Einem gesellschafter wurde die geschäftsführubgsbefugnis entzigen was heißt das

 

(1) Die einem Gesellschafter durch den Gesellschaftsvertrag übertragene Befugnis zur Geschäftsführung kann ihm durch einstimmigen Beschluss oder, falls nach dem Gesellschaftsvertrag die Mehrheit der Stimmen entscheidet, durch Mehrheitsbeschluss der übrigen Gesellschafter entzogen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt; ein solcher Grund ist insbesondere grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung.

(2) Der Gesellschafter kann auch seinerseits die Geschäftsführung kündigen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt; die für den Auftrag geltende Vorschrift des § 671 Abs. 2, 3 findet entsprechende Anwendung.

 

§ 712 ist dispositiv, so dass Erleichterungen für Entziehung und Kündigung vereinbart werden können. Ein Verzicht auf das Kündigungsrecht nach § 712 II bleibt jedoch durch den Verweis auf § 671 III wirkungslos. Die Einschränkung oder der Ausschluss des Rechts nach § 712 I ist dagegen trotz § 314 möglich, weil die Geschäftsführungsbefugnis nicht dienstvertraglicher Natur ist und dann immer noch die Kündigung der Gesellschaft oder der Ausschluss des Betroffenen als Handlungsoption verbleibt (Soergel/Hadding/Kießling § 712 Rz 5).

B. Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis.

I. Anwendungsbereich.

 

Rn 2

§ 712 I findet in erster Linie auf die Fälle der übertragenen Geschäftsführung der §§ 710, 711 Anwendung, nach inzwischen hM richtigerweise aber auch auf Gesamtgeschäftsführer iSd § 709 (Frankf BeckRS 2013, 01954 Rz 51; MüKo/Schäfer § 712 Rz 6; BRHP/Schöne § 712 Rz 7; MüHdBGesR I/v Ditfurth § 7 Rz 66; zweifelnd Erman/Westermann § 712 Rz 2), weil die Entziehung der Geschäftsführung das mildere Mittel ggü der Kündigung der Gesellschaft bzw dem Ausschluss des Betroffenen und zugleich im Interesse des Fortbestands der GbR ist (aA Braunschw, ZIP 10, 2402). § 712 I gilt bei der Außen- wie bei der Innen-GbR (s § 705 Rn 33 f). Ausgenommen ist nur die Innen-GbR ieS, wie zB der Unterbeteiligung, weil dort die Entziehung der Geschäftsführung die Grundstruktur der GbR umwälzen würde (Erman/Westermann § 712 Rz 2; MüHdBGesR I/v Ditfurth § 7 Rz 67 mwN).

II. Wichtiger Grund.

 

Rn 3

Ein wichtiger Grund für die Entziehung liegt vor, wenn die weitere Geschäftsführung des Betroffenen (in dem vertraglich bestimmten Umfang) den Mitgesellschaftern unzumutbar ist und die Interessen der Gesellschaft erheblich gefährdet, was unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls und unter Beachtung der Treuepflicht zu beurteilen ist (BGH DB 08, 806 f; WM 67, 417). Ein Verschulden des Betroffenen ist beachtlich, aber – wie das zweite Bsp in § 712 I (Unfähigkeit zur Geschäftsführung) zeigt – nicht zwingende Voraussetzung. Bsp sind tiefgreifende Störungen des Vertrauensverhältnisses (BGH aaO), arglistiges oder sittenwidriges Verhalten (RG JW 35, 696), hartnäckiges Ignorieren der Mitwirkungsrechte der anderen Gesellschafter (BGH NJW 84, 173), offensichtlich sachfremde Widersprüche gegen Geschäftsführungsmaßnahmen (BGH NJW 72, 862), finanzielle Unregelmäßigkeiten (BGH DB 08, 806 f: auch in einer anderen Gesellschaft) oder ein unheilbares Zerwürfnis unter den Gesellschaftern (RGZ 162, 78, 83).

