht meinen.

Sexus: Sex (lat. sexus) bezeichnet einzig den Körper mit seinen sichtbaren Ausprägungen der primären und sekundären Geschlechtsmerkmale. Er hat NICHTS mit der sexuellen Orientierung zu tun.

Geschlechtsbewusstsein: Das Wissen um das eigene Geschlecht. Dieses ist unabhängig von den körperlichen Merkmalen.

Geschlechtsidentität: Wird häufig als Synonym für Geschlechtsbewusstsein genutzt, geht aber weit darüber hinaus. Die Geschlechtsidentität umfasst auch die persönliche Lebensgeschichte und die Erfahrungen, die aufgrund der eigenen Geschlechtlichkeit gemacht wurden. Ebenso prägt der persönliche Blick auf Geschlecht als Konstrukt die eigene Geschlechtsidentität.

Körperdysphorie: Leidensdruck, der durch die Nichtübereinstimmung (Inkongruenz) von kör­­­­perlichen Merkmalen und Geschlechtsbe­wusstsein ausgelöst wird. Eine Körperdysphorie ist keine Voraussetzung, trans* zu sein!

Gender: Gender (engl. soziales Geschlecht) be­­­­zeichnet die von der Gesellschaft definierten Geschlechterrollen. Diese sind abhängig von Kultur, Epoche, Erziehung und Sozialisation.

Genderdysphorie: Leidensdruck, der durch die Nichtübereinstimmung zwischen gesellschaftlicher Geschlechtsrollenerwartung und Geschlecht(sbewusstsein) entsteht.

(Der) Transsexus (trans, lat. „(hin)über“) ist die Bezeichnung für einen Körper, der Merkmale aufweist, die nicht zum Geschlechtsbewusstsein eines Menschen passen. Transsexus bezeichnet somit eine Eigenschaft des Körper an sich, während die häufiger genutzten Worte transsexuell, transgschlechtlich, transgender, transident oder die Kurzform trans* eine Eigenschaft einer Person beschreiben. Der Begriff „Transsexus“ eignet sich jedoch gut, um die körperliche Ebene zu erklären.

Wir alle haben ein intuitives Wissen darüber, wie unser Körper aussehen sollte, wie er gewissermaßen „richtig” ist. Wir wissen, dass wir männlich sind – und unser intuitives Wissen erwartet einen Penis. Wir wissen, dass wir weiblich sind – und unser Bewusstsein erwartet eine Vulva und Brüste. Wir wissen, dass wir weder männlich noch weiblich sind – und unser Bewusstsein erwartet einen Körper, der dem eigenen unumstößlichen Bild von „so bin ich richtig” entspricht.

Manchmal kommt es vor, dass die Körpermerkmale diesem Geschlechts(körper)bewusstsein, dieser „Körperlandkarte im Kopf“ nicht entsprechen. Es kommt vor, dass Menschen mit einem Penis geboren werden und trotzdem weiblich sind. Oder männliche Personen kommen mit einer Vulva zur Welt. Oder es werden nicht-binäre Menschen geboren, die irgendwann verstehen: Meine Vulva gehört zu mir, aber Brüste dürfte ich nicht haben, so ist mein Körper nicht „richtig”.

Dieser Widerspruch zwischen Körpermerkmalen und Geschlechtsbewusstsein führt oft zu einem hohen psychischen Leidensdruck (Körperdysphorie). Daher steht für viele Menschen mit einem Transsexus die Auflösung dieses Widerspruchs im Vordergrund. Dies geschieht durch Hormoneinnahmen und körperangleichende Operationen.

Ob ein Mensch mit einem Transsexus alle, einige oder auch keine körperlichen Angleichungen anstrebt, ist ausschließlich seine Entscheidung.

Eine Körperdysphorie ist keine Voraussetzung um trans* zu sein!

Der Oberbegriff „transgender“ wird von Menschen genutzt, welche die herkömmliche Geschlechtergrenzen in der Gesellschaft überschreiten – sei es, weil sie sich mit beiden binären Geschlechtern identifizieren, sich ganz außerhalb der binären Geschlechternorm verorten oder die Bezeichnung „transsexuell“ bzw. die Kategorie „Geschlecht“ für ihre Selbstdefinition ablehnen.

Transgender bezieht sich im Unterschied zu transsexuell eher auf das soziale Geschlecht (Gender) und nicht-körperliche Geschlechterüberschreitungen. Der Begriff hat seine Ursprünge im politisch-aktivistischen Kontext und soll Menschen sichtbar machen, die von den herrschenden Geschlechternormen unterdrückt und stigmatisiert werden. Ebenso findet er Verwendung, um gegen die fremdbestimmte und pathologisierende medizinische Terminologie aufzubegehren und ihr eine eigene und positive Selbstbezeichnung entgegenzusetzen.

