Wie viel CO2 stößt eine Kuh aus

Zu einem Online-Gruppentreffen haben die Biolandgruppen des Landkreises Oberallgäu geladen. Zentraler Punkt war ein Referat zum Thema: „Rinderhaltung in Zeiten des Klimawandels – Warum Kühe nicht das Problem sind!“.

Die Referentin, Annika Held, Biologin mit Spezialisierung auf Ökologie, studiert derzeit noch Ingenieurökologie mit Schwerpunkt Agrar an der TU München und arbeitet nebenbei als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei „Kuh pro Klima“. Das ist ein Projekt, das innovative Strategien für eine ressourcenschonende und resiliente Grünlandbewirtschaftung entwickelt.

Um den Klimaeffekt der Landwirtschaft richtig einschätzen zu können, müsse der Blickwinkel geweitet werden, weg von einer Fixierung auf Methan, hin zu anderen wichtigen Treibhausgasen, betonte die Referentin. Insbesondere auf Lachgas, dessen Treibhauswirkung 300-mal so hoch ist, wie die von CO2.

In der öffentlichen Diskussion um den Klimawandel stehen insbesondere Rinder und Milchkühe im Verdacht, übermäßig zum Ausstoß von klimaschädlichen Gasen beizutragen. Obwohl der CO2-Fußabdruck von Milchprodukten seit den 90iger Jahren des vergangenen Jahrhunderts deutlich rückläufig ist (ca. -30 %), wird die Milchproduktion für etwa 3 % aller Treibhausgase verantwortlich gemacht (zum Vergleich: die Luftfahrt für 2 %).In der Klimadiskussion geht es insbesondere um Methan, das von Kühen ausgeschieden wird. Methan entsteht, wenn Wiederkäuer ihr Futter verdauen. Spezialisierte Einzeller, sogenannte methanogene Archaeen bilden dann im Pansen das Treibhausgas, das sich anschließend in einer Gasblase sammelt. In die Atmosphäre gelangt das Methan schließlich durch das „Eruktieren“; die Wiederkäuer rülpsen es aus. Eine einzelne Kuh kann mehr als 300 Liter Methan am Tag ausstoßen.

Insgesamt wird weltweit viel weniger Methan als Kohlendioxid ausgestoßen. Allerdings ist Methan 28 Mal so klimaschädlich wie CO2, weshalb die Rinderhaltung verhältnismäßig stark zum Treibhauseffekt beiträgt.

Wissenschaftler haben noch kein klares Bild

Satellitenbilder der European Space Agency (ESA) zeigen jedoch: In Brasilien, einem Land mit einem besonders hohen Anteil an Rinderherden, ist die Methankonzentration in der Atmosphäre eher gering. Das gleiche Phänomen ist in Äthopien zu beobachen, auch dort leben extrem viele Wiederkäuer. Dagegen ist die Methan-Konzentration im stark industrialisierten China (Kohlenutzung) oder im Erdgasförderland Russland auffällig hoch. In den beiden Regionen leben vergleichsweise nur wenig Wiederkäuer (Rinder und Kühe).

Der Weltklimarates (IPCC), eine Institution der Vereinten Nationen, in der Wissenschaftler weltweit den aktuellen Stand der Klimaforschung zusammentragen, bewerten und anhand anerkannter Veröffentlichungen den jeweils neuesten Kenntnisstand zum Klimawandel veröffentlichen, hat unlängst erklärt die Zusammenhänge aus dem System zwischen Luft, Boden, Gras und Tier noch nicht ausreichend bekannt seien, um eine endgültige Einschätzung abzugeben (u.a. nimmt der Boden einen Teil des von den Rinern ausgestoßenen Methans wieder auf, ebenso dienen kultivierte Grünflächen als CO2-Speicher).

