Verliebtheit in etwas das nicht mehr ist

von Ulrich Mees

Welche Gedanken, Gefühle und Handlungen kennzeichnen die Liebe? Worin unterscheiden sich Liebe und Verliebtheit? Erwartet man vom Partner mehr oder andere "Liebesbeweise", als man selbst zu zeigen bereit ist? Und schließlich: Welche Umstände führen zu einem "Entlieben"? Das sind Fragen zur menschlichen Liebe, die empirisch untersucht wurden. Mit einem Kind der Liebe, der Eifersucht, beschäftigt sich ein weiterer Beitrag ("Eifersucht - ein Kind der Liebe").

Jeder, der die Liebe erlebt hat, dürfte wohl der Behauptung zustim men, daß dieses Gefühl das schönste und wichtigste ist, das Menschen erleben können. Wer sich jedoch wissenschaftlich mit dem Thema "Liebe" auseinandersetzen will, muß rasch feststellen, daß damit der Vorrat an unstrittigen, von allen geteilten Meinungen zur Liebe auch schon erschöpft zu sein scheint. Sogar die Frage, ob die Liebe überhaupt wissenschaftlich analysiert werden kann und soll, wird kontrovers beantwortet.

Insbesondere zwei populäre "Mythen" bezweifeln die Möglichkeit bzw. den Wert einer wissenschaftlichen Erforschung der Liebe: Der erste Mythos besagt, daß die Aufgabe, das Phänomen der menschlichen Liebe zu definieren und zu erklären, prinzipiell unlösbar sei. Man habe es zwar seit Jahrtausenden versucht, aber bis heute könne keiner genau sagen, was die Liebe ist. Die Liebe sei etwas Rätselhaftes, ein unergründliches Geheimnis.

Der zweite Mythos geht noch über den ersten hinaus und behauptet: Selbst wenn wir das Rätsel der Liebe lösen könnten, sollten wir es nicht tun: Die Liebe als Mysterium sollte dies gefälligst auch bleiben! So gab in den 70er Jahren der damalige US-Senator William Proxmire eine Presseerklärung heraus, in der er die Stornierung von Mitteln für ein Forschungsvorhaben zum Thema Liebe wie folgt begründete: "Ich glaube, daß 200 Millionen Amerikaner meine Auffassung teilen, daß gewisse Dinge im Leben geheimnisvoll bleiben sollten, und an der Spitze der Liste jener Dinge, die wir nicht wissen wollen, steht, warum sich zwei Menschen ineinander verlieben!"

Die Behauptung, keiner wisse, was Liebe sei (wie es der erste Mythos aussagt), trifft in dieser Form nicht zu. Wir wissen sehr viel mehr, als wir ausdrücklich sagen können, sonst wären wir ja niemals in der Lage zu erkennen, wann wir eine andere Person lieben und wann diese Liebe möglicherweise aufhört. Aber natürlich wissen wir insgesamt noch viel zu wenig Ausdrückliches über die Liebe. Jedoch sollte diese Erkenntnis Anlaß für vertiefte Forschung geben und nicht für Resignation.

Der zweite Mythos beruht wohl auf der Befürchtung, daß die Liebe durch eine wissenschaftliche Definition oder Erklärung möglicherweise banalisiert wird, was zu einer "Entzauberung" der Liebe führen könnte, eventuell gar zur Abschwächung des Liebeserlebens. Dem muß jedoch entgegengehalten werden, daß die Liebe zu wichtig für das menschliche Wohlergehen und das Gedeihen intimer Sozialbeziehungen ist, als daß man sie wissenschaftlich ignorieren könnte: So gibt z. B. die überwiegende Mehrzahl aller Verheirateten an, daß die Liebe ihr Hauptgrund für die Ehe gewesen ist; andererseits scheitern in westlichen Industriegesellschaften derzeit weit über 30 % aller Ehen. Erich Fromm formulierte das Problem in seinem Klassiker "Die Kunst des Liebens" folgendermaßen: "Es gibt kaum ein Unterfangen, das mit so ungeheuren Hoffnungen und Erwartungen begonnen wird und das mit einer solchen Regelmäßigkeit fehlschlägt wie die Liebe. Wäre das auf irgendeinem anderen Gebiet der Fall, so würde man alles daran setzen, die Gründe für den Fehlschlag herauszufinden und in Erfahrung zu bringen, wie man es besser machen könnte - oder man würde es aufgeben. Da letzteres im Falle der Liebe unmöglich ist, scheint es doch nur einen richtigen Weg zu geben, um ein Scheitern zu vermeiden: Die Ursachen für dieses Scheitern herauszufinden und außerdem zu untersuchen, was Liebe eigentlich bedeutet."

Leider werden starke Gefühle nicht immer erwidert. Das kann frustrierend sein.

