Welche giftstoffe gibt es im körper

Das deutsche Schadstoffgedächtnis ruht in einer umgebauten ehemaligen Bunkeranlage in Münster. In unterirdischen Räumen lagern bei etwa minus 150 Grad Celsius derzeit etwa 350.000 Blut- und Urinproben in Metalltanks mit flüssigem Stickstoff – jedes Jahr kommen bis zu 15.000 weitere dazu.

Das Archiv der Umweltprobenbank reicht zurück bis 1981. „Wir sammeln, charakterisieren und lagern die Proben für spätere Analysen“, sagt Dominik Lermen vom Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik (IBMT). „So kann man die Proben nachträglich auf bestimmte Stoffe untersuchen.“

Jedes Jahr werden neue Proben an vier verschiedenen Orten gesammelt. Münster, Ulm, Greifswald und Halle stehen stellvertretend für West-, Süd-, Nord- und Ostdeutschland. Ihr Inhalt, der letztlich in Münster gelagert wird, ist von unschätzbarem Wert: Er gibt Aufschluss darüber, welchen Schadstoffen in welchen Mengen Bundesbürger verschiedener Regionen ausgesetzt waren und sind.

„Wir können jederzeit schauen, wie sich die Belastung mit der Zeit entwickelt hat“, sagt Marike Kolossa-Gehring vom Umweltbundesamt (UBA), die das Projekt leitet. Das UBA wertet die Analysen aus und ist zuständig für die Beratung der Bundesregierung und auch der Bevölkerung.

Wie wichtig die Humanproben sind – ähnliche Projekte registrieren die Belastung von Böden, Tieren und Pflanzen –, zeigen die immer neu aufflammenden Diskussionen über bestimmte Chemikalien. Da ist der allgegenwärtige Plastikgrundstoff Bisphenol A, das Herbizid Glyphosat oder das jüngst in Eiern nachgewiesene Biozid Fibronil.

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Insgesamt, so schätzt Kolossa, seien derzeit etwa 140.000 verschiedene Chemikalien auf dem Markt. Viele davon landen im Organismus. „Im Körper kann man locker 300 Stoffe nachweisen.“ Die müssen darauf geprüft werden, ob sie die Gesundheit gefährden können – sowohl einzeln als auch in möglichen Kombinationen. Eine schwierige Aufgabe.

Für manche Einzelstoffe zeigen Langzeitreihen durchaus erfreuliche Trends: „Wir haben viele Probleme gelöst“, sagt Andreas Gies, Leiter der UBA-Abteilung „Umwelthygiene“. „Wir beobachten über den Zeitverlauf, dass viele Belastungen deutlich zurückgegangen sind, teilweise bis zu 90 Prozent.“

Beispiel Blei: Bei Menschen aus Münster sanken die Werte von 1981 – damals war Benzin noch verbleit – bis 2016 von mehr als 70 auf 9 Mikrogramm pro Liter Blut. Tendenz: weiter abnehmend. Das Beispiel zeigt aber auch: Trotz des positiven Trends besteht kein Grund für Entwarnung.

„Wir haben immer noch Probleme“, betont Gies. Weil Bleiverbindungen krebserregend seien und das Gehirn schädigten, gebe es keine untere Grenze – jede noch so geringe Konzentration könne Schäden verursachen. „Viele Stoffe sind problematischer, als wir früher gedacht haben“, sagt Gies.

Hohe Wellen schlägt momentan der Streit über Glyphosat, über dessen weitere Zulassung die EU am 9. November entscheiden könnte. Dass das Herbizid die Artenvielfalt mindert, gilt als sicher. Die Debatte dreht sich aber zurzeit vor allem darum, ob es die menschliche Gesundheit schädigt.

Die Internationale Krebsforschungsagentur (IARC) in Lyon hatte die Substanz vor zwei Jahren als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. „Das wäre ein riesengroßes Problem für das weltweit gängigste Pflanzenschutzmittel“, sagt Gies. Nach europäischem Recht dürften Pestizide, die das Erbgut schädigen, nicht zugelassen werden.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) vertritt eine andere Einschätzung und steht seitdem in der Kritik. Auf Anfrage will sich die Behörde zu Glyphosat nur schriftlich äußern. Bei sachgerechter Anwendung in der Landwirtschaft seien beim Menschen keine krebserzeugenden, erbgutverändernden oder entwicklungsschädigenden Risiken von Glyphosat zu erwarten, heißt es in einer Stellungnahme.

Die von der IARC abweichende Einschätzung erklärt das BfR damit, die Krebsforschungsagentur prüfe lediglich die Eigenschaft eines Wirkstoffes, Krebs zu erzeugen – „nicht aber die Wahrscheinlichkeit, dass Krebs tatsächlich erzeugt wird, wenn dies von der Höhe der Aufnahmemenge abhängig ist“.

