Wer debütierte 1986 als opernregisseur in stuttgart

Harald Schmidt verschlägt es nun auch auf die Opernbühne: In Stuttgart tritt der 61-Jährige als Haushofmeister in "Ariadne auf Naxos" von Richard Strauss auf. Sein Debüt an der dortigen Staatsoper gibt der ehemalige Moderator der legendären "Late Night Show" am 2. Juni.

BR-KLASSIK: Ich habe zwei Buchstaben im Gepäck, über die ich gerne mit Ihnen reden würde: E und U. Was fällt Ihnen da als erstes ein?

Harald Schmidt:  Naja, von Bernstein kenne ich: "Es gibt nur gute und schlechte Musik". Das ist ja auch richtig. Aber die Trennung habe ich in meinem Job nie gemacht. Entweder man unterhält die Leute - oder man unterhält sie nicht.

BR-KLASSIK: Was würden Sie sagen: E- und U-Musik auf keinen Fall getrennt sehen, eher zusammenbringen oder die Trennung gar auflösen?

Harald Schmidt: Die Trennung ist sinnlos, weil es um Handwerk geht und um künstlerische Seriosität. Die ist in einer Revue oder in einem Musical genauso gefragt wie im "Ring".

Nicht nur U-Musik in der Late Night Show

BR-KLASSIK: Wenn ich an die Late Night Show denke, mit der man Sie in Verbindung bringt, sehe ich eher das U. Auch wenn ich mich gut an Scarlatti erinnere – an das E. Würden Sie auch sagen, dass Sie immer versucht haben, einen Slalom zu fahren, beide Buchstaben zusammenzubringen?

Harald Schmidt: Für mich gab es die Trennung nicht. Ich hörte einmal in einem Kultursender nachmittags alle Scarlatti-Sonaten. Dann haben wir die DVD davon gekauft. Und um das aber für den Sat.1-Zuschauer zeitlich nicht ausufern zu lassen, haben wir auf zwölf CD-Playern alle Scarlatti-Sonaten gleichzeitig abgespielt. Es war das einzige Mal, dass in der Geschichte von Sat.1 der Name Scarlatti fiel.

BR-KLASSIK: Die Rahmenhandlung der "Ariadne" spielt in Wien. Wie steht's denn um Ihr Wienerisch?

Harald Schmidt: (Auf Wienerisch) Naja, ich sag mal so: außerhalb von Wien jederzeit! Wann ich in Wien bin, mache ich's auch. Man ist dort charmant genug, um zu sagen: "Du machst das gar nicht schlecht." Aber mia alle wissn, dass die Wiener falsch san und wenn ich rausgehe aufs Klo oder zu die anderen Schneebrunzer, heißt es: "Der soll die Pappn halten, der kann's nicht."

BR-KLASSIK: Nicht schlecht! Wird es das dann auch auf der Bühne in Stuttgart geben?

Harald Schmidt:  Nein, das war einer der ersten Sätze, die ich vom Regisseur Jossi Wieler gehört habe. Wir haben alles Wienerische herausgenommen. Die Inszenierung spielt zwar in Wien und kriegt außerdem jetzt nochmal durch die Vorgänge in Österreich einen Schub. Aber die Oper ist natürlich Lichtjahre von irgendwelchen platten Tagesaktualitäten entfernt.

Ein deutscher Apparatschik

BR-KLASSIK: Das heißt, Ihr Haushofmeister ist kein Wiener?

Harald Schmidt: Er ist ein deutscher Apparatschik. Ich muss allerdings sagen, es hat mir wahnsinnig gut gefallen, wie Bundeskanzler Kurz zur Pressekonferenz in das Schlafzimmer von Maria Theresia kam, um dort zu sagen: "Jetzt ist Schluss, jetzt sind keine Politiker mehr an der Regierung, jetzt kommen Experten." Diese Art, wie er ging und wie er die Hände hielt. Auch der Ton, in dem er das angestimmt hat, war eigentlich eher sanft. Das war für mich nochmal so ein Schlüsselerlebnis: Genau! Diese Meldung: "Mein gnädiger Herr haben sich mal wieder anders besonnen" - das wird in einem sehr sanften Ton gemacht. Ich mache das auch, aber in der Inszenierung von einem Rednerpult aus, über Mikrofone.

BR-KLASSIK: Sie lassen sich also auch noch ganz aktuell für die Rolle inspirieren.

Harald Schmidt: Ja, aber nicht so, dass man sagen könnte, wir würden eine Kurz-Parodie machen. Man sieht es einfach und kann sagen: "Das ist gemeint".

