Wir sehen den Mond fast täglich, aber immer nur von einer Seite. Eine faszinierende Animation der NASA erlaubt uns einen Blick auf die Rückseite unseres kosmischen Nachbarn Show
Unser Verhältnis zum Mond ist ein bisschen einseitig. Obwohl er ein steter Begleiter der Erde ist, sehen wir nur seine eine Hälfte. Um die Erde einmal zu umrunden, benötigt der Mond dieselbe Zeit wie für eine Drehung um seine eigene Achse – gute 27 Tage. Deshalb wendet er uns immer die gleiche Seite zu. Um einen Blick auf seine Rückseite zu werfen, braucht es Hilfsmittel. ----------------- Seit dem Jahr 2009 schwebt die Raumsonde "Lunar Reconnaissance Orbiter" durch das All und fertigt eine detaillierte Karte der Mondoberfläche an. Die US-amerikanische Raumfahrtbehörde NASA hat mit Hilfe des entstandenen Materials eine eindrucksvolle Animation der Rückseite unseres nächsten kosmischen Nachbarn erstellt. Weniger Meere auf der Rückseite des MondesKamera, Mond und Erde bilden eine Linie. Der Betrachter schwebt über einem Punkt auf der Rückseite des Mondes. Der Mond scheint still zu stehen, während die überdimensionale Erde rotiert. Auf der Kehrseite des Mondes sehen wir nur wenige schwarze Flecken, wie wir sie von seiner uns zugewandten Seite kennen. Diese dunklen Flächen sind sogenannte „Maria“, wasserlose Meere auf dem Mond. Dafür weist seine Rückansicht zahlreiche Krater auf. In einer zweiten Einstellung bleibt der Blick auf die Mondrückseite fixiert, aber die Achse zwischen Erde und Mond wird vernachlässigt. Die Größenproportionen kehren sich um und Erde und Sonne wirken unrealistisch klein im Vergleich zum riesenhaften Mond. Als Mondrückseite wird jene Hemisphäre des Erdmondes bezeichnet, die von der Erde abgewandt, und daher nie zu sehen ist. Genau genommen sind aber nur 41 Prozent der Mondoberfläche von der Erde aus nie sichtbar. Der Grund ist die um 5° geneigte Mondbahn und ihre Ellipsenform (siehe Libration).
Dass stets dieselbe Hälfte des Mondes der Erde abgewandt ist, hat seine Ursache in der gebundenen Rotation des Trabanten – einem in der Astronomie häufigen Phänomen bei der engen Umkreisung zweier Himmelskörper. Durch die Gezeitenkraft der Erde hat sich die Rotationsdauer des Mondes nach und nach der Monatslänge (29½ Tage, Periode der Mondphasen) angepasst. Die Menschheit kennt das Aussehen der Mondrückseite erst seit 1959: Damals hat eine sowjetische Sonde diese Seite fotografiert. Im Folgejahr wurden die Aufnahmen in einem Mondatlas veröffentlicht. Am 3. Januar 2019, 3:26 Uhr MEZ landete mit der chinesischen Raumsonde Chang’e-4 erstmals eine Sonde auf der Mondrückseite.[1] Der Landeort war der Von-Kármán-Krater im Südpol-Aitken-Becken.[2] Die Mondrückseite wurde erstmals Ende 1959 von der sowjetischen Mondsonde Lunik 3 erkundet, deren Funkbilder 70 Prozent der erdabgewandten Seite erfassten und eine ganz andere Ansicht boten als die gewohnte und gut erforschte Vorderseite des Mondes. Insbesondere war nur eine einzige dunkle Tiefebene (Mare Moskwa) erkennbar. Die Erfassung der noch unkartierten Gebiete gelang im Juli 1965 nach dem Vorbeiflug der sowjetischen Raumsonde Zond 3, die erstmals hochwertige Bilder von der Mondrückseite lieferte. Der Lunar Reconnaissance Orbiter der NASA hat schließlich die Rückseite 2010 in hoher Auflösung kartiert.[3] Die drei Apollo-8-Besatzungsmitglieder Frank Borman, James Lovell und William Anders waren 1968 die ersten, und mit einundzwanzig weiteren Apollo-Astronauten die bisher einzigen Menschen, die die erdabgewandte Mondseite mit eigenen Augen gesehen haben. Die Topografie der Vorder- und Rückseite des Mondes. Auf letzterer sind die regionalen Höhenunterschiede wesentlich stärker ausgeprägt. ErscheinungsbildSchon auf den ersten Blick fällt auf, dass die dunklen Gebiete, die von erstarrter Lava bedeckten Tiefebenen (Mare), nur wenige Prozent der Oberfläche ausmachen, im Gegensatz zu etwa 30 Prozent auf der erdzugewandten Seite. Daher hat die Rückseite im Schnitt ein höheres Rückstrahlvermögen (Albedo); damit ist bei Neumond die Rückseite heller als die Vorderseite bei Vollmond. Umso fragwürdiger ist daher die englischsprachige Bezeichnung dark side of the Moon. Darunter hat man weniger eine Dunkelheit zu verstehen, sondern die Tatsache, dass diese Seite lange Zeit den Menschen