Das BfR habe ebenso wie die europäischen Zulassungsbehörden andere Bewertungsregeln und berücksichtige andere Studien, sagt Kolossa-Gehring vom Umweltbundesamt. Diese würden in der Regel im Auftrag der Hersteller erstellt und nicht veröffentlicht.

Der Münchner Toxikologe Helmut Greim, der als industrienah gilt und zusammen mit Mitarbeitern des Glyphosat-Herstellers Monsanto publiziert hat, hält diese Studien für genauso wertvoll wie öffentlich finanzierte Untersuchungen. UBA-Mitarbeiter Gies relativiert: „Die formale Qualität der Studien ist hoch, die wissenschaftliche Qualität aber oft niedrig“, sagt er. „Weil die Studien nicht veröffentlicht werden, gibt es keine Prüfung durch den Gutachterprozess der Zeitschriften und auch keine Diskussionen unter Forscherkollegen.“

Wie dem auch sei: Analysen der Humanprobenbank von 2001 bis 2015 belegen, dass viele Bundesbürger den Stoff im Körper tragen. Urinproben aus Greifswald zeigen, dass 2001 rund zehn Prozent der Menschen Glyphosatwerte über dem Wert von 0,1 Mikrogramm pro Liter hatten. Bis zum Jahr 2012 waren es 58 Prozent, bis 2015 sank der Anteil auf 40 Prozent.

„Nach der Risikoeinschätzung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) ist keine der gemessenen Glyphosat-Konzentrationen problematisch für die menschliche Gesundheit“, schrieb ein Team um Kolossa-Gehring kürzlich im „International Journal of Hygiene and Environmental Health“.

„Allerdings hat die Internationale Krebsforschungsagentur Glyphosat als ,für Menschen wahrscheinlich krebserregend‘ klassifiziert. Berücksichtigt man diese Einschätzung, verdient vor allem die in den Proben dokumentierte zunehmende Tendenz für eine innere Glyphosat-Belastung Aufmerksamkeit in Hinsicht auf die menschliche Gesundheit.“

Kolossa-Gehring bedauert die insbesondere im Internet oft aggressiv geführte Debatte. „Dieser Streit verunsichert die Bevölkerung in höchstem Maß“, klagt sie. Aber nicht nur einzelne Stoffe machen ihr Sorge, sondern Chemikalien-Cocktails und die Frage, ob und wie sich verschiedene Stoffe im Körper verstärken. Dies ist weitgehend ungeklärt.

Beispiel Phthalate: Die Plastik-Weichmacher werden vor allem zur Herstellung von PVC-Kunststoffen genutzt. Doch ein Teil der Stoffe entweicht. Dass Phthalate vor allem bei Männern die Fruchtbarkeit schädigen können, gilt als wahrscheinlich.

Die Stoffe unterliegen laut Kolossa-Gehring seit Anfang des Jahres 2015 einer Zulassungspflicht, was de facto einem Verbot gleichkomme. „In nahezu sämtlichen Urinproben wurden die Metabolite der meisten Phthalate nachgewiesen“, heißt es vonseiten der Umweltprobenbank. „Dies weist auf eine ubiquitäre Belastung der deutschen Bevölkerung hin.“

Zwar sanken die Belastungen der Bundesbürger seit Mitte der 90er-Jahre, aber dafür steigen nun die Konzentrationen der sieben bis acht Ersatzstoffe wie etwa Hexamoll Dinch. Allein von dieser Substanz werden laut Kolossa-Gehring jährlich mehr als 200.000 Tonnen produziert – deutlich steigende Konzentrationen im Urin der Bundesbürger spiegeln diese Entwicklung wider. Dinch ist in der EU für Lebensmittelverpackungen zugelassen, dennoch bleiben für Kolossa-Gehring Fragen offen. „Ich glaube nicht, dass wir die Wirkungen dieser Stoffe ausreichend bewerten können“, sagt sie.

Ist es mitunter schon schwierig, das Risiko einzelner Substanzen zu bewerten, so ist das bei Chemikalien-Cocktails fast ausgeschlossen. Experten gehen davon aus, dass sich Effekte mancher Stoffe im Körper summieren können. Darauf verwies Andreas Kortenkamp von der Brunel University London schon vor Jahren mit Blick auf endokrine Disruptoren – also Stoffe wie Phthalate oder Bisphenol A, die hormonartig wirken.

„Es gibt gute Belege, die zeigen, dass gemeinsame Effekte auftreten, selbst wenn jeder Bestandteil einer Kombination unterhalb von Konzentrationen vorliegt, bei denen beobachtbare Effekte auftreten“, schrieb er schon 2007 im Fachblatt „Environmental Health Perspectives“.