Keine absolute Tempofreiheit bei Hofmannsthal

BR-KLASSIK: Ich habe gelesen, dass Sie schon als Jugendlicher vom Theater fasziniert waren und für Vorstellungen auch weite Wege auf sich nahmen. Sie sind auch Musiker, haben Orgel gespielt und Kirchenmusik studiert. Wie ist es denn, wenn beides zusammenkommt: das Schauspiel und die Oper? Gerade das Timing ist wahrscheinlich schwierig, wenn man mit Sängern arbeitet, aber das Sprechtheater gewohnt ist.

Harald Schmidt: Absolut! Mir den Hofmannsthal-Text drauf zu schaffen, war für mich auch nicht einfach. Der Text muss ja wirklich wörtlich kommen, auch für die Stichworte. Außerdem wird mein Text auch teilweise musikalisch aufgenommen. Ich hatte auch schon Proben mit Generalmusikdirektor Cornelius Meister, der dirigiert. Es wird wirklich darauf geachtet, dass ich zwar in meinem Tempo einigermaßen frei bin, aber dass es doch Stellen gibt, die einfach exakt auf den Takt kommen müssen. Sonst stimmt es musikalisch einfach nicht mehr.

BR-KLASSIK: Macht Ihnen diese Probenarbeit Spaß oder sind sie eher ein Improvisateur?

Harald Schmidt: Ich habe natürlich mein Leben lang nur improvisiert – das wird auch in der Rolle über Zerbinetta gesagt. Sie ist eine Meisterin im Improvisieren, weil sie immer nur sich selber spielt. Besser kann man mich gar nicht beschreiben. Mir machen die Proben unglaublich Spaß: Es sind fantastische Musiker, es sind tolle Kolleginnen und Kollegen. Und das Tollste ist, dass ich ja eine Übernahme mache. In der Premiere hat der große Schauspieler André Jung gespielt. Und das heißt, dass ich sozusagen in die schon bestehende Inszenierung reingehe. Das entspricht genau meinem Arbeitsethos. Was im Schauspiel immer sehr mühselig ist, ist der Satz: "Jetzt lass uns mal anfangen." Und das ist mir wirklich zu anstrengend.

BR-KLASSIK: Sie springen also aufs fahrende Schiff ...

Harald Schmidt: Genau. Ich habe es wahnsinnig gern, da zu stehen und zu warten, bis der Stuhl nach vorne geschoben wird und ich dann einfach nur von links zu kommen brauche. Das ist auch so ein Traum von mir, dass ich jetzt weltweit als Haushofmeister gastiere. Von Buenos Aires bis Lappland – wo auch immer der Haushofmeister indisponiert ist: Give me a call.

Sendung: "Allegro" am 27. Mai 2019 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Zwei Jahrzehnte lang, von 1981 bis zu seinem Tod am 12. Dezember 2000, prägte Götz Friedrich als Intendant und Regisseur die Deutsche Oper Berlin. Mit seinen Inszenierungen, allen voran von Wagners DER RING DES NIBELUNGEN machte er das Haus nicht nur zu einer der Aufsehen erregendsten Stätten modernen Musiktheaters, sondern prägte auch unseren Blick auf die großen Stoffe der Opernliteratur. Noch immer sind seine Inszenierungen von LA BOHEME, LA TRAVIATA und LE NOZZE DI FIGARO Teil des Repertoires der Deutschen Oper Berlin.

Mit drei Inszenierungen hatte sich der ehemalige Dramaturg und Regisseur der Komischen Oper in der kurzen Intendanz von Siegfried Palm dem Ensemble und dem Publikum der Deutschen Oper Berlin vorgestellt. Als der Kultursenator Dieter Sauberzweig sich für ihn als künftigen Generalintendanten entschied, fürchteten die einen und hofften die anderen, dass er aus der Deutschen Oper Berlin eine Komische Oper II machen würde. Beide Gruppen hatten wohl nicht so genau hingesehen, denn Götz Friedrich hatte in den Jahren seit seiner »Republikflucht« 1972 als Principal Guest Producer des Royal Opera House Covent Garden und als Chefregisseur der Hamburgischen Staatsoper seinen künstlerischen Horizont deutlich erweitert. Und gleich in seiner ersten Spielzeit in Berlin zeigte er exemplarisch, dass er beides zu vereinen wusste: Hier die in der Tradition des »realistischen Musiktheaters« von Walter Felsenstein stehende Ensemblearbeit mit AUS EINEM TOTENHAUS von Leoš Janáček, da die am internationalen Medienmarkt orientierte AIDA mit Luciano Pavarotti als Radames und Daniel Barenboim am Pult. In seiner Intendanz manifestierte sich so eine Vereinigung künstlerischer Prinzipien aus Ost und West lange vor der »Wiedervereinigung«. Diese erlebte Götz Friedrich neun Jahre später in Stuttgart, wo er gerade DIE BASSARIDEN von Hans Werner Henze inszenierte. Das hatte er sich in seinem Vertrag mit dem Land Berlin ausbedungen, dass er neben seiner Tätigkeit als Generalintendant und Chefregisseur der Deutschen Oper Berlin zwei Mal während einer Spielzeit an anderen Opernhäusern inszenieren durfte.