Früher haben Elefanten Methan ausgestoßen – heute tun es die Kühe

Die zentralen Fragen, die es zu beantworten gilt sind daher:

  • Tragen die heutigen Rinder und Milchkühe mehr zum Treibhauseffekt bei als die ähnlich großen Wildtierherden vor der industriellen Revolution? So haben vor 500 Jahren die 26 Mio. Elephanten in etwa gleich viel Methan ausgestoßen wie alle europäischen Milchkühe zusammen.
  • Was würde dann ein Verzicht auf diese Art der modernen Nutztier(Rinder)haltung bedeuten?

Der Publizist und Wissenschaftsautor Prof. Dr. Peer Ederer hat verschiedene Aspekte dieser Frage beleuchtet und die Ergebnisse in einem Video festgehalten. Dabei geht er auch auf die Bedeutung der domestizierten Rinderhaltung für die Ernährung und die Kultur der Menschen ein. Sein Fazit: Rinder und Milchkühe können kaum für einen menschengemachten Klimawandel verantwortlich sein. Es mache also weder aus klimapolitischen noch aus anderen Gründen heute Sinn, die tief im kulturellen Erbe verankerte Symbiose zwischen Rinderzucht und Gesellschaft in Frage zu stellen.
Das Video wurde im Auftrag des Milchindustrie-Verbandes e.V. (MIV) erstellt. Der MIV möchte mit dem 14-minütigen Film und der eigens dafür aufgesetzten Website die aktuelle Diskussion zur Klimabilanz der Kuh versachlichen. „Die Milchwirtschaft stellt sich ihrer Verantwortung, einen positiven Beitrag zum Klima und zur Aufklärung über die Zusammenhänge zwischen verschiedenen Faktoren zu leisten. Und zwar nicht erst seitdem die Wirkung der Kühe auf den Klimawandel öffentlich thematisiert wird“, sagt Eckhard Heuser, Hauptgeschäftsführer des MIV. Schon seit 2011 sensibilisiert der MIV seine Mitglieder für das Thema. Von zahlreichen Molkereien wurden bereits vierstellige Millionenbeträge investiert, um entlang der Wertschöpfungskette Energie einzusparen und den CO2-Ausstoß zu vermindern. „Wir freuen uns über eine lebhafte Diskussion zu diesem Thema“, so Eckhard Heuser weiter. „Unser Verband sowie Professor Ederer stehen jederzeit zur Diskussion zur Verfügung.“

12 Tonnen CO2 pro Kuh und Jahr

Laut Berechnungen der Christian-Albrechts-Universität Kiel emittiert eine Milchkuh mit 9.000 kg Milch etwa 12 t CO2-Äquivalent pro Jahr. Davon stammen 30 % aus dem Futterbau bzw. den Futterimporten, 17 % aus der Lagerung des Wirtschaftsdüngers, 16 % von der Nachzucht der Rinder und nur 37 % aus der ruminalen Verdauung. Wissenschaftlich bewiesen ist, dass vor allem der Zellulosegahlt im Futter die Methanbildung der Kühe beeinflusst. Je höher die Verdaulichkeit des Futters, desto geringer fällt der Methangehalt (CH4) aus. Durch eine gute Tiergesundheit, hohe Milchleistungen, ein geringes Erstkalbealter, eine dem Bedarf angepasste Rationsgestaltung und die schnelle Einarbeitung der Gülle lassen sich die Emissionen aus dem kuhstall auf ein Minimum reduzieren.
Den Film und weitere Infos finden Sie unter www.milchundklima.de. Fragen richten Sie bitte an die E-Mail-Adresse: .

SENDETERMIN Sa., 21.08.21 | 16:00 Uhr | Das Erste

Weidende Kühe sind für viele Menschen der Inbegriff des intakten Landlebens. Doch Kühe produzieren Treibhausgase. Sie stoßen allein 400 bis 700 Liter Methan pro Tag aus und das ist rund 25 mal so schädlich wie CO2. Um die Klimaziele zu erreichen, muss auch die Landwirtschaft ihre Treibhausgase bis 2030 um über 30 Prozent reduzieren, haben Experten und Expertinnen berechnet. Können wir uns überhaupt noch Kühe leisten? Und wenn ja, wie müssen sie gehalten werden?

