Wie gut sind die Heilungschancen bei Prostatakrebs?

Grundsätzlich zeigt sich bei Prostatakrebs ein großer Unterschied zwischen dem Erkrankungsrisiko und dem Risiko, an dem Tumor zu versterben. Rund 15 bis 20 Prozent der Männer erhalten im Laufe ihres Lebens die Diagnose Prostatakarzinom – damit ist ein bösartiger Tumor der Prostata die häufigste Krebserkrankung bei Männern. Rund drei Prozent aller Männer sterben daran.

In Deutschland führt das Zentrum für Krebsregisterdaten im Robert Koch-Institut die Zahlen über die Neuerkrankungen und Überlebensraten bei Krebserkrankungen zusammen. Gemeinsam mit der Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister e.V. (GEKID) veröffentlicht das Zentrum alle zwei Jahre den Bericht „Krebs in Deutschland“ [1], der das Geschehen im Bereich der onkologischen Erkrankungen dokumentiert.

Der letzte Bericht wurde 2019 vorgestellt. Er bezieht sich auf das Jahr 2016 und zeichnet im Bereich der Prostatakrebserkrankungen folgendes Bild für Neuerkrankung, Sterbefälle und Überlebensrate:

Wie gut sind die Heilungschancen bei Prostatakrebs?

Neuerkrankung, Sterbefälle und Überlebensrate bei Prostatakrebs in Deutschland.

Die Überlebensrate bei Prostatakrebs ist vor allem davon abhängig, in welchem Stadium der Krebs entdeckt wird und wie aggressiv die Krebszellen sind. Es kann bei Prostatakrebs zwischen einem wenig gefährlichen „Haustierkrebs“ und einem gefährlichen „Raubtierkrebs“ unterschieden werden [2]. Ist der Tumor lokal begrenzt und wenig aggressiv, so ist es möglich, dass er nie gesundheitliche Beschwerden verursacht. Die Betroffenen sterben dann zwar mit einem Prostatakarzinom – aber nicht an ihm. Ein aggressiv wachsender Prostatakrebs hingegen kann bereits in kurzer Zeit starke Beschwerden auslösen und auch zum Tod führen.

Folgende Tabelle zeigt, wie viel Prozent der Prostatakrebspatienten in den Erhebungsjahren 2015 und 2016 fünf bzw. zehn Jahre nach Diagnose der Erkrankung noch leben [3]:

Altersgruppe

relative Überlebensrate in Prozent (Intervall-Länge: 5 Jahre)

relative Überlebensrate in Prozent (Intervall-Länge: 10 Jahre)

45-54

93

90

55-64

93

91

65-74

93

92

75 und älter

81

80

Gefährlich ist ein bösartiger Tumor der Prostata, wenn die Krebszellen aggressiv wachsen. In diesen Fällen ist es wichtig, die Geschwulst in einem frühen Stadium zu entdecken und rasch mit der Therapie zu beginnen.Bei fortgeschrittenem Prostatakrebs, der bereits Metastasen gebildet hat (UICC-Stadium IV), sprechen Ärzte davon, dass die Erkrankung systemisch geworden ist. Dieser Krebs gilt als nicht mehr heilbar.

Wie gut sind die Heilungschancen bei Prostatakrebs?

Verteilung der UICC-Stadien bei Erstdiagnose Prostatakrebs

Folgendes Diagramm zeigt, wie die Stadien entsprechend der zur Weltgesundheitsorganisation gehörenden UICC (französisch: Union internationale contre le cancer) bei der Erstdiagnose Prostatakrebs verteilt sind [1]. 

Fast 2/3 aller Prostatakarzinome werden in den frühen UICC-Stadien I oder II entdeckt, 21 Prozent hingegen erst im Stadium IV. Dank des medizinischen Fortschritts der letzten Jahrzehnte können Männer mit fortgeschrittenem Prostatakarzinom heute oft noch viele Jahre relativ beschwerdefrei leben.

Die Prognose, das heißt die Annahme des zukünftigen Krankheitsverlaufs, ist bei einer Krebserkrankung der Prostata neben der Abschätzung der Lebenserwartung auch wichtig, um eine Übertherapie und damit eventuelle Nebenwirkungen aus nicht nötigen Behandlungen zu verhindern. Denn: Ein Prostatakarzinom, das nicht aggressiv ist, bedarf gegebenenfalls nie einer Therapie.

