Wie sieht es nach den Bränden in Australien aus?

Zwei Jahre nach den Waldbränden: In Australien wird die Apokalypse zur Normalität

Brände legten 2019/2020 tausende Quadratkilometer Wald in Schutt und Asche. Hunderte Menschen starben, die Lebensräume ganzer Tierarten wurden zerstört. Obwohl Klimaerhitzung massgeblich für die Katastrophe verantwortlich gewesen war, tut das Land nichts dagegen. Dafür ein einzelner Millionär.

Urs Wälterlin, Batemans Bay 15.03.2022, 06.47 Uhr

Jahreswende 2019/2020: Australien findet sich im Klammergriff einer Jahrhundertkatastrophe. Im Südosten des Kontinents stehen riesige Gebiete von Wald und Wiesen in Flammen. 13 Millionen Hektaren, 200 Feuerfronten. Grossfeuer vereinen sich zu «Megafeuern». Einsatzkräfte sind überwältigt. Ganze Siedlungen gehen in Feuerstürmen unter. Die Schäden an Gebäuden, Fahrzeugen und Infrastruktur gehen in die Milliarden Dollar. 34 Menschen sterben in den Flammen, hunderte mehr an den Folgen von Rauchvergiftung und anderen Langzeitschäden.

Und mindestens drei Milliarden Tiere starben in den Flammen, so der Umweltwissenschaftler Chris Dickman - Säugetiere, Vögel und Reptilien. Der bekannte Koala-Retter James Fitzgerald geht davon aus, dass mindestens 5000 dieser immer seltener werden Beuteltiere umkamen: «Ich habe keine grosse Hoffnung für die Zukunft dieser Tiere».

Noch immer fehlt es an der nötigen Ausrüstung für Einsatzkräfte

Trotz solcher Zahlen hat die australische Regierung in den letzten zwei Jahren wenig unternommen, um Einsatzkräfte bei künftigen Grossfeuern besser auszurüsten. Noch immer fehlt es vielen der meist freiwilligen Feuerwehrleute in ländlichen Regionen an rudimentärer Ausrüstung wie Atemschutzmasken. Die Forderung einer Gruppe ehemaliger Feuerwehrkommandanten, Australien müsse endlich eine eigene Flotte von Löschflugzeugen aufbauen, bleibt in Canberra ungehört. Bisher lässt Australien vor Beginn jeder Feuersaison Tanklöschflugzeuge aus Kanada und den USA einfliegen. Nur mit Unterstützung aus der Luft haben Einsatzkräfte eine Chance, ein Megafeuer eindämmen zu können.

Dutzende Arten sind nun gefährdet

Eigentlich sind die von Eukalypten und Akazien dominierten Wälder der australischen Ostküste Feuer gewöhnt – gewisse Pflanzen brauchen sogar Flammen und Rauch, um sich vermehren zu können. Die Intensität der Hitze - mit Temperaturen von bis zu 1100 Grad – war jedoch für viele zuviel. Statt dass aus verkohlter Rinde frische Äste schiessen, sind auch zwei Jahre später viele Wälder mehrheitlich schwarz. Ab und zu ist in Schluchten die Farbe Grün zu sehen. Es sind Pflanzen, die durch ihre Lage vor den höchsten Temperaturen geschützt worden waren und überlebten.

«Der Lebensraum ganzer Tierarten wurde komplett ausgebrannt», erklärt der Ökologe und Auto John Pickrell im Gespräch mit CH Media. In seinem Buch «Flames of Extinction» (Flammen der Auslöschung) beschreibt er die Folgen, welche Feuerkatastrophe auch für jene Tiere hatte, denen es an «Knuddeleffekt» fehlt: Spinnen, Tausendfüssler, Würmer, Insekten. Sie seien für das Funktionieren des gesamten Ökosystems unverzichtbar, erklärt Pickrell, als Bestäuber von Pflanzen oder Verarbeiter abgestorbener Vegetation zu Humus. Wieviele Tierarten Australien damals verloren hat, können die Forscher noch nicht mit Sicherheit sagen. Dutzende seien auf die Gefährdeten-Liste gesetzt worden.

Klimawandel sei klar die Ursache, so Pickrell. Die australische Ostküste meldete im Katastrophensommer rekordhohe Temperaturen von bis zu 48,9 Grad Celsius. «Und in den Jahren davor hatten wir eine ungewöhnlich lange Dürreperiode, welche die Landschaft komplett ausgetrocknet hatte». Das staatliche australische Forschungsinstitut CSIRO warnt, die global steigenden Temperaturen eskalierten die Wahrscheinlichkeit der Entwicklung von Megafeuern.

Sogar in der Wintersaison nehmen die Feuer zu

In den letzten drei Jahrzehnten allein habe sich die Fläche der verbrannten australischen Wälder um 800 Prozent vergrössert. Laut den Forschern zieht sich die Brandsaison seit 1988 auch immer weiter in die kühleren Monate. So habe sich die von Feuern heimgesuchte Fläche im normalerweise feuerfreien australischen Winter mehr als verfünffacht. CSIRO-Forschungsleiter Pep Canadell: «Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Häufigkeit von Waldgrossbränden unter dem prognostizierten Klimawandel wahrscheinlich weiter zunehmen wird.»