III. Beschlussfassung.

 

Rn 4

Der Beschl wird ohne den Betroffenen gefasst, mangels abw vertraglicher Regeln (§ 709 Rn 17) durch die übrigen Gesellschafter einstimmig. Die Teilentziehung der Befugnisse ist möglich (BGH NJW-RR 02, 540f [BGH 10.12.2001 - II ZR 139/00]). Mitgesellschafter können auf ihre Zustimmung zum Beschl verklagt werden, wenn ihnen die Mitwirkung zumutbar ist (MüKo/Schäfer § 712 Rz 15). In der Zweipersonengesellschaft tritt anstelle des Beschlusses die einseitige Erklärung des anderen Gesellschafters (RGZ 162, 78, 83). Die Entziehung der Geschäftsführung umfasst nicht ohne weiteres die Entziehung der Vertretungsmacht nach § 715, weshalb dies im Beschl klargestellt werden sollte. Der Beschl kann durch Feststellungsklage überprüft werden, die durch jeden Gesellschafter erhoben werden kann.

 

Rn 5

Rechtsfolge der Entziehung der übertragenen Geschäftsführung ist nach bisher hM das Aufleben der Gesamtgeschäftsführungsbefugnis des § 709. Mit vordringender Auffassung ist dies nur dann anzunehmen, wenn nur noch ein geschäftsführender Gesellschafter verbleibt, weil idR nicht das Erstarken seiner Befugnis zur Einzelgeschäftsführung gewollt sein wird (BGH NJW 64, 1624 [BGH 25.05.1964 - II ZR 42/62]). Verbleiben aber zwei oder mehr geschäftsführende Gesellschafter, die nach den urspr Regelungen auf die Mitwirkung des Betroffenen nicht angewiesen sind, ist es dagegen richtig, dass diese ihre Befugnisse behalten (MüKo/Schäfer § 712 Rz 20; Erman/Westermann § 712 Rz 8; MüHdBGesR I/v Ditfurth § 7 Rz 70). Findet § 709 Anwendung, ist richtigerweise der betroffene Gesellschafter auch insoweit von der Geschäftsführung ausgeschlossen, weil die Entziehung der Geschäftsführung andernfalls einen großen Teil ihrer Wirkung verlieren würde (MüHdBGesR I/v Ditfurth § 7 Rz 71; aA Staud/Kessler § 712 Rz 5).

C. Kündigung.

 

Rn 6

Auch die Kündigung ist nicht beliebig, sondern nur aus wichtigem Grund möglich. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn es dem Kündigenden unzumutbar ist, sein...

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Bild: PhotoDisc Inc. Der Eingriff in relativ unentziehbare Rechte ist nur bei Vorliegen einer besonderen Rechtfertigung statthaft

Die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis des geschäftsführenden Gesellschafters einer KG ist ein sog. relativ unentziehbares Recht. Ein Eingriff in dieses Recht ist nur rechtmäßig, wenn dies im Interesse der Gesellschaft geboten und für den betroffenen Gesellschafter zumutbar ist oder dieser dem Eingriff zugestimmt hat.

Die Klägerin und die Beklagten zu 1) und 2) waren Gesellschafter einer GmbH& Co. KG. Die Beklagte zu 1) (die GmbH) war persönlich haftende Gesellschafterin der KG. Nach dem Gesellschaftsvertrag war der Beklagte zu 1) als Komplementärin zur alleinigen Vertretung und Geschäftsführung der Gesellschaft berechtigt. Der Gesellschaftsvertrag sah ferner vor, dass die Gesellschafterversammlung über die Entscheidung zur Änderung des Gesellschaftsvertrages zuständig sei und Beschlüsse, auch in bedeutsamen Angelegenheiten, mit einfacher Mehrheit gefasst wurden, soweit keine vorrangigen Regelungen bestanden.