unbekannt war. Auf der Rückseite befinden sich auch weniger Mondgebirge und -rillen als auf der Vorderseite. Dies liegt wohl an den wenigen Mondmeeren bzw. großen Einschlägen. Der maximale Höhenunterschied zwischen den tiefsten Senken im Südpol-Aitken-Becken und den höchsten Lagen im benachbarten ostzentralen Hochland mit den Kratern Korolev und Hertzsprung beträgt etwa 16 km. Dies sind einige Kilometer mehr als auf der erdzugewandten Mondhälfte und nur etwas weniger als die 20 km an der Oberfläche der Erdkruste. Geologischer HintergrundDas Schwerefeld auf der Vorder- und Rückseite des Mondes, rot = größere, blau = geringere Schwerkraft Aus geologisch-kosmogonischer Sicht ist bemerkenswert, dass die Mondrückseite nur vier kleine Mondmeere aufweist: Die zwei relativ zentral gelegenen Tiefländer Mare Moscoviense und Mare Ingenii sowie die bei extremer Libration am Rand vor der Vorderseite sichtbaren Tiefländer Mare Australe und Mare Orientale. Die Mondrückseite besteht zu über 90 Prozent aus hellen, kraterbedeckten Hochländern. Auffällig ist ferner der sehr dunkle Boden des großen Kraters Tsiolkovskiy und des nahe gelegenen Kraters Jules Verne. Das Südpol-Aitken-Becken mit einem Durchmesser von 2240 km ist der größte Einschlagkrater auf dem Erdmond. Die zwei so ungleichen Hemisphären haben sich auch dadurch unterschiedlich entwickelt, dass der geometrische Mittelpunkt der Mondkugel und ihr Schwerpunkt um 1,8 Kilometer (1 Promille des Mondradius) voneinander abstehen, was mit einer Asymmetrie des inneren Aufbaus und der Mondkruste zusammenhängt. Nach einer 2011 aufgestellten Theorie liegt der Grund in einem zweiten Erdtrabanten, welcher vor etwa 4,5 Milliarden Jahren mit dem Mond kollidierte.[4][5] GIF-Animation einer Fotoserie des Transits des Mondes zwischen dem Satelliten DSCOVR, der sich am Lagrange-Punkt L1 des Erde-Sonne-Systems befindet, und der Erde am 16. Juli. Sie zeigt die sonst für uns unsichtbare Mondrückseite Wegen der fehlenden großen Mondmeere, die auf der Vorderseite vor etwa 4 Milliarden Jahren während des „letzten großen Bombardements“ entstanden, finden sich auf der Mondrückseite auch keine ausgedehnten Lavadecken. An größeren Mascons, Massen- bzw. Schwereanomalien als Folge großer Meteoriteneinschläge, ist nur jenes unter dem Mare Orientale und die stark gegliederte Beckenregion im Süden zu erwähnen; siehe Bild rechts.[6][7] Seit einigen Jahren werden von Astronomen Pläne erörtert, die Mondrückseite für besonders empfindliche Messungen zu nutzen.[8][9] Der Vorteil besteht dort in der Freiheit von jeglichem irdischen Störlicht – dem auch etwa das Hubble-Weltraumteleskop unterliegt – und des irdischen Funkverkehrs. Nachteilig wäre allerdings, dass Telemetrie und Funkverkehr nur über Mondsatelliten möglich wäre. Wegen der Strahlung und der Temperaturen wäre als Standort eines solchen Observatoriums die Nähe eines Mondpols vorteilhaft, wo die monatlichen Temperaturunterschiede nicht wie sonst über 200 Kelvin, sondern nur einen Bruchteil davon ausmachen. 1994 schlug der französische Astronom Jean Heidmann (1923–2000) den Mondkrater Saha als idealen Standort für ein lunares Radioteleskop für SETI vor.[10][11]
Die Planetologie spricht auch bei einigen anderen Monden des Sonnensystems, die eine zu ihrem Planeten gebundene Rotation aufweisen, von deren „Rückseite“, abgewandter oder „Außenseite“. Die gebundene Rotation trifft u. a. auf die vier großen Jupitermonde und auf einige Saturnmonde zu. Deren Hemisphären haben oft eine unterschiedliche Kraterdichte aus der Frühzeit, weil die Zahl der Einschläge von der Orientierung zum Planeten beeinflusst wird. Statistisch sind am meisten Einschläge auf jenem Mondviertel zu erwarten, das außen, aber in Bewegungsrichtung vorne liegt.[12] Einige Monde haben auch zwei unterschiedlich helle Hemisphären. Besonders ausgeprägt ist dies beim Saturnmond Japetus: Die im Umlaufsinn vordere Hälfte hat eine Albedo von nur 0,04. Diese extrem dunkle Region wurde nach dem Entdecker (1671) des Mondes Cassini Regio benannt und ist wahrscheinlich mit vulkanischem oder meteoritischem Staub bedeckt. Die hintere Hemisphäre ist mit Albedo 0,5 über zehnmal so hell, ähnlich wie die Oberfläche der großen Eismonde Jupiters.
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