Welcher blutdruckwert ist gefährlicher der obere oder der untere

Erhöhtes Gesundheitsrisiko?

Welcher blutdruckwert ist gefährlicher der obere oder der untere

Nicht nur ein erhöhter Wert des systolischen Blutdrucks deutet auf ein erhöhtes Krankheitsrisiko hin. Auch der diastolische Wert sollte als Indikator gesehen werden. Foto: Hauke-Christian Dittrich

Was ist wichtiger - der "obere" oder der "untere" Blutdruck-Messwert? Darüber waren sich lange Zeit auch Experten uneins. Eine aktuelle Datenanalyse trägt nun zur Klärung der Frage bei.

Oakland (dpa) - Beide Blutdruck-Messwerte können ein erhöhtes Risiko für Krankheiten wie Herzinfarkt oder Schlaganfall anzeigen. Eine US-amerikanische Studie zeigt, dass nicht nur ein erhöhter Wert des oberen, systolischen Blutdrucks auf ein erhöhtes Krankheitsrisiko hinweist.

Auch der untere, diastolische Wert sei ein guter Indikator und sollte nicht vernachlässigt werden, berichtet das Forscherteam im Fachmagazin "New England Journal of Medicine".

Was wird gemessen?

Bislang waren sich Experten uneins, ob sich beide Blutdruckwerte gleich gut eignen, um eine erhöhtes Gesundheitsrisiko abzuschätzen. Der systolische Wert zeigt, mit welchem Druck Blut vom Herz in den Körper gepresst wird. Der diastolische Wert misst den Blutdruck, während das Herz sich wieder mit Blut auffüllt, also zwischen zwei Herzschlägen.

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In Deutschland werden zur Diagnose von Bluthochdruck immer beide Werte einbezogen. Ulrich Kintscher, Direktor des Instituts für Pharmakologie am Universitätsklinikum Charité in Berlin sieht dies mit der Studie bestätigt: "Hier wird mit einer sehr großen Datenmenge die Bedeutung des diastolischen Werts bestätigt. Im Alter, das zeigt die Studie auch, ist der systolische Wert entscheidender, aber grundsätzlich sollten beide beachtet werden."

Was ergab die Studie?

Die US-Forscher hatten für die aktuelle Studie Patientendaten des privaten Krankenversicherers Kaiser Permanente Northern California verwendet. Für den Zeitraum zwischen 2007 und 2016 erhielten sie so über 36 Millionen Blutdruckmessungen von etwa 1,3 Millionen Menschen. Über die Patienten sind außerdem weitere Daten bekannt, wie das Alter oder Vorerkrankungen.

In der Studie bestätigte sich, dass ein erhöhter Blutdruck das Risiko für bestimmte Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht. In Europa gelten Werte über 140/90 als erhöht. In den Vereinigten Staaten wurde die Grenze vor Kurzem gesenkt und liegt jetzt bei 130/80. Die Studie orientierte sich an beiden Grenzwerten. Die Analyse zeigte, dass auch der untere Wert ein guter Indikator für das Risiko eines Herzinfarkts oder Schlaganfalls ist.

Lässt sich der Blutdruck beeinflussen?

"Es hat lange Kontroversen darüber gegeben, was zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen beiträgt, der systolische oder der diastolische Blutdruck, oder beide", so Co-Autor Deepak Bhatt in einer Pressemitteilung von Kaiser Permanente. "Diese Analyse von langjährigen, umfangreichen Daten zeigt überzeugend, dass beide wichtig sind. Und sie zeigt auch, dass für ansonsten gesunde Menschen niedrige Blutdruckwerte grundsätzlich besser sind."

Der deutsche Experte Kintscher ist der Ansicht, dass alle Erwachsenen Ihren Blutdruck kennen sollten. In Abhängigkeit der Höhe sollte dann in regelmäßigen Abständen gemessen werden. "Wenn Bluthochdruck diagnostiziert wird, liegt jetzt vermehrt der Blick auf der Selbstmessung der Patienten, hierbei sollten die Patienten zweimal täglich messen", so der Experte.

Neben Medikamenten gäbe es gute Möglichkeiten, auf den Blutdruck Einfluß zu nehmen, so Kintscher. Dazu gehören demnach regelmäßige körperliche Betätigung und eine gesunde, salzarme Ernährung: "Es hilft schon mit dem Hund spazieren zu gehen und auf Fertigprodukte zu verzichten."

Abstract

Donnerstag, 02. November 2017

In Deutschland sind 20 bis 30 Millionen Menschen von Bluthochdruck betroffen.

(Foto: dpa)

Herzinfarkt, Organschäden, Schlaganfall: Bluthochdruck birgt viele Risiken und ist eine Volkskrankheit. In Deutschland leidet fast jeder dritte Erwachsene unter Hypertonie. Aber ab wann ist Bluthochdruck gefährlich? Und wie stark sollte er gesenkt werden?

Vorsichtig befestigt Ulrike Lange die Manschette am Oberarm. Sie schließt den Klettverschluss und schaut auf ein elektronisches Display. Das weiße Gerät surrt und piept. Mehrmals am Tag misst die 39-jährige Apothekerin den Blutdruck von Berliner Kunden. "Was wir hier machen, ist natürlich nur ein Check. Wenn wir Auffälligkeiten beobachten, empfehlen wir unseren Kunden sofort den Gang zum Arzt", sagt Lange. Die meisten ihrer Kunden haben einen konkreten Anlass, warum sie ihren Blutdruck messen lassen: "Meistens handelt es sich um Kopfschmerzen, Schwindel oder ein allgemeines Unwohlsein. Bei warmem Wetter wird unser Service besonders stark nachgefragt."