Der Begriff Transgender wird in seiner Funktion als Oberbegriff von manchen transsexuellen Menschen wegen seines Fokus auf das Nicht-Körperliche kritisiert, da die Gefahr bestünde, zur Unsichtbarkeit von Transsexualität als körperliche Erfahrung beizutragen.

Manchmal entsprechen die Körpermerkmale (ins­besondere die inneren und äußeren Genitalien) ei­nes Menschen nicht den medizinisch-gesellschaftlichen Normen von „weiblich“ oder „männlich“. Wenn sie genetisch, hormonell und/ oder anatomisch „mehrdeutig“ sind, so spricht man von Menschen mit einem Intersexus (lat. inter „zwischen” / lat. sexus „Körper”) bzw. Intergeschlechtlichkeit.

Neben den schon bei Geburt erkennbaren Fällen gibt es viele Merkmale eines Intersexus, die erst während der Pubertät sichtbar werden kön­nen. Häufig bleibt ein Intersexus selbst im Erwachsenenalter unentdeckt. Heute geht man davon aus, dass ca. 2% der Menschenheit inter­ge­schlechtliche Merkmale haben.

Menschen mit einem Intersexus sind nicht per se „krank“ oder behandlungsbedürftig. Dennoch werden viele von ihnen ohne umfassende Aufklärung medikamentös und hormonell behandelt oder chirurgischen Eingriffen unterworfen. Häufig geschehen diese schwerwiegenden und irre­versiblen Eingriffe ohne eine persönliche, freie und voll informierte Einwilligung.

Besonders verheerend sind die chirurgischen Zwangsangleichungen von Kleinstkindern. Ei­ne solche genitalzwangszuweisende oder auch zwangsnormierende Operation bedeutet Unfruchtbarkeit und den Verlust des ursprünglichen Ge­nitals. Außerdem verursacht sie schwerste Schäden an den Nervenbahnen, die bis zum Libidoverlust führen können. Zudem wird den betroffenen Kindern mit der Operation unter Umständen ein Genital zugewiesen, welches nicht ihrem Geschlechtsbewusstsein entspricht. Solche Operationen sind eine klare und grobe Verletzung der Menschenrechte aber immer noch tägliche Praxis! Dennoch fühlen sich viele Eltern nach der Geburt eines intergeschlechtlichen Kindes ge­drängt, einer genitalnormieren­den Operation zuzustimmen.

Seit 2019 ist es intergeschlechtlichen Personen möglich, ihren Personenstand als „divers“ eintragen zu lassen. Dies setzt jedoch eine medizinische Begutachtung voraus. Auch wenn die sogenannte „Dritte Option“ ein Schritt in die richtige Richtung ist, bedeutet Pathologisierung und Fremdbestimmung statt geschlechtlicher Selbstbestimmung.

Wie viele geschlechter gibt es auf der welt

Derzeit setzt sich die Kurzform „trans*“ bzw. „trans“ als wertungsfreier Oberbegriff für Transsexus, Transsexualität, Transidentität, Transgeschlechtlichkeit und Enbys durch. Trans* verdeutlicht, dass Menschen mit Transsexus oft auch transgender sind und transgender Personen auch einen Transsexus haben können. Welcher oder ob einer der Begriffe als Selbstbeschreibung verwendet wird, entscheidet ausschließlich die Person selbst.

„Ich bin trans!“ ist eine insbesondere bei Jugendlichen gängige Selbstbeschreibung.

Wie viele geschlechter gibt es auf der welt

Cisgeschlechtliche Menschen erfüllen alle folgenden Kriterien:

  1. Das durch die Betrachtung der äußeren Genitalien nach der Geburt zugewiesene Geschlecht ist im Einklang mit den genetischen, hormonellen und weiteren körperlichen Merkmalen.
  2. Die körperlichen Merkmale entsprechen dem Geschlechtsbewusstsein. Kurz: Mein Körper passt zu mir.
    Beispiel: „Ich habe einen Penis und das ist richtig so.”
  3. Die zugewiesene Geschlechtsrolle entspricht dem Selbsterleben in der Gesellschaft (Geschlechtsspiegelung).
    Beispiel: „Ich bin eine Frau. Ich erkenne mich in anderen Frauen wieder und fühle mich damit wohl.“
  4. Andere erkennen mein Geschlecht an meiner Geschlechtspräsentation, also unter anderem an meiner Kleidung, Stimme, Frisur, Gestik und Bewegung. Kurz: Andere nehmen mich korrekt in meinem Geschlecht wahr.
    Beispiel: „Ich bin männlich und andere erkennen dies an meiner Stimme.“

Die meisten Menschen sind cisgeschlechtlich.