Die CO2-neutrale Kuh gibt es nicht. Das liegt an ihrem Verdauungssystem und ist biologisch nicht zu ändern. Kühe sind Wiederkäuer, kauen also bereits grob zerkleinertes und geschlucktes Futter erneut durch. Bevor das Gras oder Heu durch einen Reflex wieder in ihr Maul befördert wird, ist es von Mikroorganismen bereits "vorverdaut" worden. Der Pansen ist eine Art Gärkammer, die dazu dient, die eigentlich unverdauliche Zellulose der Pflanzen aufzuschließen und ihre Nährstoffe zu nutzen. Allerdings entstehen bei diesen Gärprozessen auch Treibhausgase, wie Methan und CO2.

Kühe stoßen pro Tag 400 bis 700 LiIter Methan aus. Bei gut elf Millionen Rindern in Deutschland, summiert sich das auf gut eine Millionen Tonnen Methan pro Jahr. Sollte man nicht besser auf Rinderhaltung verzichten? Dr. Carsten Malisch und Nadine Schnipkoweit von der Uni Kiel finden das sei zu kurz gedacht. Denn Kühe können prinzipiell aus Gras, das für den Menschen nicht verdaulich ist, hochwertige Nahrung für den Menschen produzieren: Milch und Fleisch. Beide wollen Kühe klimafreundlicher machen, Nadine Schnipkoweit die konventionell gehaltenen Stallkühe und Carsten Malisch Weidekühe im ökologischen Landbau.

Allerdings ist die ganze Sache kompliziert. Die Haltung der Kühe, die Kuhrasse, die Milchleistung, das Futter, woher das Futter kommt – all das beeinflusst die Klimabilanz der Kuh.

Ist das Futter optimal zusammengesetzt und werden die Kühe so gehalten, dass sie gesund sind und eine hohe Milchleistung haben, lässt sich der Methanausstoß reduzieren. Weidekühe hatten bisher einen schlechten "Klimaruf". Sie fressen überwiegend Gras, im Gegensatz zu Stallkühen, die meist auch mit einem großen Anteil an Kraftfutter gefüttert werden. Gras enthält weniger Energie als Kraftfutter, deshalb geben Weidekühe weniger Milch als Stallkühe, aber trotzdem produzieren sie Treibhausgase.

Aber wie viel genau? Der Agrarwissenschaftler und Pflanzenkundler Carsten Malisch und sein Team wollten das herausfinden. Dazu rüsteten sie Weidekühe mit Abgasmessgeräten aus, um den Methanausstoß zu erfassen. Auf dem ökologisch bewirtschafteten Lindhof, der gleichzeitig auch Versuchshof der Universität Kiel ist, dienten ihnen die dortigen Jersey-Rinder als Versuchstiere. Jersey-Rinder können aus Gras sehr gut viele Nährstoffe ziehen. Sie sind exzellente Futterverwerter und haben für Weidekühe eine hohe Milchleistung.

Und trotzdem gibt es auch dabei einiges zu beachten. Älteres, faserreiches Gras ist für die Klimabilanz ungünstig. Das Vergären der harten, stabilen Zellwände dauert länger und ist aufwendiger. Es entstehen mehr Treibhausgase. Deshalb bekommen die Jersey-Kühe nur junges, zartes Gras. Die Gärprozesse sind kurz, wenig Methan entsteht. Jeden Tag prüfen die Mitarbeiter die Wuchshöhe der Wiesen. Ab einer bestimmten Höhe wird gemäht – für die Zufütterung im Winter. Die Kühe bekommen somit immer nur optimal zarte Pflanzen zu fressen.

