Bilder von ulcus cruris und ulcus was ist der unterschied

Etwa eine Million Menschen in Deutschland leiden unter Ulcera cruris, die von Perfusionsstörungen im Unterschenkel hervorgerufen werden. Den Durchblutungsstörungen liegen Krankheiten des Blutgefäßsystems, wie eine Veneninsuffizienz oder eine Arteriosklerose, zugrunde.

Synonyme

Unterschenkelulzeration, Unterschenkelgeschwür, Beinulkus, offenes Bein

Bilder von ulcus cruris und ulcus was ist der unterschied

Das Ulcus cruris tritt je nach Ursache an bestimmten Lokalisationen des Unterschenkels auf. Es zählt zu den chronischen Wunden. Nach zeitlicher Definition werden Wunden als chronisch bezeichnet, wenn sie nach acht Wochen nicht abgeheilt sind. Nach kausaler Definition zählt man auch Substanzdefekte der äußeren Haut und der darunterliegenden Strukturen zu den chronischen Wunden, wenn ihre Ursache eine chronische Erkrankung ist. In diese Gruppe der chronischen Wunden ist auch das Ulcus cruris einzuordnen, das vor allem durch chronische Erkrankungen der Blutgefäße (Veneninsuffizienz, periphere arterielle Verschlusskrankheit oder lokale Arteriolosklerose) hervorgerufen wird. Man unterscheidet je nach zugrundeliegender Ursache folgende Formen des Ulcus cruris:

  • Ulcus cruris venosum
  • Ulcus cruris arteriosum
  • Ulcus cruris mixtum (Ursache venös und arteriell gemischt)
  • Ulcus hypertonicum Martorell (UHM): Das UHM ist eine Sonderform des Unterschenkelgeschwürs und eine Folge chronischen, schlecht eingestellten, arteriellen Bluthochdrucks.

Etwa 1% der Erwachsenen in Deutschland leidet unter einer chronischen Wunde. In den meisten Fällen handelt es sich dabei um ein Ulcus cruris, ein diabetisches Fußsyndrom oder einen Dekubitus. Von den verschiedenen Formen des Ulcus cruris sollen in Deutschland rund eine Million Menschen betroffen sein. Knapp 50% davon leiden unter einem Ulcus cruris venosum, 17,6% unter einem Ulcus cruris mixtum und 14,5% unter einem Ulcus cruris arteriosum.

Zum Ulcus hypertonicum Martorell (UHM) sind keine Zahlen zur Prävalenz bekannt. Es gilt als unterdiagnostiziert. Man nimmt an, dass es aufgrund seiner großen Ähnlichkeit mit dem klinischen Bild einer Pyoderma gangraenosa oder einer nekrotisierenden kutanen Vaskulitis sehr häufig zu Verwechslungen kommt.

Am häufigsten verursachen Gefäßerkrankungen ein Ulcus cruris. Knapp 50% der Unterschenkelulzerationen sind auf eine venöse Insuffizienz zurückzuführen. Ein Ulcus cruris mixtum ist sowohl arteriellen als auch venösen Ursprungs und liegt in 17,6% der Fälle vor. Eine periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK) verursacht etwa 14,5% der Beinulzera.

Ulcus hypertonicum Martorell

Das Ulcus hypertonicum Martorell (UHM) wird von einem Hautinfarkt infolge einer stenosierenden Arteriolosklerose verursacht. Die dahinterliegende systemische Ursache ist eine langjährig bestehende arterielle Hypertonie.

Gefäßerkrankungen wie eine chronische Veneninsuffizienz, die periphere Arterienverschlusskrankheit oder eine Arteriosklerose infolge eines langjährigen Bluthochdrucks führen zu Perfusionsstörungen im Unterschenkel. Die gestörte Durchblutung schädigt die Haut und die darunterliegenden Gewebe direkt durch eine mangelhafte Oxygenierung, eine erhöhte Bildung von Sauerstoffradikalen oder durch chronische Entzündungsprozesse.