Was Ulrike Lange in ihrer Kreuzberger Apotheke anbietet, halten Experten für dringend notwendig. Hannelore Neuhauser vom Robert Koch-Institut (RKI) betont: "Wichtig ist, dass der Blutdruck regelmäßig gemessen wird, um einen möglichen Hochdruck überhaupt zu entdecken. Außerdem ist es gut zu wissen, ob der Blutdruck vielleicht in einem Bereich liegt, der zwar noch nicht als medikamentös behandlungsbedürftig gilt, aber schon nicht mehr harmlos ist."

Fast jeder dritte Deutsche leidet unter Hypertonie

Welcher blutdruckwert ist gefährlicher der obere oder der untere

Bluthochdruck steigert das Risiko für viele auch lebensbedrohliche Krankheiten.

(Foto: picture alliance / dpa)
Welcher blutdruckwert ist gefährlicher der obere oder der untere

Bluthochdruck steigert das Risiko für viele auch lebensbedrohliche Krankheiten.

(Foto: picture alliance / dpa)

In Deutschland leidet laut RKI fast jeder dritte Erwachsene unter Hypertonie, wie der Bluthochdruck fachsprachlich heißt. Etwa ein Fünftel der Betroffenen ist sich seiner Krankheit allerdings gar nicht bewusst. Das kann verhängnisvoll sein, denn Hypertonie hat einen hohen Anteil an der gesamten Krankheitslast im Land.

Die Liste der Gefahren von Bluthochdruck ist lang: Er steigert das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall, Herzschwäche, Erkrankungen der Herzkranzgefäße, Nierenversagen und sogar Demenz. Begünstigt wird zu hoher Blutdruck durch häufigen Alkoholkonsum, Rauchen, zu wenig Bewegung, salz- und fleischreiche Ernährung, aber auch durch die Einnahme von Schmerzmitteln wie Ibuprofen oder Paracetamol.

Ab wann ist der Blutdruck zu hoch?

Während über diese Ursachen und Gefahren deutliche Einigkeit unter Medizinern herrscht, sind zwei andere, ebenso wesentliche Fragen, höchst umstritten: Ab wann ist der Blutdruck eigentlich zu hoch, also krankhaft? Und wie stark darf er gesenkt werden? Schließlich ist eine gewisse Variation der Werte durchaus normal. Das Altern aber auch körperliche Betätigung können zu einer natürlichen Erhöhung führen.

Und andersherum ist nicht jede Senkung gesund. Yvonne Dörffel, Leiterin der Medizinischen Poliklinik der Berliner Charité, erklärt: "Wir haben beobachtet, dass eine zu starke Senkung zu erheblichen Beeinträchtigungen der Lebensqualität bei vielen Patienten führen kann und damit auch die Einnahmetreue der Medikamente negativ beeinflusst." Das heißt: Patienten nehmen die Mittel nicht regelmäßig oder setzen sie ab. "Bei einigen Patienten können sogar erhöhte Nierenwerte auftreten", so Dörffel.

Bei der Diagnose des Blutdrucks schauen Ärzte auf zwei Werte gleichzeitig: Den systolischen (oberer Wert) und den diastolischen Blutdruck (unterer Wert). Lange Zeit galt als medizinisch vertretbar, wenn der systolische Wert nicht über 140 lag, alles darüber sollte mit Medikamenten behandelt werden.

"Sprint"-Studie sorgte für Aufmerksamkeit

Vor zwei Jahren sorgte die sogenannte "Sprint"-Studie aus den USA für große Aufmerksamkeit. Sie kam zu dem Ergebnis, dass zumindest für bestimmte Bluthochdruck-Patienten eine Senkung auf einen systolischen Wert von 120 günstiger sei. Die Folge war auch in Deutschland ein Ansturm auf Arztpraxen und Kliniken, weil viele Patienten ihre Werte als zu hoch einschätzten und nach Medikamenten verlangten.

Doch die "Sprint"-Studie wies Schwächen auf. Vor wenigen Wochen teilte die Deutsche Hochdruckliga dann auch mit, man müsse an den ursprünglichen, höheren Zielwerten festhalten. Das heißt konkret: Generell sollte der Blutdruck die Werte 140 zu 90 nicht überschreiten. Schon diese Werte würden in Deutschland bei weniger als 60 Prozent der Patienten erreicht. "Wichtigstes Behandlungsziel für alle Ärzte muss sein, dass dieses Blutdruckziel erreicht wird", sagt Bernhard Krämer, Vorstandsvorsitzender der Hochdruckliga.

"Zielwerte individuell festlegen"

Auch Yvonne Dörffel schließt sich dieser grundsätzlichen Einschätzung an, hält aber eine Einzelfallbewertung für notwendig: "Ich empfehle, dass Zielwerte grundsätzlich individuell festgelegt werden. Bei deutlich unter 60-jährigen Patienten, die ein kardiovaskuläres Risiko aufweisen, halte ich eine Senkung auf 120 bis 130 mmHg für sinnvoll, aber nur, wenn es die Ausgangswerte zulassen. Bei über 60-Jährigen ist unabhängig vom Ausmaß des kardiovaskulären Risikos eine Senkung auf unter 140 mmHg angemessen."

Wer es gar nicht erst zum Bluthochdruck kommen lassen möchte, sollte auf seine Ernährung und seinen Lebensstil achten. Dörffel rät zu regelmäßigem Ausdauersport und drei Portionen Obst täglich.

Quelle: ntv.de , Janne Kieselbach, dpa