Newcastle, gut zwei Stunden nördlich von Sydney. Hier liegt der grösste Kohleverladehafen der Welt. Fliessbänder transportieren ihre schwarz-glänzende Fracht in die hungrigen Bäuche gigantischer Kohletransportschiffe. 165 Millionen Tonnen pro Jahr. Australische Kohle ist Brennstoff für Fabriken und Kraftwerke auf der ganzen Welt. CO2-Emissionen machen Kohle aber auch zum Klimakiller Nummer 1. Australien ist einer der führenden Kohleexporteure der Welt. Und das soll auch so bleiben, sagt Premierminister Scott Morrison. Rund 50 Milliarden Dollar (33 Milliarden Franken) verdient Australien pro Jahr mit dem Export von Kohle. Darauf will niemand verzichten.

Kohleabbau - als gäbe es keinen Klimawandel

So baut Australien den Sektor weiter aus. Das Land hat mehr als 100 Projekte zur Erschliessung fossiler Brennstoffe in der Pipeline, die jährlich fast 1,7 Milliarden Tonnen Treibhausgase ausstossen könnten. Gleichzeitig zeigt sich Canberra beim Kilmaschutz störrisch. Morrison kann sich gerade mal zu einem Zugeständnis zur Klimaneutralität bis 2050 bringen lassen. Auch eine schon vor Jahren versprochene Reduktion der Emissionen bis 2030 zwischen 26 bis 28 Prozent im Vergleich zu 2005 gilt als zu schwach.

Der Premierminister behauptet regelmässig, sein Land sei mit seinen 25 Millionen Einwohnern «nur für rund 1,4 Prozent der globalen Emissionen verantwortlich». Dabei ist Australien wegen seiner Abhängigkeit von Kohle zur Stromerzeugung und der hohen Rate der Abholzung von Urwäldern pro Kopf schon der sechsgrösste Klimagasemittent der Welt. Die «Australian Financial Revue» hat jüngst die Emissionen aus den Kohleexporten in der Kalkulation der Kohlenstoffbilanz Australiens berücksichtigt. Danach ist das Land die Nummer Drei unter den globalen Klimasündern. Denn so berechnet würden die australischen Emissionen 9,4 Prozent der weltweiten Gesamtemissionen ausmachen. Zum Vergleich: China liegt bei 26,7 Prozent und die USA bei 13 Prozent (Stand 2021).

Der Plan: Kohlekraftwerke kaufen und stilllegen

Doch es gibt Hoffnung auf eine Kehrtwende. Sie kommt nicht aus Canberra. Vor wenigen Tagen machte ein Konsortium unter Führung des Technologiemilliardärs Mike Cannon-Brooks ein Milliardenangebot zur Übernahme des grössten Kohlekraftwerkbetreibers Australiens, AGL. Die Firma soll statt Kohle- sauberen Strom produzieren. Andrew Forrest, Vorsitzender des Eisenerzunternehmens Fortescue Metals, will auf eine klimaneutrale Zukunft bauen.

Forrest investiert Milliarden in Anlagen zur Herstellung von Wasserstoff. Der Treibstoff, der nur Wasserdampf als Emission abgibt, gilt als «Kohle der Zukunft». Forrest will Wasserstoff ausschliesslich unter Verwendung erneuerbarer Energieformen wie Wind- und Sonnenkraft herstellen.

Die Abholzung geht trotzdem weiter

Australien hat schon unter normalen Umständen eine der höchsten Abholzungsraten von Urwäldern der Welt. Wer angenommen hatte, die Praxis würde nach den Feuern enden, sieht sich getäuscht: in einigen der am stärksten von Bränden betroffenen Wäldern laufen Kettensägen auf Hochtouren. Statt den Wäldern ein paar Jahre der Erholung zu gewähren, statt Schutzzonen einzurichten, wird selbst in den am stärksten betroffenen Gebiete der Bundesstaaten NSW und Victoria geholzt.

Laut dem Ökologen David Lindenmeyer, einem Experten für die Nutzung von Wäldern, ist das Verhalten der Holzindustrie und der Politiker, die es ermöglichen, mehr als nur fahrlässig. «Die Rodung hat schwerwiegende Folgen für die Erholung sowohl der verbrannten als auch der verschonten Gebiete», so der Professor. Die Industrie sagt, der Erhalt von Arbeitsplätzen sei wichtig – gerade in den von den Bränden schwer betroffenen Gebieten.

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Urs Wälterlin, Canberra 11.02.2022

07. Januar 2021

Vor einem Jahr haben in Australien verheerende Waldbrände gewütet. Die Natur fängt zwar gerade wieder an aufzublühen, aber nur sehr langsam. Auch die Tierpopulation hat unter der Bränden sehr gelitten.