Außerdem hat Carsten Malisch untersucht, ob bestimmte Pflanzen die Methanbildung zusätzlich verringern können. Dazu graste eine Kuhgruppe auf einer herkömmlichen Weidemischung mit Weidegras und Weißklee. Die andere Kuhgruppe auf Weiden mit acht Wiesenkräutern - mit Spitzwegerich, Rotklee, Weißklee und dann noch Arten, von denen sich Carsten Malisch eine besondere Wirkung erhoffte. Der Hornschotenklee und der kleine Wiesenknopf enthalten Tannine. Im Laborversuch haben diese den Methanausstoß reduziert. Allerdinsg wuchs im Versuchsjahr das dominante Gras so üppig, das die Wiesenkräuter nicht gedeihen konnten. Nach der ersten Enttäuschung, dann die Überraschung: Die Methanwerte seiner Kühe waren extrem niedrig, auf beiden Weiden.

Die Jersey-Versuchskühe rülpsten und atmeten nur etwa die Hälfte des Methans einer deutschen Durchschnittskuh aus – rund neun Gramm Methan pro Liter Milch, im Vergleich zu rund 17 Gramm pro Liter einer deutschen Durchschnittskuh. Die so optimal gemanagte Weidehaltung hat also eine bessere Klimabilanz als die durchschnittliche Stallhaltung.

Wie Stallkühe besonders klimafreundlich gehalten werden können, erforscht Nadine Schnipkoweit im konventionellen Agrarbereich der Universität Kiel im Versuchsbetrieb Karkendamm. In einem von Bundeslandwirtschaftsministerium geförderten Projekt protokollieren 30 Milchviehbetriebe drei Jahre lang alle Daten rund um die Fütterung, die Tiergesundheit und die Milchleistung und bekommen darauf aufbauend eine Fütterungsberatung. Das Futter für ihre Hochleistungskühe wird nach einem exakten Plan optimal zusammengestellt. Es besteht aus Kraft- und Mineralfutter, Mais- und Grassilage. Pro Tag gibt es für Holsteinkühe in der Regel rund 40 Kilo Gras- und Maissilage und circa zehn Kilo Kraftfutter, zum Beispiel Raps- und Sojaschrot. Kraftfutter ermöglicht eine hohe Milchleistung und ist ähnlich leicht verdaulich, wie junges Gras. Die Forschenden haben herausgefunden, dass durch die optimale Futterzusammenstellung auch hier der Methanausstoß deutlich gesenkt werden kann – im Durchschnitt um 3,5 Gramm pro Liter Milch.

Die Versuchsstallkühe verursachen im Durchschnitt etwa 13,5 Gramm – also 3,5 Gramm weniger als die deutsche Durchschnittskuh. Auf dem Versuchshof Karkendamm liegt der Methanausstoß sogar bei nur zehn bis elf Gramm pro Liter Milch. Der Methanausstoß liegt damit aber immer noch über den Werten der Ökokühe. Bei den Stallkühen kommen dann eigentlich auch noch die Treibhausgase hinzu, die beim Transport und vor allem beim Anbau des Kraftfutters entstehen. Die sind in diese Rechnung noch gar nicht eingeflossen.  

Nadine Schnipkoweit geht davon aus, dass es trotzdem künftig weiterhin Stallhaltung geben wird. Unter anderem, weil nicht in jeder Region in Deutschland Weidehaltung möglich ist. Ein grundsätzliches Problem bleibt jedoch auch mit einer besseren Klimabilanz der Kühe: Es sind einfach zu viele. Wissenschaftler haben berechnet, dass im Jahr 2030 nur etwa die Hälfte der heutzutage in Deutschland gehaltenen Milchkühe gehalten werden dürften, um den Klimawandel aufzuhalten. Das wären dann noch etwa zwei Millionen Milchkühe. Von den etwa sieben Millionen heute in Deutschland gehaltenen anderen Rindern, die für die Fleischprodukteproduktion gehalten werden, dürften es nur etwa zehn Prozent sein.