Durchaus abweichend vom Konzept der Komischen Oper unter Walter Felsenstein, neben dem nur Regisseure tätig waren, die fest in der Tradition des »realistischen Musiktheaters« standen (außer Götz Friedrich vor allem Joachim Herz und später Harry Kupfer), holte sich Götz Friedrich als Kontrast ganz andere Regiehandschriften ins Haus. Hans Neuenfels inszenierte regelmäßig seit der MACHT DES SCHICKSALS 1982, Günter Krämer debütierte 1986 mit KATJA KABANOVA, John Dew 1987 mit DIE HUGENOTTEN.

Die zeitgenössische Musik lag ihm am Herzen, eine seiner ersten Amtshandlungen war die Ernennung von Hans Werner Henze zum Ehrenmitglied. Der Komponist fühlte sich dem Berliner Opernhaus seit der Uraufführung seines KÖNIG HIRSCH an der Städtischen Oper verbunden und komponierte zur Inauguration von Götz Friedrich ein Klavierstück, das Homero Francesch zu diesem Anlass in einer Matinee »Musiktheater für Berlin« zum Beginn der Spielzeit 1981/1982 spielte. Bis zur nächsten Henze-Uraufführung dauerte es einige Jahre: Die Oper DAS VERRATENE MEER kam 1990 auf die Bühne, inszeniert wie fast alle Uraufführungen vom Chefregisseur selbst. Schon etwas früher kam als erste Opernuraufführung OEDIPUS von Wolfgang Rihm heraus. Diesen damals noch nicht einmal 30jährigen Komponisten hatte sich Götz Friedrich als »Berater für zeitgenössische Musik« an die Seite geholt. Sein »poème dansé« TUTUGURI war der Sensationserfolg des Balletts der Deutschen Oper Berlin in der zweiten von Götz Friedrich verantworteten Spielzeit. Die ausdrücklich für das große Herrenensemble der Deutschen Oper Berlin, das darin als antiker »Chor« fungierte, komponierte Oper OEDIPUS kam 1987 zur Uraufführung.

Richard Wagner gehörte seit 1972 zu den bevorzugten Komponisten von Götz Friedrich. Damals hatte er in Bayreuth mit TANNHÄUSER einen Skandal entfacht – und sich gleichzeitig international bekannt gemacht. Wagner gehörte auch von Anfang an zum Repertoire der Deutschen Oper Berlin, schließlich wurde die Vorgänger-Institution, das Deutsche Opernhaus, 1912 ausdrücklich als Richard-Wagner-Theater konzipiert. TRISTAN UND ISOLDE gehörte zu den drei Inszenierungen von Götz Friedrich vor seiner Generalintendanz, die Planungen für einen neuen RING DES NIBELUNGEN begann er unmittelbar nach der Unterzeichnung seines Vertrages. 1984 (der Roman von George Orwell mit diesem Titel stand für alle konzeptionellen Überlegungen Pate) begann der Zyklus, heftig umkämpft von Publikum und Presse, der dann zu einer der langlebigsten Produktionen wurde.

Den RING DES NIBELUNGEN hatte Götz Friedrich bereits in London mit Josef Svoboda erarbeitet, der auch an der Deutschen Oper Berlin tätig war, etwa bei AUS EINEM TOTENHAUS; nun arbeitete er mit Peter Sykora zusammen, der seit 1981 ebenfalls als »Republikflüchtling« nicht mehr in die DDR zurückkehren konnte und die Deutsche Oper Berlin zum Zentrum seiner Arbeit machte. Mit John Dew waren Gottfried Pilz und Isabel Glathar an die Deutsche Oper Berlin gekommen, später arbeiteten sie auch für Götz Friedrich.