Im August 2016 wurde auf der Gesellschaftsversammlung u.a. folgender satzungsändernder Beschluss mit einfacher Mehrheit gefasst: „Einem geschäftsführenden Gesellschafter kann durch Gesellschafterbeschluss die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis ohne Angaben von Gründen mit einer Frist von zwei Monaten zum Ende des Quartals entzogen werden. Ein am Kapital beteiligter Komplementär kann die Umwandlung seiner Beteiligung in einen Kommanditanteil verlangen, wenn ihm die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis entzogen wird.“

Die Beklagte zu 1) erklärte den Beschluss für unwirksam. Die Klägerin beantragte die Feststellung der Wirksamkeit des Beschlusses und hatte vor dem Berufungsgericht Erfolg. Sie führte an, dass es bei einem Vertrauensverlust der Mehrheit der Gesellschafter möglich sein müsse, eine Änderung der Geschäftsführung- und Vertretungsbefugnis zu erreichen, ohne einen Rechtsstreit über das Vorliegen eines wichtigen Grundes darüber führen zu müssen. Auch sei das Haftungsrisiko der Komplementärin (Beklagte zu 1)) begrenzt, da sie ihren Anteil in einen Kommanditanteil umwandeln könne. Mit der Revision beantragen die Beklagten die Aufhebung des Berufungsurteils, da der gefasste Beschluss unwirksam sei.

Das Urteil des BGH (Az. II ZR 359/18 )

Die Revision hat Erfolg. Der BGH stellte klar, dass die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis als sog. relativ unentziehbares Recht nicht durch Gesellschafterbeschluss entzogen werden könne. Eingriffe in ein relativ unentziehbares Recht seien nur dann zulässig, wenn dies im Interesse der Gesellschaft unerlässlich bzw. notwendig, d.h. geboten und für den betroffenen Gesellschafter unter Berücksichtigung der eigenen schutzwürdigen Belange zumutbar sei oder er dem Eingriff zugestimmt habe. Diese Voraussetzungen seien vorliegend jedoch nicht erfüllt. Insbesondere rechtfertige das von der Klägerin angeführte Argument, im Falle eines Vertrauensverlustes eine zeitnahe Geschäftsführungsänderung herbeizuführen, den Eingriff in die bestehende Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis der Beklagten zu 1) nicht.

Zwar könne nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ein Gesellschaftsvertrag den Entzug der Befugnisse auch ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes vorsehen. Hier habe der ursprüngliche Gesellschaftsvertrag aber gerade keine Regelung beinhaltet, wonach die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis auch ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes entzogen werden konnte. Eine solche Regelung sollte erst mit dem nachträglichen Beschluss eingeführt werden. Wenn aber eine solch einschneidende Regelung erst nachträglich in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen werden soll, muss sie auch den damit verbundenen Eingriff in das relativ unentziehbare Recht des Komplementärs rechtfertigen können. Dies war hier nicht der Fall.

Anmerkung

Der BGH verdeutlicht mit diesem Urteil, dass der Eingriff in relativ unentziehbare Rechte nur bei Vorliegen einer besonderen Rechtfertigung statthaft ist. Relativ unentziehbare Rechte sind Rechte, in die grds. nur mit der Zustimmung des betroffenen Gesellschafters eingegriffen werden darf oder für diesen zumindest unter Berücksichtigung aller Umstände zumutbar sein muss. Zu den relativ unentziehbaren Rechten gehören bspw. solche, welche die rechtliche Position des jeweiligen Gesellschafters prägen, wie bspw. seine  Mitgliedschaftsrechte oder Informationsrechte.

Ferner können bestimmte Mitgliedschaftsrechte in der Satzung als relativ unentziehbar ausgestaltet werden. Eingriffe in diese Rechtspositionen sind daher stets genau zu prüfen. Ob dabei jeder Eingriff einer besonderen Rechtfertigung bedarf oder ob in Anbetracht des die Gesellschafter schützenden Gleichbehandlungsgrundsatzes nur unmittelbare Eingriffe in diese Rechte (wie bspw. Neuverteilung der Stimmrechte) den hohen Rechtfertigungsschranken unterliegen, bleibt noch offen. Auch das vorliegende Urteil hat gezeigt, dass jedenfalls nachträgliche Änderungen des Gesellschaftsvertrags einen Eingriff in besonders geschützten Rechtspositionen darstellen können und sich daher an höheren Schranken messen lassen müssen, als Satzungsinhalte, die von vornherein bestanden.

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