„Cis” (lat. auf dieser Seite) bedeutet, dass das zugewiesene Geschlecht und das tatsächliche Geschlechtsbewusstsein „auf der selben Seite” liegen, also kongruent sind und ist somit das Ge­­­genteil von „trans”.

Die Vorsilbe „cis“ wird benötigt, um nicht-binäre und trans* sowie intergeschlechtliche und cisgeschlechtliche Menschen diskriminierungsfrei und neutral beschreiben zu können.

Die abrahamitischen Kulturen (Judentum, Christentum, Islam) teilen die Menschen in zwei Geschlechter ein: weiblich und männlich. Andere Kulturen hingegen, wie z.B. in Thailand und Bolivien oder die indigenen Völker Nordamerikas, kennen bis zu zehn verschiedene Geschlechter.

Menschen, die ihr Geschlecht außerhalb des hier verbeiteten Zweiersystems empfinden oder auch mehreren Geschlechtern gleichzeitig angehören, bezeichenen sich als nicht-binär bzw. non-binary (Enby).

Auch nicht-binäre Personen leiden häufig unter dem Widerspruch von Körpermerkmalen und Geschlechtsbewusstsein – also einem Transsexus, der eine Körperdysphorie auslösen kann. Ebenso kann eine Genderdysphorie vorliegen.

Es gibt viele nicht-binäre Geschlechter: Agender, Neutrois, androgyn, Mixed-Gender, genderfluid, Bigender, genderqueer, Demi-Boys, Demi-Girls und viele weitere.

Viele Enbys bevorzugen für sich geschlechtsneutrale Personalprononomen wie „they“, „sier“, „ersie“, „xier“, „hen“ oder „nin“.

Wenn wir Menschen im alltäglichen Leben absichtlich oder unabsichtlich einem „falschen” Ge­schlecht zuordnen, nennt man dies misgendern. Bewusste Geschlechts-Falschzuweisungen (z. B. durch die konsequente Verwendung des falschen Personalpronomens) sind aggressive Hand­lungen und können auf Dauer zu erheblichen psychischen und emotionalen Verletzungen führen.

Wie viele geschlechter gibt es auf der welt

Sexismus bezeichnet die Abwertung von Men­schen auf Grund ihres Geschlechts. Er ist tief in unserer Gesellschaft verankert und basiert auf Annahmen und Vorurteilen, wie Menschen ihr Geschlecht auszuleben haben. Diese Abwertung ist eng mit Machtstrukturen ver­knüpft. „Patriarchat“ (Väterherrschaft) beschreibt ein historisch bedingtes Machtungleichgewicht, welches Männer über alle andere Geschlechter stellt.

Sexismus betrifft uns jedoch alle! Wir alle leiden unter festgeschriebenen Geschlechterroll­en und ungleich verteilter Macht. Männern werden „weibliche” Eigenschaften als „Schwäche” unterstellt. Frauen wird ihre „Weiblichkeit” ab­gesprochen, wenn sie „männliche” Eigenschaften besitzen. Oder von nicht-binären Men­schen wird eine „Eindeutigkeit“ verlangt, die ihrem Selbst komplett widerspricht.

Die Folgen von Sexismus für Männer zeigen sich deutlich in der sogenannten „toxischen Männlichkeit“, welche eine ungesunde und stereotype Erwartungshaltung an das Verhalten von Männern beschreibt.

Menschen mit Transsexus „wären nicht lieber“ eine Frau, ein Mann oder Nicht-Binär. Sie SIND es.

Ein Satz wie „Claudia, die früher mal Stefan war“ ist äußerst verletzend. Claudia war schon immer Claudia – sie wurde nur Stefan genannt, weil man ihr wahres Geschlecht nicht erkannt bzw. akzeptiert hat.

Wenn sich Ihr Kind nicht so „rollentypisch“ verhält, wie Sie es erwarten – entspannen Sie sich. Hören Sie ihm zu! Nehmen Sie Ihr Kind ernst. Das Geschlecht kann man nicht anerziehen. Sie haben nichts falsch gemacht! Falsch wäre es nur, nicht für Ihr Kind dazusein.

Wenn Sie zweifeln, wie Sie eine Person ansprechen sollen, fragen Sie sie einfach offen und freundlich nach („Wie darf ich Sie/Dich ansprechen?“).

Travestie ist eine Kunstform auf der Bühne. Sie ist ein Spiel mit Geschlechterrollen und hat nichts mit Transsexualität zu tun! Ein Mensch mit Transsexus kann sich sein Geschlecht nicht „abschminken“, er verkleidet sich auch nicht.