Die künstlerische Partnerschaft Götz Friedrichs mit seiner Ehefrau Karan Armstrong passte vor allem zu Anfang nicht jedem. Als »Primadonna der Moderne« gingen jedoch wichtige Impulse von ihr aus: Lulu sang sie in der Premiere 1982, Salome in der 20 Jahre alten Inszenierung von Wieland Wagner. Später prägte sie auch Inszenierungen von Günter Krämer (so als Katja Kabanowa, Emilia Marty oder Lady Macbeth von Mzensk) und John Dew oder sang Sieglinde in der WALKÜRE. Ihre Marietta in der TOTEN STADT ist auf DVD erhalten, eine der leider nicht sehr zahlreichen Fernsehproduktionen aus der Zeit Götz Friedrichs.

Eine von der Politik verpasste Chance ergab sich 1990, als Giuseppe Sinopoli signalisierte, an der verwaisten Position des GMDs interessiert zu sein und auch das Orchester ganz begeistert war von der Idee. Ein Nachfolger für Jesús López Cobos, der die Deutsche Oper Berlin 1989 zur Erschließung neuer Horizonte verlassen hatte, wäre er nicht geworden, denn er hätte sich nicht die Zeit nehmen wollen, Produktionen selbst über sechs bis acht Wochen von der ersten bis zur letzten szenischen Probe zu begleiten. Aber zur internationalen Aufmerksamkeit für das größte Opernhaus in der künftigen Hauptstadt, das nun zwei unmittelbare Konkurrenten hatte, hätte er schon Wesentliches beitragen können – was er mit den schon verabredeten Produktionen, darunter SALOME mit Catherine Malfitano und Simon Estes, auch tat.

Götz Friedrich war stets hin- und hergerissen zwischen der künstlerischen und der organisatorischen Tätigkeit. Aber er ging kreativ mit der Doppelbelastung um, flüchtete vom Schreibtisch auf die Probebühne, um von dort direkt wieder zum Schreibtisch zu verschwinden. Seine wichtigste organisatorische Entscheidung war die Gründung des Förderkreises der Deutschen Oper Berlin e. V. am 13. Februar 1982 (dem 99. Todestag von Richard Wagner) auf einer Probebühne unter der Schirmherrschaft des damaligen Regierenden Bürgermeisters und zukünftigen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker. Ohne den Förderkreis wäre weder das Stipendienprogramm für junge Sänger, noch die Produktion des RINGS DES NIBELUNGEN oder die Gastspiele in Japan und den USA möglich gewesen.

Der Nachwuchs lag Götz Friedrich besonders am Herzen, sowohl bei den Künstlern als auch beim Publikum. Außer den Gesangsstipendiaten förderte er junge Choreographen und Regisseure mit speziellen Programmen. Das »Education Program« (wie man heute sagen würde) »Klassik is‘ cool« wurde unter seiner Leitung eingerichtet und im Foyer (in Ermangelung einer eigenen kleinen Bühne) eine Aufführungsstätte für Produktionen für und mit Kindern aufgebaut. In Hamburg hatte er zusammen mit August Everding den Studiengang Musiktheater-Regie gegründet. Zahlreiche Regisseure und Dramaturgen gingen daraus hervor, so Stefan Herheim, der nun den Nachfolge-RING inszeniert und damit auch die Fackel weiterträgt.

Wer debütierte 1986 als opernregisseur in stuttgart

Amahl und die nächtlichen Besucher © Kranichphoto

Dem Publikum der Zukunft galt Götz Friedrichs letzte Inszenierung: AMAHL UND DIE NÄCHTLICHEN BESUCHER von Gian Carlo Menotti. Bei der Planung konnte er nicht wissen, dass er wenige Tage nach der Premiere einer schweren Erkrankung erliegen würde. Am 12. Dezember 2020 jährt sich sein Todestag zum 20. Mal. Der Verlust war schmerzlich, doch wird die Erinnerung wachgehalten durch den Götz-Friedrich-Preis, der alljährlich an junge Regisseurinnen und Regisseure vergeben wird. 2008 erhielt der neugestaltete Platz an der Ecke Krume Straße / Bismarckstraße, gegenüber dem Shakespeare-Platz, den Namen Götz-Friedrich-Platz. Eine Skulptur von Günther Uecker direkt am Ausgang der U-Bahn reflektiert die künstlerische Zusammenarbeit mit ihm, die in der szenischen Fassung der MATTHÄUSPASSION 1999 ihren Höhepunkt gefunden hatte.