Bis über beide Ohren verliebt zu sein, ist ein großartiges Gefühl. Aber nicht immer werden die großen Gefühle auch erwidert. Da hilft es nur, den anderen gehen zu lassen. Am besten ist es, von Anfang an auf sein Bauchgefühl zu hören, rät unser Kolumnist, der Paartherapeut Christian Hemschemeier.

03.06.2020, 19:07 Uhr

Wie schön ist es doch verliebt zu sein! Wir schweben auf Wolke 7, haben eine rosarote Brille auf und gehen träumend durch den Tag. Na gut, um realistisch zu bleiben, wachen viele aus dieser Träumerei auch schnell wieder auf, weil sich das Date dann doch eher als Albtraum entpuppt.

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Nach diesem Erwachen folgt oft ein bitteres Eingeständnis: Hätte ich doch nur auf mein mulmiges Bauchgefühl gehört.

Es war doch da, direkt am Anfang: Diese kleine, feine Stimme, auch Intuition genannt. Sie hat jedoch leider oft keine Chance gegen unseren starken Wunsch nach Nähe, nach einer Partnerschaft. Sie wird gekonnt überhört und bei jedem erneuten Aufflackern durch zig emotionale Gründe erstickt. Nach dem Motto: „Naja er arbeitet eben sehr viel, da kann es schon mal vorkommen, dass er sich zwei Tage nicht bei mir meldet.“ Oder: „Ja, sie hat eine schlimme Beziehung hinter sich. Klar, dass sie sich noch nicht mit mir in der Öffentlichkeit zeigen oder ihrer Familie von mir erzählen möchte.“

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Christian Hemschemeier ist Paartherapeut in Hamburg und Experte in Sachen Dating, Partnerschaft und Liebe.

Im Nachhinein betrachtet ist alles so offensichtlich. Wie konnten wir nur diese Warnhinweise übersehen? Sind wir denn wirklich so naiv, so weltfremd oder doch zu gutgläubig? Diese Gedanken sind normal, allerdings nicht hilfreich für das eigene, nach solch einer Beziehung oft angeknackste, Selbstbewusstsein. Ebenfalls normal ist es, dass wir in der Verliebtheitsphase über Dinge hinwegsehen, die uns für gewöhnlich stören würden. Das ist auf einen klugen Schachzug der Evolution zurückzuführen. Denn würden wir alles schon zu Beginn zu kritisch bewerten, würden wir keine Partnerschaft eingehen und infolgedessen keine Nachkommen zeugen.

Dennoch ist es nicht verkehrt – und vor allem für das eigene Seelenheil enorm wichtig – auch in der größten Verliebtheitsphase den Kopf einzuschalten. Läuft der neue Kontakt nach diesem Muster ab?

  • Dates ausmachen ist wie Zähne ziehen: Irgendwie kommt dem Gegenüber immer etwas dazwischen.
  • Kontaktaufnahmen gestalten sich schwierig: Er/sie ist immer sehr beschäftigt.
  • Du wirst verheimlicht: Das bedarf keiner weiteren Erläuterung.
  • Du bekommst keinen klaren Status. Ob ihr zusammen seid oder nicht ist doch völlig „egal.“ Er/Sie braucht eben keinen solchen Status.
  • Das Vorantreiben der Beziehung ist einseitig: Du bist die/der einzige die/der investiert.
  • Du wirst kritisiert und scheinst nichts richtig machen zu können.
  • Die Beziehungserfahrung ist nicht vollständig: Entweder läuft es nur im Bett oder nur auf platonischer Ebene. Eine der beiden Seiten wird nicht bedient.
  • Die Beziehung baut sich eher ab als auf: Ihr kommt keinen einzigen Schritt voran.
  • Das Bauchgefühl meldet sich mal wieder.
  • Worte & Taten passen nicht zusammen: Worte zeigen wie jemand gerne wäre, Taten zeigen wie jemand ist.

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So blumig die Worte auch sein mögen: Das Einzige, was zählt, sind Fakten! Das klingt vielleicht hart, aber es erspart jede Menge Leid. Wenn wir verliebt sind, möchten wir dies zwar nicht wahrhaben, aber es gibt unzählige Gründe, warum der neue Partner eben doch nicht der/die Richtige ist. Vielleicht ist er schlicht und ergreifend nicht in uns verliebt oder emotional nicht verfügbar. Oder er ist in einer anderen Lebensphase. Oder, oder, oder...

Unabhängig von den Gründen - der falsche Weg ist immer, an so jemandem festzuhalten. Denn zum einen vergeuden wir dadurch kostbare Lebenszeit. Zum anderen kann unser Selbstwert enormen Schaden nehmen. Und vor allem verpassen wir dadurch vielleicht den Partner, mit dem wir eine freie, leichte und erfüllte Beziehung leben können.

Der Autor und seine Kurse sind zu erreichen über www.liebeschip.de. Sein Buch “Der Liebescode” ist 2019 im Handel erschienen.