Autorin: Anja Galonska (HR)

Stand: 20.08.2021 23:59 Uhr


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SENDETERMIN Sa., 21.08.21 | 16:00 Uhr | Das Erste

Dass Rinder nicht gerade umweltfreundlich sind, ist mittlerweile hinlänglich bekannt. Sie stoßen beim Rülpsen und Pupsen das klimaschädlichen Treibhausgases Methan aus. Doch bestimmte Rinderrassen sorgen dafür, dass weniger Co2 in die Umwelt gelangt. Und die Artenvielfalt erhalten bleibt – oder sogar steigt!

Ein Beispiel sind Karpatische Wasserbüffel: Sie sind Teil eines Thüringer Naturschutzprojektes und helfen, die Landschaft zu renaturieren. Auf den ersten Blick sieht die Naturfläche im Norden Erfurts aus wie eine normale Weidelandschaft. Aber der Eindruck täuscht. Das Alpstedter Ried ist ein Feuchtmoorgebiet. Stella Schmigalle von der Stiftung Naturschutz Thüringen begleitet das vom Land Thüringen finanzierte Projekt. Im Zentrum stehen die Wasserbüffel, sie pflegen die sumpfige Landschaft, fressen hier Gras und andere Pflanzen ab. Die Tiere haben relativ breite Hufe und sinken nicht so tief in den Boden ein, wie eine Intensivkuh, sagt Stella Schmigalle. Die würde im sumpfigen Boden wahrscheinlich schnell steckenbleiben. Das passiert den Wasserbüffeln nicht.

Feuchtmoore sind ein lebenswichtiges Biotop für seltene Vogel- und Pflanzenarten. Und sie haben noch eine weitere wichtige Funktion: Moore speichern mehr Kohlendioxid als jedes andere Ökosystem der Welt. Sie bestehen zu 95 Prozent aus Wasser und sind sehr effektive Wasserspeicher, die helfen, Überschwemmungen und Flutkatastrophen zu verhindern. Obwohl sie nur drei Prozent der Erdoberfläche bedecken, speichern Moore rund 30 Prozent des erdgebundenen Kohlenstoffs. Nach Angaben des BUND binden die Moore weltweit doppelt so viel CO2 wie alle Wälder der Erde zusammengenommen.

Denn in Moorböden sammeln sich über Jahrtausende Pflanzenreste an, die wegen der nassen Bodenverhältnisse nicht vollständig zersetzt werden. Die Pflanzenreste enthalten überwiegend Kohlenstoff, der dann im Boden gebunden wird. Das ist dann der Torf. Das Problem: Sobald ein Moor austrocknet oder durch Menschenhand zur landwirtschaftlichen Nutzung trockengelegt wird, kommt der Boden mit Sauerstoff in Kontakt und die Pflanzenreste beginnen sich zu zersetzen. Damit gelangen nicht nur riesige Mengen CO2 in die Atmosphäre, sondern auch das über 300 Mal klimaschädlichere Lachgas (N2O).

Auch das Thüringer Moor wurde einst mithilfe von Entwässerungsgräben trockengelegt. Durch ein steuerbares Wehr am Hauptabflussgraben wird das aus Regen und Bodenquellen gespeiste Mischwasser nun seit 15 Jahren wieder im Gebiet gehalten, um das Moor wiederherzustellen. Das allerdings bringt neue Herausforderungen, erklärt Stella Schmigalle. Wenn die Fläche wiedervernässt wird, kann mit Maschinen nicht mehr gemäht werden. Gras und andere Pflanzen sprießen. Die entziehen dem Moor aber wieder Wasser. Genau das soll aber verhindert werden, damit sich das Moor wieder aufbauen kann. Deshalb müssen die Wasserbüffel hier helfen und die Pflanzen abfressen.

Die Leidenschaft der Wasserbüffel für Wasser hat aber noch einen weiteren Nutzen für die Natur. Die Tiere suhlen sich im Wasser. So halten sie Feuchtmulden offen. Besonders im Frühling sind diese Erdflächen für die Watvögel wichtig, die durch das Gebiet ziehen und zum Teil sogar hier brüten. Die Tiere können sich in den offenen Oberflächen gut tarnen – etwa der Kiebitz. Auch die Grauammer oder das Braunkehlchen profitieren.