Gleichzeitig kommt es durch die Perfusionsstörungen zu einer massiven Beeinträchtigung der physiologischen Wundheilung. Es entsteht ein Ungleichgewicht von anabolen und katabolen Prozessen mit einer Verschiebung hin zu den katabolen Prozessen. Meist kommt es dann in der Entzündungsphase, manchmal auch in der Granulationsphase, zu einer Stagnation der Wundheilung mit einer reduzierten Mitoserate der Fibroblasten (Seneszenz der Fibroblasten) und einer Degradation der Matrix durch z. B. Matrixmetalloproteasen. Bakterielle Besiedlung und die Infektion mit pathogenen Keimen können das Krankheitsbild komplizieren. Häufig sind auch Behandlungsfehler (z. B. mangelnde Therapieadhärenz des Patienten, unsachgemäß angelegter Kompressionsverband usw.) die Ursache für eine stark verzögerte Wundheilung.

Das klinische Bild des Ulcus cruris ist je nach zugrundeliegender systemischer Ursache unterschiedlich.

Ulcus cruris venosum

Das Ulcus cruris venosum ist in der Regel am Innenknöchel lokalisiert. Die Patienten klagen über schwere und müde Beine. Die Beine schmerzen, wenn sie frei herabhängen. Folgende Erscheinungen können das Ulcus cruris venosum begleiten:

  • Hämosiderose
  • retikuläre Varizen (perimalleolär)
  • Varikosis
  • Atrophie blanche
  • Ödeme
  • Stauungsdermatitis
  • Dermatoliposklerose (Flaschenhalsdeformation)

Ulcus cruris arteriosum

Ein Ulcus cruris arteriosum befindet sich an den Zehen, dem Vorfuß, dem Außenknöchel oder der Tibiakante. Die Patienten beschreiben eine Claudicatio intermittens. Zu Beginn haben die Patienten nur bei Belastung Schmerzen. In fortgeschrittenen Stadien der zugrundeliegenden PAVK leiden die Patienten auch unter Ruheschmerzen. Im Unterschied zum Ulcus cruris venosum treten die Schmerzen vor allem bei der Hochlagerung der Beine auf. Beim Ulcus cruris arteriosum sind folgende Begleiterscheinungen zu erwarten:

  • Blasse, kühle Haut
  • livide Erytheme
  • akrale Ulzerationen mit Nekrosen
  • Knöchel-Arm-Index (ankle-brachial index [ABI]): < 0,9,
  • fehlende Fußpulse

Ulcus cruris mixtum

Beim Unterschenkelgeschwür gemischten Ursprungs treten Symptome von venösen und arteriellen Ulcera auf. Die Ausprägung ist dabei individuell unterschiedlich.

Ulcus hypertonicum Martorell (UHM)

Das UHM ist meist am laterodorsalen Unterschenkel oder über der Achillessehne lokalisiert. Sein Erscheinungsbild mit inflammatorisch-livid veränderten Wundrand, Nekrosen und einer Wachstumstendenz kann an eine Pyoderma gangraenosum oder nekrotisierende kutane Vaskulitis erinnern. Es ist mit starken, invalidisierenden Schmerzen verbunden.

Die Lokalisation, die Symptome und die Begleiterscheinungen der verschiedenen Formen des Ulcus cruris lassen eine Verdachtsdiagnose zu.

Zur Erhärtung des Verdachts sowie für eine sachgerechte und sinnvolle Therapieentscheidung muss die Ursache des Ulcus cruris zwingend diagnostisch abgeklärt werden. Zur systematischen Abklärung wird die Anwendung der sogenannten ABCDE-Regel empfohlen, die an die Gegebenheiten im Einzelfall angepasst werden kann. Die Buchstaben der ABCDE-Regel stehen für die folgenden diagnostischen Schritte:

  • A = Anamnese (anamnesis)
  • B = Bakterien (bacteria)
  • C = Klinische Untersuchung (clinical examination)
  • D = Durchblutung (defective vascular system)
  • E = Extras (extras)

Anamnese

Die sorgfältige und detaillierte Anamnese ist die Grundlage für die Diagnose und die Therapieentscheidung, bzw. für die Erstellung eines Pakets individuell angepasster Therapiemaßnahmen (s.u.). Zur Anamnese gehört je nach Einzelfall, Verdachtsdiagnose und Begleiterkrankungen die Klärung folgender Punkte:

  • Schmerzhaftigkeit (wann, bei welcher Beinhaltung, Qualität)
  • Bewegungseinschränkungen
  • Claudicatio intermittens
  • initiales Aussehen der Wunde (möglichst detaillierte Beschreibung)
  • Dynamik der Wunde
  • Ödemneigung und Schweregefühl der Beine
  • Thrombosen
  • Komorbiditäten (z. B. arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus, Herz- und Niereninsuffzienz, thrombembolische Ereignisse, etc.)
  • familiäre Disposition
  • Auslandsaufenthalte beziehungsweise Reiseanamnese
  • Medikamenteneinnahme
  • Allergien
  • Tetanus-Impfschutz
  • Beeinträchtigung der Lebensqualität
  • Versorgungssituation