Die S3-Leitlinie der medizinischen Fachgesellschaften empfiehlt, zur Prognose folgende drei Faktoren heranzuziehen:

  • Gleason-Score
  • TNM-Klassifikation
  • R-Status

Der Gleason-Wert gibt Auskunft darüber, wie aggressiv die Krebszellen wachsen. Ausgangspunkt für die Berechnung sind die durch eine Prostatabiopsie gewonnenen Gewebeproben. Die Zellen dieser Proben werden mikroskopisch untersucht und je nach Aggressivität ihres Wachstums in verschiedene Grade eingeteilt. Für den Gleason-Score wird der Grad der am häufigsten vorliegenden Zellen mit dem Grad der am zweithäufigsten vorliegenden Zellen addiert.

Ein Gleason-Score bis sechs weist auf einen langsam wachsenden Tumor hin. Ein Gleason-Score von acht oder höher hingegen steht für eher aggressive Krebszellen mit einem schnellen Wachstum.

Gleason-Score Agressivität
6 kaum
7a (3+4) gering
7b (4+3) mäßig
8 stark
9 bis 10 sehr stark

Die TNM-Klassifikation gibt an, wie weit sich der Krebs ausgebreitet hat. Auf Basis dieser Information können Aussagen über die Prognose getroffen werden. Der positive Zusammenhang zwischen Tumorgröße und dem Überleben beziehungsweise dem Risiko für einen Krankheitsrückfall (Rezidiv) ist seit vielen Jahren bekannt: Je kleiner ein Prostatakarzinom ist, desto besser sind die Heilungschancen. Hat es sich eventuell schon über die Prostata hinaus ausgebreitet, sind befallene Lymphknoten oder Metastasen in anderen Organen nachweisbar, so ist die Prognose deutlich schlechter.

T = Gibt die Ausweitung des Ursprungstumors an; die Skala reicht von T0 (kein Ursprungstumor vorhanden) bis T4 (der Tumor hat Nachbargewebe befallen).

N = Gibt an, ob Lymphknoten in Prostatanähe befallen sind (lateinisch nodi = Knoten)

M: Gibt an, ob der Primärtumor gestreut hat und Metastasen (Tochtergeschwulste) in anderen Organen vorhanden sind. Unterschieden werden M0 (keine Metastasen vorhanden) und M1 (Metastasen vorhanden).

T-Stadium (auch als cT bezeichnet, c = clinical):

  • Tx: Der Tumor kann nicht beurteilt werden 
  • T0: Es ist kein Tumor vorhanden
  • T1: Der Tumor ist unauffällig, kann nicht erstastet oder per Bildgebung dargestellt werden (T1 Tumore sind zufällige histologische Befunde bzw. in Folge einer Biopsie bei erhöhtem PSA-Wert gefundene Tumore): 
    • T1a: Zufallsbefund, Tumorzellen sind in weniger als fünf Prozent des Gewebes nachweisbar
    • T1b: Zufallsbefund, Tumorzellen in mehr als fünf Prozent des Gewebes nachweisbar
    • T1c: Durch Stanzbiopsie aufgrund eines zu hohen PSA-Wertes entdeckt
  • T2: Der Tumor ist auf die Prostata begrenzt
    • T2a: Der Tumor ist auf weniger als die Hälfte eines Prostatalappens ausgedehnt
    • T2b: Der Tumor ist auf mehr als die Hälfte eines Prostatalappens ausgedehnt
    • T2c: Der Tumor ist auf beide Prostatalappen ausgedehnt
  • T3: Der Tumor hat sich über die Prostatakapsel oder die Samenblase ausgebreitet
  • T4: Der Tumor wächst in umliegende Organe wie die Beckenwand, den Enddarm oder den Blasenhals  

N-Stadium:

  • N0: Keine Lymphknoten befallen
  • N1: Lymphknoten befallen

M-Stadium:

  • M0: Keine Metastasen vorhanden
  • M1: Metastasen vorhanden

T1-2, N0, M0 werden als lokal begrenztes Prostatakarzinom zusammengefasst. T3-4, N0, M0 beschreiben das lokal fortgeschrittene Prostatakarzinom. N1 und/oder M1 beziehen sich auf das metastasierte bzw. fortgeschrittene Prostatakarzinom [4].