Die UBA-Mitarbeiterin Kolossa-Gehring glaubt, dass das auch für andere Stoffe gilt, etwa Weichmacher. „Es gibt viele Hinweise darauf, dass eine Reihe von Phthalaten additiv wirken“ sagt sie. Und es sei durchaus denkbar, dass mehrere Stoffe, die einzeln keine Wirkung zeigen, zusammen durchaus Effekte hätten – insbesondere wenn sie auf die gleiche Körperregion wirken. „Die Bewertung von Einzelstoffen verharmlost etliche Risiken“, glaubt sie, weiß aber auch: „Die Untersuchung möglicher Kombinationen ist eine unendliche Aufgabe.“

Doch wie kann man als Verbraucher die Aufnahme bedenklicher Stoffe minimieren? Absoluten Schutz gebe es nicht, sagt Kolossa-Gehring. Zur Vermeidung von Schadstoffen sei es aber ratsam, Produkte aus biologischem Anbau zu konsumieren. „Man kann Kaufentscheidungen treffen.“

Als Bestandteile der Erdkruste kommen Schwermetalle in Spuren überall in der Natur vor, im Boden ebenso wie im Wasser und in Pflanzen. Damit finden die Stoffe auch Eingang in die menschliche Nahrungskette. Zusätzlich gelangen Schwermetalle über die Lunge in den Körper: Sie werden zusammen mit Staub, Abgasen und Tabakrauch eingeatmet.

Einige Schwermetalle sind in geringen Mengen lebensnotwendig für den Körper, so zum Beispiel Kupfer, Zink und Eisen. Andere Vertreter haben dagegen nach derzeitigem Wissensstand keinen Nutzen für die Gesundheit bzw. sind bereits in geringer Dosierung giftig (Blei, Quecksilber, etc.).

Die gefährlichsten Schwermetalle, die in Lebensmitteln stecken können, sind Blei, Cadmium und Quecksilber.

Blei wird in Knochen und Zähnen angereichert und schädigt vor allem das Nervensystem, das blutbildende System, die Nieren und bei Erwachsenen auch das Herz-Kreislauf-System. Mögliche Folgen sind zum Beispiel eine verminderte Intelligenz, Lern- und Gedächtnisprobleme, Blutarmut und Nierenfunktionsstörungen. Besonders riskant ist eine Bleibelastung für Kinder sowie für Schwangere. Im Tierversuch hat Blei zudem Krebs verursacht.

Cadmium wird bevorzugt in den Nieren, aber auch in anderen Organen wie Leber, Schilddrüse sowie in den Knochen gespeichert. Der Körper kann das Cadmium kaum ausscheiden, sodass es sich anreichert. Das schädigt vor allem die Nieren und stört ihre Funktion. Weil Raucher Cadmium auch noch mit dem Tabakrauch aufnehmen, sind ihre Nieren meist einer noch stärkeren Cadmiumbelastung ausgesetzt.

Quecksilber wird hauptsächlich durch den Verzehr von Fischen und Meerestieren aufgenommen, und zwar meist in Form organischer Quecksilber-Verbindungen. Diese werden fast vollständig im Darm resorbiert. Sie überwinden die Blut-Hirn-Schranke und sammeln sich im Gehirn und Rückenmark an. Im Bereich des Nervensystems treten daher auch die größten Schäden durch eine Quecksilberbelastung auf (z.B. Missempfindungen, Gangunsicherheiten, Sprach- und Hörstörungen).

Anorganische Quecksilber-Verbindungen werden im Darm kaum aufgenommen. Sie reichern sich hauptsächlich in den Nieren (Funktionsstörungen!) an, sind bei Belastung aber auch in Leber, Schilddrüse, Gehirn und Hoden nachweisbar. Sowohl organische als auch anorganische Quecksilberverbindungen haben in Tierversuchen eine krebserregende Wirkung gezeigt.

  • Obst und Gemüse sollten gründlich gewaschen und eventuell geschält werden. Bei Salat sollten Sie die äußeren Blätter nicht verwenden.
  • Essen Sie maximal 200 bis 250 g Wildpilze pro Woche. Pfifferlinge, Steinpilz & Co. speichern nämlich sehr viel Quecksilber und Cadmium. Weniger belastet sind Zuchtchampignons.
  • Verwenden Sie keine Töpferwaren (Teller, Tassen etc.) mit bleihaltiger Glasur. Wenn Sie nicht sicher sind, ob bei der Herstellung eines Keramikgefäßes Blei verwendet wurde, sollten Sie es sicherheitshalber nicht in der Küche bzw. als Unterlage für Lebensmittel benutzen.
  • Wer regelmäßig und über einen längeren Zeitraum Leinsamen verzehrt, sollte nicht die geschrotete Variante wählen. Eventuell enthaltenes Cadmium kann dann leichter austreten und vom Körper aufgenommen werden.