Bakterien

Falls keine klinischen Symptome einer bakteriellen Infektion vorliegen, ist eine bakteriologische Untersuchung der Wunde nicht nötig. Bei der Erstvorstellung sollte jedoch untersucht werden, ob multiresistente Erreger (MRE) auf der Wunde nachweisbar sind, um rechtzeitig die entsprechenden spezifischen präventiven Hygiene-Maßnahmen zu ergreifen.

Klinische Untersuchung

Die Lokalisation der Wunde, ihr Erscheinungsbild und die Wundumgebung geben häufig schon entscheidende Hinweise zu ihrer Ursache und Ätiologie. Zur Beurteilung des Therapieverlaufs ist die Erfassung und Dokumentation des Wundstatus und des Verlaufs der Erkrankung von großer Bedeutung. Die Empfehlungen des nationalen Konsensus zur Wunddokumentation beim Ulcus cruris (2017) sollten für die standardisierte Dokumentation genutzt werden.

Durchblutung

Zu den Basisuntersuchungen der Durchblutung bei einem Ulcus cruris gehören:

  • Doppler- und farbkodierte Duplex-Sonografie der Beingefäße
  • Tasten von Fußpulsen
  • Bestimmung des Knöchel-Arm-Druck-Indexes (ankle-brachial-index [ABI])
  • bei Diabetikern: Bestimmung des Zehen-Arm-Druck-Indexes (toe-brachial-index [TBI])

Extras

Wenn die Basisuntersuchungen keine eindeutigen Hinweise auf die Ursache bzw. Ätiologie der Wunde erbringen, oder die Wunde nach sechswöchiger leitliniengerechter Therapie keine Anzeichen der Besserung zeigt, müssen weiterführende spezifische Untersuchungen (z.B. Histologie, Angiologie oder Diabetologie) eingeleitet werden.

Differenzialdiagnosen

Im Einzelfall müssen folgende Differenzialdiagnosen für die Ursachen von chronischen Wunden ausgeschlossen werden:

Stoffwechselerkrankungen

  • diabetisches Fußsyndrom
  • Kalziphylaxie
  • Hyperhomocysteinämie

Äußere Faktoren

  • Dekubitus
  • Trauma/Artefakte (auch autoaggressive Selbstverletzungen)
  • Verbrennungen
  • Strahlenschäden

Arzneimittel:

  • Hydroxyurea
  • Cumarine
  • Heparine
  • Methotrexat

Dermatosen

  • Necrobiosis lipoidica
  • Pyoderma gangraenosum

Bakterielle Infektionen

  • Ekthyma
  • Erysipel
  • Lues
  • gramnegativer Fußinfekt
  • atypische Mykobakteriose

Virale Infektionen und Parasiten

  • nekrotisierender Herpes Zoster
  • Herpes simplex
  • kutane Leishmaniose

Erbliche Krankheiten

  • Klippel-Trénaunay-Syndrom
  • Klinefelter-Syndrom
  • Wyburn-Mason-Syndrom

Gerinnungsstörungen

  • Anti-Phospholipid-Syndrom
  • Faktor-V-Leiden-Mutation
  • Protein-C/S-Mangel
  • Livedovaskulopathie

Neoplasien

  • Basalzellkarzinom
  • spinozelluläres Karzinom
  • malignes Melanom
  • Lymphom
  • Metastasen

Autoimmunerkrankungen

Die Behandlung der zugrundeliegenden systemischen Erkrankungen ist die Voraussetzung für einen nachhaltigen Erfolg der Wundbehandlung.

Die lokale Wundtherapie erfolgt angepasst an die Ursache des Ulcus cruris konservativ und/oder chirurgisch interventionell. Die Kompressionstherapie ist eine Säule der kausalen Behandlung des Ulcus cruris venosum. Die Kompression fördert die Abheilung, lindert die Schmerzen, verringert das Rezidivrisiko und steigert die Lebensqualität. Beim Ulcus hypertonicum Martorell ist die Nekrosektomie mit Spalthauttransplantation die Behandlung der Wahl.