Die S3-Leitlinie kombiniert für die Prognose eines lokal begrenzten Prostatakarzinoms die Faktoren Tumorkategorie, Gleason-Score und PSA-Wert und unterteilt drei Risikogruppen [2]:

niedrig

cT1-2a

und

6

und

weniger als 10ng/ml

mittel

cT 2b

oder

7

oder

10-20ng/ml

hoch

cT 2c-4

oder

8 – 10

oder

mehr als 20 ng/ml

Die Risikogruppe gibt hierbei jeweils an, ob die Wahrscheinlichkeit für ein aggressives Wachstum des Tumors beziehungsweise für einen späteren Krankheitsrückfall niedrig, mittel oder hoch ist.

Der Resektionsrandstatus (R-Status) gibt an, ob der Krebs komplett entfernt werden konnte oder ob am Schnittrand zu den gesunden Zellen noch Tumorzellen erhalten geblieben sind. Der Begriff geht zurück auf das englische „residual tumor“, das als „verbliebener Tumor“ übersetzt werden kann.

Die R-Klassifikation gibt also das Fehlen oder Vorhandensein eines Resttumors an. Man unterscheidet in:

  • RX – ob ein Residualtumor vorhanden ist, kann nicht beurteilt werden
  • R0 – kein Residualtumor: der Schnittrand ist frei von Krebszellen
  • R1 – mikroskopischer Residualtumor: im Schnittrand sind Krebszellen verblieben, die unter dem Mikroskop sichtbar sind
  • R2 – makroskopischer Residualtumor: Im Schnittrand sind Krebszellen verblieben, die mit den bloßen Augen sichtbar sind

Für den wahrscheinlichen Krankheitsverlauf eines Prostatakarzinoms und das Risiko eines Krankheitsrückfalls gilt: Je geringer R ist, desto besser ist die Prognose. 

Auch wenn ein bösartiger Tumor der Prostata erfolgreich behandelt werden konnte, kann es später zu einem Krankheitsrückfall, dem Rezidiv, kommen. Ausgangspunkt der Diagnose ist in der Regel der PSA-Anstieg, der sich meist im Rahmen der Nachsorgeuntersuchungen zeigt.

Liegt der Wert des Prostata-spezifischen Antigens nach einer radikalen Prostatektomie in zwei PSA-Tests im Abstand von zwei Wochen jeweils über 0,2 ng/ml, sprechen Ärzte von einem biochemischen RezidivVerdoppelt sich der PSA-Wert anschließend in weniger als drei Monaten, so ist das ein Hinweis auf eine Metastasierung. Eine längere Verdopplungszeit spricht eher für ein lokales Rezidiv [4].

Moderne PSA Messverfahren, sogenannte superselektive Methoden, erlauben eine PSA Messung bereits ab einem PSA Wert von 0,001 ng/ml. Dies hat die Definition eines biochemischen Rezidivs nicht verändert. Eine Strahlentherapie zur Rezidivbehandlung nach radikaler Prostatektomie sollte heute bei einem PSA-Wert ab 0,1 (und möglichst < 0,5) ng/ml erfolgen.

Wurde der Ersttumor mit einer Strahlentherapie behandelt und steigt der PSA-Wert in den Nachsorgeuntersuchungen um mehr als 2 ng/ml über den nach Ende der Bestrahlung gemessenen tiefsten Wert, so ist auch dies ein Hinweis auf ein erneutes Tumorwachstum.  

Je nach Art und Wachstum der Krebszellen, ist auch bei einem Krankheitsrückfall eine Heilung möglich.  

Sofern eine Metastasierung für unwahrscheinlich erachtet wird, kann das Rezidiv als lokal begrenzter Tumor behandelt werden. Wurde der Ersttumor durch eine Bestrahlung behandelt, so wird beim Krankheitsrückfall die radikale Prostatektomie empfohlen. Erfolgte die erste Therapie durch die operative Entfernung der Prostata, so wird betroffenen Männern beim Rezidiv die Bestrahlung vorgeschlagen.

Nicht jedes Rezidiv muss sofort behandelt werden. Unter Umständen bietet sich auch bei einer erneuten Erkrankung an, dieses vorerst zu beobachten (Watchful Waiting). Möglich ist das, wenn [5]:

  • Die Verdopplungszeit des PSA-Wertes nach der Erstbehandlung durch die Prostata-OP mehr als zehn Monate beträgt
  • Von der Erstbehandlung durch die radikale Prostatektomie und dem Auftreten des Rezidivs mindestens zwei Jahre vergangen sind
  • Der Gleason-Score des Ersttumors unter 7 lag

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