Mehr als 24 Millionen Hektar Land sind abgebrannt. Über drei Milliarden Tiere sind verbrannt oder vertrieben worden. 43 Menschen haben in den Bränden ihr Leben verloren. Das ist die traurige Bilanz der verheerenden Brände an der Ostküste Australiens aus dem vergangenen Jahr.

Ein Jahr später fängt die Natur langsam wieder an zu leben, berichtet Sebastian Pfautsch, Wiederaufforstungsexperte an der Western Sidney University in New South Wales. Man spreche auch davon, dass die Natur gerade heile, aber um auf den Zustand vor den Bränden zu kommen, werde es noch sehr lange dauern, sagt er.

"Die Regeneration findet statt, aber langsam – sehr, sehr langsam."

Sebastian Pfautsch, Wiederaufforstungsexperte an der Western Sidney University

Keine Vielschichtigkeit im Waldökosystem mehr

Vor allem die Vielschichtigkeit des Waldökosystems wird für einen langen Zeitraum verloren bleiben. Denn in den Wäldern wuchsen vor den Bränden Pflanzen aus den unterschiedlichsten Altersklassen. Jetzt fangen alle Pflanzen parallel an zu wachsen – ein großes Problem für die Biodiversität, sagt Sebastian Pfautsch.

"Wenn alles abrasiert ist, kommt alles in einem gleichen Altersschub wieder nach. Das bedeutet große Probleme, wenn es um Biodiversität geht."

Sebastian Pfautsch, Wiederaufforstungsexperte an der Western Sidney University

Auch wenn das hoffnungsvoll klingt, der Wiederaufforstungsexperte betont: Viele Tiere seien auf alten Wald, der sich deutlich von der Struktur eines jungen Waldes unterscheidet, als Lebensraum angewiesen.

In den Wäldern Australiens wachsen allerdings nicht nur komplett neue Jungpflanzen, sondern auch neue Triebe aus vermeidlich toten und abgebrannten Bäumen. So zum Beispiel in den Eukalyptuswäldern, die sich an das Feuer im Laufe von Millionen von Jahren angepasst haben. Sie können sich, nachdem sie gebrannt haben, wieder regenerieren. Man könne deshalb immer häufiger beobachten, wie aus abgebrannten Baumstümpfen plötzlich neue grüne Äste sprießen würden, beschreibt Sebastian Pfautsch.

"Das sind dann schwarze Baumgerippe komplett ohne Blätter und auf einmal sprießt es aus dem Stamm und den Ästen wieder neu raus. Sieht ganz irre aus."

Sebastian Pfautsch, Wiederaufforstungsexperte an der Western Sidney University

Denn durch die Hitze werden sogenannte schlafende Knospen aktiviert und fangen an, am Stamm neue Blätter zu treiben. So helfen sie, den Kohlenstoffhaushalt des Baumes wieder auf Vordermann zu bringen.

Zudem können auch neue, kleine Eukalyptusbäume mithilfe von Speicherorganen unter der Erde wachsen. Diese haben so viel Stärke eingespeichert, dass trotz des abgebrannten Stammes aus ihnen ein neuer Baum austreiben kann.

Bei Sebastian Pfautsch in New South Wales sieht es nicht nur bei den Pflanzen, sondern auch bei den Tieren schlecht aus - vor allem bei den Koalas, berichtet er. Denn die Tiere seien von Natur aus einfach sehr träge und nicht sehr reaktionsfreudig. Als die Brände kamen, seien sie nicht weggerannt, sondern auf den Bäumen geblieben und häufig dort verbrannt.

"Die Koalapopulation in New South Wales ist ganz schwer getroffen worden."

Wiederaufforstungsexperte Sebastian Pfautsch über die Koalas in Australien

Und auch um die übriggebliebene Koalapopulation steht es schlecht. Viele von ihnen haben Probleme, Futter zu finden, da es kaum noch Eukalyptusbäume gibt. Nachwuchs komme ebenfalls nur schwer nach, da die meisten Koalas zu schwach, krank oder mager seien, um Nachwuchs zu erzeugen, berichtet Sebastian Pfautsch.

Dieses Jahr keine großen Feuer erwartet

Aktuell brennt es wieder in Australien. Derzeit an der Westküste, in der Nähe der Stadt Perth. Sebastian Pfautsch geht aber nicht davon aus, dass sich die großen Brände vom vergangenen Jahr wiederholen, denn dieses Jahr ist in Australien ein La Nina-Jahr. Tropische Monsunregen werden über Zentralaustralien Richtung Süden und Südosten gedrückt und es gebe bei ihm in New South Wales jetzt schon sehr viel Niederschlag.

"Es wird dieses Jahr in der Feuersaison weit weniger brennen, weil die Landschaft viel mehr gesättigt ist mit Bodenfeuchtigkeit."

Sebastian Pfautsch, Wiederaufforstungsexperte an der Western Sidney University

Der Regen helfe jetzt dabei, die Böden in den Brandgebieten wieder feucht zu bekommen und die Dauerdürre, die seit 2016 herrsche, etwas auszugleichen.