Konservative Wundbehandlung

Der Nutzen einer konsequenten Kompressionstherapie ist bei Ulcus cruris venosum und Ödemen belegt und wird daher in diesen Fällen empfohlen. Während das Anlegen von Kompressionsverbänden dem Fachpersonal vorbehalten ist, können Kompressionstrümpfe auch von den Patienten selbst angezogen werden. Eine sorgfältige Patientenaufklärung und Schulung trägt zur guten Wirksamkeit der Kompressionstherapie und vor allem zur Prophylaxe von Schäden und Komplikationen durch eine falsche Anwendung der Kompressionsstrümpfe bei.

Für die angepasste konservative Wundbehandlung bietet sich ein strukturiertes Vorgehen nach dem MOIST Konzept an. Das Akronym MOIST steht für:

  • M = Moisture balance (Exsudatmanagement)
  • O = Oxygen balance (Sauerstoffzufuhr)
  • I = Infection control (Infektionskontrolle)
  • S = Support (Unterstützung des Heilungsprozesses)
  • T = „Tissue management“ (Gewebemanagement)

Moisture balance

Trockene Wundoberflächen sollten mit Hydrogelen befeuchtet, stark nässende Wunden getrocknet werden (z. B. mit Superabsorbern).

Oxygen balance

Maßnahmen zur Verbesserung der Sauerstoffzufuhr, wie z. B. topisch applizierbares Hämoglobin, werden eingesetzt, wenn eine Revaskularisation und eine Kompressionstherapie nicht genügend Erfolg hatten.

Infection control

Damit sind sämtliche Maßnahmen gemeint, die einer Infektion der Wunde vorbeugen sollen, wie die Wundtoilette (z. B. mit Polihexanid oder Octenidin) oder antiseptischen Wundauflagen mit z. B. Silber.

Support

Support-Maßnahmen sollen den gestörten Wundheilungsprozess wieder in Gang und ins Gleichgewicht zu bringen. Hierzu dienen eine Vielzahl neuer sehr vielfältiger Therapeutika, wie z. B. Wundstarter oder aktive Wundversorgungsprodukte, die das Wundmilieu beeinflussen. Einige Beispiele für Ansatzpunkte:

  • Reduktion der Matrixmetalloproteinasen (MMPs) durch Kollagen und Zellulose, Nano-Oligosaccharid-Faktor oder polyhydrierte Ionogene.
  • thrombozytärer Wachstumsfaktor (platelet-derived growth factor [PDGF]) oder epidermaler Wachstumsfaktor (epidermal growth factor[EGF])
  • Senkung des pH-Wertes durch modifizierte Stärke (Poloxomer)

Trotz interessanter Ansatzpunkte ist die wissenschaftliche Datenlage noch zu dünn für konkrete Empfehlungen der Fachgesellschaften.

Die Prognose des Ulcus cruris hängt von der Schwere des Krankheitsbild, den individuellen Voraussetzungen des Patienten sowie der Behandlung von Wunde und Grunderkrankung ab. Generell heilen venös bedingte Ulcera crura schneller ab als arteriell bedingte. Wenn die Wunde nicht abheilt, besteht das Risiko tiefer Nekrosen, die eine Amputation erforderlich machen. Aufgrund der unheilbaren Grunderkrankungen besteht ein lebenslanges Rezidivrisiko.

Die Prophylaxe eines Ulcus cruris beginnt bei der Vorbeugung der systemischen Grunderkrankungen durch die Meidung der bekannten kardiovaskulären Risikofaktoren und ggf. der Änderung des Lebensstils des Patienten. Die Früherkennung und konsequente Behandlung der systemischen Grunderkrankungen inklusive, falls nötig, Lebensstiländerungen des Patienten tragen zur Prävention eines Ulcus cruris bei. Patienten mit abgeheiltem Ulcus cruris venosum können einem Rezidiv vorbeugen, indem sie die präventive Kompressionstherapie zuverlässig weiterführen.

Der Therapieerfolg bei der Behandlung von Ulcera cruris hängt entscheidend von der aktiven Mitarbeit des Patienten ab. Eine sorgfältige Aufklärung und Schulung des Patienten sowie regelmäßige Kontrolltermine tragen dazu bei, behandlungsbedingte Störungen und Komplikationen der Wundheilung zu verringern und so die gewünschte Abheilung zu fördern.

Autor:

Barbara Welsch (Medizinjournalistin)

Stand:

28.01.2020