Inzwischen ist ein ornithologisch wertvolles Mosaik aus Wasser und Schlammflächen entstanden. Die Renaturierung ist also ein Erfolg: Die Lebensbedingungen für Flora und Fauna haben sich verbessert. Das Moor bietet schutzbedürftigen Pflanzen wie dem Sumpf-Engelwurz ein Zuhause und schafft Lebensraum für bedrohte Tierarten wie der Helm-Azurjungfer und der Schmalen Windelschnecke.

Dass viele Pflanzenarten aus unserer Vegetation verschwunden sind, hat aber nicht nur mit der Austrocknung von Mooren zu tun. Auch die massenhafte Beweidung normaler Wiesen durch Hochleistungsrinder und intensives Düngen der Weideflächen haben dafür gesorgt, dass oft nur solche Grassorten wachsen, die als Hochleistungsfutter dienen.

Dass es auch anders geht, zeigen Hochlandrinder. Während andere Rassen in den vergangenen Jahrzehnten durch gezielte Zucht ihr Körpergewicht verdoppelten oder ihre Milchleistung verdreifachten, blieb das Hochlandrind mehr oder weniger wie es war: klein, genügsam, robust. 
Die Stärke der Hochlandrinder liegt dort, wo die leistungsorientierten Rassen an ihre Grenzen kommen: In steilen Hanglagen, auf besonders trockenem oder nassem Untergrund und auch auf Weiden, die so nährstoffarm sind, dass andere Rinder nicht satt würden. Hochlandrinder sind leicht: Sie kommen mit Steigung und Feuchtgebieten zurecht, ohne die Grasnarbe zu zerstören. Und sie sind anspruchslos: Sie kümmern sich weniger als andere Rinder darum, ob eine Pflanze nun nahrhaft oder stachelig ist. Sie wachsen so langsam, dass sie kein Kraftfutter und üppige Weiden brauchen. Stattdessen fressen sie, was ihnen vors Maul kommt, erklärt die Biologin Caren Pauler, die den positiven Effekt der Beweidung durch Hochlandrinder im Rahmen eines Forschungsprojekts untersucht.

Pauler hat dabei unter anderem herausgefunden, dass Hochlandrinder die Pflanzenvielfalt erhöhen, weil sie bei ihrem Futter nicht besonders wählerisch sind. Es gibt etliche Pflanzen, die sich davor schützen gefressen zu werden mit Stacheln wie die Disteln oder die Brombeeren. Oder mit Giftstoffen wie der Hahnenfuß beispielsweise. Und wenn die Rinder diese Pflanzen nicht fressen, dann nehmen die überhand. Sie können weniger gut geschützte Pflanzen überwuchern, erklärt die Biologin. Die Hochland-Rinder fressen all diese Pflanzen mit. Dadurch kriegen andere Pflanzenarten einen Vorteil und die Pflanzenvielfalt steigt insgesamt an. Das heißt: Statt Gestrüpp und Farn wachsen zum Beispiel auch Kreuzblumen, Zittergras oder Thymian.

Dieser Effekt, sagt Caren Pauler, zeige sich auf nahezu allen Flächen, auf denen Hochlandrinder weiden. 10 bis 15 Prozent mehr verschiedene Pflanzenarten wachsen auf diesen Flächen. Das wirkt sich auch auf die Tierarten, die auf solchen Flächen leben aus: Je höher die Artenvielfalt bei den Pflanzen ist, desto größer ist auch die Artenvielfalt bei den Tieren, die mit diesen Pflanzen zusammenleben.
Die Rinder sorgen außerdem für die Verbreitung der Pflanzensamen, da die sich oft im zotteligen Fell der Tiere verfangen und so über weitere Strecken transportiert werden.

Autor: Stefan Venator (HR)

Stand: 19.08.2021 15:30 Uhr